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Haruhgeddon

Die Melancholie der Suzumiya Haruhi
von

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Website Probleme

Eigentlich war dies ein ganz normaler Tag. Das dachte ich zumindest damals, als ich noch – unwissend wie ich es war – so wie jeden Morgen ganz normal aufstand, um den Tag zu beginnen.

Dass es letzten Endes, dank einer gewissen Person namens Suzumiya Haruhi, doch ganz anders kommen würde, hatte ich mir bis dahin aber noch nicht gedacht. Nein, ich hätte es mir wohl denken können, denn überall wo dieses unberechenbare, total überdrehte, exzentrische Mädchen auftauchte, würde mit Sicherheit bald irgendetwas Verrücktes passieren. Aber dass es so schlimm werden würde, hätte noch nicht einmal ich mir zu dem damaligen Zeitpunkt träumen lassen. Wie dem auch sei, die Bombe Suzumiya Haruhi war trotzdem gnadenlos und ohne jede Rücksichtnahme frontal auf diesem Planeten eingeschlagen. Doch um zu verstehen was genau geschehen ist, müssen wir noch einmal einige Zeit zurückgehen. Der Zeitpunkt an dem alles begann, an einem ganz normalen Tag im Clubraum.
 

„Seht euch das an!“, verkündete Haruhi eines Nachmittags in einer SOS-Brigaden-Sondersitzung und hielt uns ein Blatt Papier vor die Nase. Sie hatte dringend auf diese Sitzung bestanden, ganz plötzlich und überraschend wie immer. Wen interessierte schon was andere Leute vielleicht noch zu tun hatten? Anscheinend ging es darum unseren Club bekannter zu machen oder so etwas in der Art.

Ich runzelte die Stirn: „Na ja, und was soll das sein?!“

„Das sind Besucherzählungen, Statistiken von Websites“, erklärte Haruhi und knallte das Blatt auf den Tisch. „Nachdem unsere Seite damals so oft aufgerufen wurde, ist nun wieder absolut nichts! Keiner interessiert sich mehr für die Website, wir können von Glück reden, wenn wir überhaupt noch einen Besucher pro Tag haben!“

„Und was willst du uns mit diesem Blatt hier nun zeigen?“, fragte ich und war dabei wirklich ahnungslos – was sollten uns denn andere Webstatistiken bringen?

„Na, guck dir das doch mal an!“, fuhr Haruhi fort, dabei tippte sie mit ihrem Finger auf das Papier. „Das sind die Besucherzählungen der Websites von den anderen Clubs unserer Schule, hast du dir einmal angesehen wie oft diese Seiten aufgerufen werden?!“

Ich seufzte einmal kurz, ehe Haruhi weiter sprach: „Oft sind es über 50 Besucher pro Tag! Wenn wir nur die Hälfte davon hätten, wäre ich schon glücklich!“

Kurz herrschte Stille in unserem Clubraum, anscheinend hatte Haruhi ihre Rede beendet.

Gerade als ich zu einer Antwort ansetzten wollte, erhob sie jedoch erneut das Wort. Aufgebracht wühlte sie dabei in ihren Haaren herum und begann ihre Frisur zu verwuscheln. Hey, Haruhi, nur weil du wütend bist, ist das doch noch lange kein Grund deine Haare leiden zu lassen, oder? „Ahhh, das ist furchtbar, wenn so wenige auf unsere Seite gehen, wie sollen die Leute dann überhaupt wissen was die SOS-Brigade macht und uns Aufträge schicken?!“

Ich zuckte mit den Schultern: „Na ja, da kann man nichts machen. Warum auch sollten die Leute gerade auf unsere Seite gehen?“

Ja, warum auch? Zwar hatte ich versucht die Website einigermaßen übersichtlich und gut einzurichten, aber alle Mühe war umsonst denn dieser Club hatte weder vernünftige Ziele noch konkrete Vorstellung von dem was er machen würde. Jeder normale Mensch, dem nicht absolut sterbenslangweilig war, wusste mit Sicherheit etwas Besseres mit seiner Zeit anzufangen, als auf unsere fragwürdige Homepage zu gehen.

„Und genau das ist das Problem!“, maulte Haruhi ungehalten weiter. „Du hast die Website einfach nicht interessant genug eingerichtet!“

Ich runzelte die Stirn. Wie? Wurde ich hier etwa gerade zum Schuldigen gemacht oder was?
 

