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In den Fängen der Raubkatze

von

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„Pia, wie geht es mit dem Auftrag voran?“, Mortimer war so leise an ihren Tisch herangetreten, dass Pia erschrocken zusammenzuckte. „Nun ja…“, unsicher sah sie zu ihrem Chef hinauf, begann nervös in ihrem schwarzen gepolsterten Schreibstuhl hin und her zu rutschen. „Bisher konnte ich sie leider noch nicht von meinem Angebot überzeugen, doch ich überarbeite es gerade noch einmal. Ich bin mir sicher, dass ich sie vom Verkauf ihrer Siedlung überzeugen kann.“

Pia hoffte inständig, dass Mortimer ihr die Lüge abkaufte, denn ehrlich gesagt hatte sie an dem Angebot seit ihrem ersten Tag nichts verändert – warum auch? Sie war ja nicht einmal dazu gekommen es vorzustellen. Ein Lächeln fand sich im Gesicht ihres Chefs wieder. „Ich bin mir sicher“, begann er, „dass sie diesen Auftrag mit Erfolg abschließen werden. Bisher sind sie schon weiter gekommen, als ihr Vorgänger es in einem halben Jahr geschafft hat.“

Mit diesen Worten wandte er sich von ihr ab und ging wieder in sein eigenes Büro. Verwirrt ging Pia die ganze Unterhaltung noch einmal durch. Sie hatte bisher mehr erreicht, als ihr Vorgänger? Wie sollte das möglich sein? Noch weniger war quasi gar nicht möglich. Seufzend lehnte sie sich zurück und schloss für einen Moment ihre Augen und ließ den gesamten Morgen noch einmal Revue passieren.

Lukas war gefährlich und dennoch zog er sie an wie ein Magnet. Sie erinnerte sich erneut daran, wie nah er ihr immer wieder gekommen war, wie er sie umzingelte, sie hilflos machte. Hinzu kamen seine grünen Augen, mit denen er sie ansah, so als würde er direkt in sie hinein blicken können.

Seufzend stützte Pia sich mit den Ellenbogen auf ihrem Schreibtisch ab. So konnte das nicht weiter gehen. Bereits gestern konnte sie nach ihrem Besuch bei der Siedlung keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles drehte sich in ihrem Kopf um Lukas. Obwohl er ihr völlig fremd war, konnten ihre Gedanken sich nicht von ihm los reißen.

„Krieg dich wieder ein.“ Auch wenn es ihr nicht wirklich half, redete sie trotzdem auf sich selbst ein. Und bereits jetzt wusste sie, dass sie wieder zur Siedlung fahren würde. Fahren müsste. Ihr Job hing schließlich davon ab. Sie wusste jedoch nicht, ob sie dieser Tatsache entgegenfiebern sollte oder sich davor fürchten sollte. Es war wohl eher eine Mischung aus beidem.
 

„Lukas, sie will unser Haus kaufen, genauso wie der vorherige Makler.“ – „Ich weiß.“ Und es stimmte, Lukas war sich dessen bewusst, wusste welche Gefahr von ihr ausging. Sollte sie, Pia, einmal an einem unglücklichen Moment kommen, würde ihr Geheimnis gelüftet werden. Dies durfte niemals passieren, niemand durfte jemals erfahren, dass so etwas wie sie existierte.

„Darum sage ich ja“, fuhr er fort, „dass ihr euch verstecken sollt, sobald ihr Auto sich nähert. Sei es in dem Dickicht oder in euren Häusern. Ich werde mich um sie kümmern. Dann wird sie nichts erfahren und nichts wird außer Kontrolle geraten.“ Seine fünf Freunde, seine Familie, betrachtete ihn skeptisch. „Du bist an ihr interessiert.“ Stellte Mike trocken fest. „Und allein dadurch bringst du uns in Gefahr. Ein falsches Wort oder eine falsche Geste deinerseits reicht schon und sie wird stutzig werden. Dann ein wenig Logik und sie wird ganz von allein darauf kommen, was wir sind.“

Lukas funkelte sein Gegenüber an. Mike war der Jüngste von ihnen, gerade einmal 22 Jahre war er alt. Seine blonden Haare hingen ihm ins Gesicht, der Schnitt war längst raus gewachsen. Trotzig und kein bisschen ängstlich hielt Mike seinem Blick stand. „Willst du etwa meine Autorität in Frage stellen?“ Die Frage entwich Lukas mehr knurrend als ausgesprochen, doch Mike regte sich noch immer nicht. „Nein. Ich stelle deine Autorität keineswegs in Frage, jedoch ist dein momentaner Gemütszustand schon bedenklich.“

