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The Pieces of our broken dreams

Affektion
von

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Schein

Prolog
 

Unruhig lag die Nacht in den Straßen Londons. Ein kalter, schneidender Wind durchzog mit hallen und dröhnen die engen Gassen.

Der Himmel war sternenklar und der Vollmond leuchtete hell. Ungewöhnlich hell. Es schien als ob die weißen Häuser im Stadtteil Belgravia leuchten würden. Eins schien ganz besonders hell, das Haus der Allistors, eine wohlhabende Familie, mit exzentrischen Mitgliedern.

Mit einer Mutter eitler als jede andere, einem Vater unterdrückt von ihr, den ganzen Tag arbeitend und drei Kindern, einem Jungen, süchtig nach Videospielen und Internet und zwei Töchtern, einer verträumten, sensiblen und einer materialistischen, welche fast ganz und gar ihrer Mutter entsprach.
 

Aber natürlich alles nur innerhalb der Hausmauern.

Außerhalb pflegte man die perfekte englische Familie darzustellen, eine Familie mit hoch intellektuellen Mitgliedern, alle ganz darauf erpicht die Welt zu verbessern, Selbstlosigkeit zu zeigen und jeden Mittwochnachmittags eine Teeparty zu veranstalten.
 

Alles mit dem Ziel sich perfekt in das gesellschaftliche Leben zu integrieren, einer Gesellschaft wo gut nie gut genug, reich nicht reich genug und schön nicht schön genug ist. Damit keiner erahnt wie schwarz es hinter dieser, blanken, weiß strahlenden Fassade eigentlich ist.
 

Doch all dies, sollte von einem Tag auf den anderen, anfangen zu bröckeln.
 

OKTOBER
 

James Allistor schaute in seinem Büro auf die Uhr. Es war 15 Minuten nach eins. Eigentlich Zeit für die Mittagspause. Zeit einen Kaffee trinken zu gehen.

Aber wenn man eine einst so erfolgreiche Firma leitete wie James, war da keine Zeit für eine Pause. Viel zu groß schien der Berg an Arbeit der noch vor ihm lag, denn selbst seine Firma hatte die Wirtschaftskrise zu schaffen gemacht. Schon lange ist die Zeit vorbei, in der alles reibungslos von Statten ging.

Und so kam es, dass James zum ersten Mal in seinem Leben einen Kreditantrag ausfüllte, um seine Firma und den Lebensstil seiner Familie finanzieren zu können. Er dachte an seine Frau Becky und was sie jetzt wohl tat, doch er war sich sicher, dass sie ihren Spaß hatte. Und das war doch das Wichtigste.
 

Das tägliche Leben von Rebecca Allistor war alles andere als spektakulär. Wenn die Kinder und der Ehemann morgens das Haus verlassen hatten, musste sie sich noch nicht mal, wie es eine jede andere Hausfrau hätte tun müssen, um das Haus kümmern, nein, dafür hatte man Personal.

So verbrachte sie den ganzen lieben langen Vormittag damit, sich äußerlich aufzuwerten und zu shoppen, bis die lieben „Plagen“ nach Hause kamen.

Nun wär es natürlich eine Möglichkeit gewesen sich die Zeit zu vertreiben, in dem man den Kindern Essen macht, aber leider konnte Rebecca nicht kochen und sowieso waren ihre Kinder, ihrer Meinung nach, viel zu dick für diese Tage. Wofür hatte man auch Personal, welches den Kindern jeden Tag perfekte Diät-Kost kochen konnte?
 

Natürlich kümmerte sich Nick Allistor, der Jüngste, kaum darum was ihre Mutter über sein Gewicht dachte, ganz im Gegenteil, es schien als ob sich Nick zum Ziel gemacht hätte der dickste 13-Jährige Londons zu werden.

Wie konnte seine Mutter auch nur so naiv und oberflächlich sein, nicht zu wissen, für was der liebste Sohn sein enormes Taschengeld noch ausgab, außer für Videospiele. Denn wenn ein Junge alle Süßigkeiten gegessen hatte, die man in London kaufen konnte, dann war es Nick Allistor.

So war es kein Wunder, dass er langsam aber sicher auf allen Nähten platzte.
 

Diese Tatsache widerte seine größere Schwester Nikki an. Jedes Mal, wenn Nikki ihren kleinen Bruder sah, fragte sie sich wie ein Mensch so viel in sich hineinstopfen konnte, schließlich war so etwas nicht normal. Wie denn auch?

Wer mochte schon fette Menschen? Sie, auf jeden Fall, konnte sich schon lange nicht mehr so viel erlauben. Es wär ja ein gesellschaftlicher Selbstmord, wenn sie mehr als 50 Kilo wiegen würde.

Allein bei der Vorstellung so auszusehen wie ihr Bruder, hätte Nikki sich übergeben zu müssen.

Aber Übergeben war sowieso schon seit langem ein fester Bestandteil in ihrem Leben, denn seit sie 14 war übergab sie sich regelmäßig. Natürlich war dies, in ihren Augen keine Krankheit, es war reine Prävention, denn wenn sie auch nur ein Bruchteil der Gene ihres Vater geerbt hätte, würde sie wahrscheinlich in 10 Jahren nur noch in Plus-Size Shops einkaufen gehen. Da würde sie doch eher Verhungern als so tief zu sinken.
 

All diese Oberflächlichkeit interessierte Amy Allistor wenig, viel mehr interessierte ihr Handy, denn ihr Handy war nicht ein ganz normales, nein, es war ihr Waffenlager, denn hinter dem Akku lagerte ein ganzes Arsenal an Rasierklingen, welche auch nicht selten zum Einsatz kamen.

Regelmäßig verletzte Amy sich selbst. Nicht an dem Armen, so wie das die anderen taten, sondern an den Oberschenkeln, wohin sich sowieso keiner traute zu gucken, selbst wenn schwarze Nylon sie nicht verdeckte.

Aber selbst wenn es jemand gesehen hätte – es schickt sich nicht jemanden auf so etwas anzusprechen, schon lange nicht beim Tee, wo sich Amy einmal sicher gewesen war, dass der Nachbarsjunge Mike Hodsen sehr lange, sehr intensiv die Haut gemustert zu haben, die aus Versehen unter ihrem Rock hervortrat.

Allgemein hatte Amy das Gefühl langsam in dieser Welt – zwischen Teepartys und Charity-Veranstaltungen unterzugehen - zu ertrinken.
 

Und so war es nicht verwunderlich, bei all der Oberflächlichkeit, der Kälte und der Ignoranz, dass Amy, an einem ganz normalen Herbsttag, mit dem ganz normalen Londoner Nieselregen, in der Badewanne lag, den Blick in den Himmel richtete und sich langsam und genüsslich die Pulsadern aufschnitt, bis der Schmerz, den sie anfangs noch so stark gespürt hatte, sich in ein zufriedenes Wohlwollen auflöste. Genauso wie die Welt um sie herum.



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