Eilig schnappte ich nach Luft um diese unerhörte Anschuldigung nicht einfach so auf mir sitzen zu lassen und Haruhi zu kontern: „Was soll denn das heißen? Wenn unser Club nun mal nicht mehr zu bieten hat, kann ich doch nichts dafür!“

Oje, ich hatte wohl etwas zu viel gesagt. Haruhis Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse und für einen Moment sah es so aus als würden wir uns gerade auf den absoluten Weltuntergang zu bewegen. Sie schnaubte und schlug mit den Händen auf den Tisch: „Du bist hier für die Website zuständig also mach es gefälligst auch interessant! Was der Club zu bieten hat, hat dich nicht zu interessieren! Sieh lieber zu, dass die Website etwas zu bieten hat!“

Wie? War lügen jetzt okay? Sollte ich vielleicht ein paar Photoshop bearbeitete Bilder mit Ufos reinstellen oder was?

Haruhi sprach weiter: „Du warst ja sogar dagegen die Bilder von Mikuru-chan hoch zu laden, hätten wir das getan hätten wir jetzt sicher keine Probleme mit den Besucherzahlen!“

Aha, darauf lief also alles hinaus.

Neben uns begann Asahina-san sichtlich zu erröten und fragte stotternd: „W-wie? Was denn für Bilder?“ Erschrocken starrte sie in die Runde.

„Ach, mach dir keine Sorgen“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Diese Bilder wird garantiert kein Mensch mehr zu sehen bekommen.“ Ich lächelte ihr aufmunternd zu und konnte mir dabei ein fast schon triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Wie oft gelang es einem schon dass man einen von Haruhis bösen Plänen durchkreuzte? So traurig die Wahrheit auch war, aber das geschah so gut wie nie, denn Haruhi bekam nämlich für gewöhnlich immer was sie wollte. Umso besser war deshalb auch der Gedanke wenigstens eine ihrer absolut verrückten Ideen zerschlagen zu haben. Selbst wenn sie eine Gottheit, eine Zeitverwerfung oder sonst etwas war, manchmal musste man auch ihr Grenzen setzten.

„O-okay“, antwortete Asahina-san schließlich. Sie hatte den Kopf nach unten geneigt und sah verunsichert in ihren Schoß. Kein Wunder, sie war ja ohnehin ein eher schüchternes Mädchen und wenn man bedachte was Haruhi schon alles mit ihr angestellt hatte, konnte man froh darüber sein, wenn sie davon kein lebenslanges Trauma bekommen hatte.

Gegenüber von mir blätterte Nagato-san gerade wieder eine Seite in ihrem Buch um. Es ging mich ja nichts an, aber hörte sie überhaupt richtig zu und machte es Haruhi gar nichts aus, dass sie trotz aller tot wichtigen Website Probleme hier einfach seelenruhig weiter las?

„Du Kyon-kun?“

Prompt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und blickte noch einmal zu Asahina-san, die neben mir saß und mich gerade angesprochen hatte. Sie hatte ihren Kopf gehoben und nahm mich mit ihren großen, wunderschönen Augen genau ins Visier.

„Ja, was ist denn, Asahina-san?“ Ich schluckte und hoffte inständig, dass ich nicht rot im Gesicht wurde.

„Wenn du sagst, dass die Bilder nie jemand sehen wird, bin ich beruhigt.“

Sie lächelte und fügte noch hinzu: „Danke!“

„Ach-äh, nicht doch“, stotterte ich verlegen, „Das war doch überhaupt kein Problem!“

Mein lieber Schwan, dieses Lächeln hätte selbst riesige Eisblöcke zum Schmelzen bringen können und sogar das Herz eines unheimlich abgebrühten Typen zum zerrinnen gebracht, wie ein Stück Butter auf einem heißen Toast.

