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Eragon - Kind des Mondes

Murtagh x OC
von

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Todeshauch

Nur eines diesmal: Wer herausfindet, was bei "obwohl ich ... obwohl ich ..." hinten ran kommt, kriegt 'nen Keks ^__^

Jetzt aber viel Spaß:

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Araya erwachte wieder, als Schmerz ihren ganzen Körper durchzuckte und erschütterte. Dann erst nahm sie die warmen, weichen Decken unter und über sich wahr. Das letzte, was sich ihr erschloss, war, dass sie nicht zitterte, sondern unsanft geschüttelt wurde. Erschrocken fuhr sie hoch und erwartete schon, in das Gesicht dieses seltsamen Mannes zu blicken, doch vor ihr befand sich ein ihr völlig fremdes Antlitz.

„Steh auf, steh auf!“, drängte der Knabe hektisch – nichts Anderes war er. Er war vielleicht elf oder zwölf Jahre alt. Benommen folgte Araya seiner Anweisung und erhob sich, während sie sich fragte, warum er hier war und wie er den Drachenhort überhaupt betreten konnte. Kaum stand sie jedoch auf ihren Beinen, packte der Junge mit erstaunlicher Kraft ihre Hand und zerrte sie in Richtung Ausgang. Bevor sie überhaupt darüber hatte nachdenken können, dass sich das Tor niemals öffnen würde, war es schon zur Seite geglitten.

„Mo-Moment mal, wo bringst du mich überhaupt hin?“, fragte Araya aufgebracht. Ein wenig schnürte ihr die Angst die Kehle zu, immerhin konnte es gut sein, dass sie wieder in die dunkle und feuchtkalte Zelle gesperrt wurde. Vielleicht war Murtagh ja fort. Doch die hastig gemurmelte Antwort des jungen Dieners beruhigte sie auch nicht wirklich. „Der König hat es erlaubt. Sie soll sich das ansehen. Spuk und Hexerei in diesem Schloss. Der König hat erlaubt, sie zu bringen.“

Er murmelte diese Worte nun ununterbrochen und wurde mit der Zeit deutlich hysterischer, was Araya darauf zurückführte, dass sie dem »Spuk« und der »Hexerei« immer näher kamen. Allerdings verursachte sein hastiges Flüstern auch Araya zunehmende Nervosität, sodass sie ihre Frage hitzig wiederholte: „Wo bringst du mich hin?!“ Stur blieb sie wie angewurzelt stehen und zwang den Jungen somit, ebenfalls kurz stehenzubleiben. Doch lange konnte Araya seiner Kraft nicht wiederstehen. Er verrichtete wohl harte körperliche Arbeiten im Schloss, wenn er in diesem Alter schon derart kräftig war.

Doch er schien Erbarmen mit ihr zu haben, denn er setzte zu einer, zwar nicht zufriedenstellenden, Erklärung an. Wenigstens hatte sie sein Murmeln unterbrochen. „Heute Morgen ist eine Dienerin schlagartig zusammengebrochen. Sie rührt sich nicht mehr. Das war bestimmt ein böser Zauber oder ein Fluch. Deswegen will niemand in ihre Nähe kommen, um ihr vielleicht zu helfen. Eine Magd wurde losgeschickt und der König hat gesagt, wir sollten dich dahinschicken“, erklärte er mit hastigen Worten und Araya musste sich konzentrieren, um ihn zu verstehen.

Wunderbar. Der König hatte also entschieden, dass die Gefangene ruhig mit einem bösen Zauber oder Fluch oder was auch immer belegt werden konnte. Und das für ein Mädchen, das sie noch nicht einmal kannte. Da setzte man sein Leben doch gleich doppelt gern aufs Spiel. Araya konnte einen sarkastischen Gesichtsausdruck nicht zurückhalten, wunderte sich im nächsten Atemzug jedoch, wie schnell Galbatorix seine Meinung geändert hatte. Immerhin schien sie bis jetzt immer in einem gewissen Maße wichtig für ihn gewesen zu sein.

Das schloss sie schon allein daraus, dass Murtagh sie von ihrer Zelle aus in den Drachenhort begleitet hatte und Galbatorix darauf eingegangen war, seinen fragwürdig treuen ersten Vasall als Freund auf sie anzusetzen. Sie bezweifelte, dass er Murtagh so leicht entbehren konnte, wenn die Varden ebenfalls einen Drachenreiter auf ihrer Seite hatten. Dementsprechend investierte Galbatorix eine Menge Ressourcen in sie. Und jetzt setzte er ihr Leben einer solch ungewissen Gefahr aus?

