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Für Elisa

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Für Elisa

Für Elisa
 

Das Geräusch ihrer rhythmischen Flügelschläge riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Kopf ruckte herum und er starrte auf den kleinen Vogel, der in seinem Käfig herum flatterte.

„Was willst du denn schon wieder, Mira?“

Er konnte Vögel nicht leiden, eigentlich hasste er sie schon fast, aber er spürte diese merkwürdige Verantwortung dem Federball gegenüber.

Wie als Antwort flatterte der gelbe Kanarienvogel noch einmal in seinem Käfig auf und ab und tschilpte anklagend.

„Was willst du denn?!“

Genervt betrachtete er das Drahtgestell und entdeckte, dass kein Futter mehr vorhanden war.

„Verflucht.“ Er konnte nicht genau sagen, wann er das letzte Mal etwas hinein gelegt hatte, aber aufgrund der Tatsache, dass die Portion sehr groß gewesen und sie jetzt verschwunden war, musste es wirklich lange her sein.

Ein unangenehmes Schuldgefühl schlich sich in ihm hoch.

Er mochte Vögel wirklich nicht.

Eigentlich hatte er auch Mira niemals haben wollen, aber er war überredet worden.

„Aber was sollen wir denn machen? Sollen wir den armen Vogel wieder hinaus in die Kälte setzen?“

Seine Antwort wäre „Ja“ gewesen, aber als er mit den großen blauen Augen angesehen worden war, war ihm dieses einzelne Wort nicht über die Lippen gekommen.

Er hatte immer alles getan, damit die Augen und die dazu gehörige Person strahlten – er hatte immer alles für Elisa getan.

Und jetzt hatte er diesen Vogel am Hals.

Bloß weil er ihnen damals an einem frostigen Wintertag zugeflogen war und sie es nicht über das Herz bringen konnte, ihn wieder fliegen zu lassen. Er selbst hatte Zettel aufgehängt, dass er den kleinen gelben Kanarienvogel hatte, doch niemand hatte sich gemeldet.

Es wunderte ihn nicht. Sicherlich hatte auch ihr früherer Besitzer Mira nicht haben wollen, aber Elisa hatte sich sofort verliebt.

Und was tat man nicht alles aus Liebe. Er wusste es nur zu gut.

Knurrig lief er in die Küche und holte etwas Vogelfutter aus dem Küchenschrank.

Es war fast alle.

Nicht auch das noch.

Da musste er nachher tatsächlich noch los gehen und Neues holen.

Noch grummeliger lief er wieder zurück und schmiss die Körner in den Käfig.

Sollte Mira nun ruhig sein.

Er ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und dabei fiel sein Blick auf das Foto, das auf dem Schrank stand.

Es zeigte eine junge Frau mit langen braunen Haaren und großen blauen Augen, die ihm fröhlich entgegen lächelte – Elisa.

„Mira nervt.“

„Sie kann gar nicht nerven. Sie ist nur ein Vogel, der fröhlich durch seinen Käfig flattert.“

Das waren die Worte gewesen, die sie immer zu ihm gesagt hatte, die ihn immer dazu gebracht hatten, innerlich die Augen zu verdrehen.

„Ich weiß, dass du Vögel nicht so gerne magst, aber sie ist doch so süß.“

Was auch immer sie an dem Flatterviech niedlich fand, hatte sich ihm nie erschlossen, er hatte es eher süß gefunden, wie sie immer entzückt vor dem Käfig gestanden und hinein gesehen hatte.

Er blickte noch einmal herüber zu Mira, die auf das Futter zu tapste und plötzlich, als ob sie merkte, dass er zu ihr schaute, zu ihm sah.

Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass sie ihm mitteilen wollte, dass er nicht so negativ sein sollte.

„Es tut mir schrecklich leid, dass ich so schlecht drauf bin, aber mein Leben war in den letzten Wochen nicht gerade schön.“

Sie tschilpte und seltsamerweise klang es fast aufmunternd für ihn.

Langsam schlich sich eine Träne aus seinem Augenwinkel.