„Hm-hm“, tönte es plötzlich ärgerlich hinter uns. Oh je, ertappt! Vorsichtig schielte ich zurück um dem Grauen Suzumiya Haruhi direkt ins Auge zu sehen. Sie hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt, beugte sich immer weiter vor und kam mir schon fast bedrohlich nahe. Mal ehrlich, bei jedem anderen Mädchen würde man sich vermutlich freuen, wenn es so nahe war, dass man schon fast ihren Atem auf der Haut spüren konnte. Aber hier hatte man eher das Gefühl einem tödlichen Monster das einen gleich zum Mittagessen verspeisen würde gegenüber zu stehen. Auch gleich äußerte sie den Vorwurf: „Wenn ihr dann euren kleinen Flirt beendet habt, könnten wir dann vielleicht einmal weitermachen?!“

Asahina-san begann merklich geradezu im Boden zu versinken. Ich zuckte mit den Schultern.

„Sieht’s so aus als würde ich flirten?“

„Tut es!“

Oha, das kam ja wie aus der Pistole geschossen und klang fast etwas beleidigt.

„Wirklich?“

„Ja!“

Für einen Moment herrschte Stille, während Haruhi und ich uns anstarrten. Wieso gab sie denn jetzt solch kurze, knappe, fast schon beleidigte Antworten? War sie wirklich sauer?

„T-tut mir leid“ stotterte schließlich eine verlegene Asahina-san neben uns und unterbrach somit dieses erdrückende Schweigen.

„Falls ich … Falls das so ausgesehen hat wie … Das wollte ich wirklich nicht.“

Kleinlaut starrte sie in ihren Schoß, während Haruhi sie mit prüfenden Blicken ansah, manchmal konnte einem dieses Mädchen wirklich leid tun. Ich wünschte mir wirklich sie hätte etwas mehr Selbstvertrauen um wenigstens ab und zu zurückschlagen zu können.
 

Endlich zog Haruhi ihr Gesicht zurück: „Na gut, Entschuldigung angenommen!“ Sie wedelte warnend mit dem Zeigefinger mit der Ermahnung auf den Lippen: „ Aber dass mir so etwas nicht nochmal vorkommt, klar!“

Schnurstracks ging sie wieder zu ihrem Platz um diese wahnsinnig wichtige, hochgradig interessante Besprechung fortzuführen.

Sie stieg auf ihren Sessel, verschränkte die Arme und setzte ihre Ansprache an uns – ihre armen Untertanen – fort. „Wie ich also eben schon erwähnt hatte, hat Kyon die Webseite einfach nicht interessant genug eingerichtet!“

Ich seufzte und verzog ärgerlich das Gesicht, ersparte mir aber diesmal einen Kommentar. Nicht dass sie sonst nochmal auf die Idee kam die Bilder von Asahina-san hoch zu laden. Außerdem, wenn sich Haruhi einmal eine Meinung gebildet hatte, war es für gewöhnlich so oder so unmöglich sie wieder davon abzubringen. Warum sich also streiten, es würde diese ganze sinnlose Besprechung hier nur unnötig in die Länge ziehen.

„Deshalb habe ich mir einige Sachen überlegt wie wir sie interessanter machen können!“

Triumphierend lächelnd sah sie in die Runde. Erwartete sie etwa Applaus?

„Und was habt Ihr euch da vorgestellt Suzumiya-san?“, meldete sich schließlich Koizumi, der bisher angenehm ruhig gewesen war zu Wort. Haruhi grinste daraufhin und erklärte: „Gut dass du danach fragst, ich habe es in mehrere Aufgaben unterteilt, damit jeder von euch etwas zu tun hat!“

Wie bitte? Das hört sich ja fast wie Hausaufgaben an. Also wirklich Haruhi, reichen die von der Schule denn nicht?

Sie stieg von ihrem Stuhl und stolzierte hochmütig wie eh und je auf Nagato-san zu. „Auf anderen Clubwebsites habe ich gesehen, dass die in einem Blog regelmäßig veröffentlichen was sie gerade machen und planen!“

Ohne mögliche Einwände zu berücksichtigen oder gar solche zu erwarten, schlang Haruhi einen Arm um diese.

