Brother Four
In dem Zimmer war es kalt. Der letzte Besucher war vor knapp einer halben Stunde gegangen und Daniel hatte das Gefühl, es wäre nie Tag gewesen. Er sah sich um. Die Wände waren wie immer schwarz. Der Geruch von Schweiß und anderen Sekreten war auch wie immer. Nichts war anders. In eine Ecke gedrängt starrte der Junge auf seine Knie. Die kälte zog erneut durch seinen Körper und ein Zittern fuhr durch seine Beine. Er fror und widerrum nicht. Es war wie ein Spiel aus tausenden Gefühlen und doch keinen und er fragte sich, ob diese Tortur jemals ein Ende nahm.
Es war nun schon lange her seid Daniel von seinem Bruder getrennt worden war. Er war eigentlich nicht Michaels richtiger Bruder, nur sein Halbruder da er aus einer anderen Beziehung entstanden war aber Michael hat ihn immer wie seinen richtigen Bruder gesehen und ihn auch so, wie er ist, akzeptiert.
Michael hatte immer viel zu tun gehabt und Daniel hatte einen Nebenjob gesucht. Und so ist er hier gelandet. Nun arbeitet er schon seid neun Jahren in diesem Bordell und wurde so seiner ganzen Jugend beraubt. Mittlerweile hatte er sich damit abgefunden nie wieder aus diesem „Gefängnis“ rauszukommen aber trotzdem hatte er die Hoffnung dass sein Bruder ihn irgendwann kommen und retten würde.
Viele Kunden hatte er in den letzten Jahren betreut. Junge, Alte...es war für ihn immer dasselbe. Sex war für ihn an der Tagesordung, genauso wie Drogen, Alkohol und Misshandlung. Es war wie ein nie endenwollender Kreislauf oder besser gesagt, Albtraum.
Angestrengt griff er nach einer Schachtel Zigarretten, die auf dem kleinen Holztisch neben dem Bett lag und nahm einen tiefen Zug aus einer angezündeten Zigarretten. Wer wohl heute noch alles kommen würde? Er hatte schon seid langen ein Auge auf den Bodyguard dieses Bordells geworfen, doch kam er nie zu Daniel, außer wenn er ihn nach Verletzungen untersuchen wollte. Für Daniel war dieser Ichi, wie ihn alle nannten, ein wunderschöner junger Mann, mit dem er gerne mal schlafen würde. Er war wie ein Engel ohne Flügel, der Beschützer der hier im Bordell über alle wachte. Würde er ihn doch mal besuchen.
Daniel glitt aus seinen Gedanken als sich seine Türe erneut knarrend öffnete. Er legte die Zigarrette beiseite und wartete gespannt, wer dort hinter der Tür stand. Als die Person eintrat, konnte er es erst mal nicht glauben. Es musste ein Traum sein. Da stand ein blonder Mann mit braun-roten Augen und sah ihn an.
„Daniel? Zieh dich schnell an, ich bring dich hier raus!“ Was wollte er? Daniel hier rausbringen? Fragend und irgendwie überrascht blickte er Ichi an. „Ichi war dein Name, oder? Warum willst du mich hier rausholen?“ Der Blondhaarige wandte sich zu ihm um und guckte hin und wieder nach draußen um zu sehen, ob jemand auf dem Gang umherstreifte.
„Dein Bruder, Michael, hat mich darum gebeten. Ich soll dich zu ihm bringen.“ Daniel war wie vor den Kopf gestoßen. „Was? Mein Bruder? Wirklich?“
Der blonde Mann lächelte sanft. So hatte noch nie jemand Daniel angelächelt.
„Ja aber erst mal kommst du mit zu mir. Der Boss soll denken, du wärst geflohen. Bei mir wird er dich nicht finden. Komm, es ist gerade niemand hier.“
Noch nie war Daniel so schnell auf den Beinen gewesen. Er konnte es immer noch nicht fassen. Seid Jahren war sein Leben die Hölle gewesen und nun verschaffte ihn dieser freundliche Mann ihm einen Weg zu seinem Bruder. Vielleicht würde sich ja jetzt endlich etwas in Daniels Leben ändern. Erleichtert griff er nach Ichis Hand und schlich mit ihm die Gänge entlang bis sie durch die Hintertür traten und durch den Regen in den Gassen verschwanden.