Er sah wieder zu dem Bild hinüber. „Ich vermisse dich…“

„Bitte versprich mir, dass du gut auf Mira aufpassen wirst, wenn ich nicht mehr da bin.“

Er hatte es ihr versprochen, als er an ihrer Seite an dem Krankenhausbett gesessen hatte, in diesem Moment hätte er wahrscheinlich alles versprochen, um das Lächeln zu bewahren.

Nun waren er und Mira alleine – und wenn er ehrlich war, wäre er Elisa vielleicht sogar gefolgt, würde es den kleinen Vogel nicht geben.

„Keine Sorge, Mira, wir schaffen das schon.“

Er würde sich, so gut er konnte, um den kleinen Kanarienvogel kümmern.

Für Elisa.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von: abgemeldet
2013-06-13T11:43:06+00:00 13.06.2013 13:43
Hallo - bin vom Zirkel =D

Ich finde den Titel dieser Geschichte wirklich sehr schön. Da gibt es nichts weiter zu sagen.
Etwas überflüssig finde ich es, den Titel allerdings noch einmal in das Kapitel selbst zu schreiben, immerhin steht es ja keinen Zentimeter weiter durch Mexx darüber ;)
Aber nun kommen wir zum Inhalt ^^

Mir hat dieser One Shot wirklich gut gefallen. Abgesehen davon, dass du weder Rechtschreibfehler, noch stilsitische oder andere grammatische Stolpersteine drin hattest, finde ich die Idee sehr süß und irgendwie ergreifen. Wie aus dem richtigen Leben gegriffen, die verzweifelte Liebe eines Mannes, das das Liebste verloren hat ...
Und dann noch diese verbindung mit dem Kanarienvogel im Winter, den niemand haben will. EIn krasses Gelb umgeben von Weiß ... irgendwie schreit das schon so nach Einsamkeit. Der Typ sollte froh seinm dass er das Vögelchen hat, auch ein Tier kann einem die Einsamkeit oder den Schmerz des Verlustes eines geliebten Menschen nehmen :)
Mir gefällt vor allem der allerletzte Satz. Dieses Für Elisa. Das hat sowas Entschlossenes, aber auch irgendwie lese ich da einen Lebenswillen heraus, den Willen weiterzukämpfen, auch wenn der Schmerz einen in die Knie zwingt.

Sehr gelungen, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Liebe Grüße, Lelio

✖✐✖
Antwort von:  w-shine
13.06.2013 23:28
Hallöchen =)

Habe schon bemerkt, dass du beim Zirkel mächtig los gelegt hast und du eine lange Liste mit offenen Re-Kommentaren hast ;) Ich hoffe, dir deinen Re-Kommie Anfang nächster Woche zu kommen zu lassen, hoffe, dass ist okay.

Vielen Dank für deinen Kommentar und so viele positive Worte - ich habe schon Kommentare von dir gesehen und die sind ja durch aus sehr kritisch und da freut ich mich über so positives Feedback natürlich ganz besonders! Danke, danke =)

So, ich nehm dann mal diesen Kommentar, freu mich einen Keks drüber und verabschiede mich mit

Lieben Grüßen,

Shine
Von: abgemeldet
2013-04-20T16:37:27+00:00 20.04.2013 18:37
Ich kommentiere :D
Also, ich hab mir diese Geschichte ausgesucht, weil mich der Titel angesprochen hat ~ Er ist wirklich schön ohne viel zu veraten und das ist für mich in einer Geschichte immer ganz wichtig. Ein schöner Titel.
Was mir auch sehr gefällt, ist, dass du einen Vogel genommen hast. Ich kenn die genaue Aufgabenstellung des Wettbewerbes nicht, aber ich mag die Idee mit dem Vogel und dass der Protoganist eigentlich keine Vögel mag. Diese Tatsache merkt man auch ziemlich deutlich und fragt sich gleich: Warum hast du dann einen?
Durch die kursiven wörtlichen Reden von Elisa wird es einem dann allerdings ganz schnell klar und auch seine Erinnerungen helfen dabei. Die beiden Sachen finde ich übrigens sehr schön miteinander verbunden :3
Dass Elisa allerdings tot ist, dachte ich mir schon, weil es zur Grundstimmung dieser Geschichte und zu seinem Verhalten mehr als nur passt. Ich hatte zwar bis zum Schluss gehofft, dass ich mich mit dieser Ahnung irre, aber ich glaube ein anderes Ende wäre seltsam geworden :O Also bin ich doch ganz zufrieden damit.
Dein Schreibstil ist wirklich toll - ich komm mir gerade vor, wie eine Bewerterin XD - und auch, wenn du manchmal ziemlich viele 'hatte' und 'war' in einem Satz stehen hattest (haha, ich ja auch), hat es nur wenig gestört. Außerdem welche Worte will man stattdessen nehmen? Gibt ja nicht so viele.
Ganz großes Lob an die Rechtschreibung *-*
Und zum Schluss noch einmal, falls es nicht deutlich geworden ist: Ein wirklich toller One-Shot, der schön ruhig verläuft und eine kurze Szene wundervoll einfängt. Gefällt mir :)

