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Er sieht dich.

Ein trauriges Märchen
von

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Ein alter Freund

„Hey, hörst du mir überhaupt zu?“

Aiko sah auf. Etwas verwirrt und abwesend drehte sie sich zu ihm. Er lächelte aufmunternd.

„Dachte schon, du hättest mir nicht zugehört“, murmelte er.

„Hab' ich auch nicht“, gestand sie ihm geknickt.

Er strich mit der Hand über ihren Kopf.

Sie saßen auf einem großen, weichen Sofa in hellbraun in einer schönen, ansonsten modern eingerichteten Wohnung. Vor der Couch stand ein gläserner Wohnzimmertisch in Form einer Aubergine. Er passte gut zum restlichen Stil der Wohnung, im Gegensatz zu dem eher altertümlichen Sofa. Zwei Eiskaffee standen auf dem Glastisch, eines davon mit einem grünen Papierschirm.

„Ich weiß“, sagte er und sah zum Fenster hinaus, wo sich ein großer bunter Garten erstreckte. Sein Lächeln wurde trauriger. Wortlos zeigte er nach draußen und sie folgte mit den Augen seinem Zeigefinger. Ihr Blick wurde auf eine einzelne rote Rose gelenkt, die inmitten hunderter weißer Rosen wuchs.

Auch Aiko lächelte nun wehmütig.

So viele Erinnerungen verband sie mit diesem Garten, aber vor allem mit dieser Rose. Sie betrachtete sie genauer. Die Blütenblätter wurden an den Rändern bereits braun.

Schwer seufzend nahm sie ihren Eiskaffee, schob den Papierschirm ein Stück zur Seite und trank wenige Schlucke, ehe sie ihn zurückstellte.

Er beobachtete sie dabei. Seine schwarzen Augen folgten jeder ihrer Bewegungen aufmerksam, als dürfte ihm nicht das geringste Detail entgehen.

„Versuche nicht, meine Gedanken zu lesen“, ermahnte sie ihn locker, ohne ihn anzusehen.

Mit einer kurzen Entschuldigung sah er in eine andere Richtung wieder zum Fenster heraus. Eine unangenehme Stille entstand, als beide nichts sagten. Sie schob ihr Glas auf der Tischplatte herum.

„Erinnerst du dich noch?“, brach er schließlich sein Schweigen. Sie schüttelte den Kopf und fragte: „Was meinst du?“

„Sieh nach draußen“, gebot er ihr, „Die Rosen. Erinnerst du dich noch daran, wie wir sie gepflanzt haben?“

„Ach das meintest du.“ Jetzt verstand sie. „Wie könnte ich das vergessen“, fügte sie hinzu.

„Es hat geregnet...“, murmelte er nachdenklich.

„Und wie! In Strömen!“

„Ich fragte dich, was wir jetzt machen sollten, weil wir ja eigentlich Federball spielen wollten.“

„Und ich hab dann gesagt: 'Itachi, lass uns Rosen pflanzen!'. Gott, wie du geguckt hast.“

„Wenn du Verrückte auch sagst, bei dem schönen Wetter kann man unmöglich drinnen bleiben! Wir sind dann zum Blumenladen gefahren und haben uns diese Samen gekauft.“

„Und ich wollte unbedingt eine rote Rose haben!“

„Ja, die Verkäuferin sagte uns, wir müssten mehr von den roten einstreuen als nur eine, weil die Wahrscheinlichkeit bei einem Samen so gering wäre.“

„Ich hab' einfach trotzdem nur einen Samen eingepflanzt.“

„Das war echt viel Arbeit. Wir sind im Schlamm herumgerannt, haben Löcher gebuddelt...“

„Und der Schlamm hat die Löcher immer wieder zugemacht. Ich erinnere mich noch gut. Letzten Endes waren wir klatschnass, aber glücklich!“ Sie lachte. Itachi ebenfalls.

„Und sieh an,“, lächelte er, „was daraus geworden ist! Von wegen, die Rose wird nicht wachsen! Von da an ist sie Tag für Tag schöner geworden.“ Sie merkte nicht, dass er nicht mehr die Rose ansah.

„Doch sie beginnt zu welken“, stellte Aiko halb besorgt, halb unglücklich fest.

