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Unter der Eiche

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Unter der Eiche

Unter der Eiche
 

Die Sonne schien am wolkenlosen Himmel und wärmte die Landschaft. Wenn man vom Himmel herab schaute, sah man ein kleines weißes Gebäude und eine große grüne Wiese.

Auf den Fenstern des Gebäudes waren selbst gebastelte Dekorationen geklebt worden, die in allen Farben leuchteten. Innen waren Spielräume und Schlafräume angebracht, die ordentlich wirkten.

Auf der Wiese standen viele Bäume, die kleine Blüten trugen. Bienen und andere Insekten tummelten sich von einer Blüte zu anderen, um den frischen Nektar zu kosten.

Auch Kinder spielten im Grünen. Viele, viele Kinder, die in dem weißen Gebäude lebten. Im Waisenhaus.

Manche spielten mit einem Ball, andere vergnügten sich auf dem Spielplatz.

Zwei Kinder jedoch hatten sich abseits der anderen einen Ort zum Spielen gesucht. Ein Junge und ein Mädchen, die kaum älter als sechs Jahre alt waren.

Das Mädchen hatte ein helles Kleid mit kleinen rosafarbigen Punkten an. Ihre braunen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden.

Der Junge hingegen trug eine abgenutzte Jeanshose und ein hellblaues T-Shirt. Seine schwarzen Haare waren ordentlich gekämmt.

Die Beiden standen unter einer hohen, alten Eiche, die einen gewaltigen Schatten warf. Die Blüten waren zart, als wären sie soeben aus ihrer grünen Kammer geschlüpft. Wie ein Neugeborenes waren sie zerbrechlich und rosig.

Sie sahen sich an, die beiden Kinder. Ihre Augen leuchteten auf einer besonderen Weise, so als wäre die Person, die demjenigen gegenüber stand, etwas ganz besonderes.

Sie hielten sich an den Händen, die beiden Kinder. Als wollten sie nie getrennt werden. Zusammen bleiben wollten sie, für immer.

„Ich will.“, flüsterte der Junge und löste nicht den Blick von ihr.

Einen Augenblick später, wisperte auch das Mädchen. „Ich will.“ Ihre Stimme war fest, als ob sie wüsste, was sie gerade tat.

Der Junge bückte sich kurz, um zwei Ringe vom Boden zu heben. Es waren besondere Ringe, denn auf ihnen war ein riesiger runder Bonbon befestigt. Auf dem einen Ring ein blauer, auf dem anderen ein roter.

Der kleine steckte den roten Ring auf an den Finger des Mädchens, den anderen reichte er ihr. Das Mädchen tat das gleiche. Sie steckte den blauen Ring an seinen Finger.

Nach diesem Ereignis sahen sie sich nur an. Für einen Augenblick zögerte der Mädchen noch, dann aber sagte sie: „Ich glaube, jetzt ist der Moment gekommen, dass wir uns küssen sollten.“ Sie sagte dies mit einer Sanftheit, wie man es von einem Kind noch nie gehört hatte.

Der Junge nickte und beugte sich vor. Die Köpfe der beiden näherten sich langsam, bis sich die Lippen trafen. Der Kuss, der darauf folgte, war zart und doch zeigte es, wie sehr sie sich gern hatten.

Noch lange standen sie einfach nur gemeinsam unter der Eiche, Hand in Hand.
 

„Yaira!“ Die Stimme der Erzieherin.

Nun hieß es Abschied nehmen. Abschied nehmen für immer, oder zumindest für eine lange Zeit.

Erregt klammerte Yaira sich an die Hand des Jungens. „Ich will nicht gehen. Ich will nicht von dir weg!“, weinte sie.

„Du wirst eine Familie bekommen. Glücklich werden.“, erwiderte der Junge sanft und strich mit der Hand über ihre Wange. Er wischte ihre Tränen fort.

Doch auch in seinen Augen sammelten sich kleine Tränen, die an seinem kindlichen Gesicht herunter flossen.

„Ich werde dich nie vergessen …“ Es war kaum ein Hauch, der über Yairas Lippen kam, doch er hörte sie.

„Ich dich auch nicht … niemals.“ Seine Lippen strichen ihre.

Dann sahen sie sich wieder in die Augen.

„Yaira!“, rief wieder die gleiche Stimme wie eben. „Komm schon! Du kannst Nathan ruhig mitbringen und ihn deinen Eltern vorstellen.“

„Ich will nicht gehen. Ich kenne diese Menschen doch gar nicht …“, jammerte Yaira wieder.

„Du wirst sie kennen lernen. Du wirst sie lieben. Bestimmt!“, antwortete er beruhigend. „Komm jetzt, sie warten schon auf dich.“

Er führte sie von der großen Eiche weg, über die Wiese zu den fremden Menschen.

„Wo warst du denn, Yaira? Ich habe die ganze Zeit nach dir gerufen.“, erkundigte sich die Erzieherin besorgt.

Yaira aber schüttelte nur den Kopf und gab zu verstehen, dass sie nicht darüber reden wollte.

Yaira sah sich ihre neuen Eltern an. Ihre Mutter hatte strohblonde Haare und trug ein freundliches Lächeln in ihrem Gesicht. Sie trug eine lange schwarze Hose und eine schlichte weiße Bluse. Ihr Vater hatte braune Haare und einen Schnurrbart. In seinem Gesicht war kein Lächeln vorhanden, dafür aber sah man in seinen Augen, dass er sich freute, endlich eine Tochter zu bekommen. Außerdem trug er einen eleganten Anzug.

Auch wenn beide Elternteile recht nett aussahen, konnte man erkennen, dass Yaira Angst hatte.

Sie wollte nicht weg. Nicht weg von Nathan.

„Du solltest jetzt Abschied von Nathan nehmen.“

Wieder fühlten sich Yairas Augen mit Tränen. Es fiel ihr schwer die Tränen zurück zuhalten, so dass sie wieder an ihren Wangen herunter kullerten.

Sie sah Nathan an und hielt seine Hände in ihre fest. Ohne Worte verabschiedeten sie sich, denn ihre Blicke sprachen für sich.

Nathan drückte zum letzten Mal Yairas Hand und ließ sie endgültig los.

Die Tränen der beiden Kinder wollten nicht trocken, denn der Abschied war für beide sehr schwer.

Aber würden sie sich je wieder sehen?

Dies fragte sich der Wind, der die Kinder leicht streichelte.

Die Antwort jedoch kannte keiner. Nicht mal die Sterne.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-07-11T18:49:41+00:00 11.07.2010 20:49
Eine süße, traurige Geschichte.
Hätte nie gedacht, dass Kinder so sprechen können, aber wenn du das sagst wird es zumindest in dieser Geschichte so möglich sein. Dein Erzählstil gefällt mir sehr, ist aber an manchen Stellen etwas übereilt, die man noch schöner umschreiben könnte.
Du hast Potential, mach weiter so.

Nur eine Stelle habe ich zu bemäkeln:
„Du wirst sie kennen lernen. Du wirst sie lieben. Bestimmt!“, antwortete beruhigend.

Antwortete wer? ;D


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