Zum Inhalt der Seite

Mit allen Sinnen

House/Cameron
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieser One-Shot spielt einige Monate nach 8x06 "Teamwork". Das dürfte auch aus dem Text hervorgehen, aber ich wollte es noch einmal erwähnen. Somit geht meine Hameron-OS-Reihe zu Ende. Vielen Dank für's Lesen! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hören

Der Schmerz in seinem Bein war unerträglich. Er raubte ihm nicht nur den Schlaf, sondern brachte ihn auch noch auf dumme Ideen. Dümmere als sonst, würde Wilson sagen. Oder vielleicht würde er diese Idee sogar gutheißen?

House knirschte mit den Zähnen, während seine Hand in rhythmischen Bewegungen seinen Oberschenkel massierte. Beinahe automatisch griff seine Hand nach dem Vicodin-Behälter, der auf seinem Nachttisch stand. Dies war schon die dritte Pille, die er schluckte, aber der erwünschte Effekt blieb aus.

Er brauchte Ablenkung, ganz dringend. Den Blick starr auf den Telefonhörer gerichtet, der direkt neben dem Vicodin lag, wog er erneut ab, ob er sein Vorhaben durchziehen sollte. Wilson war seine späten Anrufe gewohnt, aber er war es nicht, den House anrufen wollte. Wo wäre da der Spaß? Das redete er sich zumindest ein. Sich mühselig aufsetzend, schwang er die Beine über die Bettkante, blieb aber sitzen. Auf dem T-Shirt, das House trug, waren große, nasse Spuren zu sehen. Er schwitzte schrecklich, weil er all seine Konzentration brauchte, um mit dem Schmerz in seinem Bein fertigzuwerden. Sanftes Mondlicht fiel durch die nur schlampig zugezogenen Vorhänge und die digitale Uhranzeige verriet ihm, dass es kurz nach zwei war.

Ehe sich House versah, hatte er den Telefonhörer in der Hand und wählte eine Nummer, die er immer noch auswendig kannte, obwohl es schon Ewigkeiten her war, seit er sie das letzte Mal benutzt hatte. Sie war anscheinend noch aktuell, darauf wies zumindest das im Hörer ertönende Signal hin. House ließ es fünfzehn Mal klingeln und als niemand ranging, versuchte er es noch einmal. Er wusste, dass die Person am anderen Ende vermutlich schlief und länger brauchte, um ans Telefon zu gehen. Oder aber sie wusste, wer anrief.

„Hallo?“

Na endlich! Die Stimme klang mehr verschlafen als genervt. Jetzt, da diese Situation nicht mehr nur in seinem Kopf existierte, überlegte House erneut, ob es nicht besser wäre, doch noch aufzulegen. Er schwieg.

„Hallo?“, wiederholte die Stimme, dieses Mal allerdings hörbar verärgert. „Wer auch immer Sie sind – ich kann sie atmen hören.“

Erwischt. House verzog das Gesicht.

„Sie sollten unbedingt mal zum Ohrenarzt gehen. Solche Fähigkeiten sind nicht normal.“ Nun herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.

„House.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Cameron“, äffte er sie nach, woraufhin wieder Stille herrschte.

„Was wollen Sie?“ Wenn er ihr nicht ins Gesicht sah, war es schwieriger, ihre Emotionen zu deuten, fiel House auf. Ihr hübsches Gesicht war stets ein offenes Buch für ihn gewesen – zumindest meistens.

„Soll ich Ihnen erklären, wozu man Telefonapparate erfunden hat, oder wie? Nun, dann erleuchte ich Sie mal! Sie dienen zum Reden“, brummte House in typischer Manier. Er massierte sein Bein immer noch, aber der Schmerz erschien ihm gerade zweitranging. Oder aber die Tabletten begannen zu wirken.

„Ich möchte aber nicht mit Ihnen reden. Es ist mitten in der Nacht.“ Ah, Cameron war nie gut darin gewesen, ihn davon zu überzeugen, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Trotzdem glaubte House, in ihrer Stimme einen bitteren Unterton herauszuhören, von dem er auch wusste, woher er rührte. Noch zu genau erinnerte er sich an das letzte Mal, als er Cameron gesehen hatte. Sie war gegangen, schon wieder, aber dieses Mal endgültig. Das war vor Monaten gewesen und noch immer erinnerte sich House an die kleinen Schritte, die seine Beine unwillkürlich getan hatten.

Fast so, als hätte er ihr folgen wollen… doch das hatte er nicht getan. Nicht, weil er es nicht gewollt hatte, sondern aus einem ganz anderen Grund: Er wusste, dass sie etwas Besseres verdient hatte. Und genau diese Denkweise betrog er gerade nach Strich und Faden, weil sein Anruf egoistisch war, weil er sich an etwas klammerte, das nicht mehr ihm gehörte. Dabei war alles andere als ein sentimentaler Mensch. Es war merkwürdig, wozu der Schmerz einen zwingen konnte.

„Sie reden aber immer noch mit mir. Ist Ihnen diese Widersprüchlichkeit aufgefallen?“ Seine trockene Stimme verriet nichts von den Gedanken, die in seinem Kopf herum spukten.

