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Vanilla

Matt x Tai
von

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Es war bereits Abend, als ich die Wohnung wieder betrat. Zu meiner Überraschung saßen Mutter und Vater beim Tee und das in einer Einheit, in der ich die beiden schon lange nicht mehr erlebt hatte. Auch T.K. musste dagewesen sein, denn ich sah seine Schultasche in der Ecke des Flures liegen, in die er sie immer warf, wenn er nur kurz kam, um dann sogleich wieder zu Kari zu verschwinden. Unglaublich! Man sollte meinen, dass die beiden nur noch drei Tage zu leben hatten, so erpicht waren sie darauf, sich so oft wie möglich zu sehen. Aber gerade ich sollte mich eigentlich nicht beschweren, mir ging es mit Tai ja ebenso und nur mein Alter und meine scheinbare Überlegenheit meinem kleinen, unerfahreneren Bruder gegenüber ließen mich sein Verhalten manchmal belächeln, ohne mein eigenes zu bedenken. Die beiden schauten auf, als sie mich sahen, Mutter und Vater und es schien mir, als betrachteten sie mein Gesicht eindringlicher, als sonst; vermutlich, um meine Gedanken zu erraten. 'Hat er sich beruhigt?' meinte ich aus dem Blick meiner Mutter zu lesen und 'Hat er endlich ein Einsehen?' kam es mir aus den Zügen meines Vaters entgegen. Doch ob ich recht hatte, mit meiner eigenen Interpretation ihrer Gedanken, sollte ich erst später erfahren, denn zunächst hängte ich nur meine Jacke an den Kleiderhaken und ging wortlos auf Toilette, einerseits, weil ich musste und andererseits, um noch etwas Zeit zu gewinnen.
 

Ich hatte mit Tai geredet. Viele und lange. Er war natürlich, wie ich, geschockt und zunächst hatte er wie paralysiert gewirkt, doch schneller als ich hatte er sich wieder aufgerappelt und dann hatten wir bei Tee und Keksen gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Yoshi, sein Kollege, hatte uns dazu Rückendeckung gegeben, indem er noch fleißiger arbeitete, während wir unser Problem zu lösen versuchten. "Ich hab schon lange bemerkt, dass zwischen euch was ist." hatte er gesagt. "Denn du benimmst dich einfach zu weibisch, Tai, du Fußball-Ass, wenn Matt in den Laden kommt. Diese Verzierungen auf seinen Desserts. Die Weiber würden dir die Bude dafür einrennen. Man, man, man." Dann hatte er noch einmal gelacht, uns versichert, dass er der Chefin wegen der einen Stunde oder wie lange auch immer wir brauchten nichts sagen würde und war schließlich gegangen, um sich den Gästen und der Küche zuzuwenden. Und dann, ja dann hatten Tai und ich gegrübelt und am Ende waren wir zu dem Schluss gekommen, dass es keine andere Möglichkeit gab, als standhaft zu bleiben und meine Eltern davon zu überzeugen, mich die Schule nicht wechseln zu lassen. "Du musst deinen Eltern Druck machen, Matt!" hatte Tai gesagt. "Irgendwie. Ich weiß zwar auch nicht so genau, wie, aber dir wird schon was einfallen, bist doch ein cleveres Kerlchen." Und als ich ihn ausdruckslos anstarrte, antwortete er: "Naja, musst ja nicht gleich mit Selbstmord drohen oder so, aber irgendwas .. es muss doch irgendwas geben, auf das deine Eltern an dir nicht verzichten können. Mir jedenfalls fallen jede Menge Dinge ein." Das war so typisch Tai. Ich weiß gar nicht, ob er früher schon so gewesen war oder ob es sich erst in den letzten Jahren entwickelt hatte, aber egal, wie kompliziert eine Situation gerade war, er hatte sicher einen Witz parat. Egal in welcher Situation! Manchmal zog er sogar vor seinem Papier in der Schule Grimassen, wenn er bei einer Aufgabe nicht recht weiter wusste und da die Oberschule für ihn ganz gut lief, schien die Methode durchaus erfolgreich zu sein.

Während ich so auf dem Klo saß und das Gespräch noch einmal Revue passieren ließ, dachte ich gleichzeitig darüber nach, wie ich das andere Gespräch, das mir noch bevorstand, am besten beginnen sollte. Zurückhaltend, aggressiv? Hoffentlich würde mein Vater mir nicht wieder über den Mund fahren.
 

Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, als ich die Klospülung betätigt, mir die Hände gewaschen und, von schier unermesslicher Langsamkeit geplagt, aus meinen Badslippern in die normalen Hausschuhe zurückgekrochen war, stand ich wieder vor meinen Eltern. Sie starrten mich einfach nur an und da tat ich es!

