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No, I'm not

Rufus x Alicia
von

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Nein, keineswegs

Sie durchschaut mich genau.

Jeder einzelne Blick von ihr geht sehr viel tiefer, blickt nicht nur auf die Oberfläche, sondern durch die obersten, die mittleren und selbst die tiefsten Schichten hindurch bis auf das einzige, das mir gehört. Das ich bin.

Doch nicht nur ihre Blicke auf meine Seele gerichtet. Wie sie den Ring ansieht!

Sie weiß es und das weiß ich. Ganz sicher. Was ich bin, wem ich gehöre, wofür ich überhaupt existiere. Dafür gibt es einen einzigen Grund und sie kennt ihn genau. Ich tat so, als wüsste ich nicht, wovon sie sprach, aber wie könnte eine Göttin wie sie, so nah an Odin selbst – oder zumindest so nah an ihm gewesen – nicht davon wissen? Eine Schildmaid, Kampfjungfer, eine Walküre weiß natürlich von meinem Schicksal, dem Obersten zu dienen. Wenn auch unfreiwillig.

Silmeria mag es wissen, aber Alicia nicht. Die kleine Prinzessin, vielleicht nicht ganz so unschuldig und nett wie sie aussieht – zumindest, denke ich bei mir, dass sie es noch werden kann, wenn sie einmal ihre Angst vor dem Kampf abgelegt hat, und das wird sicherlich noch geschehen – hat keine Ahnung von dem, was unter der Oberfläche wartet.

Sie sieht nur mich, das, was sie sehen will, den Kämpfer und Bogenschützen an ihrer Seite, der sie beschützt und nette Unterhaltungen mit ihr führt, sie vielleicht sogar mögen könnte, letzten Ende aber doch nur mitkommt, um seine Belohnung zu bekommen, die nach heute noch größer ausfallen wird.

Naiv, wie sie ist, stimmt sie mir zu.
 

„Danke, Rufus.“
 

Darauf hätte ich noch antworten können. Kein Problem. Immer wieder gerne, solange du mich bezahlst. Das wäre auch noch wahr gewesen. Das wäre nur die Oberfläche, das, was sie sieht und glaubt. Nichts, was ich hätte nicht sagen dürfen. Alles in Ordnung. Das Gespräch hätte problemlos weitergehen können. Vielleicht mit neckischen Kommentaren, einem verärgerten Unterton, vielleicht aber auch nicht. Doch die Unterhaltung hätte hier kein Ende gefunden.
 

„Du bist wirklich nett …“
 

Darauf wiederum kann ich nicht antworten. Es überrascht mich, Worte, die ich nicht erwartet habe, verwirren mich, erwischen mich auf dem falschen Fuß. Nett? Ich?

Nein, das stimmt nicht.

Silmeria sagt ihr nichts, behält ihr Wissen für sich. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob das gut ist oder nicht. Sie wird es irgendwann erfahren, wenn wir solange zusammen bleiben, bis wir die Drachensphäre finden. Was besser ist, ob jetzt oder später, werde ich nicht herausfinden.

Alicia nimmt mir die Verlegenheit, antworten zu müssen: Sie schläft ein, wie ich es ihr geraten habe.

Kommt wieder zu Kräften, weil sie körperlich die Schwächste von uns ist. An mich gelehnt.

Der plötzliche, intensivere Körperkontakt bringt mich aus dem Konzept.

Ihre Worte, die Nähe – so etwas bin ich nicht gewöhnt, habe so etwas nie gehört und gespürt.

Ich habe es aber auch nie darauf angelegt.

Nähe ist nicht gut, nicht für mich. Mein Leben gehört nicht mir, warum es verschönern? Zumindest gehört es noch nicht mir. Noch habe ich nicht die Möglichkeiten dazu, andere daran teilhaben zu lassen.

Mir wird fürchterlich warm, spüre das Blut in meinem Gesicht.

Sehe zu ihr herunter. Auf ihr friedliches Gesicht.

Man sieht ihr nicht an, dass sie in ihr eine göttliche Seele beherbergt. Was sie in ihrer Kindheit durchmachen musste, verstoßen von der eigenen Familie … Schüchtern ja, naiv auch, aber stark auf jeden Fall. Sie hat keine Angst vor dem Schlaf.

Beneidenswert …
 

„Was zur Hölle … schläft ein mitten während einer Unterhaltung …“
 

Mal wieder sage ich das, was ich nicht denke. Sage immer das, was ich nicht denke, weil Ehrlichkeit wie vieles andere nicht gut für mich ist. Ich brauche Abstand, keine Nähe. Niemanden will ich es aufbürden, mein Schicksal zu teilen oder es mit ansehen zu müssen.

Außerdem … will es ich einfach nicht.

