Zum Inhalt der Seite

Engelchen & Tyrann

12. Adventskalendertürchen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

12. Türchen ~Schokoladenknappheit~

Es war schon fast Mitte Dezember und die ganze Stadt glänzte festlich geschmückt. Überall duftete es verführerisch nach Weihnachten. Die Ladenstraßen und Kaufhäuser waren voll von glücklich wirkenden Menschen, die wie verrückt Geschenke für ihre Liebsten kauften.

Wenn ich so durch diese weihnachtliche Stadt ging und all diese glücklichen Pärchen sah, dann fragte ich mich warum ich das nicht haben konnte.

Ach so, Sempai hatte ja keinen Bock auf diese sinnlose Zeitverschwendung. Zumindest hat er sich so ausgedrückt.
 

Vor ein paar Tagen hatte ich mich überwunden ihn zu fragen, ob er an Weihnachten etwas mit mir unternehmen wollte und was er sich wünschte.

“Wieso fragst du mich so was? Du planst doch irgendwas! Ich werde ein Buch lesen und um 21 Uhr ins Bett gehen!”

Das war Soichis Antwort und er lies sich auch nicht erweichen, obwohl ich ihn noch eine ganze Weile angebettelt hatte, es sich anders zu überlegen.

Meine Unnachgiebigkeit brachte mir wieder mal ein paar Schläge ein.
 

In den letzten Tagen ist es kaum mehr mit ihm auszuhalten. Wegen jeder Kleinigkeit regte sich Soichi auf. Und sei es nur die zu helle Weihnachtsbeleuchtung der Nachbarn.

Außerdem hatte ich oft das Gefühl, dass er mir was verheimlichte. Gestern kam ich nach Hause und er telefonierte mit Irgendjemanden. Als er mich dann sah, wurde er tiefrot und legte sofort auf. Ich hab ihn gar nicht erst gefragt, wem er da am Telefon hatte. Erstmal die letzten blauen Flecken verheilen lassen.

Sempai ist neuerdings auch sehr selten zu Hause. Ich hab mal versucht, ihm heimlich zu folgen, aber er hat mich in der Nähe des `Adam Sites´ abgeschüttelt. An diesem Abend war komischerweise Hiroto auch nicht auf Arbeit anzutreffen.

Verdächtig!

Also bin ich heute aus lauter Frust losgezogen, um wenigstens ein paar kleine Geschenke zu kaufen und für ein paar Stunden der Hölle unserer “WG” zu entfliehen.
 

Hier im Kaufhaus würde er sicher total durchdrehen. Ich aber, mag die warme Atmosphäre, die mich hier umgibt.

Aber auf der anderen Seite war mir wieder einmal schmerzlich bewusst, wie sehr ich unter dieser unglücklichen, einseitigen Liebe litt. Ich sehe nur glückliche Pärchen um mich. Ätzend!
 

Als ich nach gefühlten 4 Stunden und bestimmt 60.000 Yen weniger im Geldbeutel meine müden Knochen auf einer kleinen Bank niederließ, fiel mein Blick auf den völlig überfüllten Sußigkeitenladen. Die Leute drängelten sich und die glänzend eingepackten Pralinen und Kinder staunten über bunte Schokoladenweihnachtsmänner. Irgendwie war aber ein Fehler in diesem sonst so harmonischen Bild. Mehrere Kunden verließen das Geschäft mit einem gefrusteten Gesicht. War denen die Schokolade ausgegangen?

Zwei Frauen, die ungefähr in meinem Alter waren, liefen an mir vorbei. “Unglaublich! Keine einzige Tafel der Morinaga Schokolade mehr aufzutreiben!”, sagte eine der Beiden zu ihrer Freundin. Diese nickte und seufzte tief. “Ja, und nicht nur hier! Das ist schon der dritte Laden wo die ausverkauft ist! Yuri hat mir erzählt, das ein ziemlich junger Kerl 50 Tafeln auf einmal gekauft hat, als sie in dem Laden unten in Downtown war. Die Gute stand direkt hinter ihm an der Kasse und als sie an der Reihe war, gab es keine Einzige mehr!”
 

Ich konnte mir gar nicht vorstellen, was eine einzelne Person mit 50 Tafeln Schokolade wollte.

Da fiel mir plötzlich mein guter Freund Hiroto ein, der mich immer Engelchen nannte. Besagte Morinaga Schokolade hatte als Logo ein Engelchen, welches einem von jeder einzelnen Verpackung freundlich angrinste.

Schon in der Mittelschule brachte mir mein Nachnahme allerhand Spott ein. Aber jetzt nannte mich nur noch einer so. Und das war Hiroto.

Ich hatte mich daran gewöhnt und es hatte keinen Sinn sich darüber aufzuregen.

Langsam erhob ich mich und ging Richtung Ausgang. Alle Geschenke waren gekauft und mittlerweile war es auch schon ziemlich spät.

Soichi würde sicher nicht auf mich warten, wenn er denn überhaupt schon zu Hause war.
 

Als ich die Wohnung betrat, versteckte ich erstmal meine Einkäufe in mein Zimmer, bevor Soichi merkte, dass ich doch ein Geschenk für ihn besorgt hatte.

Er würde sich schon noch früh genug darüber aufregen. Spätestens an Heilig Abend.

Ich hörte es von nebenan rumoren und poltern. Also war Sempai in seinem Zimmer. Aber was in aller Welt machte er nur? Aufräumen ganz bestimmt nicht.

Vielleicht hatte er sich ein Labor eingerichtet, in dem er jetzt unheimlich Dinge züchtete.
 

Neugierig wie ich nun mal war, schlich ich mich auf den Flur um zu lauschen. Er fluchte und im nächsten Moment riss er auch schon die Tür auf.

Geschockt sah er mich an und knallte sofort dir Tür hinter sich zu. Ich hatte wieder das Gefühl, das er irgendwas vor mir verstecken wollte. Und es befand sich in seinem Zimmer. Da war ich mir sicher.
 

“Was willst du denn hier?”

In seinem Gesicht zuckte es, dann schaute er mich grimmig an.

“Hallo Sempai. Ich wohne hier, vergessen?”

Täuschte ich mich, oder hatte Soichi tatsächlich dunkle Augenringe? Was trieb er nur die ganze Zeit? Langsam aber sicher machte ich mir wirklich Sorgen. Was, wenn er jemanden kennengelernt hatte, den er echt gern hatte? Mir lief es eiskalt den Rücken runter, bei dem Gedanken daran.