"Ich liebe Tai!" schrie ich "Und deshalb will ich die Schule nicht wechseln!" Oh Gott, Matt, du Vollbirne, dachte ich im nächsten Moment.

"Was?" mein Vater war aufgesprungen und sah meine Mutter an. "Ich fasse es nicht, jetzt liebt er den doch und du hast gesagt, er wäre normal! Du hast gesagt, er wäre normal und dass das vorhin sicher ein Missverständnis war."

"Oh, mein Junge." sagte meine Mutter und sah an meinem Vater vorbei zu mir. "Das hätte ich nun doch nicht erwartet."

"Das ist doch wohl die Höhe." warf mein Vater ein. "Sag das nicht so sanft! Du siehst doch, dass der Junge höchstwahrscheinlich einen an der Waffel hat. Nun impliziere nicht noch, dass wir sein Verhalten gutheißen. Sag sofort, dass du dir einen ganz üblen Scherz erlaubt hast." Er war bereits ein wenig rot im Gesicht.

"Das ist kein Scherz." sagte ich und blieb standhaft, auch wenn mein Inneres gerade Saltos schlug.

"Das kann nur ein Scherz sein. Mein Sohn tut solche Dinge nicht. Mein Sohn ist ein Dickschädel, der uns Lügen auftischt, weil er an seiner dummen Schule bleiben will!" So ausfallend hatte ich ihn lange nicht mehr erlebt. "Mein Sohn ist ein verdammter, ungehorsamer Bengel, der die Mühen seiner Eltern mit Füßen tritt und sich keinen müden Yen darum schert, was aus ihm einmal werden soll. Soll ich zum Gespött meiner Firma werden?" Er ging auf mich zu und wollte mich packen und schütteln, doch ich ging einen Schritt zurück und noch bevor er erneut auf mich zugehen wollte, hatten sich vier etwas kleinere Hände um seine Arme gelegt. Die einen gehörten meiner Mutter, die meinen Vater zu beruhigen versuchte, die anderen gehörten T.K., der soeben hereingekommen war.

"Was ist denn hier los? fragte er, offensichtlich verwirrt, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er höchstens die Hälfte des Gespräches mitbekommen. "Ich wollte eigentlich nur herkommen, um die Kinokarten zu holen, die ich vergessen hatte und dann finde ich hier ein Familiendrama?"

"Frag doch deinen Bruder, was los ist." sagt mein Vater, der nun zurückgetreten war und gerade seine Krawatte zurechtrückte.

"Ich habe." sagte ich und räusperte mich. "Ihnen gesagt, dass Tai und ich, also .."

"Ah." machte T.K. verständnisvoll. "Ja, ich verstehe."

"Wie, du verstehst?" fragte mein Vater. "Bist du jetzt auch noch so? Sind nun etwa meine beiden Söhne Idioten? Ist Kari oder wie deine dumme Freundin auch immer heißt, am Ende auch noch ein Mann?"

"Moment." warf T.K. ein. "Ich habe nichts getan, um deinen Zorn zu erwecken." Wie konnte er nur so ruhig bleiben, fragte ich mich. "Ich würde weder Matt noch mich als Idioten bezeichnen und bevor du darauf kommst, auch nicht unsere Mutter. Kari ist meine Freundin und ich liebe sie und, nein, sie ist kein Mann, sie ist eine Frau, zumindest soweit ich das beurteilen kann und Matt liebt Tai und er ist sein Freund und wenn du das bisher nicht bemerkt hast, dann weil du blind warst oder nicht interessiert. Wann warst du das letzte Mal bei uns? Das ist doch Monate her und bisher war alles prima und kaum bist du einmal wieder da, überrennst du uns alle mit Entscheidungen, die du im Alleingang getroffen hast. Ich habe gehört, dass du neulich schon einmal hier warst und auf Mutter eingeredet hast und ihr diese Idee mit dem Schulwechsel in den Kopf gesetzt hast." fügte er hinzu, bevor Vater etwas erwidern konnte. "Du hast ihr doch gar keine Chance gelassen, sondern bestimmt und irgendwann hat sie zugestimmt, weil sie keine Ahnung hatte, dass Matt auf keinen Fall von hier wegziehen würde. Ich habe dir nichts davon erzählt." sagte er, an mich gewandt. "Weil ich dachte, das hat noch Zeit. Ich wusste ja nicht, wie schnell unser Vater handelt und wollte dich nicht beunruhigen, du wirktest so glücklich in letzter Zeit und Tai ebenso."

"Ah." sagte ich.