„Kommen Sie auf den Punkt, House. Ich muss morgen arbeiten. Oder wohl eher heute…“ Aha, sie arbeitete also. House würde nicht nach dem Krankenhaus fragen, weil seiner Meinung nach alle langweilig waren und keine Herausforderungen boten. Außerdem konnte er auch ganz leicht allein herausfinden, wo man sie eingestellt hatte.

„Sie haben Ihre Nummer nicht geändert. Ich dachte, Sie wären so erpicht darauf gewesen, alles hinter sich zu lassen?“

„House, gerade kommen Sie mir wie derjenige vor, der die Vergangenheit nicht ruhen lassen kann.“ Cameron hatte nie ein Problem damit gehabt, ihm die brutale Wahrheit vor Augen zu führen und auch dieses Mal schien sie Recht zu haben – was House niemals offen zugeben würde. Stattdessen passierte genau das, was immer passierte, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte: Er wurde noch unerträglicher.

„Von wegen. Ich bin mir sicher, dass Sie irgendwo noch ein Foto von mir liegen haben und es sich jeden Tag ansehen. Geben Sie’s zu, Cameron, Sie vermissen mich.“ Es war kaum möglich festzustellen, ob House auf seinen alten Freund, den Sarkasmus, zurückgriff oder einfach blind Vermutungen anstellte und es ernst meinte.

„Sie scheinen vergessen zu haben, was ich damals zu Ihnen gesagt habe. Ich werde jetzt auflegen“, verkündete Cameron kühl, was House sogleich dazu veranlasste, zu anderen Mitteln zu greifen.

„Mein Bein schmerzt.“

Schon wieder tönte ihm die schwere Stille in den Ohren und für einen Augenblick glaubte er, dass Cameron tatsächlich aufgelegt hatte, aber dann ergriff sie wieder das Wort.

„Ich kann Ihnen nicht helfen, House.“

„Das tun die Schmerztabletten auch nicht. Stecken Sie mit denen unter einer Decke?“, erwiderte er patzig.

„Was wollen Sie, House?“, wiederholte Cameron ihre Frage von vorhin und klang dabei resigniert und müde. Bei jedem normalen Menschen hätte das Gewissensbisse hervorgerufen, aber House war nun mal kein normaler Mensch. Dieses Mal dachte er länger über die Frage nach. Was wollte er? Was wollte er wirklich?

„Ich will, dass Sie zurückkommen.“ Er wusste nicht, ob er das wirklich tat, aber vielleicht würde sie dieser Satz noch etwas länger an den Telefonhörer fesseln. Tatsächlich hörte er, wie Cameron scharf die Luft einzog. Es dauerte, bis sie ihm eine Antwort gab.

„Dieser Zug ist längst abgefahren, House. Ich möchte nicht zurückkommen. Ich habe mit Ihnen und Robert abgeschlossen.“

„Haben Sie das wirklich?“

„Ja“, bestätigte Cameron nachdrücklich, aber House glaubte ihr immer noch nicht. Er glaubte nicht daran, dass sie ihre Vergangenheit einfach so zurücklassen konnte, dass sie einfach so weitermachen konnte. Ausgerechnet Cameron! Cameron, die Emotionen kannte, die man noch gar nicht erfunden hatte. Jemand wie sie fing nicht einfach so von vorne an.

„Es ist an der Zeit, um loszulassen, House“, zog Cameron weiter, als hätte sie seine Gedanken erraten.

„Nur so können sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen.“ Dies waren die letzten Worte, die er von Cameron hörte, bevor das penetrante Signal ihm klarmachte, dass sie das Telefongespräch beendet hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  HinkelsteinDompteur
2013-07-29T08:43:43+00:00 29.07.2013 10:43
Ich muss sagen, dass du wirklich einen sehr tollen Schreibstil hast, der unglaublich lebendig wirkt, sodass House und seine Schmerzen wirklich von meinem Auge zum Leben erwacht sind. Deine Art House zu schreiben ist bemerkenswert gut, nur wenige schaffen es sein Wesen so gut auf den Punkt zu bringen, wie du. Die immer wieder kleinen Humoristischen Seitenhiebe sind perfekt getimed und schaffen es, einem immer ein kleines Lächeln auf die Züge zu zaubern.
Auch Camerons Reaktionen finde ich sehr passend und In-Character, auch wenn man natürlich von ihr nicht ganz so viel mitbekommt, man ‚hört‘ sie ja praktisch nur.

Absolute Lieblingsantwort: „Das tun die Schmerztabletten auch nicht. Stecken Sie mit denen unter einer Decke?“
Hat mich wirklich dazu gebracht laut zu lachen ;)

Ich finde auch das Ende perfekt. Manche hätten es wohl kitschiger geschrieben oder noch mehr in die Länge gezogen, aber ich fand den cut sehr sauber. Es passt einfach zu den Charakteren und ist nicht übertrieben.

Alles in allem ein sehr schönes und passendes Kapitel, das mir viel Freude bereitet hat (wie die anderen übrigens auch… vielleicht sollte ich doch auch nochmal zu denen einen Kommentar schreiben, aber letzten Endes läuft es immer aufs gleiche hinaus: toller Schreibstil, super Art die Charaktere zu schreibe, toller Humor) da ist es fast schon Schade, das nicht mehr Sinne existieren, zu denen man Kapitel schreiben könnte *hust*

Gruß
HinkelsteinDompteur



Zurück