“Hallo, hab nicht so früh mit dir gerechnet.”, sagte er knapp und sah mir direkt in die Augen. “Ich hab noch zu tun. Ich will nicht gestört werden, verstanden?”

Er wollte gerade wieder in sein Zimmer zurück, als sein Handy klingelte. Sempai sah erst das Display und dann mich an.

Es war immer wieder erstaunlich, wie sehr ihm Verlegenheit stand.

Bevor ich noch irgendwas sagen konnte, verschwand er für den Rest des Abends in seinem Zimmer um zu telefonieren und weiter Krach zu machen.

Ich unterdrückte das Verlangen noch mal zu horchen, oder gar einen kurzen Blick in sein Zimmer zu erhaschen.

Nachdem ich allein zu Abend gegessen hatte und mehrmals erfolglos probiert hatte Hiroto anzurufen, beschloss ich frustriert, ins Bett zu gehen.

Ab und zu hörte ich noch Gemurmel von nebenan. Soichi war also auch noch wach.

Ich schloss die Augen und versuchte meine Gedanken an ihn und sein Verhalten auszublenden. Das war gar nicht so einfach. Ich wusste genau, dass er niemals der Richtige für mich sein würde und es mir nur wehtun würde weiterhin an ihm festzuhalten. Aber leider liebte ich ihn so sehr, dass ich all diese Mühen gerne auf mich nahm.

Langsam drehte ich mich auf die Seite und hörte noch einen Knall aus dem Zimmer meines Liebsten. Als er leise fluchte, huschte ein Grinsen über meine Lippen und dann war ich auch schon im Land der Träume verschwunden.
 

Die nächsten Tage verliefen alle nach dem gleichen Schema.

Tagsüber, wenn wir an der Uni waren, sah Sempai müde aus und gähnte ständig. Ich versuchte noch ein paar Mal ihn ausquetschen. Leider ohne Erfolg.

“Das geht dich nichts an!” Das war seine Standartantwort auf alle meine Fragen. Schließlich gab ich resigniert auf und kümmerte mich um die letzten Klausuren des Jahres.

Zu Hause schloss er sich immer in seinem Zimmer ein und nur zu Essen kam er heraus. Mir ging das mit der Zeit ziemlich auf die Nerven. Die ganze Hausarbeit und Kocherei blieb an mir hängen.

Gut, das war vorher nicht anders, aber da war Soichi wenigstens im selben Raum und hat sich mit mir unterhalten. Mit niemanden konnte ich reden und Selbstgespräche zu führen, wäre selbst für mich zu erbärmlich gewesen.

Und dann war noch die Sache mit Hiroto. Ich bekam ihn weder an sein Telefon, noch traf ich ihn im ´Adam Site´ an.

Sein Kollege sagte mir, dass er einen neuen Freund habe und ein paar Tage frei genommen hatte, um mit ihm Zeit verbringen zu können.

Aber Hiroto hat mit keinem Wort erwähnt, dass er jemanden kennengelernt hatte. Und irgendwie war das Alles nicht seine Art.

Ich fühlte mich mehr und mehr, wie der Depp vom Dienst.
 

Einen Tag vor Weihnachten kaufte ich aus purem Trotz einen Weihnachtsbaum und stellte ihn gut sichtbar im Wohnzimmer auf.

Nachdem ich ihn geschmückt hatte, verschwand ich in der Küche um einen Kuchen zu backen. Wenn es sein musste, würde ich den aus lauter Verzweiflung, auch alleine essen. Dazu eine kitschige Schnulze im Fernsehen.

Aus einem undefinierbaren Grund ärgerte es mich, dass keine Lichterkette für den Baum da war. Irgendwie unperfekt!

Ich hatte für morgen kein Date und musste mich letztendlich damit abfinden. Soichi war auch noch nicht von der Uni zurück. Obwohl jetzt ja offiziell Semesterferien waren.

Unruhig wuselte ich in der Küche herum.

Mechanisch bewegte ich mich Richtung Küchenfenster und sah auf die schwach beleuchtete Straße. Dort standen zwei Personen unter der Straßenlaterne und lachten fröhlich.

Ich rieb mir meine Augen und sah genauer hin. Hiroto und Sempai? Wie vom Blitz getroffen machte es in meinen Kopf “klick“!

Hirotos neuer Freund war Soichi! Und ich erreichte ihn nie, weil er zu feige war es mir zu sagen! Die stundenlangen Telefonate, während ich nie bei Hiroto durchkam! Die Zwei telefonierten miteinander! Wie konnte ich das nur übersehen?

Unfähig zu denken, stellte ich den Ofen aus und rannte den Tränen nahe in mein Zimmer. Diesmal schloss ich die Tür ab, um allein zu sein während ich zusammenbrach. Ich spürte den Teppichboden unter meinem Gesicht und hoffte diesen unerträglichen Schmerz irgendwie verdrängen zu können.

Aber leider kam er in so starken Wellen über mich, zu denen sich brutalerweise noch das Gefühl der Demütigung hinzugesellte.

Wie konnte Soichi mir das nur antun? Niemand liebte ihn so sehr wie ich! So lange hab ich um ihn gekämpft und Hiroto schafft es innerhalb von 2 Wochen ihn rumzukriegen? Schluchzend rollte ich mich zusammen und blieb auf dem harten Boden liegen.

Wenig später hörte ich, wie Soichi die Wohnung betrat. Komischerweise rief er nach mir, aber ich reagierte nicht. Wenn ich ihn jetzt gegenüberstehen würde, dann müsste ich ihn entweder eine scheuern oder ihn anflehen, bei mir zu bleiben.

Aber auch ich hatte meinen Stolz. Obwohl ich mir manchmal nicht sicher war, ob Soichi diesen nicht im Klo runtergespült hatte.

Er verschwand in seinem Zimmer und ich rechnete damit, dass er sicher gleich wieder telefonieren würde. Nichts dergleichen geschah.

Irgendwann schlief ich dann ein, aber meine Träume waren nicht weniger schmerzhaft als die Realität.
 

Die Uhr zeigte 6:00 Uhr an als ich frierend aufwachte. Mein gesamter Körper fühlte sich an, als würde er unaufhörlich weinen und schreien.

Leise verschwand ich im Bad und sah in den Spiegel. Ich sah echt furchtbar aus. Da half auch nicht die heiße Dusche, die ich mir gönnte.

