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Phönixasche

von

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Problemlösung & Tuschelmuschel

Ich melde mich mit dem letzte Kapitel aus der Versenkung zurück. Das Kapitel hat mich fast in den Wahnsinn getrieben und mir ist das Hirn aus der Nase rausgelaufen. Falls ihr irgendwo im Kapitel also Hirn findet, dann bitte an mich zurückgeben. :'D

Wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist es ein ziemlich langes Kapitel geworden. Da ich aber absolut kein Fan von Kapitelteilung bin, müsst ihr euch jetzt wohl oder übel damit herumschlagen. O:)

Ich widme es zum einen mir selbst, weil ich es endlich geschafft habe, dieses dämliche Kapitel zu beenden. Aber weiterhin widme ich es Paddy, weil sie wieder tatkräftig geholfen hat und mir keine Pause gönnen wollte; und Katja, weil ich hoffe, dass es sie ein wenig aufheitert.
 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
 

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PROBLEMLÖSUNG & TUSCHELMUSCHEL
 

»Wann gedenkst du dich endlich bei deinem Herzbuben zu melden?«, fragte Fernando mich ungefähr eine Woche nach meinem aufschlussreichen Gespräch mit meinen Freunden. Eigentlich hatte ich mich insgeheim schon gefragt, wann er dieses Thema zur Sprache bringen würde, aber ich hatte dennoch die leise Hoffnung gehabt, er würde sich noch mehr Zeit damit lassen.
 

Ich hatte Raphael seit Sonntag nicht mehr gesehen und das nicht einmal beabsichtigt. Es war nicht so, dass ich versuchte ihm aus dem Weg zu gehen. Wobei es natürlich nicht ausgeschlossen war, dass er versuchte mich zu meiden… aber das konnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Seit letztem Sonntag hatte ich mir jeden Tag vorgenommen, zu ihm zu fahren und die ganze Geschichte mit ihm zu klären. Allerdings fand ich jeden Tag eine neue Ausrede, die mich dazu brachte, diese Konfrontation aufzuschieben. Wann immer ich mein Hirn nicht mit etwas Sinnvollem von Raphael ablenken konnte, spielte ich in Gedanken diese bevorstehende Unterhaltung durch — besser gesagt, ich versuchte es. Allerdings blieb es in meinen Gedanken nur bei sich gegenseitigem Anstarren, da ich nicht einmal wusste, was ich sagen sollte, wenn ich Raphael einmal gegenüber stand.
 

Ich seufzte tief und legte meine Vorlesungsaufzeichnungen weg, die ich bis jetzt studiert hatte. Nächste Woche hatte ich meine erste Prüfung und ich war mit dem Lernen bei Weitem noch nicht so weit vorangeschritten, wie ich gerne wollte.
 

»Was ist, wenn das nur eine Phase ist?«, fragte ich. Noch im selben Augenblick wurde mir klar, dass ich wie ein weinerlicher Volltrottel klang, der nicht einsehen wollte, dass er sich in einen anderen Mann verliebt hatte.
 

»Sexualität ist keine Phase, Adrian«, erwiderte Fernando gelassen. »Und selbst wenn — jedes Verliebtsein, jede Beziehung ist eine Phase, wenn man es genau nimmt. Einige dauern ein paar Monate oder Jahre und einige enden nie. Aber du kannst nicht einfach irgendwann sagen ›Och, ich stand jetzt so lange auf Frauen, jetzt könnte ich es mal mit Männern weitermachen‹, wenn du verstehst, was ich meine.«
 

Ich dachte kurz über seine Worte nach. Einleuchtend. »Hast du so was wie ein Handbuch für weise Kommentare zu jeder Lebenslage oder woher nimmst du das?«
 

Fernando drückte den Rücken durch, straffte die Schultern und hob auf königliche Weise das Kinn. »Ich bin eben einfach ein Universalgenie.«
 

»Bescheidenheit ist nicht gerade deine Stärke, Genius«, erwiderte ich grinsend, bevor ich mich vom Fußboden erhob und mich am Schreibtisch an meinen Laptop setzte. Ich kam mit dem Lernen nicht sonderlich gut voran, weil mein Kopf viel zu vollgestopft mit anderen Dingen — Raphael — war, als dass ich effektiv irgendwas aufnehmen konnte.
 

Mir war durchaus klar, dass ich mich aufführte wie ein Feigling, weil ich nicht genug Mut zusammensammeln konnte, um mich bei Raphael zu melden. Vielleicht wollte er ja gar nicht mehr mit mir reden. Oder mich sehen. Oder irgendwas mit mir zu tun haben. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Gedanken hatte, und jedes Mal versuchte ich ihn schnell beiseite zu wischen.
 

Innerlich seufzend rief ich Twitter auf, um mich in großem Stil über den blöden Lernstoff bei meinen Followern zu beschweren, als mir die Zahl der Leute, denen ich folgte, ins Auge sprang. Sie war ums eins größer geworden. Ein wenig stutzig klickte ich auf die Ziffer und warf einen Blick auf die oberste Person. Der Name sprang mich an wie ein hungriges Raubtier: Raphael.
 

Er hatte meine Anfrage also bestätigt. Nachdem ich die Frage Warum jetzt? aus meinem unmittelbaren Gedankenfeld geschoben hatte, rief ich seine Timeline auf. Sein letzter Tweet war vier Tage alt: Zweiter Versuch: Testat bestanden. Klausuren ahoi. Das wird ein Spaß.
 

Ich scrollte weiter runter und blieb an einem Tweet mit Hashtag hängen.
 

High. #A #hakunamatata
 

Der Eintrag war von dem Abend, als wir uns geküsst hatten. Mir wurde heiß und kalt zugleich, alles kribbelte wie blöd. Ich wusste, was er meinte. High hatte ich mich auch gefühlt, bis ich die Haustür des Wohnheims hinter mir geschlossen hatte. Ich bekam wieder ein nagendes schlechtes Gewissen. Langsam scrollte ich noch weiter nach unten. Es kamen erstaunliche viele Tweets, die einzelne große As beinhalteten, und als ich einige Einträge von Weihnachten und vom Abend des Supper Clubs fand, war ich mir ziemlich sicher, dass das große A für mich stand, für Adrian. Ein Tweet vom Abend des Supper Clubs bezog sich offenbar sowohl auf mich als auch auf Amita. Obwohl ich es eigentlich nicht hätte lustig finden dürfen, konnte ich mir ein kleines Grinsen dennoch nicht verkneifen.
 

Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Die beiden Mädels, die denken, ich sei interessiert, oder A², die sich zu gut verstehen. Amboss anyone?
 

Ich konnte nicht gänzlich erklären, warum es mir wie Öl den Rücken runterging, dass Raphael offenbar eifersüchtig gewesen war. Bevor ich mich vollkommen irgendwelchen dummen Gedanken hingeben konnte, suchte ich neugierig nach dem ersten Tweet, in dem er mich erwähnte. Für einen kleinen Augenblick kam ich mir dabei wie ein besitzergreifender, nach Aufmerksamkeit haschender Perverser, aber das boxte ich einfach geflissentlich beiseite.
 

Ich fand einen Eintrag, der zeitlich passte, und der vermutlich vom Tag unseres ersten Treffens war. Doch außer meines Namens sagte der Tweets nicht. Nur mein Name. Ein Wort. Und nichts mehr.
 

Keine Ahnung, wie lange ich stumpfsinnig meinen Namen angestarrt hatte, bis bei mir schließlich der Groschen fiel und mir klar wurde, dass ich ein Gespräch mit Raphael nicht aufschieben konnte. Ich erhob mich hastig von meinem Schreibtisch, schnappte mir mein Portemonnaie und meine Schlüssel, bevor ich aus dem Zimmer stürzte. Ich riss beinahe die kleine Schlaufe zum Aufhängen von meiner Jacke, als ich sie vom Haken nahm.
 

»Viel Erfolg!«, hörte ich Fernando rufen, als ich aus der Wohnung eilte. Er schien zu wissen, wohin ich wollte. Für den Bruchteil eines Moments musste ich grinsen.
 

Während ich lief, zog ich mir die Jacke über, wickelte mir nachlässig den Schal um den Hals und hastete in die Innenstadt, um die nächste Straßenbahn zu nehmen. Als ich allerdings in der Bahn saß, fragte ich mich, ob Raphael überhaupt zu Hause sein würde. Was, wenn er gar nicht da war? Ich könnte ihn anrufen, überlegte ich, aber das erschien mir zu unpersönlich. Ein Telefonat hätte die Sache nicht vereinfacht und eine peinliche Stille in der Leitung wäre sicherlich nicht vorteilhafter als eine peinliche Stille von Angesicht zu Angesicht. Vielleicht würde Raphael mir aber auch einfach die Tür vor der Nase wieder zuschlagen.
 