Das war genug, Lukas konnte sich kaum noch halten, das Tier in ihm wollte frei springen und mit Mike kämpfen. Auch wenn dieser sagte, er würde seine Autorität nicht in Frage stellen, mit der Anspielung auf seinen Gemütszustand hatte er es doch getan. Er war der Anführer, er machte die Entscheidungen. Sie hatten ihn Einstimmig gewählt.

„Wenn du mich nicht mehr als Anführer haben willst, dann sag es. Fordere mich heraus! Wir werden dann ja sehen, wie bedenklich mein Gemütszustand ist!“ Lukas war aufgesprungen und konnte sich nur schwer zurück halten nicht auf den Jüngeren los zu gehen.

„So war das nicht von ihm gemeint Lukas, und das weißt du auch.“ Langsam drehte Lukas sich zu Eric. Er war der zweit Älteste, war Lukas’ rechte Hand. „Mike kann deinen Duft genauso wahrnehmen wie wir anderen auch. Und dein Gemüt ist momentan definitiv nicht in Hochform. Zumindest nicht so, wie es momentan wichtig wäre.“ Seine Worte waren gefolgt von einer langen Pause. „Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn einer von uns sich um sie kümmern würde. Oder gleich mehrere. Wir könnten ihr einen Schrecken verpassen und sie würde nicht mehr wieder kommen.“

Zorn war deutlich in Lukas’ Augen zu sehen. „Ihr. Jagt. Ihr. Keinen. Schrecken. Ein.“ Jedes Wort spuckte er einzeln aus, verlor sie fast unter seinem Knurren. „Ich werde mich um sie kümmern und damit ist die Diskussion erledigt!“ In Windeseile drehte Lukas sich um und verschwand in den Büschen, nur seine Schritte waren noch zu hören, bis auch sie sich im Wind der Nacht verloren. Für einige Minuten herrschte Stille, niemand sagte ein Wort, niemand sah den anderen an. Alle schauten sie zu Boden. „Nun können wir nur hoffen“, brach Eric das Schweigen, „dass Lukas die richtige Entscheidung treffen wird.“
 

Es war bereits tief in der Nacht, als Pia durch ein Rascheln geweckt wurde. Langsam stand sie auf und sah sich in ihrem Schlafzimmer um. Alles war wie immer, der Mond schien durch die nur halb geschlossenen Vorhänge und tauchte das Zimmer in ein leichtes Licht. Pia ging zum Fenster, um zu sehen ob ein Ast gegen ihr Fenster schlug oder woher sonst das Geräusch kam, das sie geweckt hatte. Beim Fenster angekommen konnte sie nichts sehen. Die Äste waren zu weit von ihrem Fenster entfernt, um dagegen schlagen zu können und auch sonst war nichts Auffälliges zu sehen.

Schläfrig ließ Pia ihren Blick über die Straße schweifen, sie wohnte im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses und ihr Fenster zeigte direkt auf eine wenig befahrene Straße, die nicht einmal geteert war. Umringt war sie von vielen Eichen, die bereits Meter hoch in den Himmel ragten. Während sie noch immer aus dem Fenster sah, machte sie aus den Augenwinkeln plötzlich eine Bewegung in den Bäumen aus. Langsam drehte sie ihren Kopf und sah in die Richtung, aus der die Bewegung gekommen war.

Pia erstarrte. In der hintersten Ecke des Baumes, direkt im Schatten der Blätter saß es. Eine Katze. Nein, keine gewöhnliche Hauskatze, auch keine Rassekatze. Eine große, ausgewachsene Wildkatze saß nur wenige Meter von ihr Entfernt und schien sie zu beobachten. Pia merkte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Wie war eine Wilde Katze hier in ihr Wohngebiet gelangt? Hatte sie sich verlaufen? Bei genauerem Hinsehen vielen ihr die Härchen an den Ohrspitzen an. Ein Luchs. Seit wann gab es hier wieder Luchse? War er vielleicht aus dem örtlichen Zoo ausgebrochen? Pia wollte sich umdrehen und zu ihrem Telefon greifen, um die Polizei zu benachrichtigen, doch die Katze sah sie so eindringlich an, als wenn sie genau wüsste, was Pia als nächstes vor hatte.