Mit liebsten Grüßen,
abgemeldet ✖✐✖
Antwort von:  w-shine
21.04.2013 19:54
Oh, hallo :)
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar zu dieser Geschichte, die tatsächlich eine meine persönlichen Lieblinge ist :)
Bei dem Wettbewerb haben wir den ersten Satz vorgegeben bekommen und sollten dann, dazu eine Geschichte schreiben. Es waren also nur ihre flatternden Flügel, aus denen ich was machen musste - und bei mir war es dann Mira, als Vogel. Freut mich, dass dir die Idee gefällt!
Du hast recht, manchmal ist es einfach so mit der Grammatik, dass man ständig hatte und war benutzt. Wenn man aber komplett im Präteritum schreibt, um das zu umgehen, dass klingt das irgendwie auch schräg. Schwierig!
Freut mich auf jeden Fall, dass es dir gefallen hat und noch mal ganz herzlichen Dank für deinen lieben Kommentar - habe mich wirklich gefreut =)

Viele liebe Grüße,
Shine
Von:  Trollfrau
2011-07-29T07:01:35+00:00 29.07.2011 09:01
Oh je. Was für eine traurige Geschichte. Hätte ich mal nur beim Thema geschaut. Da stand es ja bereits eindeutig. Im Augenblick steckt mich sowas irgendwie an. Es wäre auch gar nicht nötig gewesen, näher auf den Grund von Elisas nicht mehr da sein näher einzugehen. Diese Geschichte verfehlt ihre Absicht nicht. Jedenfalls bei mir. Ich kann nur hoffen, dass er in Zukunft ein bisschen netter zu dem Vögelchen ist.
tschilpte ist übrigens ein tolles Wort.

LG Trollfrau
[FCY]
Von: abgemeldet
2011-05-22T09:04:21+00:00 22.05.2011 11:04
Hallöchen...

Deine Story hat mich wirklich bewegt. Sie ist wirklich schön, auch wenn ich zunächst nicht verstanden habe, wie der Typ gegenüber einem einfachen Vogel so verbittert sein konnte, aber da der Vogel voller Erinnerungen steckt, verstehe ich es nun.
Man versucht immer schöne Erinnerungen zu schaffen, nur bei einem Verlust, wie er hier beschrieben wird, können schöne Erinnerungen schnell zu schlechten werden und das ist dann der schmackhafteste Teil, den man dann solang in der Brust tragen muss, bis man die komplette Sache überwunden hat.

Eine wirklich wunderbare Story.

Liebe Grüße
abgemeldet

[Fanworks]
Von:  _-THE_JOKER-_
2011-05-06T16:02:36+00:00 06.05.2011 18:02
Das ist eine wirklich niedliche Geschichte. Ich finde die Vorstellung, dass er nur für diesen kleinen Vogel weiterlebt echt süß. Der Vogel ist das letzte was von ihr noch übrig ist und er lebt Tag für Tag nur weiter, weil er ihr versprochen hat, dass er auf den Vogel aufpasst. Mir drängt sich hier jedoch die Frage auf, was macht er, wenn der vogel stirbt, solche vögel leben ja nicht ganz solange, wird es ihn dann zerbrechen? Oder hat er dann genug Mut weiterzuleben? Und was wäre, wenn er selbst für den Tod, des kleinen (er füttert ihn ja nicht so oft, wie man merkt) verantwortlich wäre, das wäre ja als würde er selbst sie töten. Also, es bleibt noch Raum für Spekulationen. Also wirklich sehr traurig und doch unglaublich schön. Was man nicht alles für die Liebe tut! Mir fehlt Höchstens noch ein minimaler Tick Verzweiflung in dieser Story, ansonsten ist alles super, wirklich wunderbare Idee und ein gutes Bild wird hier von dir vermittelt.
Mach weiter so

