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Another Side, Another Story

The Traitor's Tale
von

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Die Ruhe vor dem Sturm

Nanami hatte ihm angeboten, Pilika in ihr Zimmer zu bringen, damit sich die Kleine beruhigen konnte, fernab von den Söldnern, die ihr ohne Zweifel Angst machten. Jowy legte das kleine Mädchen in das Bett und deckte sie zu; Pilika zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch und sah ihn mit ihren großen, tränenverschleierten Augen an.
 

„Onkel Jowy…“, flüsterte sie erstickt und er nickte aufmerksam, ehe er ihr tröstend übers Haar strich. Es fühlte sich noch immer so paradox an – er kümmerte sich hier um ein Kind und das obwohl er selbst vor nicht allzu langer Zeit dem Kindesalter entwachsen war. In den Augen der Söldner war er noch immer ein Kind…
 

„Was ist denn, Pilika?“
 

„Kannst du… Kannst du mir eine Geschichte erzählen? Bitte?“ Sie schniefte leise und sah ihn flehend an.
 

Eine Geschichte. Das war keine gute Idee. Er war kein Geschichtenerzähler, sondern eher der Leser. Früher hatte er sich gern hinter dem einen oder anderen Buch vergraben, doch jetzt fühlte sich der Gedanke daran, ein Buch zur Hand zu nehmen, einfach nur falsch an.
 

Dennoch überlegte er fieberhaft, bis ihm eine mehr oder weniger harmlose Geschichte einfiel, die er noch aus seiner eigenen Kindheit kannte. Er erzählte leise, manchmal stockend, doch Pilika lauschte ihm aufmerksam, fast schon dankbar dafür, dass er sie von den Schrecken ablenkte, die sie Stunden zuvor hatte mit ansehen müssen.
 

Irgendwann nickte sie ein und er betrachtete schweigend, deprimiert ihr schlafendes Profil, bis sie begann, sich hin und her zu wälzen. Ein Albtraum. Natürlich.
 

„Pilika“, rief er leise und berührte sie sachte an der Schulter, woraufhin das Mädchen aus dem Schlaf fuhr und schluchzend das Gesicht in seinem Hemd verbarg.
 

„Mama!“, weinte sie laut, „Papa!“ Jowy spürte, wie sein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Bei den Runen, warum war er nur so hilflos? Warum konnte er nichts tun?!
 

Es dauerte lange, bis Pilika sich in den Schlaf geweint hatte. Sie hatte sich nicht beruhigt, es war lediglich die Erschöpfung, die irgendwann ihren Tribut gefordert hatte. Er beobachtete sie aufmerksam, doch sie schien traumlos zu schlafen, wie immer, wenn man vor Erschöpfung einfach zusammen brach. Ihre Wangen waren noch immer tränennass…
 

„Jowy…?“ Er zuckte zusammen und fuhr herum, doch es war nur Riou, der unsicher im Türrahmen stand.
 

„Du bist es“, stellte Jowy leise fest und Riou nickte, ehe er leise die Tür hinter sich schloss und näher ans Bett trat.
 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte der Jüngere besorgt und der blonde Aristokrat zuckte die Achseln.
 

„Sie hat sich endlich in den Schlaf geweint…“, antwortete er mit einem Seufzer und rieb sich müde mit dem Handrücken über die Augen.
 

„Das arme Mädchen“, murmelte Riou mitfühlend und Jowy nickte nur. Was sollte er darauf auch erwidern? Sein Herz schien vor Mitleid zu platzen.
 

„Und was ist mit dir?“ Er hob den Blick und sah in besorgte, braune Augen.
 

„Ich…“ Er verstummte wieder. In seinem Kopf ging so viel vor, dass er einen Moment brauchte, bis er ein wenig Ordnung in das Chaos seiner Gedanken gebracht hatte. Dann sagte er leise:
 

„Ich weiß nicht mehr, wo ich hingehöre, Riou. Ich bin ein Highlander und trotzdem haben sie uns gejagt… Irgendwie habe ich immer gedacht, dass wir eines Tages zurückkehren können, aber… das Massaker an der Einhorn-Brigade, Captain Rowds Verrat, das Zerstörung von Toto…“ Er schüttelte hilflos den Kopf. „Ich weiß einfach nicht mehr, wem ich vertrauen kann.“
 

Einen Moment lang sagte Riou nichts. Dann breitete sich ein aufmunterndes Lächeln auf seinem Gesicht aus und er erwiderte:
 

„Du kannst mir vertrauen, Jowy.“
 

Jowy starrte ihn wortlos an, bis die Worte langsam in sein Bewusstsein drangen. Er spürte, wie eine Welle der Rührung ihn erfasste und wie sich seine Lippen langsam zu einem dankbaren Lächeln verzogen.
 

