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Vom Panorama zur Postkarte

Über meine erste Liebe
von

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Kamotas Sicht der Dinge

Gemeinsam gehen Torii und Sanada in die entgegengesetzte Richtung. Ich stehe da und sehe ihnen nach, bis sie in der Dunkelheit verschwinden.

Warum habe ich ihn dazu ermutigt, mit ihr zu gehen? Ich weiß doch genau, was sie von ihm will. Warum spiele ich immer noch seinen guten Freund? Ob ich irgendwie masochistisch veranlagt bin?

Ich liege lange wach. Immer wieder sehe die beiden vor meinem inneren Auge, wie sie sich im Bett herumwälzen; Torii, wie seine Hände über ihren zierlichen Körper gleiten und er dabei lustvoll stöhnt...

Ruckartig setze ich mich auf. Verdammt. Ich brauche dringend eine Abkühlung. Im Bad werfe ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Am Liebsten würde ich allerdings meinen Kopf in den Spiegel rammen, so wütend bin ich. Oder ist das Eifersucht? Panisch laufe ich in der Wohnung auf und ab. Ich will diese Bilder nicht mehr in meinem Kopf haben. Ich will den richtigen Torii haben. Nicht nur ein zusammen phantasiertes Bild!
 

Ganz früh am nächsten Morgen fahre ich zu ihm. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Die ganze Nacht habe ich keinen Schlaf gefunden. Mit Sicherheit sehe ich ziemlich beschissen aus. Er öffnet die Tür. Ich stehe da, mustere kurz seine Erscheinung und seufze. Toriis feuchter Körper glänzt. Er muss geduscht haben. Er sieht gut aus. Verdammt gut. Wie immer.

„Kann ich hereinkommen?“ Meine Stimme ist leise und zittert. Reiß dich zusammen, du Vollidiot.

Verdutzt lässt er mich herein und rubbelt seine Haare trocken. Ich setze mich. Einige Zeit sitze ich nur da und schaue unsicher auf meine Hände. Dann...

„Ich habe mich von ihr getrennt.“

„Von Shibata?“, Ich weiß nicht, wie ich seinen Tonfall deuten soll. Er klingt einerseits amüsiert und andererseits so, als ob er sich bemühen müsste, mitfühlend zu wirken. „Wolltest du sie nicht heiraten?“

„Ja, schon, aber...“ Ich stehe auf, gehe zu ihm und küsse ich ihn ohne weiteres. Nichts mehr hält mich davon ab. Die Angst, ihn zu verlieren, ist verflogen. Selbst wenn er mich angewidert von sich stößt und sagt, er wolle mich niemals mehr wieder sehen. Es ist egal. Für diesen einen Kuss gehe ich das Risiko ein. Für sein überraschtes Gesicht, seine Lippen, alles. Ich bin zu stürmisch, sodass wir gemeinsam zu Boden gehen. Ich habe mich bereits darauf eingestellt, ihn wieder zu verlieren. Unsere Freundschaft ist für mich nicht mehr erträglich. Der Gedanke an ihn und Sanada macht mich wahnsinnig. Ich habe ihn dazu ermutigt, mit ihr zu gehen, aber als ich später am Abend in meinem Bett lag und die Vorstellung von den beiden einfach nicht verschwinden wollte, habe ich so manches erkannt. Dass ich ein Trottel gewesen bin. Dass ich schon längst hätte auf ihn zugehen müssen. Dass unsere Freundschaft auch auf der High School schon keine mehr gewesen war. Und jetzt schmecke ich ihn, spüre das starke Bedürfnis, ihn überall zu berühren und seinen warmen, feuchten Körper unter meinem. Seinen beschleunigten Herzschlag. Sein Atem. Und dann seine Hände, die sich gegen meine Schultern stemmen und mich von sich drücken. Ich erwarte, dass er mich anschreit, mich hinausschmeißt. Stattdessen erkenne ich in seinem Gesicht einen seltsam gequälten Ausdruck. Dabei lächelt er schüchtern.

