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Heartless Hearts

von

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Kapitel: 3/7
 

Disclaimer: Alle handelnden Personen gehören nur sich selbst – ich habe sie mir nur für die Geschichte ausgeborgt x)
 

H e a r t l e s s H e a r t s
 


 

Kapitel 3
 

Nun lagen sie da, eng beieinander und aneinander geschmiegt, als würden sie die innigsten Gefühle teilen, die ein Herz überhaupt empfinden konnte. Im Moment war den beiden jungen Männern einfach alles gleichgültig und sie waren nur noch einander wichtig. Die kalte Realität würde sie doch noch früh genug einholen, also konnten sie diesen bezaubernden Moment doch noch ein wenig genießen.
 

Noch immer fragte Ryu sich, ob er jemals zuvor so guten Sex gehabt hatte, wie eben mit Keita. All diese Berührungen und Blicke, Keitas erst so leises, verhaltenes Keuchen bis hin zu wildem Stöhnen. Er konnte das alles noch immer fühlen und erschauderte ein ums andere Mal angenehm. Es war einfach alles dabei gewesen, was Ryu sich wünschte. Scheinbar wusste Keita ganz genau, wie er einen anderen Mann glücklich machen konnte.
 

Eines bereitete Ryu aber noch immer Kopfschmerzen. Als er seinem Spielgefährten das Oberteil ausgezogen hatte, war etwas zum Vorschein gekommen, womit er nicht gerechnet hatte. Noch immer sah er es bildhaft vor sich. Ein Geflecht aus Narben, welche allerdings schon alt sein mussten, denn sie waren längst verblasst. Frische Narben hätten anders ausgesehen – aber wie war er nur dazu gekommen?
 

Jetzt sah er Keita an, musterte sein entspanntes Gesicht. So wie er da gerade lag – auf die Seite gedreht und leicht zusammen gerollt und mit geschlossenen Augen – sah er so süß und friedlich aus, ja beinahe unschuldig. Er wirkte nicht im Geringsten so, als hätte er etwas durchzustehen gehabt. Oder war er deswegen so speziell in seinen Handlungen? Hatte diese alte Verletzung etwas damit zutun? Die Neugier wurde immer größer.
 

Ryu legte seine Arme um ihn und rückte noch etwas näher zu ihm. Seine Lippen streiften seine Stirn, dann fragte er einfach.
 

»Was ist mit dir geschehen?« Er konnte beinahe fühlen, wie Keita die dunklen Augen wieder aufschlug und zu ihm auf blickte. Im Bett war tatsächlich er der Kleine, auch wenn er Ryu im normalen Leben ein ganzes Stück überragte.
 

»Was meinst du?«
 

»Die Narben. Wer war das?«, fragte Ryu merklich sanft und strich seiner Begleitung durch die seidigen Haare, die allerdings ein wenig durcheinander geraten waren. Keita merkte dennoch, dass er ihm nicht zu nahe treten wollte und ihm durchaus die Chance ließ darüber einfach zu schweigen. Schließlich legte Keita die Hand auf seine Brust, fühlte über seine Haut. War er bereit mit ihm darüber zu sprechen?
 

»Als Kind wurde ich oft operiert«, erzählte er nach beinahe endloser Stille und vielen Grübeleien, wie er diese Geschichte nur erzählen sollte. Seit langer Zeit hatte er nicht mehr darüber gesprochen und es eigentlich auch erfolgreich verdrängt, was er durchgestanden hatte und was ihm noch bevor stehen sollte. Nun lebte alles wieder in ihm auf und erschütterte ihn bis ins Mark.
 

»Ich bin mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen und als ich noch jünger war, wurde durch viele Operationen versucht den Fehler zu beheben.« Keita hörte sich trotz seiner unschönen Vergangenheit recht gelassen an. Nur manchmal hob sich seine Stimme ein wenig und ließ darauf schließen, dass es ihm vielleicht doch nicht ganz so leicht fiel darüber zu sprechen.
 