Die Straßenbahn war erstaunlich leer für einen Samstagabend. Ich lehnte die Schläfe gegen die kalte Fensterscheibe und starrte in die Dunkelheit. Allein der Gedanke, Raphael gegenüberzustehen ließ mein Herz schneller schlagen. Ich wusste nicht genau, wann ich das letzte Mal so nervös gewesen war.
 

Ich dachte an Raphaels Tweets, an unsere Treffen, an sein Verhalten — und es war, als könnte ich erst jetzt wirklich sehen. Mit einem Mal schienen all seine Aktionen und Reaktionen einen Sinn zu ergeben. Ich erinnerte mich an unseren Billardabend, an dem Mimi mich zum Supper Club eingeladen hatte, den Abend, an dem Raphael so passiv aggressiv gewesen war oder auch sein unerwarteter Besuch in meiner Vorlesung, die ihn pseudo-interessiert hatte. Ich kam mir vor, als hätte ich die ganze Zeit über ein Brett vor dem Kopf gehabt. Was wohl auch nicht ganz falsch war…
 

Ein kleiner Teil in mir fragte sich, warum mir das nie aufgefallen war. Aber ich wusste, dass mir zuvor in keinem einzigen Moment auch nur der Gedanke gekommen ist, dass Raphael irgendein Interesse hätte, das über Freundschaft hinausging. Aber man konnte mir wohl mehr oder weniger zugutehalten, dass ich nicht der einzige war, der nichts mitbekommen hatte. Immerhin war es Fernando und Simon auch nicht klar gewesen.
 

Im Endeffekt, dachte ich, ging es wohl weniger darum, dass ich so lange auf dem Schlauch gestanden hatte, als um mein Verhalten und meine Reaktion, nachdem Raphael und ich uns auf der Party geküsst hatten. Aber vielleicht war das auch nur meine subjektive Meinung und Raphael sah das ganz anders. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass ich ihn möglicherweise so tief gekränkt hatte, dass er tatsächlich nichts mehr mit mir zu tun haben wollte.
 

Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Ich hätte schon viel früher mit ihm reden sollen. Jetzt bereute ich es extrem, dass ich mir eine Woche Zeit gelassen hatte.
 

Die kalte Winterluft traf mich beinahe wie eine Ohrfeige, als ich aus der Straßenbahn ausstieg. Mein Atem verpuffte in einer kleinen Dampfwolke vor meinem Gesicht. In der Dunkelheit musste ich mich erst noch kurz orientieren, um mich zu erinnern, wo ich langgehen musste, um zu Raphaels Wohnung zu gelangen.
 

Ich wusste nicht, was ich mehr wollte: mir Zeit lassen beim Gehen oder in einen Sprint ausbrechen, hoffen, beim Laufen nicht hinzufallen und mir was zu brechen, und somit schneller bei Raphael zu sein.
 

Ich atmete die eisige Luft durch den Mund ein, spürte, wie sie meine Luftröhre hinab in meine Lungen kroch. Innerlich erschauerte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie die ganze Sache enden würde, aber besser, ich schaffte es aus der Welt, anstatt meine Freunde, mich selbst und vor allem Raphael zu enttäuschen und mich am Ende vielleicht für immer zu fragen: Was wäre, wenn…?
 

Die dunkle Haustür wirkte fast wie ein schwarzes Loch auf mich. Ich starrte eine gefühlte Ewigkeit auf Raphaels Klingelschild, bis ich es endlich betätigte. Und obwohl es nun mal so üblich ist, dass der Bewohner — sofern daheim — per Gegensprechanlage antwortet, traf mich Raphaels Stimme auf verquere Art und Weise unvorbereitet.
 

»Ja?«
 

Mein Hirn setzte aus. Ich öffnete und schloss meinen Mund immer wieder. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Karpfen, aber mir blieb völlig die Sprache weg. Was, wenn er mich gar nicht erst reinlassen würde?
 

»Hallo?«, fragte Raphael erneut. Ich musste mich räuspern, um mich zu vergewissern, dass meine Stimme nicht versagte.
 

»Hey…«, sagte ich langsam. »Ich bin’s.«
 

Anstatt einer Antwort hörte ich den Summer, der die Haustür öffnete. Hastig stolperte ich in den Flur und lief die Treppe in den ersten Stock hinauf. Raphael stand bereits an der Wohnungstür. Er sah mir entgegen, als ich hochkam. Seine Miene war unergründlich. Ich konnte nicht einmal erahnen, woran er dachte.
 

Als ich vor ihm zum Stehen kam, fiel mir auf, wie gut er angezogen war. Er trug eine schwarze Hose und ein weißes Hemd, über dem sich eine ebenfalls schwarze Weste spannte. Der Knoten der Krawatte, die er trug, war ein bisschen geweitet und die ersten zwei Knöpfe des Hemds waren offen. Er sah aus, als wäre er bei irgendeiner schicken Veranstaltung gewesen.
 

Während ein Teil von mir bewundernd über Raphael und seinen Aufzug schmachtete, fragte sich ein anderer, wo er wohl gewesen sein könnte, dass so eine Kleidung erforderte.
 

»Äh… hi«, sagte ich ein wenig atemlos. Raphael trat wortlos zur Seite und deutete in die Wohnung. Ich deutete etwas wie ein Nicken an, bevor ich mich an ihm vorbeidrückte. Ich wusste nicht einmal, ob ich meine Schuhe ausziehen sollte oder nicht. Was, wenn Raphael mich gar nicht so lange hier haben wollte? Was, wenn er mich sowieso gleich wieder rauswarf? Sich die Schuhe auszuziehen wäre von meiner Seite aus ein Zeichen, dass ich länger bleiben wollte… und ich wusste nicht, ob das auch seinen Wünschen entsprach.
 

Unschlüssig stand ich in seinem Flur und starrte ihn an. Ich kam mir ziemlich hilflos vor. Raphael wirkte sehr gefasst auf mich.
 

Bevor ich etwas sagen konnte, fragte er mich: »Möchtest du etwas trinken?«
 

»Wasser?«
 

Raphael nickte kurz. »Nimm im Wohnzimmer Platz. Ich komme gleich.«
 

Als er in der Küche verschwand, zog ich mir zögern die Schuhe aus, schob die an die Wand und ging in sein Zimmer. Auf dem Bett lagen Klamotten und zerstreute Blätter mit einem Block und Kugelschreibern. Auf dem Schreibtisch stapelten sich dicke Medizinwälzer und etliche Ordner, in denen vermutlich der Lernstoff für Klausuren drin war. Auf dem kleinen Couchtisch vor dem Sofa lagen kleine Karteikarten mit lateinischen Vokabeln, allesamt Begriffe, die ich nicht kannte. Ich ließ mich langsam auf die Couch sinken. Neben den Karteikarten lagen anatomische Zeichnungen von Händen, Armen und Füßen. Auf allen war wirr herumgekritzelt worden, Teile waren mehrmals rot eingekreist.
 

»Entschuldige die Unordnung«, sagte Raphael, als er ins Zimmer kam. Ich fuhr beinahe zusammen. Er stellte zwei Gläser und eine Wasserflasche auf das Papier, das auf dem Couchtisch lag, bevor er sich ebenfalls aufs Sofa setzte. Ich starrte ihn wieder an. Er entschuldigte sich für die Unordnung... die nicht wirklich eine war.
 

»Kein Problem«, kam es automatisch von mir. Raphael öffnete die Flasche und schenkte uns beiden ein. Er reichte mir ein Glas, nahm dann sein und nahm einen Schluck. Ich nippte an dem Wasser, unwissend, wie es weitergehen sollte. Raphael schwieg ebenfalls.
 

»Latein?«, meinte ich dann schließlich, als ich mich mit keiner Faser meines Körpers dazu bringen konnte, über das eigentlich Wichtige zu sprechen.
 

»Mhm«, machte Raphael, der einen Schluck Wasser im Mund hatte, und nickte. »Ich hatte Donnerstag die Klausur. Hab noch nicht geschafft, alles wegzuräumen.«
 

»Wie ist es gelaufen?«, wollte ich wissen.
 

»Ganz gut, denke ich«, antwortete er schulterzuckend. »Latein war noch das geringste Übel.«
 

»Was kommt noch?«, fragte ich weiter. Ich war so ein Schisser, ich war mir beinahe selbst peinlich. So zu tun, als wäre nie etwas gewesen, war nicht die Lösung, die ich nehmen wollte. Doch Raphael ging auf die Fragen ein. Er selbst tat nichts, was mich von belanglosem Gerede abhielt.
 