Natürlich. Riou war ein fester Punkt in seinem Leben gewesen, seit sie sich kannten. Nanami natürlich auch, aber mit Riou hatte ihn immer mehr verbunden… da war so vieles! Es war immer Riou gewesen, zu dem er hatte gehen könnten, wenn er zu Hause wieder einmal mit Marcel oder Marco gestritten hatte, und es war auch Riou gewesen, der die ganze Zeit an seiner Seite gewesen war, seit all das angefangen hatte.
 

„Danke… Riou.“ Einen Moment fixierten sie einander, dann sagte Riou:
 

„Pohl hat ein Bad organisiert. Du solltest die Gelegenheit nutzen, solange das Wasser noch heiß ist.“ Jowy warf einen kurzen, zweifelnden Blick auf die schlafende Pilika, dann seufzte er und nickte. Er war sich im Klaren darüber, dass es keinen Sinn hatte, die Bedürfnisse seines eigenen Körpers zu vernachlässigen – und im Augenblick gehörten ein Bad, eine Mahlzeit und eine Mütze voll Schlaf auf jeden Fall dazu.
 


 

Als er am nächsten Morgen – oder vielmehr Mittag – die Augen aufschlug und sich in der Küche einfand, wo Leona Gnade vor Recht ergehen ließ und ihm ein verspätetes Frühstück gewährte, waren alle anderen bereits wach und auf den Beinen. Ein völlig übermüdeter Söldner erzählte ihm, dass Bonaparte die halbe Nacht beunruhigende Geräusche von sich gegeben hatte, bei denen nur Millie hatte ruhig schlafen können, und plötzlich war Jowy unheimlich froh, dass sein Bett sich in einem anderen Schlafsaal befand.
 

Seltsam, wie das Leben einfach weiterging, obwohl gestern eine Welt zusammengebrochen war. Aber die Menschen schliefen, aßen und lebten, als sei nichts gewesen. Aber was blieb ihnen auch Anderes übrig…?
 

Jowy war klar, dass man nicht in der Vergangenheit leben konnte, egal, was passierte. Doch Apple, die ihm beim Mittagessen seine Gedanken anzusehen schien, erklärte ihm leise, dass es im Krieg nur den Blick nach vorne gab. Bei diesen Worten wirkte sie älter als sie war, als hätte sie mit ihren 18 Jahren mehr gesehen als sie hätte sehen sollen.
 

Nachdem er sich dazu durchgerungen hatte, sie zu fragen – er wollte nichts vom Krieg hören, nicht jetzt – erzählte sie ihm tatsächlich, dass sie vor drei Jahren ein Teil der Befreiungsarmee im Torrunenkrieg gewesen war.
 

„Das ist eine lange Geschichte“, seufzte sie schließlich, „und besser dafür geeignet, zu einem anderen Zeitpunkt erzählt zu werden.“
 

„Hm.“ Vielleicht konnte man ihm ansehen, dass ihm das Thema nicht behagt, vielleicht wollte die junge Frau auch selbst nicht an den letzten Krieg denken. Jedenfalls ebbte das Gespräch ab und Jowys Gedanken begannen wieder, einander unkontrolliert zu jagen, bis er Kopfschmerzen bekam.
 


 

Eine Woche verstrich quälend langsam und Jowy rechnete jeden Tag mit einem Angriff der Highland-Armee, doch es blieb besorgniserregend ruhig. So ruhig, dass er sich schon fast wünschte, dass irgendetwas geschehen würde.
 

Pilika schien sich einigermaßen erholt zu haben. Sie war traurig, ja, aber wenigstens weinte sie nicht mehr so oft. Nur ein-zwei Mal hatte sie Nanami nachts wegen eines Albtraums geweckt, doch anscheinend war es nichts Schlimmes gewesen. Jedenfalls war es das, was Jowy hoffte.
 

