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Kirschblütentraum

Genso no Sakura
von

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Der Duft von Reismehl 1.2

Ryu schreckte auf, als der Zug mit einem Ruck hielt. Er blinzelte und sah sich um – anscheinend waren sie in einen Bahnhof eingefahren und hatten abrupter als sonst halten müssen.
 

Ryu fuhr sich über die Augenlider. In letzter Zeit schlief er an den unmöglichsten Orten ein und träumte dieses wirre Zeug aus Japans Vergangenheit. Während einer Zugfahrt einzuschlafen war da noch das harmloseste Übel.

Er streckte sich ein wenig und bemerkte dann erst den Blick seines Sitznachbarn. Der war sicher schon weit über fünfzig, hatte schütteres Haar und trug einen billigen Anzug. Sein Blick lag lüstern auf Ryus Schritt; der folgte ihm mit den Augen und bemerkte selbst erst jetzt, dass eine gewaltige Erektion seine Jeanshose ausbeulte. Ryu spürte, wie er rot wurde und schlug die Beine übereinander. „Schauen Sie gefälligst woanders hin!“, schnauzte er verlegen den Mann neben sich an. Der nahm einen Schluck Kaffee aus seinem Styroporbecher, grinste und lehnte sich dann bequem zurück.
 

Der Zug fuhr wieder an. Ryu stand auf und ging zur Toilette, um von dem sabbernden Alten weg zukommen. Zum Glück war der Zug kaum besetzt, so dass er seine Erektion einigermaßen gut verstecken konnte, bis er endlich die Toilettentür hinter sich schloss.
 

Ryu lehnte sich gegen die Wand, den Kopf in den Nacken gelegt, und atmete tief durch. Es war wie ein schnitt mit einem scharfen Messer: man spürte den Schmerz erst, wenn man die blutende Wunde sah. Jetzt, nachdem er die Ausbuchtung gesehen hatte, spürte er die eigene Erregung überdeutlich. Er atmete tief durch und versuchte, sich abzulenken. Diese verdammten Träume! Seit gut einem halben Jahr wurde er in nahezu jeder schlafenden Minute von ihnen heimgesucht. Nicht alle hatten etwas mit Sex zu tun, aber die meisten – und jedesmal wachte er mit einem verdammten Ständer auf.
 

Ryu atmete abermals tief ein. So langsam beruhigte sich seine untere Körperpartie. Er ließ sich auf den herunter geklappten Klodeckel sinken und fuhr sich durch die halblangen schwarzen Haare. Es überraschte ihn, wie präsent dieser Onnagata und sein Liebhaber, dieser Raufbold von einem Samurai, in Ryus Kopf waren. Anfangs hatte er nur wieder und wieder die beiden beim Sex gesehen – immer die gleiche Szene. Die beiden Männer trieben es in einem Onsen.

Ryu hatte dieses Bild nicht mehr losgelassen, bis er sie aufgeschrieben hatte. Danach hatte er andere Szenen gesehen, wie kurze Episoden aus dem Leben der beiden.
 

Ryu hatte auch die anderen Träume aufgeschrieben und schließlich war eine Idee in ihm gereift – warum sollte er nicht etwas von diesen Träumen haben? Seit einiger Zeit machten so genannte Ecchi Boy Drama Serien von sich reden: Fernseh-Soaps, deren Hauptfiguren Männer waren, die Liebesdramen überstanden.

Die Ecchi Boys Serien waren ein unaufhaltsamer Trend und aus dem Grund war Ryus Manager Feuer und Flamme gewesen, als er ihm von seiner Idee erzählte, eine Serie über einen Onnagata und einen Samurai zu drehen.

Sein Manager hatte die Serie tatsächlich an ein Produktionsstudio verkaufen können und sie wollten Ryu, der ursprünglich Schauspieler war, für die Rolle von Shoichi. Die Vorbereitungen waren bereits in vollem Gange; Ryu hatte die Serie zwar noch nicht zu ende geschrieben, aber sie hatten vorerst Drehbücher für zehn Folgen. Er war sich sicher, dass ihm für den Schluss schon noch eine Eingebung kommen würde – sozusagen im Schlaf.
 

Er musste lächeln und merkte, dass sich sein bester Freund mittlerweile auch wieder beruhigt hatte. Lange würde es auch nicht mehr dauern, bis sie Tokio erreicht hatten. Ryu ging zurück zu seinem Platz, an dem der Spanner noch immer grinste. „Na, haben wir die Boa genug gewürgt oder brauchen Sie Hilfe?“, bot er an und beugte sich zu Ryu. In dem Moment bremste der Zug merklich ab - sie fuhren in den Bahnhof ein.
 

„Danke für das freundliche Angebot, aber es geht schon“,lächelte er liebenswürdig und nahm sein Gepäck. „Ah, und bevor ich es vergesse ...“ Ryu zog einen seiner Kugelschreiber aus der Jackentasche und beugte sich damit zum Klapptisch des Alten. Mit einer einzigen Bewegung hatte er ein Loch in den Styroporbecher gestochen und ihn gedreht. Der Kaffee darin floss in einem hohen Strahl aus dem Becher – direkt auf den Schritt der teuren Businesshose des Spanners. „Schönen Tag noch“, grinste Ryu und verließ, unter dem Protestgezeter des Spanners, den Zug.
 