»Biologie, Anatomie, Chemie und Physik«, erwiderte er. Ich nickte ergeben. Dann hüllten wir uns wieder in Schweigen. Ich starrte auf das Glas in meinen Händen. Es konnte doch unmöglich so schwer sein, einfach zu sagen, was ich sagen wollte. Ich kam mir so hirnamputiert vor, weil ich den Mund schlicht nicht aufbekam. Irgendwie hatte ich mir das alles leichter vorgestellt.
 

Ich schaute mich in dem Zimmer um. Es war schon wieder einige Monate her, seitdem ich das erste Mal hier gewesen war, um Raphael beim Streichen zu helfen. Mein Blick schweifte umher, bis er schließlich an Raphael kleben blieb. Er begutachtete so wie ich eben das Glas, das er zwischen den Händen hielt, als wäre es das Interessanteste, das er seit langem gesehen hatte. Ich betrachtete ihn, wie er dasaß und mit den Fingern immer wieder über den Glasrand strich. Erst, als er auch den Blick hob, wandte ich mich von ihm ab.
 

Es kam mir vor, als würde jede Sekunde Stunden dauern.
 

»Der Grund, warum ich hier bin«, begann ich schließlich, als die Stille so drückend wurde, dass ich es kaum noch aushalten konnte, und meine innere Unruhe so stark, dass ich beinahe angefangen hätte, auf und ab zu laufen. »Ich wollte mich entschuldigen, dass ich… dass ich so… dass ich so ein Blödmann war und mich so dumm aufgeführt habe.«
 

Ich atmete tief durch, nachdem das raus war. »Ich kann verstehen, wenn du sauer deswegen bist oder…«
 

Ich zog hilflos die Schultern hoch. Mir schwebten zu viele Adjektive im Kopf herum, die hätten beschreiben können, was Raphael möglicherweise denken konnte. Aber ich konnte ihm immer noch nicht ansehen, was er dachte. Ich sah ihn an und als er meinen Blick erwiderte, musste ich mich zusammenreißen, um ihm nicht auszuweichen.
 

Der leiseste Anflug eines Lächelns zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Er schüttelte kaum merklich den Kopf.
 

»Ich bin nicht sauer«, sagte er schließlich, während er sein Glas wieder auf den Tisch stellte. »Aber ich muss zugeben, dass ich enttäuschter war… bin. Mehr als ich es vielleicht sein dürfte.«
 

»Enttäuscht«, echote ich, während sich ein eigenartiges Gefühl bei dem Wort in mir ausbreitete.
 

»Ich hätte nicht erwarten dürfen, dass du mir einfach so mir nichts, dir nichts in die Arme springst«, meinte er. Raphaels Stimme klang ruhig, sachlich, fast ein wenig bitter. Er lehnte sich gegen das Rückenpolster der Couch und sank ein wenig tiefer.
 

»Ich war viel zu…«, er hielt inne, wohl, um nach dem richtigen Wort zu suchen, »überwältigt. Und das hat mir nicht erlaubt, auch nur einen einzigen, klaren Gedanken zu fassen.«
 

Ich starrte ihn an. Ich war zerrissen zwischen dem Gefühl der Beschämung, dass ich ihn so abweisend behandelt hatte, und diesem beinahe irren Glück. Das letzte Mal, dass Raphael so offen mit mir gesprochen hatte, war zu Weihnachten gewesen, als er mir von seinen Eltern erzählt hatte. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte und schaute auf meine Hände. Das Glas hatte ich bereits geleert und abgestellt.
 

Eine Weile blieb es wieder still zwischen uns. Ich wollte unbedingt etwas sagen. Ihm versichern, dass ich nicht dachte, dass es ein Fehler gewesen wäre. Ihm erklären, dass es mich einfach so unvermittelt getroffen hatte, dass ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Aber ich war nicht fähig, meine Gedanken in Sätzen auszuformulieren.
 

»Tut mir Leid«, sagte Raphael dann in die Stille. Er sah mich direkt an. Ich wich seinem Blick fast wieder aus.
 

»Wofür?«, fragte ich überrascht. Was sollte ihm denn leidtun?
 

»Dafür, dass ich so hohe Erwartungen habe. Dafür, dass ich es irgendwie für selbstverständlich gehalten habe, dass die Sache zwischen uns eindeutig ist. Dafür, dass ich dich damit verschreckt habe.«
 

Mein Herz überschlug sich fast, als er den zweiten Satz sagte, und zog sich beinahe schmerzhaft zusammen, als ich den letzten Teil hörte.
 

»Du musst dich nicht entschuldigen«, erwiderte ich leise. »Du hast mich nicht verschreckt.«
 

Er sah mich aufmerksam an. Sein Pokerface war inzwischen verschwunden. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war eine Mischung, was ich dachte sei Hoffnung, Anspannung und Überraschung. In diesem Moment wirkte er genauso verletzlich wie damals, als er mir von seinen Eltern erzählt hatte. Ich wollte ihn nicht so sehen, nicht so geschunden.
 

»Ich hab es nicht kommen sehen«, versuchte ich zu erklären. »Ich hab es nicht gemerkt, bis wir uns geküsst haben. Na ja, doch, gemerkt habe ich es schon, aber ich konnte es nicht einordnen.«
 

Ich seufzte tief und fuhr mir durch die Haare. »Das Problem ist nicht, dass ich Angst davor habe, schwul oder bi oder was auch immer zu sein. Eigentlich gibt es auch gar kein Problem… ich war… überrascht, weil ich vorher noch nie… ich hab vorher noch nie einen anderen Mann so gesehen, wie ich dich sehe.«
 

Das ging mir viel leichter von den Lippen, als ich gedacht hätte. Auf einmal war alles so einfach.
 

Raphael presste die Lippen aufeinander. Langsam streckte er die Hand aus, fuhr mit den Fingerspitzen über mein Handgelenk. Automatisch drehte ich meine Hand so, dass er seine in meine legen konnte. Doch bevor er das tat, zeichnete er hauchzart die Linien in meiner Handfläche nach. Seine Finger waren warm und vorsichtig, er ließ sich Zeit, aber als seine Hand zum Stillstand kam, verschränkten wir die Finger augenblicklich miteinander.
 

Ich konnte spüren, wie die Anspannung von mir abfiel und mein Kopf beinahe im selben Augenblick in Watte gepackt wurde.
 

Wir saßen schweigend da, die Finger miteinander verhakt und sahen einander an. Anders als vorhin war die Stille nicht unangenehm, obwohl ich das Gefühl hatte, dass irgendetwas in der Luft war. Trotz allem, was Raphael und was ich gesagt hatten, wusste ich nicht genau, an welchem Punkt wir standen und zu was uns unsere Aussprache machte.
 

Die Frage laut zu stellen, kam mir aber falsch vor. Ich hielt den Mund und hoffte, dass sich dieses Problem möglichst bald selbstständig löste. Ich betrachtete unsere verwundenen Hände. Ein Prickeln hatte sich von meiner Hand auf meinen ganzen Körper ausgebreitet. Raphaels Finger drückten ganz sachte gegen meine Knöchel. Es war keine große Geste, nichts Überragendes, aber es fühlte sich trotzdem sehr… intim an.
 

Ich lehnte die Schläfe gegen die Rückenlehne der Couch. Raphaels Augen folgten jeder meiner Bewegung und ich kam nicht umhin, zu lächeln. Er zog einen Mundwinkel ganz leicht nach oben. Ich sah seinen Mund an, studierte den Schwung seiner Lippen, das sanfte Grübchen, das sich an seinem Mundwinkel bildete, wenn er lächelte. Eine heiße Welle schwappte über mich hinweg, als ich an unseren Kuss im Club zurück dachte.
 

Ich fuhr hoch, als mein Handy zu klingeln anfing. Auch Raphael schien ein wenig irritiert. Innerlich verdrehte ich die Augen. Es war ja klar, dass so etwas passieren musste. Unsere Hände lösten sich voneinander und hastig friemelte ich das bimmelnde Ding aus meiner Hosentasche. Wer um Himmels Willen rief mich denn jetzt an?
 

Schnell warf ich einen Blick auf das Display. Beinahe gefror mir das Blut in den Adern.
 

Amita.
 

Ich stand auf und drehte Raphael den Rücken zu, als ich das Gespräch annahm. Ich versuchte, ungezwungen zu klingen, dabei konnte ich spüren, wie sehr ich mich verspannte. Amita war in letzter Zeit ganz aus meinen Gedanken verschwunden. Während der ganzen Aufregung hatte ich vergessen, dass ich gewissermaßen mit ihr… angebandelt hatte.
 

