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Zehn Fragen - Zehn Oneshots

One Shot Sammlung
von

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Der vielversprechendste Schüler

Der vielversprechendste Schüler
 

Die alte Dame saß in ihrem Rollstuhl vor einem der großen Fenster in ihrem privaten Salon. Sie genoss zum wiederholten Mal die atemberaubende Aussicht auf den Garten. In solchen Momenten dachte sie gerne an die Zeit zurück, in der sie als Mentorin tätig war.
 

Es lag nun schon mehr als ein halbes Jahrzehnt zurück. Doch würde sie nie diesen einen Tag vergessen, an dem sie den Neffen ihrer großen Liebe als Schüler begrüßen konnte.
 

Wehmütig seufzte die alte Dame und griff nach einer Tasse Tee vor sich. Die Szene, die sich vor ihrem inneren Auge abspielte, machte sie immer wieder glücklich.
 

**********
 

Es war nun fast sieben Jahre her. Damals kam ihr Verlobter auf sie zukam. Seine Haare waren so schwarz wie das Gefieder eines Rabens – und das trotz seines Alters. Sie hatte gelächelt, als er sie umarmt hatte.
 

„Es ist immer wieder eine Freude dich zu sehen Henrie.“

„Es ist auch immer wieder eine Freude, dich besuchen zu dürfen, Annabelle“, hatte er geantwortet. Er hatte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen gegeben und ihr ein Lächeln geschenkt, das den ganzen Raum erhellt hatte.
 

„Ich möchte dich um etwas bitten“, begann er dann das Gespräch, wegen dem er sie hier in der Zauberakademie aufsuchte. „Es geht um meinen Neffen. Er ist ein sehr talentierter, junger Magier. Leider hat er in früher Kindheit schon seine Eltern verloren. Bis jetzt habe ich mich um ihn gekümmert“, erzählte der Schwarzhaarige.
 

„Hauro. Ja ich erinnere mich, du hast ihn mehrmals mir gegenüber erwähnt. Was ist mit ihm?“, fragte nun die Magierin.
 

„Ich habe kürzlich sein Talent für die Magie entdeckt. Da du ja weißt, dass ich die nächste Zeit für den König unterwegs sein muss, würde ich ihn gern in deine Obhut geben. Er soll hier auf die Akademie gehen und wenn er alt genug ist, soll er in meine Fußstapfen treten. Ich habe bereits mit ihm geredet, Hauro möchte unbedingt als Zauberer in den Dienst des Königs treten.“
 

„Nun, wenn es dein und sein Wunsch ist. Dann bring ihn in den nächsten Tagen zu mir, ich werde ihn in die Akademie aufnehmen.“
 

**********
 

Den Tag darauf traf sie Hauro. Der vierzehnjährige Junge stand vor ihr. Er war so still. Doch damals ging die Lehrerin davon aus, dass es daran lag, dass sein Onkel bereits abgereist war und an seinem ersten Tag in der Akademie nicht erleben würde. Er hatte bereits den Treue – Eid für den König abgelegt.
 

Sie lächelte den Schwarzhaarigen an, doch dann gefror dieses Lächeln auf ihren Lippen.
 

Annabelle Suliman war geschockt, denn ihre Magie ließ sie zwei Dinge erkennen. Das erste war im Grunde eine gute Sache. Der Junge zeigte wirklich eine außergewöhnliche Begabung für die Zauberei. Er hatte sowohl ein hohes Potential, als auch die Fähigkeit dieses umzusetzen. Alles in einem war er ein viel versprechender Schüler.
 

Doch die zweite Sache, die sie erkannte, ließ sie eben diese Magie fürchten, denn der Junge hatte kein Herz. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Die Lehrerin sah den Einfluss einer fremden Macht. Die eines Dämons! Dem Jungen schien dies noch nicht aufgefallen zu sein.
 

Trotz dieser Tatsache unterrichtete sie Hauro. Ganz zu Anfang war es die Hoffnung, aus dem Jungen einen getreuen Diener des Königs zu machen und vielleicht würde es der Dämon, der das Herz des Jungen in seinen Klauen hielt, dann nicht wagen, ihn für seine Machenschaften auszunutzen.
 

Wenige Wochen später wurde der Grund ein anderer. Auf seiner Reise verstarb ihr Verlobter und Hauros Onkel. So nahm sie die Erziehung des Jungen auf, um dem Mann, den sie liebte einen letzten Beweis ihrer Hingabe zu zeigen.
 

Vier Jahre lang ging es auch gut, dann fing der Schwarzhaarige an, an den Entscheidungen des Königs zu zweifeln. Er widersetzte sich den Befehlen und nach seinem Abschluss verschwand er spurlos.
 

Es wäre ein Leichtes für Madam Suliman gewesen, ihn zu finden, doch die Zweifel, die er zum Schluss seiner Ausbildung geäußert hatte und das Widerstreben seinerseits, den Befehlen des Königs zu folgen, ließen sie glauben, der Dämon hätte nun von ihm Besitz ergriffen.
 

**********
 

Hätte sie schon damals gewusst, dass es dieser Junge sein würde, der einmal den Krieg zwischen beiden Königreichen entscheiden würde – er und die Menschen um ihn herum – hätte sie niemals Zweifel an ihm gehabt und seine Entscheidungen respektiert.
 

Wieder seufzte sie schwer. Der Tee in ihrer Tasse war bereits geleert und die Sonne war dabei unterzugehen.
 

Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie den Blick vom Fenster abwenden. Ein Junge mit goldblonden Haaren betrat den Raum.
 

„Ich bin ich hier um sie abzuholen“, sagte er mit leiser Stimme. „Die Friedensverhandlungen mit dem Botschafter des Nachbarlandes beginnen in wenigen Minuten. Seine Majestät möchte das daran teilnehmen.“
 

Sie nickte zustimmend und der Junge nahm dies als Aufforderung und schob die Frau in ihrem Rollstuhl, zu dem Festsaal, in dem die Verhandlungen stattfanden.



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