„Und da du der Bücherwurm hier bist, wirst du ab heute alle unsere bisherigen und zukünftigen Patrouillen auf der Suche nach mysteriösen, übernatürlichen und unerklärlichen Phänomenen protokollieren und in unserem Blog veröffentlichen, alles klar?!“

Nagato-san nickte stillschweigend ohne von ihrem Buch aufzusehen. Arme Nagato, musste sie sich das wirklich gefallen lassen? Und überhaupt was hatte denn die Tatsache, dass sie ein Bücherwurm war mit dem Protokollieren unserer Rundgänge zu tun? Das wollte ich dann doch noch etwas genauer wissen und fragte nach: „Sag mal Haruhi, wie kommst du denn darauf, dass gerade Nagato-san diese Aufgabe übernehmen sollte? Sie liest doch viel lieber Bücher als etwas zu schreiben, oder?“

Haruhi sah mich mit strengem Blick an und ich fühlte mich wie ein kleines Schulkind, das gerade von seinem Lehrer eine Lektion erteilt bekam.

„Na, eben weil sie viel liest, muss sie das machen. Das ist doch wohl klar!“

„Ja, was denn bitte?“

Sie beugte sich zu mir über den Tisch hinweg und erklärte: „Yuki liest viele Bücher daher kann man wohl davon ausgehen, dass sie sich in Rechtschreibung und Grammatik gut auskennt, sie weiß schon wie man so etwas schreibt!“ Inzwischen grinste Haruhi und fügte noch hinzu: „Und wenn nicht, kann sie es ja einfach nachlesen!“

Aha, so hatte sie sich das also gedacht. Auch wenn ich Haruhis Sichtweiße nicht unbedingt in allen Punkten logisch fand, zweifelte ich kein bisschen daran, dass Nagato-san das hinkriegen würde. Schließlich sollte es für sie als humanoides Interface kein Problem sein so etwas – selbst wenn sie es noch nicht konnte – im Handumdrehen zu erlernen.
 

Haruhi stolzierte weiter zum nächsten Kandidaten auf ihrer Liste und das war scheinbar kein geringerer als Koizumi.

„Auch für dich habe ich eine wichtige Aufgabe!“, wandte sie sich freudig an ihn.

Er lächelte: „Ich höre, Suzumiya-san!“

Aufgeregt ging Haruhi im Kreis und erklärte dabei voller Tatendrang die Aufgabe für Kandidat Nr. 2: „Andere Websites unserer Schule haben alle Steckbriefe von ihren Mitgliedern angelegt! Daher wirst du von all unseren Mitgliedern Fotos machen und dann dazu noch von allen einen Steckbrief auf unserer Website erstellen!“

Koizumi nickte: „Wie Sie wünschen, Suzumiya-san.“

War ja klar, dass dieser Dauerlächler brav und ohne nachzufragen einfach alles blind abnicken würde was Haruhi von ihm verlangte und seine Höflichkeit ihr gegenüber war auch viel zu übertrieben. Da musste man sich doch fast schon wundern, dass er nicht jedes Mal wenn sie den Raum betrat, aufstand um einen Knicks zu machen.

Nachdem auch Aufgabe Nr. 2 erfolgreich verteilt worden war ging Haruhis Websiterettungstrip weiter. Sie stolzierte um den Tisch herum, ging an Asahina-san vorbei und stand schließlich direkt vor mir, was wohl bedeutete dass ich Opfer Nr. 3 auf ihrer Liste war.

„Kyon“, als sie meinen Namen aussprach, setzte sie ein eiskaltes Grinsen auf. Ob sich Koizumi vielleicht irrte? Diese Haruhi vor mir sah nämlich gerade eher wie ein heimtückischer Teufel aus und nicht wie eine Gottheit, alles was ihr noch fehlte waren die Hörner.

„Da du ja scheinbar gut flirten kannst, hast du die große Ehre ein Gedicht für unsere Website zu erstellen.“

Ich fuhr entsetzt hoch und rief: „Was?!“

Was sollte denn das jetzt werden? Ein Gedicht? Gut flirten? War das vielleicht die Strafe dafür, dass ich vorhin zwei Sekunden lang mit Asahina-san gesprochen hatte und nicht ihrem weltbewegenden Vortrag gelauscht hatte?

Inzwischen zierte ein hämisches Grinsen Haruhis Lippen und erklärte mir nun: „Natürlich, so ein Gedicht ist für unsere Website absolut unverzichtbar, die vom Dichterclub haben so etwas auch. Es wird auch Leute auf unsere Website ziehen, die lyrische Texte gerne lesen.“

Also wenn die Gedichte auf ihrer Website haben, brauchst du dich aber nicht zu wundern, Haruhi. Und überhaupt, seit wann haben wir denn eigentlich einen Dichterclub an unserer Schule?