»Hey«, sagte ich schnell und versuchte, meine Stimme dabei eben klingen zu lassen.
 

»Hi«, erwiderte Amita fröhlich. Im Hintergrund hörte ich Stimmen und Musik. Sie war wohl unterwegs. »Alles klar bei dir?«
 

»Äh, ja. Klar«, meinte ich. Fahrig strich ich mir durch die Haare. »Was gibt’s?«
 

Ich wollte nicht unhöflich sein, aber es ärgerte mich, dass sie ausgerechnet jetzt anrufen musste. Aber vielleicht hätte ich mich auch nicht wundern sollen, seit unserer letzten Begegnung hatte ich mich nicht mehr bei ihr gemeldet.
 

»Ich bin gerade im Stilbruch und wollte fragen, ob du Lust hast, vorbeizukommen…?«, fragte sie. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass sie hoffnungsvoll klang. Unschlüssig biss ich mir auf die Unterlippe. Ich überlegte, ob ich Raphael fragen sollte, ob er Lust hätte, mitzukommen, überlegte es mir dann aber anders.
 

»Ja, warum nicht«, antwortete ich schließlich. »Ich bin in zehn Minuten da.«
 

Ich drehte mich, nachdem ich aufgelegt hatte, wieder zu Raphael um. Er saß mit gerade durchgestrecktem Rücken auf der Couch und sah mich erwartungsvoll und ein wenig enttäuscht an. Am liebsten hätte ich ihn mitgenommen, aber ich wusste nicht, ob es jetzt so eine gute Idee war, Amita und Raphael aufeinandertreffen zu lassen.
 

Ich schob meine Hände in die Hosentaschen und hob die Schultern. »Sorry. Ich treffe mich noch mit ein paar Leuten im Stilbruch
 

Raphael sagte nichts dazu, stand aber auf, um mich zur Wohnungstür zu begleiten. Ich schlüpfte in meine Schuhe und nahm mir noch die Zeit, um meinen Schal noch einmal neu zu ordnen, damit ich nicht fror.
 

Raphael griff sachte nach meinem Handgelenk, als ich fertig war. Einen Moment lang geschah nichts, dann holte er tief Luft.
 

»Möchtest du mit mir ausgehen?«, fragte er dann und sah mir fest in die Augen. Ich war von seiner Frage so überrascht, dass es mir die Sprache verschlug. Statt ihm eine Antwort zu geben, starrte ich ihn verblüfft an. Er sah aus, als würde er vor Ungeduld und Anspannung vergehen, schwieg aber abwartend.
 

»Ja«, brachte ich schließlich hervor, während wieder dieses Kribbeln durch meinen Körper ging. »Natürlich.«
 

Ich schenkte ihm ein Lächeln und er seufzte erleichtert auf. »Morgen?«
 

»Okay«, willigte ich ohne zu zögern ein. Raphael lächelte mich an, sodass mir ganz warm wurde. Seine Finger lagen immer noch locker um mein Handgelenk. Wir sahen einander wieder für einen Moment schweigend an, dann verabredeten wir uns für zwölf auf dem Holzmarkt. Als ich ihn fragte, was wir machen wollten, lächelte er geheimnisvoll und sagte mir, ich solle mich überraschen lassen. Offenbar hatte er schon einen genauen Plan.
 

Ich wusste nicht wirklich, wie ich mich bei unserer Verabschiedung verhalten sollte. Doch dieses Problem nahm Raphael mir ab, als er mich behutsam umarmte; erst zögerlich und abwartend, wie ich darauf reagierte, aber als ich ihm entgegenkam, schloss er die Arme um meine Schultern. Seine Haare kitzelten mein Gesicht, ich fühlte den leicht angerauten Stoff seiner Weste unter meinen Händen. Sein Duft benebelte fast alle meine Sinne.
 

»Viel Spaß noch«, sagte er dann, nachdem wir einander losgelassen hatte. Ich nickte stumpfsinnig, während mein Kopf immer noch irgendwo zwischen den rosaroten Wolken hing. Erst, als ich unten an der Haustür ankam, hörte ich, wie er seine Wohnungstür schloss. Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg zum Stilbruch.
 

Ich machte Amita schnell aus und winkte sie zu mir. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie auf mich zukam, aber irgendwie hatte ihr Lächeln seinen Charme verloren. Ich fand es nicht mehr so… überzeugend, wie noch vor einigen Wochen. Amita umarmte mich ohne Umschweife. Fast brachte es mich aus dem Konzept, aber dann erinnerte ich mich, dass wir ja so weit in unserer… Beziehung fortgeschritten waren.
 

»Hallo, Fremder«, begrüßte sie mich dann und verschränkte gespielt abschätzend die Arme vor der Brust. Ich grinste ein wenig.
 

»Du umarmst also einfach Fremde?«, neckte ich sie. Amita lachte warm.
 

»Du hast so lange nichts mehr von dir hören lassen«, sagte sie dann. Sie lächelte zwar abwartend, aber ich konnte sehen, dass sie sich darum bemühte, die Mundwinkel oben zu halten. Vielleicht hatte sie sich selbst schon etwas zusammengereimt. Ich fuhr mir mit einer Hand über den Hinterkopf. Irgendwie fühlte ich mich schlecht.
 

»Ja, sorry. Ich hatte viel zu tun«, log ich. Eigentlich wollte ich sie nicht anlügen, aber eine Lüge erschien mir in diesem Augenblick angebrachter, als ihr zu gestehen, dass ich sie total vergessen hatte. Das war wohl nicht gerade etwas, das Mädchen hören wollten… schon gar nicht, wenn man sie noch bis vor kurzem gedatet hat.
 

»Schon okay«, erwiderte Amita versöhnlich und strich über meinen Oberarm. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, zu dem Tisch, an dem ihre Freunde saßen, mit denen sie hier war. Als sie mich wieder ansah, kehrte ihr Strahlen zurück. »Lass uns rübergehen.«
 

Gerade, als Amita sich umdrehen und zurückgehen wollte, griff ich nach ihrem Arm. »Warte mal.«
 

Sie sah mich an. Ich seufzte. Mir wurde klar, dass ich ihr gegenüber eigentlich ziemlich unfair war und dass ich sie vor den Kopf stieß, aber ich musste ihr sagen, dass zwischen uns nichts laufen würde. In mir zog sich alles zusammen. Wie kam es eigentlich, dass ich mich ständig in solche Situationen manövrierte?
 

»Hör mal, Amita«, begann ich langsam und ließ ihren Arm los. »Du bist echt toll.«
 

Oh Gott, wie durchgekaut klang das denn?
 

»Ich... denke nicht, dass ich das zwischen uns vertiefen möchte«, brachte ich mühsam heraus. Das Lächeln war von Amitas Gesicht verschwunden. Stattdessen sah sie mich mit großen Augen an. Sie senkte kurz den Blick, ihre Augen huschten hin und her. Beinahe wirkte sie, als hätte sie das, was ich eben gesagt hatte, nicht völlig verarbeitet.
 

Als sie mich wieder ansah, sah sie verwirrt und verständnislos aus. »Wieso?«
 

Ich zögerte kurz, entschloss mich aber, ihr wahrheitsgemäß zu antworten. Das war das mindeste, das sie verdient hatte. »Da gibt es jemand anderen«, fing ich an. »Raphael.«
 

Sie schwieg und sah mich mit fraglich zusammengezogenen Augenbrauen an, bis…
 

Ihre Augenbrauen wanderten in die Höhe. »Du bist…? Aber… wieso…«
 

»Ich weiß nicht«, sagte ich schnell. »Es ist das erste Mal.«
 

»Oh«, machte sie. »Oh, okay.«
 

Wir schwiegen kurz. Dann fragte sie: »Wie lange weißt du es schon?«
 

»Seit einer Woche bewusst«, erwiderte ich ehrlich. Sie nickte leicht abwesend. Ihr dunkles Haar fiel über ihre Schulter. Sie wirkte ein wenig geknickt und es tat mir so unglaublich leid. Ich hätte sie gern in den Arm genommen, aber ich wusste nicht, ob das jetzt wirklich angebracht war.
 

»Amita.« Ich griff vorsichtig nach ihrer Hand. »Es tut mir so, so Leid. Ich hatte wirklich viel Spaß bei unseren Treffen und du bist so eine tolle Frau und ich war… ehrlich verknallt… ein bisschen.«
 

Sie sah mich an und versuchte ein kleines Grinsen zu unterdrücken, woran sie kläglich scheiterte. Dann atmete sie durch, lachte leicht. Sie erwiderte den Druck meiner Hand. »Nur ein bisschen?«
 

Ich lachte kurz. Sie strich sich mit der freien Hand die Haare hinters Ohr, straffte ihre Schultern und sah mich an.
 