»Es hat mich gezeichnet, aber irgendwann haben sowohl meine Eltern als auch die Ärzte aufgegeben«, berichtete er weiter und wich dem Blick seines Zuhörers aus. Ryu lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sollte das etwa bedeuten…
 

»Es ließ sich nicht beheben.« Ein weiterer Schauer. Ryus Fingernägel vergruben sich unwissentlich in die Haut an Keitas Rücken. Ein wenig zuckte er daraufhin zusammen. »Und meine Ärzte haben mir gesagt, dass ich nicht älter als 25 werde.« Die Verbitterung lag in seiner Stimme – es fiel ihm merklich schwer das alles zu sagen.
 

»Keita…«
 

»Ich bin schon 23. Und ich merke, dass es mir immer schlechter geht. Alles was ich mir für mein Leben noch wünsche sind ein paar schöne Tage und das ich nichts auslasse, was ich gern tun würde.« Er klang so ernst und als er den sich immer mehr verfinsterten Ausdruck seines Gegenübers erkannte, schickte er ein kleines Lächeln über seine Lippen.
 

»Ich werde sehr bald sterben, Ryu«, sprach er die grausame Wirklichkeit aus und brachte es auf den Punkt. »Ich habe eine Patientenverfügung: wenn ich nur noch durch Geräte am Leben erhalten werde, dann müssen sie ausgestellt werden. Ich will es so.« Etwas in dem Kleineren wollte brechen und bröckelte bereits. Vor seinem inneren Auge entstanden schreckliche Bilder, wie Keita leblos dalag und seine wunderbaren warmen, braunen Augen nicht mehr aufschlug. Niemals zuvor hatte er sich in seinem jungen Leben mit dem Tod konfrontieren müssen. Nun musste er realisieren, dass es auch ganz anders sein konnte. Keitas gesamtes Leben über hatte er schon gewusst, dass er kein hohes Alter erreichen würde.
 

Es dauerte lange bis Ryu sich wieder halbwegs gefangen und die Vorstellung zumindest ein Stück von sich weggedrängt hatte.
 

»Ich verstehe das nicht«, gab er leise zu. »Kann man dir kein Spenderherz geben?« Eine berechtigte Frage – wie er fand, die aber viel panischer über seine Lippen kam als er es eigentlich wollte. Das alles nahm ihn einfach furchtbar mit und er entdeckte selbst eine ganz neue Seite an sich: eine ängstliche. Selbst seine Hände zitterten merklich.
 

Doch Keita schüttelte den Kopf und nahm Ryu in die Arme, sah er doch, wie sehr ihn sein Schicksal mitriss. Er küsste auf seinen Kopf und schmiegte sich an ihn, so fest, als würde er gleich mit in seinen Körper schlüpfen. Und Ryu schlang seinerseits die Arme wieder um ihn und ließ seine Stirn gegen die schmale Brust sinken. Erneut berührte er die entstellte Haut.
 

»Das geht nicht«, sagte er schließlich. »Es ist meine Bestimmung, verstehst du?« Ryu schüttelte nur leicht den Kopf - er wollte und konnte das nicht realisieren. Seine Stimme wollte ihm gerade nicht mehr gehorchen.
 

»Danke für diese wundervolle Nacht. Ich wünschte, ich könnte noch viele von ihnen mit dir teilen.« Er hörte sich so dankbar und liebevoll an, gar nicht so, als würde er Angst haben.
 

»Was redest du da?« Endlich fand Ryu seine Sprache wieder und sah ihn entsetzt an. »Hör auf so endgültig zu sein! Hast du etwa schon aufgegeben?«
 

»Nein Ryu, aber ich lebe damit. Ich muss es akzeptieren.« Seine zierlichen Finger strichen durch das blondierte Haar und versuchten den aufgebrachten Mann zu beruhigen.
 

»Sei nicht böse mit mir«, bat Keita mit einem Lächeln und hob Ryus Kinn an. Ihre Blicke trafen sich und der Kleinere fühlte, wie es ihm in der Brust schmerzte. Dennoch traf er eine Entscheidung.
 

»Ich will, dass du bei mir bleibst«, sagte Ryu bestimmt und war fest entschlossen sich davon nicht abbringen zu lassen.
 

»Aber warum? Damit du dich in mich verliebst und mit ansehen musst, wie ich sterbe?« Das machte doch alles keinen Sinn.
 