Komplett angezogen schlürfte ich ins Wohnzimmer und starrte auf den unperfekten Weihnachtsbaum.
 

In diesem Moment kam es mir vor, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich fiel in die Dunkelheit und würde so schnell nicht den Grund erreichen.

Ich musste weg! Am besten, bevor Soichi aufwachte und ich mich ihm stellen musste.

Eilig warf ich mir meinen Mantel über und rannte aus der Wohnung.

Hauptsache weg, egal wohin!

Zu allem Überfluss hatte es die Nacht geschneit. Auf einer gefrorenen Pfütze verlor ich mein Gleichgewicht und klatschte mit dem Gesicht, voll auf der harten Eisfläche, auf. Wenigstens waren um diese Uhrzeit kaum Menschen unterwegs. Ich gab immer noch ein erbärmliches Bild ab, welches nicht alle zu sehen brauchten.

Irgendwie raffte ich mich auf und sah in einem Schaufenster, das ich mir an der Wange eine Schramme geholt hatte. Zombies konnten also doch bluten.
 

In meiner Manteltasche fand ich ein altes Taschentuch. Mit diesem wischte ich mir das Blut aus dem Gesicht, während meine Beine, wie mechanisch weiterliefen.

Ich wusste nicht einmal wie spät es war, es interessierte mich auch nicht…

Im Conbini holte ich mir einen heißen Kaffee und setzte mich auf eine Bank im Shirotoripark.

Mehrere Leute kamen an mir vorbei, die mich allesamt komisch ansahen und leise tuschelten. Kein Wunder, so wie ich aussah. Verquollene Augen, Kratzer im Gesicht und nasse Klamotten. Mit meinem Becher Kaffee in der Hand sah ich wohl aus wie ein Landstreicher, der ein paar Yen erbetteln wollte.

Ob Sempai schon aufgestanden war? Würde es ihm überhaupt auffallen, dass ich weg war? Oder war er so sehr in Hiroto verliebt, das er mich jetzt gar nicht mehr wahrnahm? Wieso ausgerechnet einer meiner besten Freunde? Warum nicht ich?

So viele Fragen, die verzweifelt in meinen Kopf umherschwirrten und auf die ich Antworten suchte. Stimmte es überhaupt, dass die Beiden zusammen waren?

Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass Sempai auf Hiroto stand. Er war viel zu aufgedreht und laut. Soichi würde spätestens nach 2 Wochen total genervt von ihm sein und total austicken.

Davon mal abgesehen beharrte Sempai immer noch darauf, nicht schwul zu sein. Und so schnell, würde er seine Meinung darüber auch nicht ändern.

Dafür war er viel zu stolz, oder eher stur?

Irgendwann wurde es mir zu kalt im Park und ich beschloss, mal wieder eine nette Nagoya Rundfahrt zu machen. Ich löste eine Tageskarte für die S-Bahn und suchte mir eine Linie, die rund um die Stadt fuhr.

Ich hatte frei Platzwahl und entschied mich für das Fenster. Ich beobachtete die anderen Fahrgäste und seufzte. Man spürte, das Weihnachten war. Die meisten Leute umgab eine Aura der puren Glückseligkeit. Ekelhaft und genau das was ich jetzt wirklich nicht gebrauchen konnte.
 

Plötzlich merkte ich, wie sich eine junge Frau neben mich setzte. Sie reagierte genauso genervt auf die Leute wie ich. In der Hand hielt sie einen zerknüllten Brief.

“Ist das nicht furchtbar? Es ist Weihnachten und ich fahr allein durch die Stadt, um die Zeit totzuschlagen?”, sagte sie leise, ohne mich anzusehen.

“Willkommen im Club! Ne nette kleine Rundfahrt gefällig? Hier rechts, sehen sie den Campus der Meidai..”

Es klang genauso sarkastisch, wie ich es gewollt hatte. Sie kicherte leise und sah mich jetzt an. Sie war wirklich hübsch. Sie hatte blonde Haare und blaue Augen. Ganz offensichtlich war sie keine Japanerin. Ihre Augen sahen aus wie meine heut morgen. Müde und mit dunklen Rändern darunter.
 

“Tja, ich wollte schon immer mal eine Rundfahrt machen. Bis wann fährt diese Bahn überhaupt? Mein Name ist übrigens Angela.”

Ich nickte nur. “Tetsuhiro. Keine Ahnung, ich sag ihnen bescheid, wann ich vom Schaffner rausgeschmissen wurde. Oder im Depot übernachtet habe.”

Jetzt lachten wir Beide. Es war anscheinend doch etwas dran, das man mit Fremden am Besten zurechtkam und reden konnte, wenn man Probleme hatte.

Mh, aber es war wohl eher lästern als reden. Als ein verliebtes Pärchen einstieg und direkt vor unserer Nase anfing miteinander rumzuknutschen, machte Angela ein angewidertes Geräusch.

“An der nächsten Haltestelle steigen wir aus und essen etwas.”
 

Als die Bahn hielt zog sie mich hinter sich her und ich sah erstaunt auf die Uhr am Bahnsteig. Es war 14 Uhr und es schneite schon wieder.

In einem kleinen Bistro bestellten wir uns Bier und Takoyaki. Sie erzählte mir, dass sie aus Deutschland kam und hier Highschool-Schülern Englisch beibrachte.

Es war erfrischend ihr zuzuhören und wir merkten nicht wie die Zeit verging. Ein paar Bier später, machten sich die ersten Wirkungen des Alkohols bemerkbar.

Wir lachten über alles und jeden wie alberne Teenager.

“Dein Handy klingelt!”, sagte sie plötzlich. Ich hatte nicht mal gewusst, dass ich es mitgenommen hatte. Als ich auf das Display sah, war ich sofort wieder nüchtern.

Es war Soichi und ich tat etwas, dass ich noch nie zuvor getan hatte. Ich drückte ihn einfach weg.

Aber er lies sich nicht so einfach abschütteln und so vibrierte meine Hosentasche im Minutentakt.

Ich hatte keine Lust auf Diskussionen mit ihm. Nicht nachdem was vorgefallen war.

“Dein Freund?”, fragte mich Angela neugierig.

“Ein Freund! “ ich winkte nur ab und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas.

Wie in aller Welt kam sie darauf dass mich ein Mann anrief? Mir stand ja nicht auf der Stirn geschrieben, dass ich schwul war.

“Ist ja auch egal!” Sie klatschte in die Hände. “Wie wäre es, wenn wir zusammen zu dem großen Weihnachtsbaum gehen? Dort wo die ganzen Pärchen sich verabreden?”