„ Außerdem habe ich gehört dass sich Leute Dinge, die sich reimen viel leichter merken können, auf diese Weise wird sich jeder Mensch sofort immer an die SOS-Brigade erinnern!“, erklärte sie nun stolz und grinste uns weiter an.

Ich ließ ein genervte Grummeln von mir hören: „Aha.“

„Und außerdem heißt es, dass Typen, die gerne Liebesaffären mögen so etwas besonders gut schreiben könnten!“

„Ich habe aber keine Liebesaffären!“, versuchte ich mich zu verteidigen.

„Wie du meinst!“

Wieder so eine knappe Antwort.

Sie starrte beleidigt zur Seite.

„Du schreibst es trotzdem!“, ihre Stimme donnerte gnadenlos auf mich ein und so langsam gingen mir gegen ihre Sturheit die Argumente aus.

„Aber ich habe in meinem Leben noch kein einziges Gedicht geschrieben!“

Nun lächelte sie boshaft. „Na, dann ist das wohl der perfekte Zeitpunkt um damit anzufangen! Beim Inhalt hast du freie Wahl, so lange es sich dabei um die SOS-Brigade und unsere Aktivitäten und Ziele dreht“, erklärte sie und gab doch den Inhalt vor.

Ich seufzte, eine Diskussion war hier wohl aussichtslos und ein ‚Nein’ würde sie wohl auch nicht akzeptieren. Also blieb nur noch eins: „Wenn du meinst.“

Genervt verschränkte ich die Arme und drehte meinen Kopf zur Seite um sie wenigstens spüren zu lassen dass, ich darüber alles andere als erfreut war, allerdings schien es ihr sichtlich egal zu sein.

„Damit wäre das dann wohl auch geklärt“, war alles was sie noch dazu sagte.
 

„Äh-ähm, Entschuldigung“, meldete sich hinter Haruhi plötzlich Asahina-san zu Wort. „Welche Aufgabe habe denn ich?“

Rasch drehte sich Haruhi um und wandte sich Kandidat Nr.4 - Mikuru Asahina zu.

„Gut, dass du danach fragst!“

Sie griff nach Asahina-sans Arm.

„Du wirst mir helfen Werbung für unsere Brigade zu machen, Flugblätter zu schreiben und zu verteilen. Damit auch alle wissen, dass unsere Website in Zukunft noch viel interessanter sein wird!“

„W-was?“ Asahina-san schreckte auf. So ein Flugblätter verteilen mit Haruhi war doch schon einmal in die Hose gegangen.

„Na, sicher! Los, komm schon.“ Gewaltsam zerrte sie Asahina-san, die sich vergeblich gegen Haruhi zu währen versuchte, hoch. „Mit dem Schreiben der Blätter habe ich schon angefangen, das wichtigere ist jetzt einmal die erste Ladung zu verteilen!“, erklärte Haruhi voller Tatendrang.

Nun schleifte sie Asahina-san zu den Kostümen. „Am besten wäre es, wir ziehen wieder das Bunny Girl Outfit an, damit haben wir sicher alle Zettel im nu verteilt!“ Ohne Rücksicht auf Verluste begann sie Asahina-san vor den Augen aller das Oberteil vom Leib zu reißen. Diese wurde immer verzweifelter. „Nein, ich will nicht“, hallte ihre Stimme durch den Raum.

Nagato blätterte wieder stumm eine Seite in ihrem Buch um, während Koizumi still lächelnd vor die Türe ging.

Ob ich auch rausgehen sollte? Bei solch einem Szenario wusste man ehrlich gesagt nicht, ob man lieber Hals über Kopf aus dem Zimmer stürzen oder ihr vielleicht doch helfen sollte.

„Nein, nicht“ drang Asahina-sans Schrei an mein Ohr. Inzwischen konnte man schon klar und deutlich einen rosa BH unter ihrer Uniform erkennen. Unweigerlich trieb es mir die Röte ins Gesicht und ich sah nervös zur Seite. Aber ich sah gerade noch, dass Asahina-san Tränen in den Augen hatte.