Ich habe plötzlich das Bedürfnis, mich zu entschuldigen.

Er murmelt: „Kamota...“

Bevor er mehr sagen kann, unterbreche ich ihn. „Ich weiß, was du sagen willst, aber hör mir bitte kurz zu, bevor du mich zum Teufel schickst!“ Er sieht mich schweigend an. Noch immer sitze ich auf ihm und beobachte wie damals beim Nachsitzen, wohin die Wasserperlen auf seinem Körper rinnen. Vorsichtig fahre ich mit meinen Fingern darüber.

Weil er nichts sagt fahre ich fort: „Ich wusste es damals schon. In der High School. Ich hatte mich dazu entschlossen, es dir zu sagen...“

„Wieso bist du dann mit Shibata ausgegangen?“ Es wirkt vorwurfsvoll.

„Weil... Ich dachte, dass sie die perfekte Ablenkung sein könnte. Ich habe mich tatsächlich in sie verliebt, weil wir beide, du und ich, uns ja irgendwie aus den Augen verloren hatten und du weit entfernt schienst. Erinnerst du dich noch an das Sommercamp?“, Er bejaht. „Ich habe das Bier heimlich allein getrunken, um mir Mut anzutrinken, damit ich es dir endlich sagen konnte, aber die Aktion ging ja nach hinten los. Und dann war sie da und ich...“

„Hast du dich meinetwegen von ihr getrennt?“ Er wirkt mit einem Mal sehr ruhig und gefasst.

„Nein. Ja. Ich weiß nicht. Eine Zeit lang wollte ich sie heiraten, aber mit der Zeit habe ich vergessen, wieso ich das eigentlich vorhatte. Wir haben uns schon vor einer ganzen Weile getrennt. Es gab einen ziemlich hässlichen Streit, aber danach war ich erleichtert.“ Ich seufze. Ja, die Trennung war für mich wie ein Befreiungsschlag.

„Und wieso gerade heute? Du hast dich die ganze Zeit nicht getraut. Warum ausgerechnet heute?“

„Wegen dir und... Sanada.“

Jetzt klingt Torii wieder vorwurfsvoll und wütend. „Du hast mich doch ermutigt, mit ihr zu gehen! Wenn es dich störte, wieso...“

„Ich weiß es nicht, verdammt! Ich dachte vielleicht, es sei meine Pflicht als dein Freund oder so. Keine Ahnung. Nachdem ihr weg wart hat es mich plötzlich einfach nur noch angekotzt, dass ihr zusammen wart. Und dann... Ich habe eine sehr ausgeprägte Phantasie. Es kamen Bilder zustande... Du willst es gar nicht wissen. Es sah aus wie in einem schlechtgemachten Porno.“ Ich zögere. „Torilein, ich liebe dich.“

Aus heiterem Himmel fängt Torii an zu lachen. Seine Wangen röten sich. Er hört gar nicht mehr auf. Ich bin mir nicht sicher, wie ich es deuten soll. Ist das jetzt gut oder schlecht? Macht er sich über mich lustig?

Und dann spüre ich seine Hände auf meinem Rücken. Sie drücken mich an ihn. Dieses Mal ist er es, der meine Nähe sucht. Er küsst mich von sich aus. Mein Gehirn braucht eine kurze Zeit, um diese gänzlich unerwartete Situation zu verarbeiten.

„Torilein...“

„Halt den Mund und hör zu.“ Er redet und redet und ich bin ganz Ohr. Er habe seine Gefühle für mich erst begriffen, als er Shibata und mich am Strand gesehen und uns für ein Paar gehalten habe. Er erzählte etwas von einer Postkarte. Ich verstehe nicht, was er meint, aber es scheint nicht mehr wichtig zu sein. Was zählt ist die Tatsache, dass wir zusammen sind. Hier. Jetzt. Immer.



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