Sie wollte ein Date? Ich und eine Frau? Das wäre eine Premiere. Ich war schon immer spontan gewesen.

“Gute Idee, lass uns gehen!”
 

Ich hatte nichts mehr zu verlieren und sie anscheinend auch nicht. Der Alkohol tat seinen Rest dazu und kichernd schlenderten wir durch die überfüllte Fußgängerzone.

Es wurde immer voller und um einander nicht zu verlieren nahm Angela mich an der Hand.

Es war seltsam, aber irgendwie fühlte ich mich erstaunlich besser als noch wenige Stunden zuvor. Es lag wohl daran, dass Angela und ich uns ähnlich waren.

Der Platz war brechend voll als wir ankamen. Um uns waren nur Pärchen, die sich in den Armen lagen und sich verliebte Blicke zuwarfen.

“So, da wären wir! Und jetzt?”

Ich legte spontan und ohne nachzudenken meinen Arm auf ihre Schulter und sah starr zu dem protzigen Baum. Sie legte ihren Arm um meine Hüfte und sah in die gleiche Richtung wie ich.

Keiner von uns sagte auch nur ein Wort. Das war auch nicht nötig, denn wir wussten beide, dass wir an diesem Abend nur nicht allein sein wollten. Ohne Hintergedanken waren wir binnen weniger Stunden Freunde geworden. Oder Leidensgenossen…

Plötzlich sah ich das am Eingang jemanden, auf dessen Anwesendheit ich momentan keinen Wert legte.

Hiroto! Er entdeckte mich sofort und kam auf mich zu.

“Engelchen? Was machst du hier? Warum bist du nicht zu Hause?!”

Er nahm sein Handy und wählte irgendeine Nummer. “Ich hab ihn gefunden! Ja.”, sagte er dem Unbekannten am Telefon. Ich stand da wie ein Depp.

“Hier Engelchen! Ist für dich.”

Er reichte mir das Handy. “Pass bloß auf! Er kocht vor Wut!” Er zwinkerte mir zu.

Ich konnte mir denken, wer da am Handy war. Eigentlich wollte ich nicht mit ihm sprechen, aber neugierig war ich schon. Warum war er sauer? Er wollte doch sicher mit Hiroto feiern? Und selbst wenn nicht! Soichi hatte mir gesagt, dass er nichts am Weihnachtsabend unternehmen wollte. Ich würde mich nicht mehr für ihn verbiegen.
 

“Ja? Morinaga?”, sagte ich eiskalt und sah auf die Pflastersteine.

“Du Idiot! Wo treibst du dich rum? Ich dachte du schläfst dich mal richtig aus und dann sehe ich, dass dein Bett leer ist! Keine Nachricht und an dein Handy gehst du auch nicht!” Er schien wütend zu sein, aber das war er ja ständig.

“Ich habe ein Date! Was geht es dich an, was ich so treibe! Du hast doch gesagt, dass du Heilig Abend um 9 Uhr ins Bett gehen willst. Außerdem verschanzt du dich seid Wochen in deinem Zimmer und lässt mich dumm dastehen! Ich hab echt die Schnauze voll! “
 

Es war das erste Mal, dass ich Soichi gegenüber richtig laut wurde. Eine beängstigende Stille war am anderen Ende. So wie ich ihn kannte würde er gleich richtig loslegen.

“Außerdem würde mich mal interessieren was du so mit Hiroto treibst!? Ich bin doch nicht blind!”

Mein angeblicher Kumpel drehte sich zu mir und sah mich mit großen Augen an. Aus heiterem Himmel fing er an zu lachen.

Machte er sich jetzt auch noch lustig über mich? Ich kam mir vor wie in einer billigen Schmierenkomödie. Böse sah ich Hiroto an und er hörte sofort auf zu kichern.

“Sag mal! Es hackt wohl? Was sollte ich mit dem treiben? Wenn du nicht in einer halben Stunde auf der Matte stehst, dann schwöre ich dir, dass du über die Feiertage nur eine Schnabeltasse zum essen brauchst!”
 

Er legte auf und ich verstand die Welt nicht mehr. Gut, was er mit der Schnabeltasse meinte, war mir klar. Ich gab Hiroto sein Handy wieder und sah Angela an.

“Sorry, aber ich muss los.” Sie lächelte verständnisvoll und gab mir noch schnell ihre Handynummer. Ich winkte ihr zum Abschied und flitzte Richtung Ausgang. Hiroto begleitete mich. Das kam mir gelegen, da ich ein paar Fragen an ihn hatte.
 

“Engelchen? Glaubst du wirklich das ich und er was miteinander haben?” Er sah so belustigt aus, dass ich ihm am liebsten eine verpasst hätte.

“Hör auf mich so zu nennen! Ich bin sauer auf dich! Und ja, ich glaube ihr habt was miteinander!”

Ich beschleunigte meine Schritte um die nächste Bahn zu erwischen. Ich hatte keine Lust auf Schnabeltasse.

“Ja, wir hatten miteinander zu tun. Aber nicht was du denkst! Wenn du nicht abgehauen wärst, wüsstest du das!”

Wie meinte er das schon wieder? Ich war verwirrt und total kaputt. Dieser Tag dauerte schon viel zu lange. Ich wollte jetzt endlich wissen, was Fakt war.
 

Wir sprangen schnell in die S-Bahn und setzten uns hin. Hiroto sah mich traurig von der Seite an.

“Bitte Engelchen! Du wirst alles verstehen, wenn du zu Hause bist. Sei nicht böse auf mich. Ich will nichts von deinem Sempai! Der macht mir wahnsinnige Angst!”

Ich nickte nur und starrte auf die beleuchtete Stadt, die an uns vorbeizog. Plötzlich stand Hiroto auf und stellte sich an die Tür. “Ich geh jetzt nach Hause! Ruf mich an, ja? Tschüss Engelchen.”
 

Er stieg aus und winkte mir bedrückt zu, bevor er langsam davonschlenderte.

Sollte ich mich so geirrt haben? Sah ich Gespenster? Gut möglich, aber daran waren Soichi und Hiroto schuld. Diesmal würde ich versuchen hart bleiben.

Als ich meine Haltestelle erreichte, sprang ich aus der Bahn und rannte los. Völlig außer Atem kam ich an und klingelte an der Wohnungstür. Bei meinen überstürzten Aufbruch heute morgen, hatte ich den Schlüssel vergessen.