„Na, los stell dich nicht so an“, fuhr Haruhi fort und zerrte nur belustigt weiter an Asahina-sans Oberteil. Sie schien keinerlei Mitgefühl für diese zu empfinden und benahm sich schon fast wie eine Kriminelle, die garantiert nichts Gutes mit ihrem Opfer vorhatte. Ob sie überhaupt wusste wie weh sie Asahina-san damit tat?

„Jetzt reicht es aber!“ Ich schlug mit den Händen auf den Tisch. Irgendwann musste es auch einmal genug sein! Für einen Moment starrte mich sogar Haruhi fassungslos an.

„Lass das gefälligst, Haruhi! Du weißt doch noch was beim letztes Mal passiert ist, als ihr als Bunny Girls zusammen Flugblätter verteilt habt, oder?!“

Haruhi sah beleidigt zur Seite und ließ endlich Asahina-san los. Was jetzt wohl in ihrem Kopf vorging?

„Ja, ja“, murmelte sie kaum hörbar in sich hinein, ehe sich ihr beleidigtes Gesicht zu einem äußerst wütenden verzog.

Oh je, was war denn jetzt los?

Sie stampfte mit dem Fuß auf den Boden und warf mir einen bösen Blick zu.

„Sieh lieber zu, dass du dein Gedicht schreibst bevor du mir hier ungefragt blöde Ratschläge erteilst, klar?!“, schrie sie regelrecht und ich war mir sicher selbst Koizumi, der Draußen vor dem Raum wartete, hatte das noch klar und deutlich hören können.

Wie von einer Wespe gestochen stampfte sie zur Tür und riss diese wutentbrannt auf.

Aber hallo, wieso denn plötzlich so ein Stimmungswandel? Dieses Mädchen sollte nochmal einer verstehen.

Kurz drehte sie noch einmal ihren Kopf in meine Richtung und zwei Augen funkelten mich bedrohlich an.

„Und wehe es ist morgen nicht fertig!“

Damit verließ sie den Clubraum und schlug mit einem ohrenbetäubenden Krach die Türe hinter sich zu.

Zurück blieben eine wieder einmal traumatisierte Asahina-san, eine ungerührte Nagato, ein still lächelnder Koizumi und selbstverständlich ich.

„Oh, nein!“, fiepte Asahina-san. „Das ist alles meine Schuld!“

Sie legte ihre Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
 

Damit war diese hochinteressante, tot wichtige SOS-Brigaden-Sondersitzung schlagartig beendet und zu meinem Leidwesen zumindest die Aufgaben erfolgreich verteilt worden. Während ich versuchte Asahina-san wieder zu beruhigen, telefonierte Koizumi – der inzwischen wieder bei uns im Zimmer war – mit dem Handy und Nagato las wie immer ungerührt in einem Buch.

„Danke, jetzt geht es wieder“, meinte Asahina-san schließlich und ging ein paar Schritte in Richtung Türe. „Ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen“, murmelte sie leise. Das war ein gutes Stichwort, in dem ganzen Trubel hatte ich doch tatsächlich übersehen wie spät es inzwischen geworden war.

„Jetzt wo du es sagst, ich sollte mich wohl langsam auch auf den Weg machen.“ Ich schloss mich also Asahina-san an um gemeinsam mit ihr den Heimweg anzutreten.

„Oh, ihr geht nach Hause“, hörte ich plötzlich Koizumi hinter mir. „Das ist gut, da werde ich mich auch gleich anschließen.“

Also waren wir zu dritt, der Gedanke alleine und nur mit Asahina-san nach Hause gehen zu können, wäre ja auch zu schön gewesen. Und da wir ja ohnehin schon zu dritt waren, würde eine Nr. 4 im Bunde wohl auch nicht mehr stören, also gab es hier nur noch eins zu sagen: „Nagato-san wir gehen jetzt, kommst du auch mit?“

Sie schüttelte den Kopf und antwortete: „Nein.“

Ich sah sie perplex an. Nein? Wollte sie heute vielleicht hier übernachten?