»Alle guten Männer sind entweder vergeben oder schwul. Und du bist mehr oder weniger beides. Oh Mann, und ich dachte, ich hätte endlich mal einen tollen Kerl an der Angel«, sagte sie theatralisch und lachte dabei fast. Ich lächelte. Sie kam einen Schritt näher und lehnte sich versöhnlich an mich. Ich strich behutsam über ihren Rücken. Wäre Raphael nicht gewesen, hätten die Chancen ziemlich gut gestanden, dass ich mit ihr zusammengekommen wäre.
 

»Wie steht es denn um ihn und dich, wenn ich fragen darf?«, wollte sie dann wissen. Ich hob die Schultern.
 

»Wir haben morgen ein Date«, antwortete ich. Jetzt konnte ich ihr wohl sowieso alles erzählen. Sie lächelte milde, aber dennoch ein wenig bitter. Dann nahm sie mein Gesicht zwischen ihre Hände, zog mich ein Stück zu sich und kam mir gleichzeitig entgegen. Ihre Lippen trafen meine. Sie waren weich, sanft. Und sie roch ein wenig süßlich. Nicht stark oder penetrant oder unangenehm, sehr schwach, aber es passte zu ihr.
 

Sie ließ mich wieder los, doch ihre Hände blieben auf meinen Wangen liegen. Amita lächelte leicht. »Viel Spaß morgen. Und viel Erfolg.«
 

Ich nahm eine ihrer Hände und drückte einen Kuss auf ihre Handinnenfläche. »Danke.«
 

Dann ließ sie mich los und ich drehte mich, um wieder zu gehen. Bevor ich die Tür erreichte, rief sie: »Hey, Adrian.«
 

Ich wandte mich zu ihr um. »Meinst du, wir können irgendwann mal als Freunde einen Kaffee trinken gehen? Oder Billard spielen?«
 

»Klar«, erwiderte ich grinsend, winkte kurz und machte mich dann auf den Weg nach Hause. Ich atmete draußen tief durch. Zumindest schien Amita keinen allzu großen Groll gegen mich zu hegen, dafür, dass ich sie gewissermaßen sitzen ließ. Auch wenn es mich wohl nicht gewundert hätte, wenn sie sauer gewesen wäre. Obwohl ich mich ständig in Situationen wiederfand, die überaus pikant waren und die ich am liebsten gemieden hätte, schien dennoch irgendwie alles gut für mich zu laufen. Vielleicht hatte ich gutes Karma. Oder ich war so unwiderstehlich, dass man einfach nicht die Finger von mir lassen konnte, ganz egal, was für eine Scheiße ich auch anstellte. Ob das auf Dauer aber so gut war, ließ ich dahin gestellt.
 

Ich war früh dran am nächsten Tag. Das Wetter war vergleichsweise mild, die Sonne schien immer wieder zwischen den leichten, weißen Wolken durch und überhaupt war es irgendwie ein schöner Tag. Es hätte jedenfalls schlimmer sein können. Ich war so nervös und aufgeregt, ich hatte keine Ahnung, was ich erwarten sollte. Meine Haut fühlte sich an, als würden Ameisen darüber krabbeln. Wenn das so weiter ging, würde ich keinen einzigen klaren Gedanken fassen können.
 

»Bereit?«, fragte eine amüsierte Stimme neben mir. Ich drehte mich um. Da stand er: Raphael. Sein Gesicht war von der Kälte ein wenig gerötet, seine Haare zerwühlt, aber er lächelte breit. Ich holte tief Luft, dann nickte ich ergeben.
 

»Was hast du geplant?«, fragte ich ihn, während er mich in Richtung Löbdergraben dirigierte. Er warf mir einen belustigten Blick zu, hob aber wie unwissend die Schultern und grinste. Ich war fast ein wenig frustriert, dass er mir nichts verraten wollte. Irgendwie hatte ich nicht einmal eine Vorstellung davon, was Raphael sich für ein Date einfallen lassen konnte. Billard würde es wohl nicht sein.
 

Wir fuhren ein paar Haltestellen und stiegen wieder aus. Raphael betrachtete mich aufmerksam, nachdem wir aus der Straßenbahn gestiegen waren. Er schniefte kurz.
 

»Es ist ein Stückweit zu Fuß«, erklärte er dann. »Es gibt eigentlich auch einen Bus, aber der fährt am Wochenende leider nicht.«
 

Er deutete in eine Richtung, dann liefen wir los. Ich stapfte über einen großen Schneeberg hinweg, während Raphael ihn elegant umrundete. Dabei begutachtete ich ihn. Er trug einen hüftlangen, schwarzen Mantel, der ein wenig uniformmäßig geschnitten war. Ich starrte ihn an, während er vor mir herging. Keine Ahnung, was es war, aber allein seine Art sich zu bewegen, war so… sexy.
 

Ich lief beinahe in ihn rein, als er stehen blieb, um sich nach mir umzudrehen. Wieder lag Belustigung in seinen Augen, als ich ihm einen Blick zuwarf. Ich kam mir vor, als wäre ich jung und unerfahren bei meinem ersten Date. Einmal abgesehen, dass es sogar tatsächlich irgendwie so war, war es mir trotzdem peinlich.
 

»Sorry«, murmelte ich und trat einen Schritt zur Seite, sodass ich neben ihm stand.
 

»Mit Körperkontakt hab ich kein Problem«, erwiderte Raphael gelassen. Er grinste schelmisch. Ich grinste zurück, als mir klar wurde, dass es mir genauso ging.
 

Ab diesem Zeitpunkt liefen wir so dicht nebeneinander her, dass wir uns die meiste Zeit berührten.
 

»Willst du mir jetzt verraten, was du vor hast?«, versuchte ich es dann noch einmal. Raphael wiegte den Kopf von einer Seite auf die andere, als würde er darüber nachdenken, ob er mich in seine geheimen Pläne einweihen sollte. Er ließ sich nervenzerreißend viel Zeit damit. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen wandte er sich mir wieder zu.
 

»Ich bin nicht so der Fan von oberflächlichen Dates«, erzählte er mir dann. »Also, Kino oder Kaffee trinken oder irgendetwas in der Art. Das kann zwar ganz schön sein, aber das ist… nicht wirklich was Besonderes. Ich möchte mich an meine erste Dates auch Jahre später erinnern können.«
 

Er schien sich diebisch zu freuen. »Deswegen dachte ich, es wäre eine gute Idee, wenn wir etwas machen würden, was auch ein bisschen lehrreich ist, aber nicht staubtrocken, sondern experimentell.«
 

Das Grinsen auf seinem Gesicht sah für mich aus wie ein Teufelslachen. Es schien Raphael Spaß zu machen, mich so auf die Folter zu spannen. Ich stöhnte frustriert auf.
 

»Jetzt sag schon«, nörgelte ich und entlockte ihm damit ein Lachen.
 

»Wir gehen ins Imaginata. Das ist eine Art Mit-mach-Museum, das auf physikalischen Gesetzen basiert. Ich bin da ein bisschen kindlich«, meinte er schließlich. »Ich finde es furchtbar spannend, aber ich hoffe natürlich, dass es dir auch gefallen wird.«
 

Ich konnte mich dunkel erinnern, dass Fernando mir gegenüber mal das Imaginata erwähnt hatte, aber eine genaue Vorstellung von diesem Museum hatte ich trotzdem nicht. Wenn es Raphael so viel Vergnügen bereitete, würde es sich sicher lohnen. Allerdings hatte er mit seiner Beschreibung auch so mein Interesse geweckt. Interaktive Sachen lockten mich meistens sowieso, da musste man mich nicht erst fragen.
 

»Sag mal, wo bist du gestern eigentlich gewesen?«, fragte ich ihn, als mir wieder einfiel, wie er mir gestern die Tür geöffnet hatten. Raphael schaute mich fragend an. »Deine Klamotten gestern…«
 

»Ach so«, meinte er und zuckte mit den Schultern. »Henris Eltern waren in der Stadt und haben mich zum Essen eingeladen. Ich war gerade erst zur Tür rein, als du geklingelt hast. Und du? Mit wem hast du dich noch getroffen?«
 

Ich presste die Lippen aufeinander, abwägend, ob ich Raphael von meinem Treffen mit Amita erzählen sollte oder nicht. Andererseits hatte ich jegliche romantische Anbandlung mit ihr begraben, also konnte ich es ihm auch erzählen. Vielleicht half es mir sogar, vielleicht würde es Raphael verdeutlichen, dass ich keine Spielchen spielte.
 