Er wollte nicht, dass sie litt, das hatte sie nicht verdient. Sie war erst fünf Jahre alt. In diesem Alter hätte sie lachend durch ihr Elternhaus laufen und mit Gleichaltrigen spielen sollen. Doch der Status quo sah nun einmal anders aus…
 

„Da seid ihr ja!“ Leonas Stimme schreckte Jowy aus seinen Gedanken und er sah etwas verwirrt zur Tür. Riou und er hatten in einem der Lagerräume der Söldner aufgeräumt – wie die Männer es hinbekamen, überall, wo sie auftauchten, totales Chaos zu hinterlassen, war ihm ein Rätsel – um wenigstens irgendetwas tun zu können. Die Bardame hatte dunkle Ringe unter den Augen, doch die hatte inzwischen fast jeder Bewohner des Söldnerforts; Stress forderte nun mal irgendwann einen Preis.
 

„Viktor sucht euch“, erklärte sie und sah sich im halb aufgeräumten Lagerraum um, ehe sie den Jungen in die Augen sah. Einen Moment zögerte sie, als wollte sie etwas sagen – in ihren Augen flackerte Mitleid auf – dann sagte sie:
 

„Geht besser schnell hin, er scheint wieder irgendwas vorzuhaben.“ Riou und Jowy tauschten einen Blick, bedankten sich und eilten hinauf in den Konferenzraum, wo bereits Flik, Viktor und Apple warteten. Sie wirkten entschlossen, als hätten sie einen Plan.
 

„Hallo, ihr zwei“, begrüßte Viktor die beiden. Sie murmelten ebenfalls eine Begrüßung, dann ergriff Riou das Wort:
 

„Leona hat gesagt, du hast nach uns gesucht?“
 

„Ja“, erwiderte der Söldner, „Ich fürchte, ich muss euch um einen Gefallen bitten.“
 

„Einen Gefallen?“
 

„Wir wissen nicht, wie lange dieses Fort gegen Luca Blight standhalten kann“, erwiderte Viktor, „aber wir haben beschlossen zu kämpfen.“ Jowy blinzelte überrascht.
 

„Wirklich?“
 

Flik nickte. „Ja. Ich werde heute Nachmittag nach Muse aufbrechen und versuchen, Verstärkung anzufordern.“
 

„Und ich werde Fallen aufstellen“, fügte Apple hinzu, „Kinnison hat sich bereit erklärt, mir zu helfen.“
 

„Ich werde Waffen und Soldaten sammeln. Wir werden einfach alles nutzen, was wir finden können“, schloss Viktor zuversichtlich.
 

„Ihr habt also eine Strategie?“, stellte Riou klar und Apple nickte entschieden:
 

„Ich war zwar nur eine Schülerin unter Meister Mathiu, aber ich will verdammt sein, wenn ich nicht wenigstens etwas gelernt habe!“ Mathiu? Meinte sie etwa den Mathiu Silverberg, den berühmten Strategen, der die Befreiungsarmee in der Republik Toran, dem ehemaligen Reich des Scharlachroten Mondes, angeführt hatte?
 

Das erklärte eine Menge. Apples Ruhe angesichts der Zerstörung in Toto, der Rat, den sie Jowy gegeben hatte… Ganz offensichtlich hatte sie viel erlebt.
 

Jowys Blick wanderte gedankenverloren durch den Raum, bis er auf ein langes, undefinierbares Etwas aufmerksam wurde, das von einem groben Leinentuch verdeckt wurde und an der Wand lehnte. Was im Namen der Runen war das?
 

„Seht euch das hier mal an, ihr beiden“, sagte Viktor in diesem Moment, trat zu dem seltsamen, verdeckten Gegenstand und nahm das Tuch ab. Zum Vorschein kam ein Speer, doch er sah anders aus als alle Speere, die Jowy je gesehen hatte. Er war dicker und wirkte schwerer, die Klinge war länger und schien durch einen seltsamen Mechanismus mit einem Behälter am stumpfen Ende der Waffe verbunden zu sein. Über eine so eigenartige Konstruktion konnte er nur die Stirn runzeln. Allen voran machten ihn die kupferroten Stellen auf dem Stahl stutzig.
 