„Du willst nicht mitkommen? Aber wann gehst du denn dann?“

Sie blätterte eine Seite in ihrem Buch um und murmelte: „Später.“

„Wie viel später denn? Willst du heute hier übernachten?“

Sie starrte weiterhin in ihr Buch und machte sich nicht einmal die Mühe aufzusehen: „Nein.“

Damit ließ ich es schließlich bewenden und auch wenn ich mich wirklich fragte was sie hier so ganz alleine noch vorhatte, kam ich trotzdem zu dem Schluss, dass es mich nichts anging und dass ich wohl einfach besser nach Hause gehen sollte. Wer weiß, vielleicht wollte sie auch einfach nur noch fertig lesen und hatte danach irgendeinen Zauberspruch parat um sich nach Hause zu beamen? Dieser Außerirdischen würde ich das mit Sicherheit auch noch zutrauen. So schloss ich also die Türe hinter mir und verließ zusammen mit Koizumi und Asahina-san den Clubraum.

Asahina-san war in Schweigen vertieft, selbst jetzt nachdem Haruhi schon lange gegangen war, schien sie das Ganze trotzdem noch immer sehr mitzunehmen. Sowieso lag seit dem etwas sehr erdrückendes in der Luft und auch wenn ich nicht sagen konnte was genau es war, war ich mir trotzdem sicher, dass es nichts Gutes sein konnte.

„Kyon, könnte ich dich vielleicht noch einen Augenblick sprechen?“, frage Koizumi plötzlich, als wir das Gelände verlassen hatten.

Ich runzelte die Stirn. Was denn, jetzt noch?

„Kann das nicht bis Morgen warten?“

Er lächelte – wie immer: „Nein, es ist wirklich dringend.“

Sehnsüchtig richtete ich meinen Blick in Richtung Heimweg, widerwillig wieder zu ihm.

Er hob entschuldigend die Hände und versicherte mir dabei: „Ich werde mich auch beeilen, versprochen.“

Beeilen? Das versprichst gerade du, Koizumi? Wenn du erst einmal mit deinen endlosen Erklärungen begonnen hast, weißt du doch selbst nicht mehr wann du aufhören sollst.

Ob ich das Risiko wirklich eingehen sollte? Langsam war mein einziger Gedanken wirklich nur noch einfach irgendwie nach Hause zu kommen.

Ich seufzte und antwortete: „Wenn’s sein muss.“

Wir verabschiedeten uns von Asahina-san und ich hatte fast schon Schuldgefühle sie in diesem Zustand ganz alleine und ohne Begleitung nach Hause gehen zu lassen. Außerdem wurde es schon langsam Dunkel und wer weiß was einem so süßen Mädchen alleine auf dem Heimweg nicht alles passieren konnte. Na, warte Koizumi, wenn ihr irgendein Typ auf dem Nachhauseweg zu nahe kommt, gebe ich dir die Schuld dafür!

Schließlich waren wir beide allein.

„Na los, spuck’s aus, was gibt es denn so wichtiges?!“

Mit einem Schlag wurde sein Gesicht ernster und auch ohne Antwort war klar, dass es wohl sicher wieder nur um die viel gepriesene Haruhi gehen konnte. Eigentlich hätte ich mir die Frage sparen können.

Für einen Moment herrschte Stille, dann rang sich Koizumi doch noch zu einer mehr oder weniger erhofften Antwort durch: „Ihr habt euch vorhin gestritten, oder?“

Was für eine blöde Frage, als ob du das nicht sowieso schon wüsstest. Du warst doch vor der Tür als Haruhi explodiert ist wie ein Vulkan, oder nicht?

„Na ja, wie man‘s nimmt, eigentlich nur sie.“

Und warum, da habe ich selbst keine Ahnung. Es wird wohl wieder eine ihrer Launen gewesen sein.

Während ich hoffte, dass das Gespräch mit dieser Frage erledigt war, schien Koizumi wohl noch nicht einmal ansatzweiße daran zu denken mich einfach so wieder gehen zu lassen.

„Es ist nämlich so, dass sich seit diesem Zeitpunkt unglaublich schnell, unglaublich viele abgeschlossene Räume bilden und meine Kollegen wirklich Mühe haben alles unter Kontrolle zu halten.“

Ja, na und, wie kann ich denn da jetzt helfen? Wieso erzählst du gerade mir das?

„Und was hat das Ganze jetzt mit mir zu tun?“

Er sah mich ernst an und antwortete: „Ich habe dir doch schon einmal erklärt, dass die Entstehung solcher Räume immer eng mit Haruhis Gefühlen zusammen hängt, oder? So wie es aussieht, hast du sie vorhin wirklich ganz schön wütend gemacht.“

Eigentlich habe ich gar nichts gemacht und Asahina-san habe ich auch schon öfters vor ihr verteidigt ohne, dass sie gleich durchgedreht ist.