»Ich hab mich kurz mit Amita getroffen«, sagte ich und sah Raphael dabei aufmerksam an. Seine Augenbrauen zuckten kurz, aber er schien sich Mühe zu geben, sein Gefühlsleben nicht auf sein Gesicht zu verlagern. »Ich hab ihr gesagt, dass ich nicht mehr mit ihr ausgehen kann und dass… na ja, dass ich kein Interesse mehr hätte.«
 

Raphael sah mich jetzt seinerseits aufmerksam an. »Wie hat sie es aufgenommen?«
 

Ich zuckte mit den Schultern. »Ganz gut, denke ich. Gefasst. Besser, als ich erwartet habe.«
 

»Ich würde ja gern sagen, dass es mir Leid täte, aber…«, seine Stimme erstarb, aber ich wusste auch so, wie der Satz zu Ende ging. Er lächelte milde, ich grinste zurück.
 

Wir erreichten den Eingang zum Imaginata, bezahlten den Eintritt und machten uns dann daran, das Gelände zu erkunden. Es gab zwei durch den Hof voneinander getrennte Häuser, in denen es verschiedene Stationen zum Besichtigen gab. Direkt am Tor neben dem Eingang stand eine kleine, schräge Hütte und ein Stückchen weiter dahinter, auf der anderen Seite des Weges stand etwas, das aussah wie eine große, blaue Satellitenschüssel.
 

Nachdem wir einen Teil der Sachen, die unter freiem Himmel waren, ausprobiert hatten, betraten wir das rechte Haus. Ich schaute mich in der großen Halle um. Es sah aus wie ein altes Umspannwerk, dessen verbliebene Spulen und Verteiler mehr oder minder mit einbezogen wurden. Einige Sachen konnten wir nicht ausprobieren, da dies nur unter Anleitung vom Personal erlaubt war.
 

»Übrigens, die Vorlesung, in die ich mich mit dir gesetzte habe«, meinte Raphael, als wir vor einem überdimensional großen Tisch mit zwei ebenso großen Stühlen standen, angekommen war. »Das war sterbenslangweilig.«
 

Ich musste lachen. Das hatte ich gemerkt, immerhin hatte er seine Langweile unverhohlen zum Ausdruck gebracht. Ich zuckte mit den Schultern, bevor ich mich über das erklärende Schild beugte, um es zu lesen.
 

»Einige Themen sind ganz interessant gewesen«, sagte ich kurz. »Andere weniger. Der Tisch entspricht der Sicht eines dreijährigen Kindes, so, wie es die Proportionen der ›Erwachsenenwelt‹ wahrnimmt.«
 

Ich hievte mich auf den Stuhl und kam mir direkt vor, wie ein Däumling. Die Größe wirkte fast ein wenig einschüchternd. Als ich wieder von dem Stuhl sprang, blieb ich davor stehen. Die Sitzfläche fing ungefähr auf Höhe meiner Schultern an. Raphael trat an mich heran, unsere Hände berührten sich und jagten ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper. Ich erschauerte innerlich.
 

»Wussten deine Eltern, dass du… schwul bist?«, fragte ich zögernd, als wir langsam wieder aus der Halle hinausgingen und den Hof überquerten, um die Stationen im gegenüberliegenden zu untersuchen.
 

»Ja«, antwortete er nachdenklich. »Ich hab es ihnen nicht einmal direkt gesagt, sie haben es so gewusst. Frag mich nicht, woher. Ich habe mich nicht getraut, es ihnen zu sagen, davon abgesehen wusste ich auch nicht, wie ich das Thema ansteuern sollte. Eines Tages hat meine Mutter ganz beiläufig gesagt, ich solle doch meinen Freund mal zum Essen mitbringen, das war mein erster Freund damals. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Bei dem prüfenden Blick, den sie mir dann zugeworfen hat, war mir sofort klar, wie sie das meinte. Später an dem Tag hat sie mich in den Arm genommen und nur gesagt, dass es keine Rolle spielen würde, welche Präferenzen ich hätte und dass sie sich nur wünschte, ich wäre glücklich. Mein Vater hat gesagt: ›Sohn, schäme dich niemals dafür, wer du bist. Lass dir von niemandem etwas einreden!‹«
 

Als er seinen Vater zitierte, verstellte er seine Stimme leicht, um sie tiefer klingen zu lassen. Ich musste lächeln. Es fiel ihm offenbar ein wenig leichter, über seine Eltern zu sprechen. Raphael warf mir einen Blick zu und lächelte ebenfalls. Er atmete tief durch, dann hielt er mir die Tür auf. Ich schlüpfte an ihm vorbei.
 

»Deine Eltern hatten Recht«, sagte ich und sah ihn an. »Schön, dass sie so hinter dir standen. Ich hätte sie gern kennengelernt.«
 

Raphael berührte zögerlich meine Schulter, strich mit den Fingerspitzen über meine Jacke, dann ließ er die Hand wieder sinken. Das Lächeln auf seinen Lippen war matt, trüb von der Erinnerung an seine Familie, aber dennoch ehrlich. Er schaute mir fest in die Augen.
 

»Sie hätten dich sehr gemocht.«
 

Ich konnte die Hitze spüren, die in mir aufstieg. Mir fiel nichts Gescheites ein, was ich daraufhin erwidern konnte; es gab vermutlich gar nichts. Stattdessen deutete ich nach rechts und wir gingen in diese Richtung, probierten die Dinge aus, die angeboten wurden.
 

»Gibt es einen Schauspieler oder so, den du besonders attraktiv findest?«, fragte ich ihn, als wir auf der anderen Seite weitermachten und gerade in einem Abschnitt standen, in dem Bilder mit orangefarbenem Licht angeleuchtet wurden. Raphael lachte auf.
 

»Wieso möchtest du das wissen?«, fragte er amüsiert zurück. Er ging näher an die Bilder, die in dem künstlichen Licht allesamt grau aussahen, heran.
 

»Fernando fantasiert gelegentlich bei DVD-Abenden über irgendwelche Schauspieler…«, sagte ich undeutlich. Hitze stieg in mein Gesicht. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, ihn danach zu fragen? Und warum war mir das so peinlich?
 

Raphael zuckte die Schultern, sah allerdings ein wenig grüblerisch aus. »Ben Barnes.«
 

Ben Barnes sagte mir absolut nichts, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Stattdessen nickte ich wissend und sah Raphael über die Schulter, um zu lesen, was auf dem schlauen Schild stand, dass das Experiment erklärte. Raphael trat einen Schritt zurück und griff nach einer Lampe, die an einer Halterung an der Wand ging. Er richtete das weiße Licht auf die Bilder, die plötzlich in Farbe erstrahlten.
 

»Gibt es denn einen Schauspieler, den du attraktiv findest?«, fragte Raphael mit einem kleinen Grinsen auf dem Mund. Mein Gesicht kribbelte, ich versuchte mich zu konzentrieren. Er schaute über die Schulter und war meinem Gesicht so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Es hätte mich nur einen minimalen Aufwand gekostet, mich vorzulehnen und meinen Mund auf seinen zu legen.
 

»Weiß… nicht…«, stotterte ich schließlich hervor. Raphael lächelte versonnen. Dann trat er von mir weg. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln.
 

Die letzte Station in dem Haus war eher unspektakulär. Zwei Spiegel hingen einander gegenüber an den Wänden, sodass ein Tunnel entstand, wenn man hineinschaute. Wir schlenderten langsam den Flur entlang zur Tür.
 

»Wie kommt es eigentlich, dass du dich auf einmal bei Twitter angemeldet hast?«, fragte Raphael mich und schubste mich leicht mit dem Ellbogen an. Ich presste die Lippen wieder aufeinander. Unnötig zu erwähnen, dass ich mich ertappt fühlte. Trotzdem sah ich keinen Grund, mir einen Vorwand auszudenken. Wir waren an einem Punkt angelangt, an dem ich ihm problemlos die Wahrheit sagen konnte.
 

»Wegen dir«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Ich wollte eigentlich nur wissen, was du so schreibst.«
 

Raphael machte ein erstauntes Gesicht, als er mich ansah, doch das kleine Grinsen, das sich gleich darauf auf seine Lippen schlich, sagte mir, dass ihn das irgendwie nicht sonderlich zu überraschen schien. »Echt? Wieso?«
 

Ich schnaubte. Er rollte die Lippen übereinander, wohl, um nicht zu grinsen.
 