Sie runzelte ihre Stirn und betrachtete das Tier genauer. Selbst so still wie es saß, ohne sich zu bewegen, strahlte sie eine gewisse Macht und Eleganz aus. Die grünen Augen der Katze durchbohrten sie gerade zu, als wenn sie ihr etwas sagen wollten. „Sei nicht albern, Pia.“, murmelte sie vor sich hin. „Tiere können nicht so denken wie wir. Darum können sie uns auch nichts sagen.“ Es klang alles so logisch in ihrem Kopf und doch… Wenn es wirklich so einfach war, warum musste sie es sich dann selbst laut sagen?

Wie von Geisterhänden getrieben öffnete Pia das Fenster langsam. Der kühle Wind wehte ins Zimmer und bescherte ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut. Die Katze saß noch immer im Schatten der Blätter ohne sich zu bewegen. Langsam legte Pia ihre Arme auf die Fensterbank und stütze ihr Kinn mit den Händen ab. Genau betrachtete sie die Katze, wartete darauf, dass sie sich bewegen würde, doch es passierte nichts.

Nach einigen Minuten schloss Pia ihr Fenster, ihre Gänsehaut war noch immer nicht weg und es wurde immer kühler im Zimmer. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach 2 Uhr war. Ohne noch einen letzten Blick zur Wildkatze zu werfen krabbelte sie unter ihre Bettdecke und machte es sich bequem. In wenigen Stunden würde sie wieder aufstehen müssen und sich auf ein erneutes Treffen mit Lukas vorbereiten.

Sie schlief schnell ein, doch ihre Träume waren seltsam. Die Katze kam darin vor, starrte sie noch immer an, durchbohrte sie quasi mit ihren grünen Augen. Plötzlich verschwand die Katze und Lukas tauchte auf, doch die Augen blieben die selben.
 

Es war nicht richtig gewesen, dessen war er sich bewusst und doch… Lukas hatte dem Drang einfach nicht widerstehen können. So schnell es ging lief er durch die Schatten der Nacht, versuchte seinen Kopf frei zu bekommen, doch ihr Gesicht und ihr Geruch hingen dort fest und ließen sich nicht verdrängen. Er hatte ihrem Geruch folgen müssen, durch eine ganze Stadt. Hatte an ihrem Haus nach ihr Ausschau halten müssen, in ihr Fenster sehen müssen, sie beim Schlafen beobachten müssen. Es war ein innerer Drang, der ihn dazu brachte. Es war etwas, dass er nicht logisch erklären konnte und doch…

Es war sich im Klaren darüber, was das hieß, was es für ihn bedeutete. Was es für seine Familie bedeuten würde. Und genau aus diesem Grund hätte er diesen Drang ignorieren müssen, ihm nicht folgen dürfen. Zu viel stand für ihn und seine Leute auf dem Spiel. Und doch…

Seufzend blieb Lukas stehen, sah sich um und inhalierte die Nachtluft. Hier, außerhalb der Stadt war sie sauber und klar. Er sah in den Himmel, ohne die Lichter der Stadt konnte er die Sterne deutlich sehen. Viele seiner damaligen Bekannten hatten nie in ihrem Leben Sterne gesehen. Das Licht der Städte hatte sie bereits vor langer Zeit verdrängt. Doch hier, auf dem Land, konnte man jeden einzelnen Stern ganz deutlich sehen.

Während er in den Himmel schaute, wanderten seine Gedanken wieder, nahmen Formen an, die er nicht dulden konnte. Viel zu gefährlich war es. Nicht nur für ihn, auch für sie. Einen gebrechlichen Menschen…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-04-21T15:20:30+00:00 21.04.2010 17:20
"wie er sie umzingelte, sie hilflos machte" -> Ich hab erst geleen, dass er sie umzüngelte xD
Aber jetzt ehgrlich, ich mag das Kaptel sehr! Dass Lukas ein Luchs ist find ich klasse! und das mit den grünen Augen auch!... Hach.... wenn ich Glück habe, wird das noch so richtig romantisch...!
und: Pia ist keine Sue! Deshalb liebe ich sie jetzt schon! ^o^
Mach weiter so, ich warte! ^^


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