„Das ist ganz normal“, beschwichtigte er sie eifrig. Sein Blick wanderte über ihr Gesicht.

„Nein. Die weißen Rosen sind allesamt noch wunderschön. Es ist wegen etwas anderem“, widersprach sie traurig.

„Rede keinen Unsinn! Sie wird nächstes Jahr wieder blühen. Du wirst ja sehen.“

„Und was ist, wenn sie eingeht? Was wird dann sein? Kannst du mir das sagen?“

„Was soll dann schon sein? Dann geht sie eben ein. Es ist nur eine Rose! Nur eine Rose, verstehst du? Es hat nichts mit dir zu tun!“

„Woher willst du das wissen?“

„Sie wäre dann wohl ganz verwelkt, oder nicht?“

Es war auf einmal ganz leise. Man hörte nur Aiko's Schlucken. Sie musste einen Moment lang darüber nachdenken.

Wieso wusste Itachi, dass es ihr so schlecht ging? Woher konnte er das wissen, wenn sie nie mit ihm darüber gesprochen hatte? Vielleicht hatte er ihre Gedanken doch gelesen. Vermutlich war es allerdings auch einfach nur so, dass man ihr ihre Laune viel zu leicht ansehen konnte.

„Ich denke, der Zustand der Rose trifft ganz gut auf mich zu“, murmelte sie. „Es ist nicht allzu schlimm. Mir geht es zwar nicht unbedingt blendend, aber ich komme über die Runden.“

Der Zwang in ihrem Lächeln fiel ihm kaum auf. Er schien froh zu sein, dass es nichts Ernstes war.

Itachi war seit jeher ein guter Kumpel für sie gewesen. Er war für sie da, wenn sie ihn brauchte. Ein sehr verlässlicher Mensch, wenn auch streckenweise etwas schweigsam und geheimnisvoll.

Mit seinen tiefschwarzen Haaren, die er immer zu einem Zopf zusammenband, und seiner hellen Haut wirkte er düster und gruselig auf die Menschen. Aiko, die ihn schon seit vielen Jahren kannte, wusste, dass die Vorurteile der Leute, wenn sie ihn zum ersten Mal sahen, nicht gänzlich falsch und unberechtigt waren.

„Ich mag die Art, wie du lächelst.“ Das war sein erster Satz gewesen, den er zu ihr gesagt hatte. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, machte es sie ein Stück fröhlicher.

Aiko überlegte, was sie jetzt wohl sagen könnte, damit er nicht weiter über ihren Zustand redete. Schließlich umarmte sie ihn einfach. Er umarmte sie, etwas überrascht, ebenfalls.

„Ich hab gehört,“, sagte Itachi nach einer Zeit der Stille, „du gehst wieder zur Schule. Ist schon ziemlich viel Zeit vergangen, seit du das letzte Mal die Schulbank gedrückt hast. Vier Monate, wenn ich mich nicht irre.“

Sie nickte langsam und lächelte tapfer. Nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte, erwiderte sie: „Vier Monate und 17 Tage, um genau zu sein.“

„Wie läuft es denn so? War es arg schwer, den Stoff nachzuholen?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Die Lehrer geben mir Schonzeit, damit ich mich eingewöhne und so. Total überflüssig, wenn du mich fragst, aber wenn sie meinen. Im Großen und Ganzen ist nichts Besonderes passiert.“

„Hast du neue Freunde gefunden?“

Aiko hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde.

„Du klingst wie mein Vater.“

„Ich dachte, du kennst deinen Vater nicht.“

„Na ja, er ist ziemlich früh gestorben, aber wenn er noch da wäre, dann … dann hätte er mich das jetzt gefragt!“

„Also, ich dachte, ich könnte so ein bisschen deinen Vater .. na ja, nicht ersetzen, aber... du weißt schon.“

„Schon klar. Siehst du dich echt als mein Vater?“

„Nicht direkt, aber irgendjemand muss ja wohl die Vaterrolle übernehmen, oder nicht?“

„Das ist süß von dir.“

Itachi grummelte.

„Jetzt lenk' nicht ab! Also, hast du neue Freunde gefunden?“

„Ja. Sind ziemlich cool.“

„Ich hoffe, du treibst dich nicht mit den falschen Leuten herum. Du hast selbst gesagt, dass das mit den Drogen scheiße ist“, erinnerte er sie.