"Ist einer also ein Idiot, der sich und einen anderen Menschen glücklich macht und soviel Freude ausstrahlt, dass der Rest der Umgebung gleich mit profitiert?" sagte er und sah Vater dabei direkt in die Augen. "Oder ist es nicht idiotisch, Glück zu zerstören, wo es gerade erst am Erblühen ist? Du denkst antiquiert, Vater und damit bist du hier der einzige Idiot. Kein Wunder, dass Mutter dich damals verlassen hat." Das hatte gesessen! Die Worte und die saftige Ohrfeige, die T.K. sich nach seiner Rede eingefangen hatte. Unglaublich, wie der Junge sich entwickelt hatte. Doch nicht mehr so kindlich, wie ich dachte oder lag es an den Liebesdramen, in die Kari ihn neuerdings immer schleppte?

"Ah, ist das deine Antwort?" fragte T.K. "Dann werde ich jetzt mal gehen, meine Meinung kennt ihr."
 

Noch bevor jemand ihn aufhalten konnte, war er in sein Zimmer geschlüpft, hatte die Karten geholt und war aus der Wohnungstür auf den Flur hinaus verschwunden. Ich war mir sicher, dass er heulte, denn der Schlag war richtig derb und schon bei seinen letzten Worten hatte er die Tränen nur mühsam zurückhalten können. Soweit kannte ich meinen Bruder. Doch sicher würde Kari ihn gleich trösten und ich, ich würde mich später aufs Beste bei ihm bedanken. T.K. war manchmal echt wie ein Wunder. Kam einfach aus dem Nichts und glättete die Wogen, auch wenn es diesmal nur teilweise gelungen war. Ich jedenfalls fühlte mich beruhigt. Meine Mutter war anscheinend gar nicht so versessen darauf, mich auf die neue Schule zu schicken und T.K. Stand hinter mir, Kari anscheinend auch und wenn sie es wusste, wusste Tais Mutter sicher auch schon Bescheid, sie redeten doch ständig über alles miteinander.

"Du wirst nie etwas erreichen." sagte mein Vater, als T.K. entschwunden war. "Du bist armselig und peinlich, ein Perverser noch dazu. Ich wollte dir eine glorreiche Zukunft bieten, aber du hast sie mit Füßen getreten. Ich gebe dir jetzt noch eine letzte Chance. Sag, dass du es dir anders überlegt hast und dass du meinem Weg folgen wirst. Du wirst sehen, dass es der beste ist. Wenn du das nicht tust, wirst du elendig versinken und irgendwo in der Gosse landen und dann wirst du ja sehen, was deine angebliche Liebe dir gebracht hat. Was sagst du?" Erwartungsvoll hielt er mir seine Hand hin, doch ich schlug nicht ein. Er wartete noch eine Weile, doch als ich mich nicht rührte, sondern nur wortlos und trotzig in sein Gesicht starrte, zog er die Hand zurück und drehte sich um. "Das war die falsche Entscheidung, mein Sohn. Du hast uns allen Schande gemacht und du" sagt er, über meine Schulter hinweg an Mutter gewandt. "Hast zugelassen, dass es soweit kam. Du bist eine lausige Ehefrau und Mutter." Nun drehte er sich um. "Erwartet nicht, dass ich noch einmal komme. Ich werde euch nicht mehr besuchen, euch nicht mehr helfen und nicht mehr von euch reden. Ab jetzt seid ihr Abschaum für mich."

Im Gehen drehte er seinen Kopf nach links und sah auf ein Bild, dass Tai und mich gemeinsam als Besucher bei einem Baseball-Spiel zeigte. Wir hatten viele solche Bilder, auf denen Freunde und Familie abgebildet waren, im Flur hängen. Er wischte nur einmal mit der Hand darüber und dann ließ er es krachend zu Boden fallen, sodass das Glas splitterte. Dann trat er drauf und schob es mit dem Fuß im von T.K.s und meine nassen Schuhsohlen noch etwas feuchten Flurboden hin und her.

Während der ganzen Prozedur sagten meine Mutter und ich nichts. Wir ließen ihn einfach gewähren und als er endlich gegangen war, schloss meine Mutter die Tür und sah mich wortlos an. Ich sah Liebe in ihren Augen und den Willen, für mich da zu sein, egal, wie ich mich entwickelte. Erleichtert atmeten wir auf und ich glaube, der Gedanke, durch meine Ehrlichkeit nun noch ein Stück weiter verbunden zu sein und das gemeinsame Aufatmen, als Vater endlich gegangen war, hatten uns noch ein Stück weiter zusammengebracht. Schweigend nahm ich sie in die Arme und wir fingen beide an zu weinen, wer weiß, zum wievielten Mal an diesem Tage.



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