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Bis ans Ende der Welt

Das Schwert folgt stets dem Herzen
von

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Über Zauberer und Krähen

Es war bereits Abend, als Hix und Rim endlich das kleine, übermäßig schaukelnde Boot verlassen konnten. Keiner der beiden ahnte auch nur im Mindesten etwas von den Ereignissen, die sich in Falena abspielten, als sie sich ausgiebig streckten und sich wieder an den festen Boden unter ihren Füßen gewöhnten.

„Meine Arme tun weh“, beklagte Hix sich leise.

Tengaar hätte ihm nun einen Vortrag darüber gehalten, dass es sich für einen Krieger nicht gehörte, sich nach ein wenig Paddelei zu beschweren, doch Rim stimmte zu und bekundete seufzend, dass sie hungrig und müde sei. Die Krähe, die das Boot die ganze Fahrt über begleitet hatte, hüpfte aufgeregt umher als bestünde sie darauf, dass sie am falschen Ort wären und sie gefälligst weiterziehen sollten. Ein Vorschlag, den beide gleichermaßen ablehnten und sich deswegen nicht weiter um das Tier kümmerten.

Hix betrachtete den geschäftigen Hafen eingehend, nur um festzustellen, dass er an diesem noch nie zuvor gewesen war. „Wo sind wir?“

„Uhm, ich weiß auch nicht“, antwortete Rim ausweichend. „Jedenfalls gehört es zu den Inselnationen.“

So viel war ihm bereits auch bewusst gewesen – zumindest hätte er das gern gedacht, aber in Wahrheit war er vollkommen planlos. Manchmal überkam ihn das Gefühl, dass er sich ohne Tengaar sogar auf einem geraden Weg verlaufen würde – und wann immer er das dachte, glaubte er, einen Schlag von ihr zu spüren, gefolgt von einer Standpauke, dass er sich nicht so niedermachen soll und er weitaus fähiger wäre als er glaubte.

„Wir sollten ein Gasthaus suchen“, hörte er Rims Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Es scheint nicht so, dass heute Nacht noch ein Schiff ausläuft, das uns nach Falena bringen kann.“

Ein kurzer Blick auf die angelegten Küstenfahrer, verriet ihm, dass die Besatzungen damit beschäftigt waren, Ladung zu löschen, statt sie an Bord zu bringen.

Allerdings gab es da ein kleines Problem mit ihrem Plan...

„Wir haben aber gar kein Geld“, erwiderte Hix. „Das ist alles in meiner Tasche auf dem Schiff.“

Schlagartig fiel ihm Ailis wieder ein. Er fragte sich, wo sie wohl gerade war, ob es ihr gut ging – oder ob sie bereits vor Angst wahnsinnig geworden war.

Hoffentlich kümmert sich irgendjemand um sie...

Entmutigt und offensichtlich fertig mit der Welt, ließ Rim ihren Kopf sinken. „Ich habe auch nichts bei mir. Meinst du, wir können irgendwo draußen schlafen?“

Der Vorschlag kam nicht sonderlich gut an bei Hix. Dabei ging es ihm nicht einmal darum, dass es unbequem zu werden drohte, sondern eher um Banditen oder Piraten – in Hafenstädten wusste man immerhin nie, was einen erwartete, besser, man rechnete mit dem Schlimmsten.

Die Krähe schien etwas von ihrem Dilemma zu ahnen oder es tatsächlich völlig mitzubekommen, denn plötzlich verließ sie das Boot doch noch und setzte sich auf Hix' Schulter. Erschrocken fuhr er im ersten Moment zusammen, bis er das Tier erkannte, das inzwischen seltsame Kopfbewegungen vollführte als wolle es ihn anweisen, in eine bestimmte Richtung zu laufen.

Die ebenfalls aufmerksam gewordene Rim musterte die Krähe. „Mir scheint, er will uns etwas zeigen.“

Hix lehnte den Kopf sicherheitshalber ein wenig von dem Vogel fort. „Du hast mir immer noch nicht erklärt, was du damit meintest als du sagtest, er sei eine Seele.“

Zwar hatte er bereits im Boot nachgehakt, was das bedeuten sollte, doch war er von ihr nur darauf hingewiesen worden, dass sie nun Wichtigeres zu tun hätten – und dasselbe geschah nun erneut: „Wir sollten erstmal herausfinden, was er will. Du willst doch nicht, dass er dir ein Auge auspickt, oder?“

Über diese Aussicht erschrocken, sah Hix wieder zu der Krähe und für einen kurzen Moment schien es ihm tatsächlich als würde sie genau das vorhaben. Also schüttelte er hastig mit dem Kopf. „Gehen wir lieber.“

Mit einem zufriedenen Geräusch – offenbar verstand sie tatsächlich jedes Wort ganz genau – gab die Krähe ihm wieder zu verstehen, in welche Richtung er laufen sollte.