„Sag mal, was habt ihr denn alle?! Steht mir irgendwie Gangsterbraut auf die Stirn geschrieben oder warum glaubt ihr alle immer, dass ich wieder im Geschäft bin?“, regte sie sich auf.

Er runzelte die Stirn und erwiderte: „Wer hat das denn noch gesagt?“

„Sasori.“

„Wenn er es annimmt, wird es wohl so sein. Er liegt nie falsch, was dich angeht.“ Er seufzte schwer. „Ich dachte, du wolltest das nicht mehr machen. Er hasst es, das weißt du doch. Und ich hasse es auch.“

„Er hat nie gesagt, dass ihn das Ticken stört. Ich nehme keine mehr, ich schwör's. Immerhin bin ich seit über einem Jahr clean!“

„Mir gefällt der Gedanke nicht, dass du wieder dealst. Das ist verdammt gefährlich. Ich verstehe dich einfach nicht! Dabei hast du doch am eigenen Leib erfahren, was passieren kann, wenn man den Bossen auf den Schlips tritt.“

„Mir wird so etwas niemals wieder passieren. Es kann gar nicht noch einmal passieren.“

Sie schaute weg. In diesem Moment hatte sie keine Lust, darüber zu diskutieren, welche Gefahren der Handel mit Drogen mit sich brachte. Schließlich wusste sie es nur zu gut. Deshalb konnte sie gut auf seine Moralpredigt verzichten.

Dass sich auch alle stets um sie sorgen mussten. Einer der Gründe, weshalb sie gerne mit Menschen von T-Pains Sorte abhing. Wenn sie verschwand, war der Stoff das Einzige, was sie interessierte. Sie machten sich keinerlei Sorgen um Aiko. Solange der Stoff da war, würde sie keiner suchen.

Es war für sie sehr wichtig, möglichst frei und unabhängig zu sein. Sie war niemand, den man in einen Käfig sperren und dort festhalten konnte. Sie würde immer wieder versuchen auszubrechen.

Itachi schien nicht gerade überzeugt und sah sie bedeutungsvoll an.

„Du weißt, wie ich darüber denke. Natürlich wird es nicht noch einmal passieren können. Doch ich will nicht, dass dir etwas ähnliches widerfährt. Du bist mir verdammt wichtig, okay? Ich habe einfach Angst, dass du unwiderruflich komplett auseinanderbrichst. Du bist noch ziemlich labil.“

„Komm schon! Was sollte jetzt noch passieren?! Ich bin unwiderruflich komplett auseinandergebrochen. Wo nichts mehr ist, kann auch nichts mehr kaputt gehen. Versteh das doch endlich!“

„Das kann und will ich nicht glauben. Es muss doch noch etwas in dir zu retten sein!“

„Es ist vorbei. Du willst es nicht sehen, aber für mich ist es gelaufen. Ich bin nur wegen Sasori noch am Leben. Sonst hätte ich mich vermutlich längst von einer Klippe gestürzt.“

Aiko sah ihn ernst an.

„Deine Arme sind verbunden“, stellte er monoton fest. Das war ihm bereits aufgefallen, als sie vor wenigen Stunden zur Tür hereingekommen war und ihm einen Obstkorb vorbei gebracht hatte. Er hatte jedoch nichts gesagt, denn es brachte ja sowieso nichts. Er war nicht überrascht, dass ihre Arme versehrt waren. Sie hatte die Eigenart, sich für alles die Schuld zu geben, selbst wenn sie rein gar nichts dagegen hätte machen können. Vielmehr war er überrascht, dass ihre Arme verbunden waren.

„Sasori hat das gemacht, oder?“, fragte er etwas missverständlich.

„Was? Du weißt doch genau, dass er so etwas nie machen würde!“, erwiderte sie entrüstet.

Itachi schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht von den Wunden geredet. Ich meinte den Verband.“

„Ach so. Ähm, ja, das war er.“

Sie stand auf und trug ihre leere Tasse in die Küche. Dort stand bereits viel schmutziges Geschirr an der Spüle. Vor allem Teller und Töpfe, die er neben dem Kühlschrank gestapelt hatte. Es sah aus, als hätte jemand eine große Menge Hühnerfrikassee gekocht und es mit mindestens vier anderen Leuten gegessen.