Es waren Schritte zu hören und schließlich riss Soichi die Tür auf. Ich sah ihn aufmerksam an und bemerkte seine roten Augen. Hatte er etwa geweint?

Und überhaupt sah Sempai total müde und zerzaust aus.

Er schien immer noch böse zu sein, aber es kam kein Wort aus seinem Mund. Stattdessen griff er nach meiner Hand und zog mich ins Wohnzimmer. Ich sah mich um und mein Blick blieb am Weihnachtsbaum hängen.

Eine wunderschöne Lichterkette zog sich rund um den Baum. An jeder der einzelnen Birnen, war ein Engelchen aus dünnem Glas befestigt.

Der ganze Baum glitzerte traumhaft schön und die Engel sahen aus als würden sie jeden Moment dahin schmelzen.

Die Geschenke unter dem Baum waren perfekt verpackt und warteten nur darauf, ausgepackt zu werden.

Moment mal! Geschenke? War ich in der falschen Wohnung gelandet? Ich drehte mich um und sah, das Soichi das komplette Wohnzimmer dekoriert hatte.

Aber wieso nur? Er maulte seid Wochen nur über den ganzen Weihnachtskram herum und nun machte er sich eine derartige Mühe?

“Tja, das Essen ist mittlerweile kalt..”, sagte Sempai bitter und stand mit verschränkten Armen im Türrahmen.

“Tut mir leid aber ich dachte…”

Ich konnte den Satz nicht beenden. Ich war viel zu ergriffen um überhaupt irgendetwas zu sagen was angemessen gewesen wäre.

“Egal! Wir wärmen es noch mal auf. Aber ich hab keinen Plan, wie die Mikrowelle funktioniert. Das musst du machen.”

Zusammen gingen wir in die Küche und ich stellte einen der vollen Teller in die Mikrowelle.

“Bandnudeln mit Lachs und Sahnesoße!”, sagte Soichi und kramte wild im Kühlschrank herum.

Ich lächelte vorsichtig und dachte darüber nach, wie Soichi es geschafft hatte so etwas zu kochen. Er war ja nicht der häusliche Typ. Und normalerweise waren seine Kochkünste mehr als gewöhnungsbedürftig.

Noch amüsanter war allerdings, dass er nicht wusste, wie man die Mikrowelle bediente. Aber ich hielt lieber meine Klappe.

Nachdem beide Teller heiß waren setzten wir uns an den Esstisch. Vorsichtig kostete ich von Sempais Essen. Es war wirklich total lecker.

“Das ist echt gut.”, sagte ich lächelnd und sah wie Soichi rot anlief. Mein Herz setzte kurz aus und ich schenkte uns schnell von dem Weißwein ein, der auf dem Tisch stand.

“Danke, und jetzt erzähl mir doch mal was du den ganzen Tag gemacht hast.” Soichi schien ernsthaft interessiert zu sein, oder eher neugierig?

“Ähm naja..Stadtrundfahrt.”

Ich stocherte auf einer Nudel herum und sah verlegen auf.

“Den ganzen Tag? Hast du wenigstens deinen Spaß gehabt?”

Ich dachte zurück und musste feststellen dass mir es tatsächlich Spaß gemacht hat, mal wieder ganz ungezwungen mit jemanden durch die Stadt zu ziehen. Ich und Sempai unternahmen ja selten etwas gemeinsam. Und wenn, dann nur um sich volllaufen zu lassen.

“Ja, aber mit dir wäre es noch lustiger gewesen.”

Sempai ließ die Gabel fallen und starrte mich an.

“Red kein Blech! Du weißt, dass ich auf keinen Fall heute mit dir ausgegangen wäre!”

Ja, das wusste ich, dennoch hätte es mich wahnsinnig glücklich gemacht.

Er schien es aber gutmachen zu wollen, indem er mir einen perfekten Abend zu Hause schenken wollte. Hier, wo niemand ihn dabei sehen konnte und daraus die richtigen Schlüsse ziehen konnte.

“Ja schon gut..” Ich seufzte und aß den restlichen Lachs vom Teller. Soichi war seltsam nervös. Er zupfte an der Tischdecke herum und sah ständig auf die Uhr.

Als er plötzlich aufsprang, erschrak ich so sehr, dass mir fast das Glas aus der Hand geglitten wäre.
 

“So! Los wir gucken jetzt DVD!” Er zerrte uns ins Wohnzimmer und warf mich regelrecht aufs Sofa. Er selbst stürmte noch mal in die Küche.

Als er zurück kam, staunte ich erneut. Soichi hatte doch tatsächlich meinen halbfertigen Kuchen in der Hand. Aber er hatte daran ganz schön herumgezaubert. Mit Schokoglasur und bunten Perlen dekoriert, stellte er ihn auf den Tisch.

Mit dem größten Messer was wir hatten, schnitt er ihn auf. Mir war es nie geheuer, wenn er mit dem Riesensäbel in meiner Nähe war.
 

Er reichte mir ein großes Stück.

“Danke, sieht lecker aus.”, sagte ich und biss hinein. Er war wirklich gelungen, obwohl ich gestern Abend voll neben der Spur war. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich wirklich Zucker in den Teig gegeben hatte.

“Den hat du doch selbst gebacken. Also wird er wohl schmecken…”, brabbelte Soichi mit vollem Mund und schaltete jetzt den Film an. Wie ich Sempai kannte, würde es wohl eine ellenlange Reportage sein. Oder so ein Actionfilm mit Geballer und wilden Verfolgungsjagden.

Ich machte es mir bequem und wartete ab.
 

Wieder wurde ich überrascht. Ich sah zu Soichi herüber der völlig entspannt sein Bier trank. Mir hatte er auch eines hingestellt, aber das hatte ich gar nicht bemerkt.

“Den willst du mit mir gucken? Bis zum Schluss?”

Er nickte nur und sah stumm auf den Bildschirm. Wollte es sich wirklich mit mir 400 Minuten lang die 1995er Version von Stolz und Vorurteil ansehen?

Das war mein Lieblingsfilm, aber Soichi war er bestimmt zu kitschig. Colin Firth war aber auch ein ziemlich heißer Typ. Einfach zum wegschmachten.

Es stellte sich mir die Frage, woher er überhaupt wusste, dass ich diesen Film so sehr mochte.
 

Sempai machte keine Anstalten, dass ihm der Streifen zu lang, kitschig oder langweilig war. Ich flirtete gerade heftig mit Mr. Darcy als Soichi unvermittelt seinen Arm um mich legte.