Der Vogel lotste sie vom Hafen weg in die Stadt hinein, ungeachtet des kleinen Boots, das in unregelmäßigen Abständen fast schon traurig gegen die Kaimauer schlug, als es allein und unbeachtet zurückgelassen wurde.

Fackeln am Wegesrand beleuchteten die Straße notdürftig, Insekten scharten sich um die Flammen, angezogen von deren hellen Schein – aber Hix konzentrierte sich einzig und allein auf die Krähe, aus Furcht, sie würde ihm tatsächlich eines seiner Augen herausreißen, wenn er nur einmal nicht auf ihre Kopfbewegung reagierte. Doch schließlich – ihm entfuhr ein erleichtertes Seufzen – verließ der Vogel seine Schulter, flatterte zu einem Schild, das über der Tür eines Hauses befestigt war und ließ sich dort nieder.

Rim musterte das Schild. „Ein Objektladen? Was sollten wir hier wollen?“

„Mir wäre ein Gasthaus auch lieber gewesen...“

Selbst ohne Geld wären sie sich mit dem Besitzer sicherlich einig geworden für eine Übernachtung. Aber ein Objektladen, das machte einfach keinen Sinn.

Immerhin schien hinter den Fenstern aber noch ein trübes Licht, offensichtlich befand sich noch jemand im Laden, der ihnen vielleicht helfen könnte und wenn es nur ein Hinweis zum nächsten Gasthaus wäre. Fragte sich nur, woher die Krähe das wusste – oder warum er glaubte, dass sie das wirklich wissen sollte. Möglicherweise roch irgendetwas im Laden einfach nur sehr verführerisch für sie.

Ohne viel Hoffnung betätigte Hix die Klinke – und öffnete erstaunt die Tür, worauf ein leises Klingeln erfolgte.

„Es ist noch offen“, stellte er fassungslos fest.

Da die Sonne längst untergegangen war, hätte er eigentlich gedacht, dass bereits geschlossen war, doch so ließ er sich von Rim ins Innere des Ladens schieben. Ehe er die Tür wieder schloss, flatterte die Krähe noch herein und ließ sich auf einem der Regale nieder, die im Raum standen. Eine einsame Kerze auf dem Tresen spendete ein wenig Licht, allerdings so wenig, dass Hix sich nur langsam vorwärts bewegen konnte, in der Befürchtung, jederzeit über etwas zu stolpern.

Im Hinterraum – aus dem das helle Licht kam, das Hix von draußen gesehen hatte – war lautes Rascheln zu vernehmen, gefolgt von einem leisen Seufzen und einem anschließenden „Wir haben geschlossen“.

„Aber die Tür war offen“, erklärte Rim der Stimme, da die Person im Hinterzimmer offenbar keine Anstalten machte, nach vorne zu kommen, um sie wieder hinauszuscheuchen.

Ein weiteres Rascheln ertönte, doch statt einem Seufzen folgte dieses Mal ein überraschter Schrei und im nächsten Moment ein dumpfes Geräusch, als ob etwas auf dem Boden aufschlug.

Hix vergaß die Tatsache, dass Kunden eigentlich keine Hinterzimmer betreten durften – immerhin war er kein richtiger Kunde – und ging am Tresen vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Rim folgte ihm hastig, um, wie er vermutete, nicht allein in der Dunkelheit bleiben zu müssen.

Ehe er den hinteren Raum betrat, klopfte Hix schüchtern gegen die ohnehin offene Tür, wofür er ein leises und schmerzverzerrtes „Herein“ als Antwort bekam.

Er atmete leise auf – immerhin würde er nicht mit dem Schlimmsten rechnen müssen – und sah in den Raum hinein. Im ersten Augenblick verschlug es ihm die Sprache, als er an jeder Wand Regale entdeckte, die bis zur Decke mit Büchern gefüllt waren. Erst auf den zweiten Blick fiel ihm auf, dass zumindest eines der Regale nur Kassenbücher enthielt und ein anderes, das er nicht sofort im Sichtfeld gehabt hatte, bereits vollkommen leer war. Die Krähe flatterte unterdessen herein und setzte sich auf einen kleinen, von Sesseln umgebenen, Beistelltisch, auf dem ein Teller mit Keksen stand, an denen der Vogel sich sofort ungefragt zu bedienen begann, während er den dampfenden Tee in der Tasse daneben allerdings verschmähte.

Erst als Rim ihn darauf hinwies, fiel Hix die Person auf, zu der die Stimme von zuvor gehörte. Leise jammernd rieb der junge Mann sich, immer noch auf dem Boden sitzend, den Rücken, ein gestürzter Hocker neben ihm erklärte stumm, wie es zu diesem Zwischenfall gekommen war.

„T-tut mir Leid, wenn wir stören“, nuschelte Hix.