Als sie noch mehr Geschirr in der anderen Ecke neben dem Gefrierschrank erblickte, tippte sie eher auf ein Vier-Gänge-Menü, das Hühnerfrikassee und Crème Brûlée beinhaltet hatte. Schwarzes Hühnerfrikassee und schwarze Crème Brûlée, die extrem unappetitlich auf sie wirkte.

„Hattest du Besuch?“, fragte sie, um das Gespräch von unangenehmen Dingen weg zu leiten. Er kam ebenfalls in die Küche und sah sich um, als wäre ihm das Chaos gerade erst aufgefallen.

„Oh, ähm … ja, denke schon“, erwiderte er und kratzte sich am Hinterkopf. Sie musterte ihn.

„Ich hoffe, du hattest da etwas anderes an als jetzt“, sagte sie, während sie um ihn herum lief. Er trug eine weite schwarze Jogginghose und ein um so engeres grünes T-Shirt mit der Aufschrift „Vorsicht Bulle!“. Seine langen schwarzen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, bis auf ein paar Strähnen, die sich wohl selbstständig gemacht hatten.

Itachi stellte das rechte Bein ein bisschen hoch und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Mit einem verlegenen Grinsen antwortete er: „Ehrlich gesagt muss ich mich noch umziehen.“

„Hä?“, fragte Aiko und machte passend dazu einen entsprechend dümmlichen Gesichtsausdruck. Er musste lachen.

„Okay, ich erklär's dir“, bot er ihr an. Sie nickte, beruhigt, dass das Thema mit ihren verletzten Armen und den Drogen endlich vom Tisch war.

„Es ist so: Ihre Eltern und ihre kleine Schwester kommen zu Besuch. Sie natürlich auch. Und du kennst ja meine Kochkünste...“, begann er und räusperte sich. „Jedenfalls dachte ich, es macht immer einen guten Eindruck, wenn man kocht. Ich kann ja schlecht ein paar Döner bringen lassen oder Spaghetti kochen. Also hab' ich ein bisschen geübt.“

„Und die benutzten Teller?“

„Ich habe ein paar Freunde eingeladen, damit sie mal vorkosten.“

„Und? Was haben sie gesagt?“

„Ähm... Deidara meinte, es würde schmecken wie gequirlte Scheiße, Kisame hat gesagt, mit viel Pfeffer würde man vielleicht etwas schmecken und Pein kam nicht zu einer Bewertung, weil er schnell auf die Toilette gerannt ist. Für's erste Mal doch gar nicht schlecht, oder?“

„Bestell' Döner“, riet ihm Aiko.

„Ich meine es ernst! Was mache ich denn jetzt? Sie kommen in zwei Stunden. Bis dahin wird sicher kein Meisterkoch mehr aus mir...Aiko, du könntest nicht zufällig..?“

„Ich habe gewusst, dass das wieder darauf hinausläuft. Es ist doch wirklich immer so! Sollen die Eltern nicht einen guten Eindruck von dir bekommen? Aber als deine beste Freundin mache ich das natürlich für dich. Wofür bin ich denn sonst da?“

„Danke! Echt cool von dir.“

Sie sah ihn vielsagend an.

„Was?“, fragte er.

Sie sah ihn immer noch vielsagend an.

„Ich hab' dich nicht deswegen eingeladen, ich schwör'! Zumindest nicht hauptsächlich! Jawohl, eigentlich habe ich dich eingeladen, damit du ...“ Er machte eine Kunstpause.

„Ja?“, fragte sie.

„...mein Outfit auswählst.“

„Wow“, murmelte sie trocken. „Ich hatte jetzt gerade Hoffnung, du hättest mich wegen meiner Präsenz eingeladen oder weil du mich vermisst hast, und dann … Absturz.“

Er lachte und schob sie in sein Schlafzimmer, das eher wie die häusliche Waschküche aussah. Wie Aiko wusste, war das die häusliche Waschküche.

Behutsam, als wäre es eine Schatzkammer voller Gold und Edelsteinen, öffnete er seinen Kleiderschrank.

„Such dir was aus“, bat er sie.