»Du hast so oft dein Handy in der Hand und twitterst… da dachte ich, es wäre interessant, zu sehen, was du so zu sagen hast. Es interessiert mich, was jemand wie du wohl schreibt«, murmelte ich ein wenig nachdenklich. Ich schob meine Hände in die Jackentaschen, als wir wieder draußen waren.
 

»Ich war ziemlich angepisst, dass du dir so viel Zeit damit gelassen hast, meine Anfrage zu bestätigen«, sagte ich dann vorwurfsvoll. Raphael legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel, ein angedeutetes Lächeln auf dem Mund. Er sah so hinreißend aus, mir flirrte der Kopf. Als er mich wieder ansah, war ich wieder versöhnlicher drauf. Was spielte es denn jetzt für eine Rolle, wie lange ich auf die Bestätigung hatte warten müssen…? Twitter war doch total nebensächlich, wenn ich Raphael persönlich für mich hatte.
 

»Entschuldige«, meinte er aufrichtig. »Ich dachte, es wäre wohl nicht sehr vorteilhaft, wenn du meine unzähligen, verliebten Einträge gesehen hättest.«
 

Ich musste lachen. »Eigentlich finde ich sie sehr… schmeichelhaft.«
 

Ich ging die Treppe zu der einen Station hoch, die wir draußen noch nicht erkundet hatten. Es war eine kleine Kuppel, die am obersten Punkt in der Mitte eine Öffnung hatte. Entlang der Wand führte eine Bank. Ich ging hinüber zu dem Schild und las. Die Station nannte sich ›Tuschelmuschel‹. Auf dem Schild wurde aufgefordert sich einander gegenüber zu setzen und gegen die Wand zu flüstern. Raphael lächelte wissend, nachdem ich laut vorgelesen hatte.
 

Ich setzte mich ihm gegenüber. Er grinste, dann beugte er sich zur Wand.
 

»Schmeichelhaft, ja?«
 

Ich konnte zwar auch so hören, dass er es sagte, aber seine flüsternde Stimme erreichte mich von der Seite, von der Wand. Seine Stimme schickte Schauer meinen Rücken hinab und plötzlich schlug mir das Herz bis zum Hals.
 

»Ausgesprochen«, sagte ich leise gegen die Wand. Raphael lächelte.
 

»Adrian?«
 

»Hm?«
 

Raphael schwieg einige Augenblicke, während ich mich fast gegen die Wand presste, angespannt darauf wartend, was er sagen würde. Ich merkte kaum noch, wie kalt meine Hände wurden, während ich mich mit ihnen auf der Bank abstützte, merkte nicht, wie die Kälte wieder anfing sich durch den Stoff meiner Jeans zu kriechen. Raphael sprach so leise, dass mich nur die flüsternden Worte an der Kuppelwand erreichten.
 

»Ich hab mich in dich verliebt.«
 

Mein Kopf war so leergefegt, kein Gedanke, kein Thema, kein Bild außer Raphaels Geständnis schwebte dort umher. Ich schloss die Augen und lehnte die Schläfe gegen die kalte Wand, während sich eine so feurige Wärme in mir ausbreitete, dass ich vermutlich keine Jacke mehr gebraucht hätte. Mein Puls konnte sich gar nicht mehr beruhigen, alles an und in mir kribbelte vor Aufregung und Wonne.
 

Als Raphael sich neben mich setzte, öffnete ich die Augen. Er musterte mich abschätzend. Ich setzte mich aufrecht hin, so dicht wie möglich neben ihn. Die Wärme, die er ausstrahlte, sein Duft, der Ausdruck in seinen Augen, das sachte Kräuseln seiner Lippen war fast zu viel für mich.
 

»Schließ die Augen«, bat er mich und ich kam der Bitte sofort nach. Ich hörte und spürte, wie er sich zu mir vorbeugte. Seine Nasenspitze berührte meine, ich fühlte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Ich konnte keinen einzigen Gedanken formen. Einige Herzschläge lang geschah nichts, während meine Haut kribbelte und meine Ungeduld wuchs.
 

Dann fühlte ich Raphaels Mund an meinem Ohr. Ein neuerlicher Schauer rieselte meinen Rücken hinab.
 

»Ich möchte dich küssen«, wisperte er hauchzart in mein Ohr, bevor er einen sanften Kuss auf meine Ohrmuschel drückte.
 

»Hier«, fügte er leise hinzu. Er bewegte sich ein wenig, dann küsste er mich auf die Schläfe. »Hier.« Er küsste die Kontur meines Kiefers. »Und hier.« Seine Lippen berührten meine Stirn. »Hier.« Er küsste meinen Augenwinkel, meine Wange, meine Nasenspitze. »Hier.« Seine Lippen drückten sich vorsichtig gegen meinen Mundwinkel. Dort verweilten sie ein wenig länger, als an den anderen Stellen, schickten kleine Stromstöße durch meinen Körper. Mein Herzschlag hörte sich in meinen Ohren so laut an, dass ich mir beinahe sicher war, dass Raphael ihn auch hören konnte.
 

»Und natürlich hier«, flüsterte er schließlich. Ich hielt die Augen weiterhin geschlossen, einen Moment lang geschah nichts, doch dann legte er seinen Mund ganz behutsam auf meinen. Als ich den Druck spürte, atmete ich tief aus. In diesem Moment bemerkte ich erst, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Raphaels Lippen fühlten sich wunderbar auf meinen an. Ich seufzte hingerissen auf.
 

Ich zog kurz die Augenbrauen zusammen, als er seine Lippen von meinen löste. Er betrachtete mich aufmerksam, eine leichte Röte lag auf seinem Gesicht und sein Mund stand ein kleines Stückchen geöffnet.
 

Als ich anfing zu lächeln, erwiderte Raphael es, bevor er sich wieder vorbeugte. Seine Hand glitt in meinen Nacken und zog mich zu sich, bevor unsere Münder wieder zielsicher aufeinander trafen. Sämtliche Kälte hatte sich von mir zurückgezogen, während wir in dieser Tuschelmuschel saßen und einander hingebungsvoll küssten.
 

Ich war mir ziemlich sicher, dass sich damit auch das Problem, wie genau wir zueinander standen, geklärt hatte.
 

_______

THE END



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Kommentare zu diesem Kapitel (16)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  peggy17
2012-02-23T13:36:14+00:00 23.02.2012 14:36
Ich mag, wie das Gespräch mit Amita verlaufen ist. Es hätte nicht gepasst, wenn sie dramatischer reagiert hätte oder zu verständnisvoll. Es war genau richtig.
(Die Verabschiedung davor von Raphael und Adran war so süß!)
Der letzte Teil vom Kapitel war so, so, so schön! :)
Von:  Luca191
2012-02-20T11:08:04+00:00 20.02.2012 12:08
Ein sehr schönes Ende, auch wenn es bissl schade ist.
Die Story war niedlich und schön und .... ach so vieles.
Einfach eine tolle Geschichte die man gelesen haben sollte.
Hoffe von dir kommt bald was Neues.
LG Luca
Von:  Yeliz
2012-02-14T22:58:19+00:00 14.02.2012 23:58
<3

(Ich bin hin und weg! Danke'schön. Ein Lächeln hat sich auf meinem Mund gebildet und das war der perfekte Abschluss des Valentinstages! Eine wundervolle Geschichte mit tollen Charakteren! Ich schmelze dahin! (;)

Liza.
Von: abgemeldet
2012-01-31T19:23:28+00:00 31.01.2012 20:23
Liebe Decideophobia :)!

Erstmal will ich dir ganz offiziell - und darum in Briefform^^ - sagen, wie sehr ich mich über die Ankunft dieses Kapitels gefreut habe! In der letzten Zeit hab ich verstärkt an die beiden gedacht und mich gefragt, wie es ihnen wohl geht und was sie so treiben. Jetzt weiß ich es und bin sehr glücklich ^-^

Ich bin sehr stolz auf dich und das kannst auch du sein, denn du hast es geschafft :)! Hach, eine Geschichte zu beenden ist immer ein Grund zum Feiern. Ich weiß, wovon ich rede^^. Also raise your glass <3

Liebste Grüße von Lung

Ich hätte schon viel früher mit ihm reden soll.
sollen

Er sah aus, als wäre er zu irgendeiner schicken Veranstaltung gewesen.
bei?