»Wenn es schon so ist…«, begann Ryu. »wenn du wirklich sterben musst…« Es fiel ihm deutlich schwer und seine Augen wirkte ein wenig glasig. »…dann möchte ich, dass du eine schöne Zeit hast. Bitte bleib an meiner Seite und du wirst es nicht bereuen.« Und das würde er nicht. Keita betrachtete seinen Freund lange, streichelte immer wieder über seine Wange, lächelte, schloss die Augen und drückte ihn an sich, nur um sein Gesicht abermals zu sich zu lenken und ihn zu küssen. Dann lächelte er.
 

»Dann bleibe ich bei dir.«
 

~*~
 

Und Keita blieb tatsächlich. Er wollte die schöne, liebevoll eingerichtete Wohnung mit seinen zwei Zimmern, Küche und Bad gar nicht mehr verlassen, denn sein Gastgeber behandelte ihn einfach wundervoll. Mit jeder Stunde, die er mit Ryu verlebte, fühlte er sich wohler. Er war so zärtlich zu ihm. Sicher war er noch nie so aufmerksam behandelt worden.
 

Sie erfuhren viel übereinander. Keita hatte die Schule aufgrund seiner vielen Krankheitsphasen abgebrochen und sich mit kleinen Jobs durchgeschlagen, als er mit seinen Eltern nicht mehr klar gekommen war. Am Ende war er in einem Stripclub hängen geblieben, in dem er alles gelernt hatte, was er jetzt konnte und auch seinen erotischen Tanz an der Stange erklärte, in den Ryu sich so schnell vernarrt hatte. In dem Club, in dem sie sich kennen gelernt hatten, war es sein erster Abend gewesen.
 

Sein eigentliches Talent galt allerdings der Malerei. Ryu fand es eher zufällig heraus, als er eines Morgens erwachte und einen einzelnes Bogen Papier neben dem Bett fand. Keita hatte ihn gezeichnet – schlafend. Es sah eher aus wie eine Schwarzweißfotografie als ein Bild, das ein anderer gemalt haben konnte – noch dazu mit so spärlichen Materialien.
 

Und so schenkte er Keita einen richtigen Zeichenblock und geeignete Stifte, damit er sein Talent auch in vollen Zügen ausleben konnte – es sollte ihm einfach an nichts fehlen. Wahrscheinlich würde Ryu niemals vergessen, wie seine wunderschönen Augen zu strahlen begonnen hatten, als er das Geschenk ausgepackt hatte. Er war ihm um den Hals gefallen und hatte sich immer wieder bedankt und ihm die sinnlich weichen Lippen aufgedrückt. Vielleicht eine Tat, die eher auf seiner Freude basierte, aber sie veränderte etwas.
 

In dieser Nacht schliefen sie zum zweiten Mal miteinander und Ryu glaubte, dass es noch schöner war als ihre erste gemeinsame Nacht. Sie kamen sich diesmal nicht nur körperlich näher, sondern vor allem seelisch. Er hatte das Gefühl, dass sie ineinander verschmolzen und gar nicht mehr zu trennen waren.
 

Natürlich hatte Ryu Bedenken eingeräumt, ob es ihm nicht schaden könnte, wenn sie das taten. Aber Keita hatte es schnell verneint und ihn wieder in einen betörenden Kuss verwickelt. Ryu konnte einfach nicht anders, als ihm förmlich den Wunsch von den Lippen abzulesen.
 

Als sie schließlich mit wild klopfendem Herzen nebeneinander lagen und die Finger noch immer nicht voneinander lassen konnten, begriff Ryu, dass es nicht nur Sex oder einfache Zuneigung war, die sie miteinander verband. Es war viel mehr und er begann sich in den hübschen Keita zu verlieben. Nun, vielleicht war dies nicht der richtige Ausdruck, denn sein Herz war längst für ihn entflammt.
 

Es war Liebe.
 

Als Ryu ihm seine Zuneigung gestand, perlten Tränen über Keitas Wangen. Einfach so brachen sie aus, als hätten sie nur auf den passenden Moment gewartet um den Damm endlich unter sich zu begraben.
 

»Es tut mir leid«, hatte Ryu gesagt. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten.« Aber dann war Keita ihm schon in die Arme gefallen und hatte seinen zittrigen Körper an ihn gedrückt. Sein Beben – sein aufgeregtes Herz – das alles hatte Ryu ganz genau fühlen können.
 