Aiko, voll in ihrem Element, machte sich über den Kleiderschrank her. Das heißt, sie stellte sich davor und warf die Kleiderstücke, die ihr missfielen oder zu diesem Zweck unpassend erschienen, hinter sich auf das ohnehin zugemüllte Bett.

„Nein...nein...oh nein, bestimmt nicht...nein...das hier?“, fragte sie und hob ein weißes Hemd in die Höhe.

Er schüttelte den Kopf.

„Das sieht total geschniegelt und schleimig aus, wie so ein … du weißt schon, wie so ein … Freak“, beschwerte er sich.

„Das Wort, das du suchst, ist Gentleman“, half sie ihm aus.

„Ich fühle mich damit nicht wohl!“, nörgelte er, in dem Wissen, bereits verloren zu haben.

„Es sieht sehr gepflegt aus, wenn du das trägst!“, überredete sie ihn. Mit gespielt genervter Miene gab er auf und knöpfte das Hemd oben auf. Aiko setzte ihm einen Hut auf und ging ein paar Schritte zurück, um das Gesamtwerk zu begutachten. Nachdem sie seinen Kragen zurecht gezupft und sein Haar wieder in Ordnung gebracht hatte, war sie zufrieden.

Itachi schien immer noch nicht ganz mit seinem Outfit zufrieden zu sein, ließ es aber auf sich beruhen. Schließlich wusste er, dass man bei Aiko gegen eine zwei Meter dicke doppelt verstärkte Stahlwand redete, zumindest wenn es um Dinge ging, von denen sie mehr zu verstehen glaubte als er. Er musste zugeben, dass sie sich tatsächlich besser bei Mode und gutem Geschmack auskannte als er.

„Und jetzt geht’s ans Kochen, was?“, lachte Aiko und machte sich freudig an die Arbeit.

Die meiste Zeit saß Itachi daneben und sah ihr bei der Arbeit zu, aber in wenigen Situationen versuchte er sogar, sich nützlich zu machen. Zwar nicht sonderlich erfolgreich, denn das Meiste, was er anfasste, landete auf dem Boden, doch sie rechnete ihm den guten Willen positiv an.

Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie so einen Faulpelz wie Itachi getroffen; also war es ein echtes Weltwunder, dass er ihr seine Hilfe angeboten hatte. Letztendlich ließ sie ihn jedoch auf dem Sofa sitzen, um ungestört arbeiten zu können.

Es dauerte länger, als er erwartet hatte, doch nach einer guten Stunde duftete es im ganzen Haus.

Neugierig, ob das Essen auch gut schmeckte, schlurfte Itachi in die Küche und stellte fest, dass Aiko mindestens genauso lecker aussah wie das Essen.

Er stand in der Tür und starrte sie ungeniert an, während sie die Hähnchenschenkel auf Teller verteilte. Nach kurzer Zeit bemerkte sie seinen aufdringlichen Blick und sah ihn böse an.

„Was ist?“, wollte sie wissen. Er grinste sie breit an, ohne ihr eine Antwort zu geben. So ein Verhalten brachte sie auf die Palme.

„Was ist denn?“, fragte sie lauter und stellte die Pfanne auf der Spüle ab.

„Mir ist nur aufgefallen, dass du verdammt heiß bist“, erklärte Itachi in selbstverständlichem Ton. Aiko verzog ihr Gesicht und erwiderte säuerlich: „Für wen mache ich das Essen?“

„Für mich“, sagte er, ohne zu wissen, worauf sie hinaus wollte.

„Und für wen noch?“, fragte sie weiter. Langsam verstand er.

„Für meine Freundin!“

„Richtig. Du hast eine Freundin.“

„...Ja, und?“

Er hatte doch nicht ganz kapiert, was sie ihm jetzt damit sagen wollte. Sie stöhnte und wedelte ihm mit der Hand vor dem Gesicht herum.

„Hallo? Du kannst doch nicht einfach einer anderen Frau Komplimente machen?!“, empörte sie sich.

„Jetzt reg dich mal nicht künstlich auf!“, lachte er. „Meiner besten Freundin darf ich ja wohl sagen, wie scharf sie ist! Das heißt längst nicht, dass ich etwas von dir will. Oder wünschst du dir das etwa?“

Er stieß seinen Ellenbogen leicht in ihre Seite und zwinkerte. Aiko verdrehte die Augen und gab ihm eine Kopfnuss.