Raphael sieht mich jetzt seinerseits aufmerksam an. »Wie hat sie es aufgenommen?«
sah

Okay, das waren alle Fehlerchen, die ich gefunden habe. Abgesehen davon ist das Kapitel ein Gedicht ^-^
Ich finds wundervoll, dass die zwei sich jetzt endlich haben und dass ihre Aussprache und ihr erstes Date so gut gelaufen sind. Und auch die Klärung mit Amita fand ich sehr gelungen, weil solche Gespräche genau so ablaufen (sollten). Ehrlichkeit ist bei so etwas tatsächlich am Besten. Hätte Adrian Amita vertröstet, wäre das für sie viel ätzender gewesen, als dieses aufrichtige Geständnis. Also - Daumen hoch für Adrian :)!

Und die Tuschelmuschel war ebenfalls sehr putzig und Ben Barnes ist in der Tat ein hübscher Knabe und sieht Adrian vielleicht sogar ein bisschen ähnlich^^.

Epiloge und One-Shots sind wie immer gern gesehen^^!
Ich hoffe, du hast einen wunderschönen Abend :)
Deine Lung
Von:  Ciriney
2012-01-31T17:34:42+00:00 31.01.2012 18:34
Hey,
Das darf noch nicht zu Ende sein!!! Aber das letzte Kapitel ist wirklich wunderbar gelungen! Ich hatte richtig Gänsehaut bei der Tuschelmuschelgeschichte :) Super gemacht!!!
*begeistert bin*
Ganz viele liebe Grüße
(es darf trotzdem noch nicht zu Ende sein!!)
Ciriney

Von:  Skulblaka
2012-01-31T16:58:34+00:00 31.01.2012 17:58
Hi!
Also weißt du ich LIEBE dramatische Phantasy-Storys. Aber hin und wieder beiweisen mir wirklich gute Alltags-FF´s, dass es auch abseits meiner Norm ein paar verdammt verführerische "Perlen" gibt!

Und deine Charas gehören wirklich zu den Perlen. Bei dir hat jeder Charakter auch echten Charakter, wenn du verstehst was ich meine! ;)
Ne gut durchdachte und interessante Story, flüssig zu lesen, ein guter Schuss Witz (mit lauter Nachbarn, die sich komischerweise nie beschweren, warum die Irre nebenan immer so laut auflacht), KEINE reine Friede-Freude-Eierkuchen-Labberei sondern wahre Gefühle und auch gern mal mit einer Prise Sarkasmus gewürzt. SO muss eine fabelhafte FF aussehen! ...ähh sich lesen.

Außerdem... (Wie sag ich das jetzt ohne, dass es blöd klingt?) Naja, deine Fanfic lässt sich schön auf einen Satz lesen und ist doch nicht zu kurz geraten. Ich hoffe ich hab das jetzt diplomatisch genug ausgedrückt, ohne das du beleidigt bist. Versteh mich nich falsch, ich bin eine etwas schnellere Leserin (bei nem Taschenbuchformat, 500 kleingedruckte Seiten in ca. 6 Stunden).

Aba ich schweife vom Thema ab. Also, kurz gesagt: Ich bin von deiner FF begeistert und hoffe ich lese noch weitere solcher "Perlen" von dir! X3

Apropos: Fernando is eindeutig mein Lieblingschara! Findet der auch noch ne dauerhafte Flamme? Ich stell ihn mir so witzig als Hauptchara vor. Außerdem hat er nen sauguten Humor!

Ach ja und das Ende fand ich süß. Vor allem Raphael hat nen kleinen Romantiker in sich stecken, kann das sein? XD

Nya, hoffe man liest sich wieda!!!

See ya
Kotakelein
Von:  LOA
2012-01-31T09:39:19+00:00 31.01.2012 10:39
Also erstmal herzlichen Glückwunsch, dass du es nun endlich fertig hast! :) Schön für dich, schade für mich - Raphael und Adrian sind wahrscheinlich zu meinem Lieblingspärchen von all deinen Charakteren geworden und jetzt ist alles vorbei *schnief*. Aber es gibt ja zum Glück noch 'Phönixfedern' und tausend Lieder, die dich inspirieren, von daher hoffe ich auf ein Wiedersehen mit den beiden^^.

Trotz des langen Kapitels bleibt mir gar nicht viel zu sagen. Es ist ein passender, würdiger Abschluss (obwohl ich mich ernsthaft gefragt habe, wo denn bitte die wilde Knutscherei und das exzessive Rumgemache geblieben sind ... liebe Nasti, bei all dem Porn in deinem Kopf zu den beiden war dieser Austausch von Zärtlichkeiten während des Kapitels doch sehr keusch xD).
Mir sind besonders zwei Szenen im Herz geblieben: die auf Raphaels Couch und die in der Tuschelmuschel. Beide Male hat mich diese ruhige Atmosphäre und dein sich Zeit lassen beim Erzählen sehr beeindruckt. Ich habe mich wirklich gefühlt, als würde ich neben den beiden auf der Couch sitzen und ihnen dabei zusehen, wie sie so unglaublich niedlich Händchen halten, die Berührung des anderen in sich aufnehmen und sich einfach nur in die Augen sehen und alles vollkommen in Ordnung ist. Total schön!
Ebenso in der Tuschelmuschel: dieses leise, ruhige Miteinander, das Flüstern, Raphaels Glück und Adrians Überwältigung, das war so schön, mir fällt kein besseres Wort dafür ein. Raphael war so schnuffig, ich konnte seine Verliebtheit bis in meinen Bauch fühlen und mir war selbst ganz kribbelig zumute, wie wohl auch Adrian ;) Und irgendwie hat mich das Ende sehr an das alternative US-Ende von 'Stolz und Vorurteil' erinnert, also die Art und Weise, wie Raphael Adrian geküsst hat - als wäre er Mr. Darcy und Adrian wäre Lizzy :D.

Ich bin so glücklich, dass sie sich jetzt endlich haben, und dir bin ich so dankbar, dass du Adrians neue Sexualitätserfahrungen nicht in dieser typischen Sinnkrise mit Wut und Selbstabscheu und Angst und Unsicherheit und Verdrängung hast enden lassen, sondern dass er da locker drüber steht und Homosexualität für ihn kein Problem darstellt. Klar, dass seine neuen Gefühle für einen Mann ihn zunächst verwirrt haben und er da Zeit für sich brauchte, um das auf die Reihe zu bekommen, aber du hast uns eben mit diesem Stereotypendrama verschont und das finde ich großartig! Es hätte auch nicht so ganz zu Adrian gepasst. Von daher finde ich die Geschichte und ihren Abschluss wirklich sehr gut gelungen und es war mir wie immer eine große Freude, deine Gedankenwelt zu lesen. Ich hab auch ein bisschen Hirn beim Lesen eingesammelt, also wenn du davon etwas wiederhaben willst, sag Bescheid^^.

Nochmals Danke für die Widmung und alle vorhergehenden Widmungen! <3 Ich hab mich auf dem Mond gefreut und ihn heftig springend umrundet und bin dann wieder sanft auf der Erde gelandet ;)
Ich hoffehoffehoffe, wir lesen uns bei 'Phönixfedern' wieder! Wahlweise auch bei einer anderen Geschichte, hihi.
:-*
Von:  Salamandra
2012-01-30T22:15:40+00:00 30.01.2012 23:15
Es ist echt verdammt schade das es jetzt zu ende ist.
Ich gebe zu, ich hätte mich total auf das erste mal der beiden gefreut.
Wie unsicher sich Adrian wäre es das erste mal mit einem Typen zu machen
und wie Fernando im Ratschläge und tipps auf seine urkomische art und seinem humor macht...

kann man darauf in eine art epilog (fortzsetzung wäre wohl zu viel verlangt ;_; ) hoffen?
Von:  Julee
2012-01-30T19:41:22+00:00 30.01.2012 20:41
Du verdammte Göttin von einer Autorin!

Ich mag jetzt Slash. Zumindest deinen. Du hasts geschafft. ;)

> Fernando drückte den Rücken durch, straffte die Schultern und hob auf
> königliche Weise das Kinn. »Ich bin eben einfach ein Universalgenie.«

Ich find den Kerl so genial! :DDD

Super Kapitel, dein Stil ist wirklich mein Liebling, das kann man alles flüssig und ohne Anstrengung lesen, wirklich super und dazu die Handlung.
Weder zu viel noch zu wenig - einfach gut & verdammt schön & süß! :)
Von:  Chiaya
2012-01-30T17:08:04+00:00 30.01.2012 18:08
och nein, solang ich mich auf ein neues Kappi gefreut hab, so schnell war die Freude wieder weg, weil ich wusste das ist das letzte -.- die FF war so schööön, jedes Kappi war was Besonderes für sich.
viel zu schade das es jetzt fertig ist...
gibts noch ne Fortsetzung, vll One-Shot *_*
einfach nur <3 pure liebe
freu mich auf viel viel viel mehr Geschichten von dir

LG Chiaya


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