„Was ist das?“, fragte Riou neugierig und Viktors schwarze Augen blitzten vergnügt auf.
 

„Man nennt sie Feuerspeere“, erklärte der Söldner, offensichtlich sehr zufrieden mit sich selbst, „Sie wurden vor einigen Jahren von Zwergen geschmiedet – für den Krieg in Toran. Aus den Spitzen kommt Feuer!“ Seine Begeisterung für die Waffen schienen die anderen Anwesenden nicht zu teilen. Während Apple erstaunt zu sein schien, die Speere zu sehen – irgendwie hätte es Jowy nicht gewundert, wenn Viktor die Waffen ohne Erlaubnis einfach mitgenommen hatte, als er und Flik den Kontakt zu ihren alten Freunden verloren hatten – blickte Flik eher missbilligend drein. Und sein Blick galt ganz eindeutig den kupferfarbenen Flecken.
 

„Wir haben 30 dieser Speere im Lager“, fuhr Viktor fort, „und sie können wirklich nützlich sein, aber…“ Er wurde rot. „Sie sind ganz verrostet.“
 

„Ich hab dir doch gesagt, dass du besser auf dein Spielzeug aufpassen sollst“, knurrte Flik vom anderen Ende des Raumes und pustete sich entnervt ein paar verirrte Haarsträhnen aus der Stirn, ehe er die Arme verschränkte und einfach nur den Kopf schüttelte.
 

„Ruhe!“, schnappte Viktor böse, was Flik lediglich mit einem lauten Schnauben quittierte. Der hochgewachsene Söldner räusperte sich, dann wandte er sich wieder an die beiden Jungen, die den Austausch etwas verwirrt verfolgt hatten:
 

„Jedenfalls brauchen wir jemanden, der die Feuerspeere wieder repariert. Das Problem ist, dass ich das nur einem Mann zutraue und den kann ich momentan nicht erreichen, weil ich hier zu tun habe. Er wohnt ganz in der Nähe und man nennt ihn ‚Tsai des Gottesspeers’. Ich möchte euch beide bitten, nach ihm zu suchen und ihn, wenn möglich, zu überzeugen, uns zu helfen. Würdet ihr das machen?“ Riou und Jowy tauschten einen Blick, dann nickten beide und Riou erwiderte:
 

„Sicher.“
 

„Wirklich?“ Viktor wirkte ehrlich überrascht, dann grinste er. „Vielen Dank. Ich zähle auf euch!“ Flik seufzte ergeben, dann kramte er in einem der Schränke herum, holte einen Lederbeutel hervor und ließ ihn in Jowys Hand fallen.
 

„Ich habe ein wenig Geld zurückgelegt, mit dem ihr Tsai für seine Arbeit bezahlen könnt“, erklärte er, dann grinste er leicht und fügte hinzu, „Am besten gebt ihr unterwegs nicht alles aus.“
 

„Keine Sorge“, versicherte Jowy amüsiert, der über das seltsame Verhältnis der beiden Söldner zueinander nur grinsen konnte.
 

„Tsai lebt in der Nähe des Dorfes Ryube“, erklärte Apple und zeigte auf einen Punkt zwischen dem Dorf und den Tenzaan-Bergen auf der Karte, „er hat sich in die Berge zurückgezogen. Ich würde ja Kinnison bitten euch, zu begleiten, aber…“
 

„Schon gut“, unterbrach Riou sie hastig, „Wir finden ihn schon. So groß ist der Wald um Ryube nicht.“
 

„Danke“, wiederholte Viktor, „Seid vorsichtig… nehmt am besten noch jemanden mit euch. Nur für alle Fälle.“
 

„Machen wir“, nickte Jowy. Dann hoben die Jungen zum Abschied die Hände und verließen den Konferenzraum.
 