Der Gestürzte hielt in seinem Jammern sofort inne und blickte ihn an. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er schließlich zu einer Feststellung kam: „Ah, ihr seid Reisende?“

„So ähnlich“, antwortete Rim mit geneigtem Kopf.

Hix reichte dem Mann eine Hand, die dieser dankend annahm, um sich aufhelfen zu lassen. Kaum stand er wieder, drückte er den Rücken durch. „Das passiert mir andauernd. Es wird Zeit, dass ich mir eine Leiter kaufe.“

Da keiner seiner beiden Besucher etwas darauf erwiderte, lachte er verlegen und fuhr sich durch das braune Haar, um es ein wenig zu glätten. „Tut mir Leid. Ich sollte mich einmal vorstellen: Ich bin Loki, der Sohn der Besitzer dieses Ladens.“

Obwohl er sie anstrahlte, konnten Hix und Rim nichts anderes tun als ihn nur verwirrt zu mustern. Immerhin waren sie quasi die Eindringlinge und es wäre nur korrekt gewesen, wenn er verlangt hätte, dass sie sich zuerst vorstellten. Doch er schwieg weiterhin und sah beide nur freundlich an, bis Rim schließlich Hix zu verstehen gab, dass er sie beide vorstellen und ihre Situation erklären sollte. Loki lauschte dem überraschend geduldig und blickte anschließend zu der Krähe, die gerade den letzten Keks verspeiste. „Und sie hat euch also hergebracht, ja?“

Noch ehe die beiden antworten konnten, gab die Krähe ein zustimmendes Krächzen von sich. Loki lächelte darüber. „Du verstehst alles, was wir sagen, hm? Du bist ein ganz besonderer Vogel, nicht wahr?“

Hix wollte dazu etwas sagen, doch Loki sprach bereits weiter: „Das erinnert mich an eine Geschichte, die ich kenne.“

„Was für eine?“, fragte der Kriegerlehrling statt seinem eigentlich geplanten Kommentar zu der Krähe.

Vielleicht würde er ja von diesem Mann eine Antwort bekommen, die Rim ihm bislang verwehrte. Doch ehe er die Geschichte begann, bat Loki seine beiden Gäste, auf den Sesseln Platz zu nehmen. Aus einem Fach unter dem Tisch holte er eine weitere Schachtel mit Keksen hervor, von denen er ihnen anbot. Hix' Blick war allerdings bereits wieder auf den Tisch konzentriert, auf dem er etwas Eigenartiges entdeckt hatte. „E-erwartest du Besuch?“

Er deutete auf die drei Tassen, von denen allerdings nur eine gefüllt war. Loki lachte, eine Mischung aus Nervosität und Verlegenheit, wie es sich selbst für Hix' ungeübte Ohren anhörte.

„Sagen wir, ich hatte so ein Gefühl, dass heute noch jemand vorbeikommen würde. Deswegen habe ich auch die Tür nicht abgeschlossen.“

Es wäre Hix um einiges lieber gewesen, hätte Loki nur gesagt, dass es ein Versehen war und er vergessen hatte, die Tür abzuschließen und dort immer drei Tassen standen. Langsam bekam er das Gefühl, nur auf seltsame Leute zu treffen, seit er in Zexen gewesen war – und es hörte einfach nicht mehr auf!

Allerdings schien selbst Rim davon dezent genervt zu sein.

„Was auch immer“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme, die einem kundigen Zuhörer aber sofort verriet, dass sie nicht so gut gelaunt war wie sie im Moment aussah und wie sie sich anhörte. „Was meintest du für eine Geschichte?“

Loki schien ihr Stimmungstief ebenfalls zu bemerken, weswegen er sofort mit dem Lachen aufhörte. „Na, die Geschichte des letzten Magierkrieges natürlich.“

„Als das Ritual schiefging?“, hakte Hix nach.

„Das Ritual ging mehr als nur einmal schief“, belehrte Loki ihn sofort „aber nur einmal waren die Auswirkungen derart verheerend, wie in diesem Fall. Und auch nur dieses eine Mal wird von einer Krähe berichtet, die darauf aus ist, alles wieder gutzumachen.“

Automatisch sahen alle Anwesenden wieder zu dem Vogel, der die Blicke unschuldig erwiderte als wäre er nur ein vollkommen normales Tier, obwohl inzwischen alle stumm überein gekommen waren, dass er gerade das eben nicht war.

„Ich kenne die Geschichte nicht vollständig“, fuhr Rim fort. „Kannst du sie vielleicht erzählen?“

Es schien Hix als hätte Loki auf diese Frage nur gewartet, seine Augen begannen sofort geradezu von innen heraus zu leuchten, als er er darum gebeten wurde. „Aber natürlich kann ich! Ich kenne sie in und auswendig, jedes einzelne Detail!“

Sein Übereifer ließ Hix ein wenig tiefer auf seinem Sessel rutschen, Loki dagegen saß plötzlich kerzengerade und räusperte sich, ehe er zu erzählen begann.



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