Mir half niemand, als ich flehentlich, auf den Knien bettelnd um Hilfe schrie, wissend, dass der gesamte Wald der Seelen mich nicht mit seinen Ohren, aber doch in seinem Herzen hören konnte.

Jeder einzelne seiner Bewohner wandte sich ab aus purer Angst, kein einziger altruistischer Gedanke, der mir mein Schicksal erleichterte. Sie alle wollten es nicht mit dem Obersten aufnehmen, sollte er jemals herausfinden, dass sie seinem Ersatzkörper geholfen hatten, der doch einfach nur wie Vieh von den Elfen gehalten und bewahrt werden sollte.

Manchmal frage ich mich, ob sie sich umdrehten, als mein Schreien erlosch …

Natürlich hört Alicia meine Worte nicht mehr. Sie schläft noch nicht lange, aber wohl doch schon tief genug, um nichts mehr wahrzunehmen.

Ob Silmeria mich noch hören kann, wenn Alicia schläft? Wenn sie ihren Körper nicht übernommen hat?

Ich weiß es nicht. Silmeria weiß alles aber über mich. Aber sie behält auch alles für sich.

Selbst wenn sie mich hören könnte, was soll schon geschehen?
 

„Du bist wirklich nett …“
 

Wenn sie nur wüsste – wenn sie doch nur wüsste! Ich und nett?

Findet sie die Drachensphäre, besiegt sie Odin, befreit sie mich von seinem Fluch und schenkt mir mein Leben.

Kann so ein egoistisches Ziel nett sein? Nein, keineswegs. Ich kämpfe nicht für sie, bleibe nicht bei ihr um Dipan zu retten – Dipan, ganz Midgard, könnte mich nicht weniger betreffen, solange nur Odin besiegt ist und ich nicht länger an ihn gebunden bin. Ich bleibe um sicher zu gehen, dass Silmeria nicht etwas anderes mit der Sphäre vor hat als sie uns mitteilte. Die Sphäre soll nur Odin stürzen. Mehr nicht. Wenn er nicht mehr ist, dann soll sie wieder für das Gleichgewicht der Welten sorgen.

Wie kann so ein Ziel nett sein? Wenn sie doch nur von Silmeria erfahren würde, was sie unter der Oberfläche erwartet! Sie weiß genau, was ich will, aber sie sagt es nicht. Warum nicht?

Nie versteht jemand die Götter.
 

„Nein, bin ich nicht …“
 

Nein, nein, nicht nett.

Grausam viel eher. Es lässt mich verzweifeln.

Das Gewicht des Rings, der mich an Odin bindet, verdoppelt sich, fühlt sich so an, als läge seine Last nicht nur auf meinen Fingern, sondern auf meinem Körper, drückt die Luft aus meiner Lunge, nimmt mir die Fähigkeit zu atmen und ich ersticke an der psychischen Folter des Gottes. Alicia, die völlig unkontrolliert, unbewusst mit ihrem ganzen Gewicht gegen mich lehnt, ist ein Fliegengewicht dagegen, spüre es kaum, obwohl sie im wachen Zustand, wenn sie sich diese Geste überhaupt zugetraut hätte, sehr wohl darauf gewesen wäre, den Druck portioniert zu halten.

Jenes mag ich kaum spüren, ihre Wärme dafür umso mehr.

Noch nie, seit ich aus dem Wald der Seelen entkam, hat mich der Ring so belastet wie heute, sein Schicksal von meinem zu befreien war mir aber auch noch nie so nah gewesen wie heute. Wie kann ich noch versuchen nett zu sein, wenn mir die endgültige Freiheit so nah ist? Näher als je zuvor?

Eine Göttin auf unserer Seite, zwar an sterbliches Fleisch gebunden und geschwächt, aber ihrer Kräfte nicht vollständig beraubt. Allein ihr Wissen könnte uns einen großen Schritt näher an den Sieg über Odin bringen.

Die Chancen standen nie so gut wie jetzt.

Wie kann ich jetzt noch nett sein wollen? Meine Freiheit – so nah!

Doch warum ist mir trotzdem wieder nach Flehen, Betteln, Schreien um Gnade zumute, wenn ich die Nähe und Wärme zu der gottgepeinigten Prinzessin genieße?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rainblue
2011-08-22T16:51:17+00:00 22.08.2011 18:51
Hallo^-^

Ich bin gerade über dein FF Menschsein zu dem hier gestolpert. Und ich kann nicht glauben, dass hier noch kein Review steht, weil das, was du da geschrieben hast, schlichtweg umwerfend ist!
Ich kenne Valkyrie Profile zwar nicht, aber das hier hat mich trotzdem sehr berührt! Du und deine poetische Feder - der reine Wahnsinn.^-^
Ich meine es vollkommen ernst, wenn ich deine Arbeit mit "großartig" beschreibe!
Mach unbedingt weiter so!

Liebe Grüße


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