 

Sie baten Nanami, bei Pilika zu bleiben, und Rikimaru würde sie nach Ryube begleiten. Jowy hatte vorgehabt, Zamza ebenfalls zu fragen, doch dieser hatte den jungen Aristokraten mit den Worten abgefertigt, dass er kein Botenjunge war und sicherlich keine niederen Arbeiten erledigen würde, woraufhin Jowy es vorgezogen hatte, die Flucht zu ergreifen. Dieser Kerl war ihm zunehmend unsympathisch und die Tatsache, dass er bereits in den ersten Stunden seines Aufenthaltes nach einem Einzelzimmer verlangt hatte, trug nicht gerade positiv zu seinem Eindruck über den Feuermagier bei.
 

Gengen hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sich um Shiro zu kümmern, solange Kinnison Apple half, und der Kobold und der Wolfshund schienen sich prächtig zu vertragen. Millie leistete Nanami Gesellschaft und irgendwie fand Jowy es sehr besorgniserregend, dass Pilika von Bonaparte so fasziniert war. Aber er verdrängte den Gedanken daran, so gut es ging, und konzentrierte sich auf das Gespräch, in das Riou und Rikimaru vertieft waren.
 

„Wie geht es Hanna? Ich hab sie kaum gesehen“, sagte Riou gerade.
 

„Die Wunde war nicht so tief“, erwiderte Rikimaru achselzuckend, „es lag alles am Blutverlust. Aber warum fragst du ausgerechnet mich?“ Er schmunzelte.
 

„Ihr scheint auf einer Wellenlänge zu sein“, erklärte Riou mit einem Grinsen, „ihr seid beide Krieger, kommt beide aus einem anderen Land...“
 

„Hm, das stimmt…“ Rikimaru kratzte sich am Hinterkopf und meinte dann:

„Ich bin so lange allein gereist, da ist es fast schon ungewohnt, Gesellschaft zu haben.“ Der Schwertkämpfer lachte sein tiefes Lachen und sagte noch etwas, doch Jowys Gedanken schweiften schon wieder ab.
 

Wenn sie diesen Tsai fanden, würde er ihnen helfen? Und wenn ja, würden die Feuerspeere rechtzeitig fertig sein, damit die Söldner sie verwenden konnten, wenn die Highland-Armee angriff?
 

Er hielt in seinen Gedanken inne, als ihm klar wurde, was er da gerade gedacht hatte. Es waren seine Landsmänner, gegen die die Söldner sich gerade zum Kampf rüsteten. Möglicherweise waren es Männer, die er kannte. Und dennoch überlegte er, ob die Staatler sie besiegen konnten.
 

Er dachte wie der Vaterlandsverräter, für den man ihn zu Hause hielt.
 

Jowy presste die Zähne fest aufeinander und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass seine Fingernägel schmerzhaft in die Haut schnitten.
 

Er wollte das nicht.
 


 

Die Hütte, die einer der Dörfler ihnen beschrieben hatte, war leer, als die drei sie betraten. Jowy sah sich in dem einzigen Raum um und fixierte die leeren Regale, das gemachte Bett und die kalte Feuerstelle.
 

„Niemand da“, stellte er fest und runzelte die Stirn. Auch Riou schien ratlos.
 

„Was sollen wir machen?“, fragte Rikimaru, „Warten wir?“ Erneut fixierte Jowy die verlassene Hütte, dann seufzte er und erwiderte:
 

„So wie es aussieht, wird das wohl nichts bringen. Ich glaube nicht, dass er zurückkommt.“
 

„Ich mag es nicht besonders, wenn jemand ohne meine Erlaubnis mein Haus betritt.“ Die drei fuhren erschrocken zusammen und wandten sich zur Tür um, in der ein Mann stand, den Jowy auf etwa Mitte 30 schätzte. Er hatte schwarzes Haar, das zu einem festen Knoten hochgebunden war, einen leichten Dreitagebart und trug eine sandfarbene Hose und ein dazu passendes Hemd mit weiten Ärmeln, darüber eine grüne Tunika. In der Hand hielt er einen Speer und er betrachtete die Eindringlinge missbilligend.
 

„Bist… Bist du Tsai des Gottesspeers?“, fragte Jowy vorsichtshalber, obwohl der Speer in der Hand des Mannes ein eindeutiger Hinweis dafür war. Aber sicher war sicher.
 