Ich zuckte kurz zusammen und sah zu ihm rüber. “Ist bequemer so…”, sagte er leise und nippte an seinem mittlerweile dritten Bier.

Ich schob es auf den Alkohol. Wieso sollte es auch anderes sein…

Schon bald war ich wieder in den Film vertieft und merkte nicht wie Soichis Kopf auf meine Schulter fiel. Er schnarchte leise vor sich hin. Er sah aus wie ein Engel, wenn er schlief und ich konnte ihm deshalb auch nicht böse sein.

Er hatte immerhin mehr als die Hälfte des Films für mich ertragen.

Als der Abspann sich dem Ende näherte wachte Sempai auf und rieb sich schlaftrunken die Augen.
 

“Scheiße! Ich bin eingeschlafen! Tut mir leid!”

Ich wusste erst gar nicht, was ich darauf antworten sollte. Es war einfach zu süß, wie er auf dem Sofa hing. Die Haare verwuschelt und das Hemd total zerknittert.

“Ist doch nicht schlimm Sempai.”

Ich konnte ihn nur dümmlich angrinsen.

“Trotzdem ärgert es mich!” Angesäuert stand er auf und streckte sich. Ich verstand nicht, was er damit meinte. Wollte er den Film wirklich zu Ende sehen?

“Es ist spät! Wir sollten ins Bett gehen.”

Soichi stand nun mit dem Rücken zu mir und sah auf die Uhr am DVD-Player.

Er hatte Recht, denn es war schon kurz vor Mitternacht.
 

Aber hatte ich nicht was vergessen? Na klar, Soichis Weihnachtsgeschenk!

“Sempai ich hab noch ein Geschenk für dich! Ich hole es schnell aus meinem…”

Weiter kam ich nicht, denn er hielt mich am Arm fest, als ich losgehen wollte.

“Sempai? Was..?”

Er sah mich nicht an, sondern hielt mich einfach nur fest. Es war nicht einmal grob.

“Machen wir es wie die Amerikaner! Also gib es mir, wenn wir aufgestanden sind. Ich geh zuerst duschen, okay?”
 

Er verschwand im Bad und ich blieb wie angewurzelt stehen. Das kam mir alles seltsam vor. Wochenlang verschanzt er sich in seinem Zimmer und lässt mich links liegen. Meckert über Geschenke und Weihnachten! Er hat Kontakt zu Hiroto, von dem ich nichts wissen soll. Und heute kocht er? Sah sich mit mir einen Film an, den er garantiert schmalzig fand. Und er entschuldigt sich dafür, dass er dabei eingeschlafen war?

Und wie er mich eben festhielt…als wolle er sagen: “Lass mich nicht allein.”

Aber ich interpretierte da sicher zu viel rein.
 

Ich ging zu dem Weihnachtsbaum und sah mir die kleinen Engelchen genauer an.

“Es passt gut!” Sempai stand plötzlich hinter mir und schaute mir über die Schulter.

“Ja, sie sind irgendwie niedlich.”

Verwundert musterte er mich und grinste. “Ich meinte nicht die Dinger! Du kannst ins Bad. Wenn du fertig bist, komm in mein Zimmer.”

Ich musste mich wohl verhört haben, aber damit schien alles für ihn gesagt zu sein, denn er schloss die Tür hinter sich.

Ich kratzte mich am Kopf und trottete ins Bad. Als ich mich in die Duschkabine stellte, bemerkte ich einen kleinen Zettel. Dieser klebte an meiner Duschgelflasche und ich erkannte Soichis Handschrift darauf.
 

Du hast dich nicht verhört! Komm in mein Zimmer wenn du fertig bist! Ich werde warten.
 

Er kannte mich besser, als ich gedacht hatte. Vor mich hinpfeifend wusch ich mir schnell diesen teilweise furchtbaren Tag vom Körper.

Ich wurde immer nervöser, je näher ich dem Ende des Waschvorgangs kam. Warum bloß, sollte ich in Sempais Zimmer kommen?

Er wollte doch nicht etwa das, was ich dachte, was er wollte?! Es war viel realistischer, dass er mir seine selbstgebastelte Bombe zeigen wollte. Vielleicht hatte er sich deshalb in seinem Zimmer versteckt!

Ich schüttelte den Kopf und trocknete mich ab. Ich wurde langsam paranoid!

Nachdem ich mir einen Schlafanzug angezogen hatte, stand ich mit Herzklopfen vor Soichis Zimmertür und traute mich nicht zu klopfen.

Was war, wenn Soichi mit einem Baseballschläger hinter der Tür stand?
 

“Komm schon rein!”, hörte ich ihn rufen.

Ich riss mich zusammen und öffnete vorsichtig die Tür. Es war kein geheimes Labor und auch kein Baseballschläger zu sehen. Aber dafür…

“Ach du heilige..!?”

Soichi stand lässig am Fenster und neben ihm eine riesige Schokoladenskulptur in Form des Morinaga-Engelchens!

Es ging fast bis zur Decke und ich wusste vom Vermieter, dass diese knapp 2,50 Meter hoch war.

“Das ist mein Geschenk an dich! Es passte leider nicht mehr durch die Zimmertür.” Soichi genoss mein mir entglittenes Gesicht.

Aber hallo? Ein 2,49 Meter großer Schokoladenengel stand vor mir! Wie zum Teufel ist er auf diese Idee gekommen?

Wer würde da nicht dumm aus der Wäsche kucken?

“Es war gar nicht so einfach. Ich hab bestimmt alle Läden von der Morinaga Schokolade befreit! Und ich musste mehrmals von vorn anfangen. Ist ein paar Mal zusammengekracht.”

Ich erinnerte mich an den Tag im Kaufhaus. Die beiden Frauen vor dem Süßigkeitenladen redeten davon. Und ich hab mich da schon gefragt, wozu jemand so viel Schokolade brauchte. Die Antwort stand vor mir und grinste mich, wie eh und je an. Der nächtlich Krach und Sempais Müdigkeit. Er war ständig damit beschäftigt diesen Engel zu bauen.
 

“War echt kompliziert. Schon allein das Gestell zu basteln und dann noch die Schokolade zu schmelzen. Die ganze Sauerrei jeden Abend aufzuräumen! Also ist es deine Pflicht, dich zu freuen!”

Das tat ich, ohne Frage! Aber wieso hatte er das getan?