Ryu hatte nur wenige Tage in Kyoto zu Recherchezwecken verbracht und dementsprechend leicht war sein Gepäck. Den Rucksack über der Schulter blieb er auf dem Gleis stehen und sah sich um. Eine junge Frau kam in seine Richtung gelaufen und winkte strahlend. Ihr Rock war skandalös knapp und ihr Körper der feuchte Traum eines jeden pubertierenden Jungen, von dem niedlichen Gesicht ganz zu schweigen. Ryu runzelte die Stirn, weil er die Frau nicht kannte. Nachdem er ein zweites Mal hin geschaut hatte, musste er breit grinsen und winkte zurück.

Außer Atem kam sie vor ihm zum stehen und schnappte nach Luft. Ryus Grinsen wurde noch breiter. „Pass auf, sonst fällt dir noch dein Stopfmaterial aus der Bluse“, lachte er und deutete auf einen Papierzipfel, der aus dem Ausschnitt der Dame lugte. Die runzelte ärgerlich die Stirn und stopfte das Taschentuch zurück. „Verdammter Mist“, brummte sie in tiefem Bariton. „Jedes mal dasselbe.“

Ryu deutete zum Ausgang des Bahnhofs und setzte sich in Bewegung. Die Frau folgte ihm. „Denkst du nicht, es wäre langsam an der Zeit, Mika über dein wahres Geschlecht aufzuklären, Takashi?“, fragte er und sah seinen Manager von der Seite her an. Wenn man es nicht wusste und nicht allzu genau hinsah, konnte man den schlanken zierlichen Mann sehr leicht mit einer Frau verwechseln – erst recht, wenn der sich Mühe gab und sich auch als Frau verkleidete.

„Das sage ich ihr, wenn sie mir einen Heiratsantrag macht“, sagte Takashi abwesend und zupfte seinen knappen Rock zurecht.

„Sie ist eine Lesbe“, warf Ryu ein und schob – ganz Gentleman – die große Bahnhofstür für seinen Manager auf, der wortlos hindurch ging. „Spätestens bei eurem ersten Sex wird sie etwas merken.“

Takashi winkte ab und verdrehte die Augen. „Wir haben uns bisher nicht einmal geküsst. Über so etwas mache ich mir Sorgen, wenn es soweit ist.“

Er trat an die Straße und winkte ein Taxi heran. Ryu stieg, wie Takashi hinten ein, und der als Frau verkleidetet Mann nannte dem Taxifahrer Ryus Adresse.

Der Schauspieler bemerkte, wie der Taxifahrer versuchte, mit Takashi zu flirten und musste ein Lachen unterdrücken. Takashi war ein durchgeknallter Vogel – wem sonst würde es einfallen, sich optisch zur Frau zu machen, nur um eine lesbische Frau zu erobern. Eine verdammt heiße lesbische Frau, wie Ryu eingestehen musste, aber dennoch eine lesbische Frau.
 

Ryu schätzte Takashi als Freund aber auch als Manager. Er hatte die Verhandlungen mit den Filmstudios für Genso no Sakura geführt, der Ecchi Boys Serie, und sorgte auch weiterhin dafür, dass Ryus Vorstellungen umgesetzt wurden.

„Morgen beginnt das Casting für den Part von Kojiro“, riss Takashi Ryu aus seinen Überlegungen. „Du solltest auf jeden Fall dabei sein – ich hab das schon abgeklärt. Das Studio holt dich morgen um neun Uhr ab.“
 

Ryu sah die ersten Hochhäuser seines Wohnblocks auftauchen und nickte. „Wir können danach ja über die Filmschauplätze in Kyoto sprechen“, sagte er und wartete darauf, dass das Taxi vor seinem Hochhaus hielt.

„Das machen wir – ruh du dich erstmal aus. Wenn die Studiobosse dich morgen mit diesen Augenringen sehen, nehmen sie dir die Rolle von Shoichi gleich wieder ab“, erwiderte Takashi lächelnd.
 

Ryu schnaubte nur ungläubig und stieg aus. „Sollen sie doch“, sagte er von außen. „Wenn sie das tun, kann ich sie verklagen, bis ich steinreich bin. Dafür schulde ich dir übrigens noch was, Takashi!“

Der angesprochene Mann grinste überbreit und hob seinen ausgestreckten Daumen. „Gib mir morgen einfach ein Bier aus.“

„Ist in Ordnung“, schmunzelte Ryu und schloss die Tür des Taxis, dass mit lautem Motorrenröhren davonfuhr. Ryu blieb noch einen Moment stehen und sah zu seiner Wohnung hinauf. Es wurde bereits Abend und die letzten Sonnenstrahlen malten wahnwitzige Motive an die riesige Fassade.
 

Ryu freute sich auf sein Bett – und die Träume, die ihn erwarteten. Vergnügt wechselte er den Rucksack von einer Schulter zur anderen und machte sich auf den Weg, in sein Appartement.



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