„Gottesspeer?“ Der Mann schnaubte belustigt und schüttelte dann den Kopf:

„Nein, einfach nur Tsai. Möchtet ihr etwas Bestimmtes?“ Riou zögerte kurz und sagte dann:
 

„Wir sind hier, weil wir deine Hilfe brauchen. Viktor schickt uns.“ Tsai betrachtete sie einen Moment lang nachdenklich, dann nickte er:
 

„Es geht um die Feuerspeere, nicht wahr? Ja, ich habe gehört, dass das Dorf Toto angegriffen worden ist.“ Er seufzte.
 

„Es ist also wieder Krieg.“ Oh ja… es war Krieg. Nur, dass der Staat dies noch nicht wusste.
 

„Es sieht ganz so aus, ja“, nickte Riou betrübt, „Wirst du uns helfen?“ Tsai überlegte nicht lange. Tatsächlich überlegte er gar nicht, da er sofort antwortete:
 

„Natürlich. Ich habe meine persönlichen Dinge bereits gepackt, also können wir jederzeit aufbrechen.“ Jowy beobachtete, wie der Speerträger einen Reisesack unter dem Bett hervorzog, dann erinnerte er sich an das Geld, das Flik ihm gegeben hatte, und holte den Lederbeutel hervor.
 

„Wir haben das hier als Bezahlung für deine Arbeit mitgebracht…“, begann er, doch Tsai winkte ab.
 

„Ihr braucht mir jetzt nichts zu bezahlen“, erwiderte der Mann, „Wenn ich meine Arbeit erledigt habe und die Highland-Armee besiegt ist, dann könnt ihr mir das Geld immer noch geben.“ Jowy blinzelte verblüfft, protestierte jedoch nicht. Das war eine sehr ehrenvolle Haltung, die er durchaus respektierte.
 

„Dann… sollten wir so schnell es geht zurück zum Fort gehen“, beschloss Riou mit einem schwachen Lächeln, als wären seine Gedanken ganz woanders. Keiner hatte Einwände und so ließen sie die Hütte im Bergwald schnell hinter sich. Jowy betrachtete Tsai beim Gehen nachdenklich und fragte sich, was den Mann wohl so tief in die Berge geführt hatte. Er hatte gehört, dass manche Krieger sich im hohen Alter gern zurückzogen, um ihre Ruhe zu haben, aber so alt war Tsai nun wirklich nicht. Und dann war da dieser seltsame Namenszusatz, ‚Gottesspeer’...
 

Er hatte gerade genug Mut zusammengekratzt, um danach zu fragen, als Tsai und Rikimaru plötzlich stehen blieben und zu lauschen schienen.
 

„Was ist…?“, begann Riou, wurde jedoch durch ein Zischen des Speerträgers unterbrochen:
 

„Leise!“ Die Jungen wechselten einen alarmierten Blick und in diesem Moment roch er es. Der beißende Geruch von brennendem Holz, ganz in der Nähe, traf Jowy wie ein Vorschlaghammer in der Magengegend.
 

Das Dorf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mismar
2010-06-04T10:28:11+00:00 04.06.2010 12:28
Oha

„Es war immer Riou gewesen, zu dem er hatte gehen könnten, wenn er zu Hause wieder einmal mit Marcel oder Marco gestritten hatte, und es war auch Riou gewesen, der die ganze Zeit an seiner Seite gewesen war, seit all das angefangen hatte.“
An deiner Stelle würde ich den Satz einwenig bearbeiten; dieses 3x „gewesen“ und 3x „hatte“ fand ich jetzt nicht ganz so schön. Aber es ist ja letztendlich nur meine Meinung ;D

So hatte ja wie gesagt versprochen dich drauf hinzuweisen, wenn ein Wort häufiger im Kontext erscheint:

„Viktor sucht euch“, erklärte sie und sah sich im halb aufgeräumten Lagerraum um, ehe sie den Jungen in die Augen sah. Einen Moment zögerte sie, als wollte sie etwas sagen – in ihren Augen flackerte Mitleid auf – dann sagte sie:“

Hier auch 2x „sah“ und 2x „sagen“. Und hier dürfte es einfacher sein, ein Synonym zu finden. Bei dem Beispiel davor sind das Hilfsverben, wo man den ganzen Satz umstellen müsste x.x

So, mir ist etwas bei deinen Satzzeichen aufgefallen:
„Ja“, erwiderte der Söldner, „Ich fürchte, ich muss euch um einen Gefallen bitten.“