»Ich liebe dich!«, war es aus ihm ausgebrochen, als hätte es schon ewig in ihm gebrodelt. Er musste es in seiner Aufregung gleich noch einmal wiederholen und versuchte seine hektischen Tränen unter Kontrolle zu bringen – nur gelingen wollte es nicht.
 

Es waren Kummertränen gewesen. Natürlich, denn ihm stand keine jahrelange Zukunft bevor und er würde nicht mit Ryu alt werden und ewig glücklich sein können. Eigentlich hatte er ihn doch davor bewahren wollen, dass er ihn zu Grabe tragen musste. Und nun war es zu spät. Sie empfanden so heftig füreinander und Keita wusste, dass er sich dem nicht mehr entziehen konnte und es auch nicht wollte - wahrscheinlich war es von Anfang an nicht möglich gewesen diesem Schicksal zu entkommen. Spätestens als Ryu ihm erklärt hatte, dass er ihm die Liebe seines Lebens schenken wollte, hatte er wieder gelächelt. Und was tat er? Er wischte die letzten feuchten Spuren von Keitas Haut und hielt sein Gesicht ganz sanft in den Händen – als wäre es aus zerbrechlichem Kristall. Ryus Augen waren warm, dass waren sie immer gewesen und selbst in ihren schwärzesten Zeiten, hatte er es niemals vergessen können.
 

Keita lag auch jetzt neben Ryu und betrachtete ihn. Er war schon eingeschlafen und atmete ganz leise, wobei sich seine Brust leicht hob und senkte. Der Blonde legte seine Hand auf die nackte Brust und fühlte nach, was sich in ihm tat und während er da so lag und ihm beim schlafen zusah, viel ihm auf, dass auch er viel in Erfahrung gebracht hatte.
 

Ryu war ein bisschen älter als er und führte seinen eigenen Laden im Friseurgewerbe – und das durchaus erfolgreich und mit viel Spaß. Außerdem ging er gern aus, tat dies aber nie allein und war deswegen meistens mit seinen Freunden Hayato und Takafumi unterwegs. Natürlich wollte er, dass sie sich kennen lernten und Ryu war der festen Überzeugung gewesen, dass sie Keita mögen würden.
 

Was nicht zu übersehen war, war seine fürsorgliche Natur und seine Nachsicht. Er war romantisch und sehr liebevoll, auch wenn er solche Wörter selbst nicht in den Mund nahm. Wahrscheinlich hätte er diese Attribute sogar abgestritten, auch wenn er sich danach gleich zu Keita gesellte, die starken Arme um ihn legte und sich an ihn kuschelte. So war er eben – er wollte sich sein machohaftes Auftreten nicht ausreden lassen, und so ließ Keita ihn einfach und schmunzelte nur gelegentlich über ihn. Für ihn war Ryu einfach der niedlichste Mensch, den er jemals kennen gelernt hatte – mit all seinen Eigenarten und Fehlern, aber genau diese lerne er schnell zu lieben. Selbst wenn er sich über so etwas Nebensächliches wie Sportnachrichten aufregte und wild fluchte, stahl sich immer wieder ein kleines Lächeln auf Keitas Lippen. Nicht etwa, weil es ihn amüsierte. Nein, er mochte es nur, wenn er Ryu bei so ganz alltäglichen Dingen beobachten durfte.
 

Und so gingen viele Tage und Wochen ins Land, in denen sie einfach miteinander lebten und sich immer mehr aneinander gewöhnten und sich weiter vernarrten. Die Widersehensfreude war immer besonders groß, wenn Ryu nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam. Keita hingegen verbrachte nur noch wenige Nächte im Club, denn sein Zustand verschlechterte sich immer mehr. Vor seinem Partner hätte er gern darüber geschwiegen, aber Ryu war einfach zu aufmerksam. So gut es ging versuchte er ihm alles abzunehmen, was ihn zu sehr anstrengend könnte. Nur reden wollten sie nicht darüber.
 