„Du bist echt unglaublich...“, meinte sie kopfschüttelnd.

„Schon klar. Ich weiß doch, dass du Sasori lie...“ Itachi stockte. Für einen kurzen Moment verfinsterte sich ihre Miene. Dann lächelte Aiko wieder. Ihre kleinen Hände deckten den Tisch, doch der Rest ihres Körpers verkrampfte sich.

„Sorry“, murmelte er beschämt.

„Schon gut“, erwiderte sie aufmunternd. Itachi sollte sich keine Vorwürfe deswegen machen. So etwas konnte passieren.

Obwohl sie es nicht ertrug, wenn jemand sie daran erinnerte, zwang sie sich zu einem Lächeln. Schon wieder musste sie an Sasori denken, der sie jetzt vermutlich mit diesem traurigen Blick ansehen würde, wie er es immer tat, wenn sie ihre wahren Gefühle zu verbergen suchte.

Ein Blick auf die ungewöhnlich altertümliche Standuhr in Itachis Küche verriet ihre, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte, um das Essen fertig zu machen und möglichst unauffällig zu verschwinden, damit seine Freundin und deren Eltern auf keinen Fall auf die Idee kamen, dass er die Köstlichkeiten vielleicht gar nicht selbst zubereitet hatte.

„So, ich denke, ich bin fertig“, sagte Aiko erschöpft, nachdem sie eine gefühlte Stunde in Echtzeit waren es nur ein paar Minuten gewesen, vor dem Herd gestanden war. Itachi nickte zufrieden, als er die Leckereien verköstigte, und er klang erleichtert, als er ihr dankte: „Das war spitze, Süße! Einfach klasse von dir! Siehst du, das ist es, wofür ich dich so lieb habe!“ Ein schnelles Küsschen auf ihre Wange und schon hatte ihr übereifriger Freund sie samt Mantel aus der Wohnung geschoben.

Er hat es wohl ziemlich eilig., dachte Aiko kopfschüttelnd und lief die Straße runter. Was solls, er freut sich halt auf seine Freundin. Kann man ihm ja nicht verübeln. Ich muss sowieso nach Hause. Sasori wartet bestimmt schon mit dem Essen.

Der Fußweg bis zum Bahnhof war lang. Deshalb war sie vollkommen außer Atem, als sie an Gleis 6 ankam, von dem aus der Zug in ihre neue Heimat fahren sollte. Dort wollte sie gerade einsteigen, als sie eine vertraute Person auf einer Bank sitzen sah.

Was macht er denn hier? Sollte er nicht zu Hause sein?, dachte Aiko und lief auf ihn zu. Sasori lächelte sie an und winkte ihr. Noch bevor sie ihn fragen konnte, warum er hier war, gab er ihr die Antwort: „Ich dachte mir, ich hole dich ab. Der Zug ist sicher ungemütlich, das wollte ich dir nicht antun, Schatz!“ Er lachte sie an und umarmte sie. Ihre Laune hob sich augenblicklich. Ebenso lächelnd ließ sie sich von ihm zum Auto führen.

„Das ist neu, oder?“, fragte sie und zeigte auf den Kleinwagen, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sasori nickte und öffnete den Wagen. Ihr fiel auf, dass ein paar Leute, die auf ihren Zug warteten, sie seltsam ansahen. Das störte ihren Freund aber nicht weiter, als er ihr anbot, selbst zu fahren.

„Schließlich kennst du das Auto noch nicht, und du magst es doch, mit neuen Wägen zu fahren. Also, viel Spaß! Aber setze das Ding nicht bei der ersten Fahrt gegen einen Baum, ja?“, sagte er grinsend und bohrte seinen Zeigefinger in ihre Seite.

Sie stieg ein und fuhr mit Sasori los. Nach einer Weile des zufriedenen Schweigens sprach er sie von der Seite an.

„Du, Aiko?“, sagte er.

„Ja?“

„Ich liebe dich.“

Ein helles Lächeln huschte über ihr nachdenkliches Gesicht.

„Ich weiß“, flüsterte sie. „Ich dich auch.“



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