„Meinst du? Ich wüsste wirklich nicht welchen Grund sie gehabt hätte gleich so wütend zu werden.“

„Dann solltest du dich bemühen ihn schnell herauszufinden, denn um ehrlich zu sein weiß ich nicht wie lange wir das Ganze noch so im Rahmen halten können“, erklärte mit Koizumi herrisch.

Dann sollte ich das schnell herausfinden? Was soll denn der Befehlston Koizumi? Ich bin doch nicht Haruhis Seelenklempner und für ihre Launen schließlich nicht verantwortlich. Und wenn sie keine Kritik vertragen kann, ist das doch wohl auch nicht mein Problem, oder?

„Na, wenn du meinst, aber jetzt muss ich wirklich los, okay?“

Ich drehte mich um, um endlich den Heimweg in Angriff zu nehmen. Schließlich konnte ich heute sowieso nichts mehr an der ganzen Sache ändern und falls Koizumi sich erhoffte, dass ich jetzt noch zu Haruhi nach Hause ging um mit ihr ein ausführliches Gespräch über all die gelösten und ungelösten Probleme in ihrem Leben zu führen, dann hatte er sich aber gewaltig geschnitten!

„Hör zu!“

Scheinbar war er noch nicht bereit aufzugeben.

Widerwillig machte ich halt und drehte mich noch einmal zu ihm um.

„Was gibt es denn noch?“

Noch immer war sein Gesicht sehr ernst.

„Ich denke es ist auch in deinem Interesse, wenn wir ein Ausbreiten dieser abgeschlossenen Räume verhindern und diese Dinger die dort ihre Amok-Tour machen zerstören, nicht wahr?

Was fragst du mich denn so blöd, die Antwort weißt du doch genau.

„Ja, wieso?“

„Diese Nacht wird es schon gehen, aber du solltest morgen Früh auf alle Fälle gleich mit Suzumiya-san sprechen, denn wenn es noch länger so weitergeht werden auch wir an unsere Grenzen stoßen.“

Jetzt wurde auch mein Gesicht etwas ernster. War es wirklich so schlimm?

„Geht klar, das werde ich machen, wir sehen uns morgen.“

Schließlich trat in seinem Gesicht doch wieder ein Lächeln auf, ein gutes Zeichen dafür, dass die Unterhaltung wohl endlich zu Ende war.

„Ja, bis morgen, ich freue mich schon.“

Ich drehte ihm wieder den Rücken zu und machte mich endlich auf den Heimweg.

„Ach, und Kyon.“

Will der mich verarschen? Was denn jetzt noch?

Noch einmal blieb ich stehen, machte mir aber diesmal nicht mehr die Mühe mich umzudrehen.

„Hm?“

„Vergiss das Gedicht morgen nicht!“

Ach ja, dieses blöde Gedicht hätte ich wirklich schon wieder fast vergessen.

Warum hatte Haruhi gerade mir diese Aufgabe gegeben? Hätte sie mir nicht stattdessen die von Koizumi geben können? Das wäre mir ehrlich gesagt lieber gewesen als mich hier als neuer Goethe zu versuchen.

„Ist gut, ich werd‘ dran denken.“

Damit verabschiedete ich mich nun endgültig von Koizumi und hob noch rasch meine Hand zum Abschied. Für heute hatte ich genug.
 

Zu diesem Zeitpunkt war dieses Gedicht noch ein nerviges Nebengeräusch in meinem Ohr, dem ich noch keine allzu große Beachtung schenkte. Hätte ich damals schon gewusst, dass es vielleicht doch nicht so schlecht gewesen wäre sich mehr Gedanken darüber zu machen, hätte ich wahrscheinlich keine Sekunde gezögert und augenblicklich mit dem Schreiben begonnen.

So aber nahm ich Koizumis Rat nur halbherzig zur Kenntnis und konzentrierte mich erst mal auf die – für mich – wichtigeren Dinge.

Rückblickend betrachtet war das vielleicht keine so gute Idee und ich wünschte mir wirklich ich hätte seinen Rat etwas ernster genommen.



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