Aber der Tag sollte kommen, an dem Ryu nichts mehr für Keita tun konnte. Es war ein Sonntagmorgen gewesen, als er gerade das Frühstück vorbereitete und plötzlich zusammenfuhr, als er ein lautes Poltern vernahm. Sofort rannte er ins Bad, aus dem der Krach gekommen war, und fand Keita dort vor: zusammengebrochen und offensichtlich bewusstlos lag er am Boden und hatte ein paar Sachen umgerissen, die jetzt über den Boden rollten. Der Kopf war schwer aufgeschlagen und es bildete sich eine kleine Blutlache, die sein helles Haar verklebte. Aber dafür hatte Ryu gerade gar keinen Sinn, denn sein Herz raste wie verrückt – begreifen konnte er es noch nicht, aber sein Unterbewusstsein wusste genau was dort geschah.
 

»Keita!«, keuchte er atemlos und war sofort bei ihm. Bevor er aber wirklich agieren konnte, wurde ihm tatsächlich bewusst, was der Blonde hatte. Natürlich lag der Zusammenbruch an seinem Herzen, also zückte er hastig und mit zitternden Fingern das Handy und rief einen Krankenwagen. So konnte er Keita doch nicht gehen lassen!
 

Seine Stimme klang furchtbar fremd – selbst für ihn und er musste sich sogar wiederholen, weil er in seiner Panik viel zu schnell und unverständlich gesprochen hatte. Aber es musste doch schnell gehen! Vielleicht hing die Existenz seines Liebsten an Sekunden. Allein der Gedanke verschreckte ihn gleich noch mehr.
 

Er wollte nicht warten!
 

Während er Keitas Oberkörper vorsichtig von Boden aufhob und ihn stützte, merkte er gar nicht, wie Tränen über seine Wangen rollten. Der Körper in seine Armen erschien ihm leblos genau wie in seinen schlimmsten Vorstellungen. Keita wollte sich einfach nicht mehr bewegen und das Blut machte es auch nicht gerade besser. Es verschlimmere den Eindruck eher, den Ryu sowieso schon hatte. Seine Hände besudelt, schlang er die Arme fester um ihn.
 

»Bitte mach die Augen auf!«, flehte er vergeblich und drückte ihn an sich. »Du darfst mich nicht alleine lassen!«
 

Er konnte ihm nicht helfen, dass wusste Ryu und es machte ihn beinahe wahnsinnig. Seine Verzweiflung nahm Ausmaße an, die er sich selbst nie zugetraut hatte. Wie lange konnte es denn dauern, bis ihnen endlich jemand helfen würde? Die Minuten wurden endlos lang und er hatte das Gefühl, dass der Mensch, den er so liebte, schon gar nicht mehr am Leben war.
 

So durfte es nicht enden. Er hatte sich nicht einmal von ihm verabschieden können! Ryu hielt ihn fest in seinen Armen, wiegte ihn ein wenig und sprach mit ihm. Es war ihm egal, ob er es hörte. Es war ihm auch egal wie apathisch und verzweifelt das war, wenn er dort mit ihm auf den kalten Fliesen saß und ihn beweinte. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass ihn dieses Szenario erwartete – aber dass es so schnell – so plötzlich kam, riss ihm den Boden unter den Füßen weg.
 

Noch einmal ging er in Gedanken alle Details durch, jeden einzelnen Tag und jede Besonderheit, die ihre Beziehung ausmachte. Er sah Keitas Bild immer wieder vor sich, wie er ihn ansah und über das ganze Gesicht strahlte. Es zerriss Ryu fast das Herz und er wünschte sich, dass er ihm das seine geschenkt hätte, damit wenigstens er die Welt noch mit seinem Lächeln zum strahlen bringen konnte.
 

Es dauerte eine Weile, dann war der Arzt endlich da. Ryu konnte sich im Nachhinein kaum noch erinnert, was genau geschehen war, aber die Sanitäter hatten Keita schnell auf eine Trage gelegt und ihn mitgenommen. Ryu durfte mit ihm kommen und ihn bis ins Krankenhaus begleiten. Erst vor dem Operationssaal musste er warten. Die Tür wurde ihm regelrecht vor der Nase zugeschlagen und dementsprechend verdutzt stand er nun davor.
 

»Keita…« Das war alles, was in seinem Kopf noch aktuell war. Er hatte wirklich furchtbare Angst, dass der hübsche Blonde diesen Kampf nicht bestehen würde. Und selbst wenn er es schaffen würde – das Ende war absehbar, nicht wahr?
 