“Sempai? Wie bist du auf die Idee gekommen...?”
 

Soichi sah mich mit rotem Gesicht an und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

“Also als ich letztens im Buchladen war, da traf ich deinen Kumpel. Er erzählte mir, dass du nur noch betrunken bist, weil ich an Weihnachten nicht mit dir weggehen wollte. Und das du darüber nachdenkst, zurück nach Fukuoka zu gehen.”
 

Hiroto? Ich hatte ihm wirklich Unrecht getan. Gleich morgen würde ich mich bei ihm entschuldigen müssen. Aber wieso erzählte er Soichi so einen Unsinn?

“Ich weiß, dass ich mich manchmal unmöglich benehme. Aber ich kann nicht mit dir an Weihnachten ausgehen! Das tun nur Pärchen und mir wäre es schlichtweg zu peinlich gewesen. Aber ich hoffe, dass ich dir wenigstens eine kleine Freude machen konnte…”
 

Ich verlor den Boden unter den Füßen. Aber diesmal lag es daran, weil ich überglücklich war. Ich kniete vor dem Kolossengel und die Tränen liefen mir über die Wangen.

“Wieso heulst du? Bin ich wirklich so furchtbar, wie Hiroto es mir gesagt hat? Anscheinend, oder?”

Soichi kniete sich neben mich und legte mir eine Hand auf den Rücken. Er war warm und roch, wie alles hier, nach Schokolade.

“Danke Sempai! Das ist das schönste Geschenk was du mir machen konntest. Ich weine nur, weil ich glücklich bin!”

Meine Gefühle übermannten mich und ich warf meinen Kopf auf Soichis Schoß. Er stieß mich nicht weg, sondern streichelte mir einfach nur über den Rücken.

“Gern geschehen, aber magst du dieses Morinaga Engelchen wirklich so gern?”

Ich lachte kurz auf. “Nein und ich frage mich, wie du darauf kommst?”

“Dein Kumpel meinte, dass du da total drauf stehst und von allen, außer mir, nur ´Engelchen` genannt wirst. Er hat mir bei den Vorbereitungen geholfen. Oder dachtest du wirklich, dass ich so gut kochen kann?”
 

Ich musste Hiroto wirklich dankbar sein, auch wenn er Soichi belogen hatte.

Am besten war es wohl, wenn ich nicht dazu sagen würde.

Als ich mich etwas gefangen hatte, richtete ich mich auf und griff nach Sempais Hand.

“Es tut mir leid, dass ich dich vorhin am Telefon beschimpft habe und ohne was zu sagen abgehauen bin.”

Angela ließ ich lieber weg, aber morgen würde ich ihr mailen.
 

Er sah auf unsere Hände, die ineinander verschlungen auf seinem Bein lagen.

“Du musstest das ja in den falschen Hals kriegen. Das tust du ja ständig. Obwohl mir gerade einfällt, dass ich dir schon mehrmals gesagt habe das du der Einzige bist, mit dem ich es gerade so ertrage, so was zu tun. Für niemand anderen würde ich mich so zum Deppen machen, wie für dich.”

Er sah mich vorwurfsvoll an und ich kam mir total dumm vor. Wie konnte ich nur glauben das er und Hiroto ein paar wären!

“Ja das hast du. Aber ich bin halt schwer von Begriff. Eifersucht, du weißt schon..””
 

Soichi zog seine rechte Augenbraue hoch und seufzte tief. “Los jetzt! Ab ins Bett!”

Er sprang auf und half mir auf die Beine. Ich bemerkte leider zu spät, dass mir diese eingeschlafen waren. Ich stolperte und landete in Sempais Bett.

“Uah, tut mir Leid! Meine Beine..”

Er winkte nur ab und legte sich zögerlich neben mich. “Noch ist Weihnachten und es wäre etwas Besonderes…”

Sein warmes Gesicht kam dem meinen sehr nahe. Ich nickte nur und kam ihm etwas entgegen. “Ich hatte vorhin Recht!”

Ich wusste nicht, was er meinte und schaute ihn fragend an.

“Dein Spitzname passt hervorragend zu dir.”

Ich lächelte ihn an und küsste ihn vorsichtig. Ich spürte keinen Widerstand und zog ihn näher zu mir.

Als wir uns kurz voneinander lösten sah er überglücklich aus. Da ging es mir nicht anders. Ich kam mir vor, wie in meinem persönlichen Himmel.
 

“Ich bin froh, dass du hier bist…Engelchen.”

Es schien ihn sehr viel Überwindung gekostet zu haben, mir so was zu sagen.

Soichi war knallrot geworden aber er lächelte noch immer.

“Sempai, ich liebe Dich.”
 

Wir verbrachten die gesamte Nacht miteinander und standen erst zu Mittag auf. Nachdem ich mit Hiroto telefoniert und Angela eine ellenlange Mail geschickt hatte, kam ich ins Wohnzimmer.

Soichi stand geistesabwesend vor dem Weihnachtsbaum.

Er bemerkte mich anscheinend nicht.

“Er ist wirklich ein Engel..aber das behalt ich lieber noch für mich..”

Ein Lächeln huschte mir über die Lippen und ich sah aus dem Fenster.

Dabei dachte ich an das Schokoengelchen in Sempais Zimmer. Wie zum Teufel sollten wir das Ding nur da rauskriegen?
 

Tja, in den nächsten Monaten brauchte ich wohl keine Schokolade einkaufen.
 


 

~Ende~



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (11)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  kokuchou
2014-05-18T12:22:57+00:00 18.05.2014 14:22
Tolle FF!
Was schönes zum lesen, wenns Wetter einfach Mist ist xD
Ich hab die ganze Zeit überlegt, was Soichi da aus der Schoki bastelt, damit hab ich nicht gerechnet, aber es war ne schöne Idee.
Die beiden sind wirklich süß zusammen und das Ende ist wirklich toll!
Immer weiter so :3