Lg joker

Von:  Yu_B_Su
2011-04-24T11:52:11+00:00 24.04.2011 13:52
Eine wunderschöne Idee, den Vogel in Zusammenhang mit dem Mädchen zu bringen. Ich finde die Beleidigungen für den Vogel echt witzig :D

Die Länge ist auch richtig, der Fokus liegt auf dem Vogel, daher sind Details über das Mädchen nicht notwendig...

Sprachlich war es auch gut, sehr flüssig zu lesen, keine Stolpersteine, wenig Schusselfehler...

eigentlich hasste er sie schon fast - 'eigentlich' und 'fast' - zwei Wörter, die das Hassen beschreiben, das ist zu viel, fast eine Dopplung...

Schön geworden!

yu (Challenge-Zirkel)
Von:  TommyGunArts
2011-04-24T11:48:12+00:00 24.04.2011 13:48
Was für eine wunderschöne und zutiefst traurige Geschichte. Die Vorstellung, dass der Mann den Vogel nur aus liebe zu der Frau behält ist unglaublich. Und auch, dass er darin, auf den Kleinen aufzupassen, seine Aufgabe sieht ist schön.
Eigentlich verabscheut er Vögel, aber weil sie den Vogel nicht seinem Schicksal überlassen konnte ist er nun da. Und der Mann sieht in dem kleinen Federvieh einen Teil seiner Frau wieder. Und deshalb kann er ihn auch nicht fliegen oder verhungern lassen. Schließlich war der letzte Wunsch von ihr, dass er auf den Vogel achtgibt.

Eine wirklich sehr mitreißende Geschichte. Ich bin froh, darauf gestoßen zu sein, weil sie mir wirklich gut gefällt und einen Teil des wahren Lebens zeigt, wie es ihn immer mal geben kann.

Nichts zu meckern.
lg
Schnorzel
[FCY]
Von:  Ekolabine
2010-10-15T10:59:36+00:00 15.10.2010 12:59
Der Text ist wirklich herzerweichend. Ich brauche ein Tempo... dringend!
Sehr schön, was du aus dem Satz gemacht hast. Nichts Übernatürliches, sondern eine einfache kurze Geschichte, die überall passieren könnte. Finde ich wirklich schön. Dein Schreibstil ist auch sehr angenehm und liest sich gut.
Von: abgemeldet
2010-06-27T20:13:24+00:00 27.06.2010 22:13
wenn meine schwester gerade hier wäre, hätte ich sie gebeten 'für elise' auf dem klavier für mich zu klimpern... so ist mir das stück nur die ganze zeit im kopf auf und ab gespult und irgendwie find ich, dass es als untermalung für den text sehr gut passt... mMn zumindest. der text gefällt mir allgemein sehr gut, ohne dass ich konkret sagen könnte, woran das liegt. allerdings vermute ich, dass es auch mit der assoziation zu dem stück zusammenhängt. würde mich interessieren, ob das absicht war? (ja, deins heißt für elisa aber elisA und elisE ist ja fast das gleiche...)
ich finde übrigens du hast diese tatsache, dass er für sie alles tun würde, sehr gut rüber gebracht. bei den meisten autoren ist das so ein 'bitte leb weiter, wenn schon nicht für dich, dann für mich'. bei dir gibt sie ihm eine konkrete aufabe, was sicher dazu beiträgt, dass er diesen satz berücksichtigt. 'pass gut auf sie auf' das versprechen an toten bricht man nicht so schnell, denke ich... und zumindest hat er einen vogel über den er sich ärgern kann und der ihn vllt von ihrem verlust ablenkt. mir gefallen auch die einzelnen sätze von dem, was sie sagt, zwischen drinnen, das ist total gut gemacht. überhaupt vom stil her sehr schöne geschichte und die schwere stimmung ist fast greifbar...
kurz gesagt: nichts zu meckern^^
lg
cyre


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