Ryu saß auf einer der weißen Wartebänke, die unglaublich unbequem waren, aber das spielte gerade keine große Rolle. Seine Finger hatten sich ineinander verschränkt und auf ihnen ruhte seine Stirn. Die Augen hielt er geschlossen – plötzlich fühlte er sich so ermattet, als hätte man ihm all seine Kraft ausgesaugt. Tatsächlich sah er aus, als würde er im Stillen beten und zum ersten Mal realisierte er, dass es keine gute Idee gewesen war, sich in Keita zu verlieben. Andererseits hatte er es bereits geahnt, als sie sich das erste Mal gesehen hatten. Diese wenigen Momente im Club hatten ihn förmlich verschlungen und er war dankbar, dass er mit Keita zusammen sein durfte.
 

Umso tragischer war es jetzt im Krankenhaus auf eine bittere Nachricht zu warten. Ob Ryu wollte oder nicht, er ging die Möglichkeiten durch, die sich ihm boten. Am liebsten hätte er Keita sein eigenes Herz gespendet – auch wenn das seinen Tod bedeutete. Er war bereit dafür und zog es tatsächlich in Erwägung.
 

Aber was würde aus ihm werden, wenn er erfuhr, dass Ryu sich für ihn geopfert hatte? Würde er jemals wieder glücklich werden? Ryu bezweifelte es und verwarf die Idee mit einem tiefen, traurigen Seufzer.
 

Konnte er überhaupt etwas ausrichten?
 

Es vergingen viele Stunden, bis der Arzt wieder zu ihm kam. Schon als die große Doppeltür aufgestoßen wurde, sprang Ryu auf und ging dem Arzt entgegen, der gerade den Mundschutz hinab zog. Auf seinem Gesicht konnte er keine Mimik ablesen – weder positive noch negative. Sofort breitete sich ein flaues Gefühl in seinem Magen aus.
 

»Wie geht es ihm?«, fragte Ryu ungehalten und wäre am liebsten in den OP gestürmt, um selbst nach Keita zu sehen. Diese ganze Ungewissheit machte ihn fast wahnsinnig. Vielleicht sprach der Arzt deswegen ganz behutsam mit ihm und versuchte ihn wieder dazu zu bewegen, dass er sich setzte.
 

»Er lebt«, begann der Arzt mit seiner sanftmütigen Stimme, für die Ryu gerade gar keinen Nerv hatte. Er wollte jetzt nicht freundlich behandelt werden – er wollte wissen, was Sache war! Das Ganze stimmte ihn furchtbar ungehalten.
 

»Sein Zustand ist stabil, aber wir mussten ihm ein neues Herz transplantieren«, fügte er schließlich dazu und es war beinahe hörbar, wie Ryus Kinn auf den Boden knallte. Eine Transplantation? Aber Keita hatte doch gesagt, dass das unmöglich war. Nun musste er sich wirklich setzen.
 

»Ein neues Herz?« Der Mann nickte.
 

»Er ist uns durchaus bekannt. In der Vergangenheit hat er hier viele Operationen über sich ergehen lassen und sich strikt geweigert, ein Spenderherz anzunehmen.«
 

»Aber… ich verstehe das nicht«, sagte Ryu verwirrt und strich sich ein paar Strähnen aus der Stirn. »Er hat mir nie gesagt, dass er das nicht wollte. Ich dachte es wäre einfach nicht möglich…« Das raubte ihm wirklich die Luft. Warum nur hatte Keita es abgelehnt gerettet zu werden? Und warum war es jetzt doch möglich? Ryu verstand die Welt nicht mehr.
 