VlG
ruha
Von:  oOHikariOo
2010-06-15T20:19:32+00:00 15.06.2010 22:19
*KREIIIIIIIIIIIIIIIISCH* oh mein gott ich liebe deine ff !!!!!!!! *_____________________*
des is so abartig süüüüüüüüß ^O^ soichi so zu erleben lässt einem echt schmelzen *_* hach *sich gar nimma einkrieg*
Von:  Ryuichi-Sakuma-
2010-06-07T01:03:17+00:00 07.06.2010 03:03
Deine FF von denn zwei ist wirklich sooo was von sweet *smile*
Da hat Morinaga wirklich sehr viel falsch verstanden aber am ende klährt sich ja alles zum glück auf X3
Wirklich so waii was Soichi alles für Morinaga gemacht hat *grinz* da hat er doch tazächlich ein riesen Schocko Engel selbst gemacht *GG* einfach nur Geil X3
Da sieht man wie sehr Soichi doch Morinaga mag *smile* die zwei sind wirklich so was von sweet *sie liebt*
Deine FF von denn zwei süßen gefellt mir echt sehr gut *knuff*
Kannst wirklich klasse FF schreiben X3

Gruß: Ryuichi-Sakuma-
(^_~)/
Von:  -Pan
2009-12-29T17:34:35+00:00 29.12.2009 18:34
Das ist nun nicht ganz mein Genre XD
Eigentlich ist die Geschichte schön gemacht und man merkt, dass Du Dir Gedanken gemacht hast:
Nur einige Sachen könnten als störend auffallen.
Am Anfang zieht es sich meiner Meinung nach etwas. Damit meine ich Deine Schilderungen, wie..äh.."Engelchen" sich immer wieder Gedanken macht, was sein Schwarm wohl plant, dass dessen Verhalten verdächtig ist und so weiter. Um Atmosphäre aufzubauen, wenn in solchen Szene kleine neue Hinweise enthalten sind oder wenn sie die Handlung vorantreiben, ist das sicher eine gute Taktik. Ansonsten kann es auch ermüdend sein, wenn es sich zu sehr hinzieht, da hättest Du vielleicht ein bisschen kürzen können.
Mit Kitsch kann ich mich selten anfreunden und ich fand das hier schon (nicht als abwertend aufzufassen) ZIEMLICH kitschig. Aber Deine Art zu schreiben fällt dafür recht angenehm aus ;) und den einen oder anderen Satz fand ich mehr als gelungen, da bin ich gespannt, was von Dir noch so kommen würde...
Einige Dinge hättest Du nicht so oft zu wiederholen brauchen, da sind die Leser manchmal schlauer, als Du denkst, und wollen vielleicht nicht alles vorgekaut bekommen^^
Was ich toll fand, war, dass Du noch an Angela gedacht hast. Viele andere Autoren hätten sie, da sie später nicht mehr für die Story "gebraucht" wurde, einfach vergessen, aber dass sie noch einmal Erwähnung findet, spricht wirklich für Dich als Autorin!
Naja, ich hoffe mal, Soichi hört auf, ihn zu schlagen und vor allem hoffe ich, dass Angela ein schönes Fest hat.
Ach ja, Du solltest verstärkt auf Deine Kommasetzung achten, denn die Geschichte ist soweit schön geschrieben, aber falsch gesetzte Kommata machen so etwas schnell zunichte, das ist ziemlich schade drum.
Von:  YaroChan
2009-12-27T17:08:19+00:00 27.12.2009 18:08
Jaaaha jetzt mein Kommi ^^
Es gibt wie immer keine Kritik, denn deine FF ist ein weiteres Mal einfach zu perfekt XD Und es macht immer wieder Freude sie zu lesen =) Ich mag deine Art zu schreiben ebenfalls so gerne, wie du sagtest dass du meine magst ^^
In dieser FF musste ich ein paar mal richtig schlucken und hatte starkes Herzklopfen, aber nicht nur das. Ab und an habe ich richtig gezittert! Es hatte mich richtig gefesselt. Die ganze Handlung =) Als Morinaga mit der Angela herumlief und Soichi wegdrückte auf dem Handy, da sprang mein Herz. Ich konnte immer mitfiebern ^^
Habe wirklich großen Respekt vor solchen Leuten, die das hinbekommen und das ist bei dir auch so XD Also weiter so!!! ^^
Von: abgemeldet
2009-12-22T16:42:15+00:00 22.12.2009 17:42
SUPER!!
Selten so herzlich gelacht!!! :DDD
Respekt, so viel Handlung in nur 4 Seiten zu stecken!!! ^^
Mir gefällt die Story ausgesprochen gut! Morinagas Gefühle sind wirklich glaubwürdig dargestellt!! (ich hab immer damit zu kämpfen, die richtigen Worte für Gefühle zu finden T___T)
Ich könnt mir vorstellen, dass die Geschichte wirklich mal bei den beiden passiert!!!
In dem Kommi zu meiner FF hattest du ja schon erwähnt, dass dein Soichi ein bisschen OOC ist... Meine Meinung: Er ist ein bisschen ZU willig! xDDDD Aber ich kann mir gut vorstellen, wie Soichi Morinaga mit einem Baseballschläger erwartet!!! xDDDDDDD
Von:  Tydarkpromise
2009-12-16T19:22:06+00:00 16.12.2009 20:22
Auwwww~
Eigentlich lese ich nie FFs zu Verliebter Tyrann.
Und eigentlich mag ich auch keinen Kitsch...
Aber so hin und wieder und an so kalten Tagen tut ein Stück zuckersüßer Schokokitsch echt gut!!
Deine FF ist unheimlich süß, wirklich. Richtig herzerwärmend~^^
Von:  Yume_Tatsumi
2009-12-14T22:07:21+00:00 14.12.2009 23:07
ach .... *schwärm*
soichi ist so ein depp, er schafft es nie etwas gemein zu halten ^-^
bei morinaga kann man es nach vollziehen das er irgendwann es voll hat zu warten und jede kleinigkeit falsch versteht ^^"
aber wie sagt man "ende gut, alles gut!"

p.s. da hat morinaga ja was richtiges zum vernaschen bekommen ^.^
Von:  Zero_Kiryu
2009-12-13T14:00:03+00:00 13.12.2009 15:00
Der Kommentar kommt vielleicht etwas spät, aber besser als gar nicht XD
Ich fand die Fanfic total niedlich! Und ich fand auch, dass du den Spannungsbogen gut hinbekommen hast, auch wenn man sich natürlich denken konnte, dass Soichi was für Morinaga vorbereitet! Aber dass er sich solche Mühe gemacht hat, war echt toll. ^^ Kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er wenn, dann sowas heimlich macht ^^
Ich hoffe, du bleibst VT bei Fanfics treu. XD
lg Zero
Von:  Noa-Willow
2009-12-12T19:38:57+00:00 12.12.2009 20:38
Einfach einsame Spitze. Das hatte alles für mich Dramatik, Romantik und Weihnachtsflair! Nur weiter so!^^


Zurück