Wenn es mit Komma abgetrennt wird, müsste es klein weitergehen (normalerweise machst du das auch immer, nur hier ist eben ein kleiner Fehler) – aber ich habe das Gefühl, du trennst oft so ein Zwischenschub wie „sagte“, „meinte“, „erwiderte“ derjenige etc. mit Komata ab.
So ich bin jetzt kein Experte, und ich kann das definitiv nicht besser noch sonst was… aber ich versuch dir nun zu erklären, was ich meine:

„Leona hat gesagt, du hast nach uns gesucht?“

„Ja“, erwiderte der Söldner, „Ich fürchte, ich muss euch um einen Gefallen bitten.“

So, der Söldner erwidert die Frage mit einem „Ja“ und wechselt sogesehen nach dem Zwischenschub das Thema. Daher würde ich unabhängige Themen mit Punkten trennen. Oder ich mache hier gerade eine Show weil du ein Satzzeichen mehr oder weniger falsch hast XD Tut mir leid, wie gesagt, mir ist das nur öfters aufgefallen~
*lieb guck*

Hier auch:

„Es sieht ganz so aus, ja“, nickte Riou betrübt, „Wirst du uns helfen?“
Ich hoffe, du verstehst was ich meine. Okay, hier ist es gleiches Thema, das Koma also nicht falsch, aber dann müsstest du klein weiterschreiben.

„Der Schwertkämpfer lachte sein tiefes Lachen und sagte noch etwas, doch Jowys Gedanken schweiften schon wieder ab.“

Der Satz macht mir Angst XD Außerdem dachte ich erst, du willst mir mit „lachte sein tiefes Lachen“ eher damit sagen, dass er noch nie so „tief“ gelacht hat, aber dann ist die Steigung hier nicht richtig~ Ansonsten würde ich den Satz einfach umändern in „Der Schwertkämpfer lachte tief[…]“

Ansonsten war das Kapitel wirklich, wirklich gut ;D Ich mag es, aber mir fällt auf: Pilika hat doch seit sie das Dorf Toto nach dem Angriff verlassen haben, kein Wort mehr gesprochen, hier aber, bittet sie Jowy um eine Geschichte.
Anderseits mag ich es, wenn sie nur mit Jowy spricht, wenn sie beide alleine sind. Wäre eine schöne Alternative, um ihr Vertrauen ihm gegenüber zu zeigen.

Außerdem wurde nicht viel drumherum erzählt, wie sie zu der Hütte kamen, sie waren plötzlich einfach nur da. Gut gemacht~

Verzeih mir meine Ausführen zu manchen Punkten, ich habe jetzt die Story eben am PC gelesen, so fällt es mir leichter Kleinigkeiten zu bemängeln und hoffe, dass das nicht wie ein Angriff auf deine Schreib-Fähigkeit wirkt, weil ich sie wirklich sehr gut finde.
(Ich sage nur HA >D)
Von:  Flordelis
2010-04-15T17:32:00+00:00 15.04.2010 19:32
„Hallo, ihr beiden“, begrüßte Viktor die beiden.
Eines der "beiden" muss weg. ;)

Ich weiß gar nicht, was ich zu dem Kapitel großartig sagen soll. XD
Ich fand es gut, wie üblich eigentlich. Die Vorstellung, dass Jowy Pilika eine Geschichte zum Einschlafen erzählt, fand ich unheimlich niedlich.
Allgemein gefällt mir die häufige Interaktion zwischen Jowy und den anderen Charakteren, das wird mir fehlen, wenn er zu Highland wechselt (aber da hat er ja Jilia, Seed, Culgan und Leon zum Quasseln *g*).
Deine Darstellung von Zamza ist mir dermaßen "sympathisch", dass ich tatsächlich anfange, den Kerl zu mögen, keine Ahnung, warum. XD Aber ich freue mich jedesmal, wenn du ihn erwähnst. *lol*

Ich bin schon extrem gespannt auf das nächste Kapitel. *große Erwartungen auf deine Schultern leg*
*böse lachend weggeh*
Nein, im Ernst, ich bin gespannt, wie du die Szene rüberbringst, bin aber zuversichtlich, dass du das schaffst. ^^


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