»Seine Eltern sind sein Vormund in dieser Hinsicht. Und es gibt eine schriftliche Einverständniserklärung, dass die Transplantation durchgeführt werden darf, sobald ein Spenderherz verfügbar ist«, erklärte der Arzt sich. Es interessierte Ryu herzlich wenig, ob es rechtlich gesehen legal oder illegal war. »Glücklicherweise hat ihr Freund einen Moment abgepasst, in dem wir ihm helfen konnten. «
 

»Ich will zu ihm«, sagte Ryu schließlich und sah den Arzt mit klarem Verstand an. Alles andere würde man ihm auch später noch erklären können. Der Mann willigte schnell ein und führte Ryu zur Intensivstation, auf welcher Keita sich mittlerweile befand. An sein Krankenbett durfte er aber nicht – zu hoch war ein angebliches Infektionsrisiko. Und so fand Ryu sich an einem Fenster wieder, durch welches er seinen Freund sehen konnte. Es zerriss ihm fast das Herz, wie Keita da lag und an so viele Kabel und Schläuche angeschlossen war. Seine sowieso schon helle Haut war noch blasser – er sah geschafft und ausgelaugt aus und natürlich waren seine Augen geschlossen – er schlief und sah zumindest so aus, als hätte er keine Schmerzen. Ryu musste daran denken, wie Keita gesagt hatte, dass er so nicht enden wollte.
 

Trotzdem fühlte es sich für ihn so an, als würde man ihm ein Messer genau in die Brust rammen. Diese Leid wünschte er niemandem, wenn man mit ansehen musste, wie ein Mensch, den man so liebte, vor seinen Augen regelrecht zerbrach. Natürlich wusste Ryu, wie nah Keita seinem Ende war – auch jetzt noch. Eine solche Operation war nicht einfach und auch jetzt war das Risiko noch hoch, dass er daran zugrunde gehen würde.
 

Ob er Schmerzen hatte? Er sah so friedlich aus – trotz des dicken Verbandes an seinem Kopf. Irgendetwas hatte der Arzt noch berichtet, dass er sich bei dem Sturz den Kopf aufgeschlagen hatte, es aber nicht weiter schlimm gewesen sei – zumindest im Vergleich zu der eigentlichen Sorge.
 

Von da an wurde Ryus Leben chaotisch, denn so oft es ging wollte er zu ihm. Selbst wenn er sich dazu zwang, in seinem Laden zu arbeiten, konnte er sich kaum auf sein Werk konzentrieren. So oft es nur ging besuchte er Keita, auch wenn er immer noch nicht näher zu ihm durfte und er jeden Besuch einfach verschlief. Es war kaum zu ertragen, ihn direkt vor der Nase zu haben, und ihn doch nicht berühren zu dürfen. Er wollte ihn wieder umarmen, ihn riechen, schmecken, fühlen – es war einfach nicht fair. Viele Male war der junge Mann der Verzweiflung viel zu nahe. Selbst grausame Träume plagten seine Nächte und gönnten ihm keine Erholung – das alles beschäftigte ihn fürchterlich. Einen anderen Gedanken konnte er schon lange nicht mehr fassen, aber wer konnte es auch nicht nachvollziehen?
 

Woher hätte Ryu auch wissen sollen, dass alles noch viel schlimmer werden würde? Es hatte doch gerade erst angefangen…
 


 

Fortsetzung folgt[/]



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Toffelchan
2011-10-02T21:01:10+00:00 02.10.2011 23:01
wäre ich jetzt nicht in der lage das nächste kapitel zu lesen würde ich dich hassen schatz :D lah lah lah~


ja aber im ganzen ist das kapitel toll!
es ist herzzerreißend, wie er zusammenbricht - dafür aber um so schöner, wie sie sich näher gekommen sind *-*

muss weiter lesen sonst gibts ein unglück :D

♥~
Von:  Shin-
2011-05-01T00:44:23+00:00 01.05.2011 02:44
gott sei dank lädst du das nächste kapi bald hoch *__*

aber.. oh gott ist das ende hier traurig Q____Q
keita darf nicht sterben T--T
*flausch*
mach bitte dass er am ende weiterlebt Q--Q
ryu tut mir voll leid D:
Von:  -Bucky_Barnes-
2011-04-09T14:22:39+00:00 09.04.2011 16:22
super tolle ff^^
du hast echt einen großartigen schreibstil
ich liebe den total <33
freu mich schon wenn sie weiter geht *__*
Von:  Ryouga
2010-12-05T20:50:38+00:00 05.12.2010 21:50
Monolith <3
Du schreibst toll *__*

Buhuuuuu das is so traurig ;_____;
Erst dieser total schöner heißer anfang und nun die krasse wende >_<'''
Uh und dann dieser Cliffhanger am schluss ;____;
Keita tut mir so leid ._____.

schreib schnell weiter ^^


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