Dazu kam noch, dass sie helfen sollte. Wären Magier da nicht eher informiert? Sie hätten sicherlich eine bessere Chance auf Erfolg. Langsam schlich sich in Arayas Magen ein kaltes, Übelkeit erregendes Gefühl. Was, wenn damit ein Plan verfolgt wurde? Sie kam nicht mehr dazu, weiter nachzudenken, als der junge Diener sie um eine Ecke und durch einen Türrahmen zog. In einem Kreis hatte sich eine beträchtliche Menge der Dienerschaft versammelten und tuschelten besorgt miteinander.

Kaum hatten die ersten Araya erblickt, beugten sie sich zu ihren jeweiligen Nachbarn herüber und machten sie auf sie aufmerksam. So ging es im Kreise herum, bis alle das fremde Mädchen anstarrten. Der Junge vor ihr keuchte, so schnell war er mit seinen kurzen Beinen gegangen. Araya war sein beträchtliches Tempo nicht einmal aufgefallen. Dann öffnete er den Mund: „Hier ist sie.“

Der Diener ließ ihre kalte Hand los und trat hastig ein paar Schritte zur Seite. Das Mädchen, um das es ging, musste in der Mitte des Kreises liegen, dort, wo sich keiner traute näherzutreten. Nur zögerlich wagte Araya den ersten Schritt in Richtung der versammelten Menschen, die sie immer noch geschlossen ansahen. In der Stille hörte sie ihren Atem und ihren Herzschlag allzu deutlich. Sie wusste nicht, was es war, dass in ihr ein so ungutes Gefühl auslöste, doch Araya war sich sicher, dass sie eigentlich nicht hier sein wollte.

Einer der älteren Diener schien ihre Gefühle zu bemerken, denn er trat an sie heran und hielt sie an ihrem linken Oberarm an Ort und Stelle. Flucht war somit ausgeschlossen, wenn sie davon ausging, dass der Mann mindestens genauso kräftig war wie der Junge. Dabei traten ein paar Diener einige Schritte zur Seite, sodass sie den Blick auf das Gesicht des kranken Mädchens freigaben. Blonde Haare verteilten sich über den Boden, der Mund des Mädchens war grässlich verzehrt und weit aufgerissen, wie zum Todesschrei. Salihas Augen starrten blicklos an die Decke.

Araya riss sich mit einem Aufschrei von dem Mann los und stürzte zu ihrer Freundin. Die restlichen Menschen, die ihr im Weg standen, drängte sie einfach zur Seite. Mit einem eigenen kleinen Laut, der ihren Lippen entfuhr, fiel sie neben ihrer besten Freundin auf die Knie. Araya beugte sich über das reglose Mädchen und berührte sacht ihre Schultern. „Saliha?“, hauchte sie mehr, als dass sie sprach, „Saliha, wake up!“ Araya bemerkte selbst, dass ihre Stimme erstickt klang und fühlte die Tränen, die sich in ihren Augen sammelte.

Aber nein, das konnte doch nicht sein! Sie würde nicht weinen. Was würde Saliha sagen, wenn sie wieder aufwachte und sie weinen sah? Lachen würde sie. Darüber, dass Araya sich Sorgen gemacht hatte. Wie zur Bestätigung ließ Araya die Finger ihrer rechten Hand an den Hals ihrer Freundin gleiten. Sie suchte eine Stelle, an der sie Salihas Herz spüren konnte, fand sie aber nicht. Dann beugte sie sich vor und legte ihr Ohr an Salihas Brust. Sie hörte erdrückende Stille.

Saliha! It’s not funny! Wake up!!“ Arayas Herz hatte längst begriffen, was ihr Verstand weigerte zu glauben. Dass Saliha tot war. Und nie wieder aufwachen würde. Sie rüttelte an dem Mädchen, um es zu wecken, doch es folgte keine Reaktion. Es hatte keinen Sinn mehr. Die Tränen stürzten ihr aus den Augen, obwohl sie sich erst gestern geschworen hatte, stärker zu sein. Grob gruben sich ihre Nägel in die Schultern ihrer toten Freundin, als Araya in sich zusammensackte und schrie: „Come back!

Im verzweifelten Versuch, Saliha doch noch neues Leben einzuhauchen, schüttelte Araya die schmächtige Frauenleiche grob, sodass der Kopf mit den starren Augen von einer Seite zur anderen fiel. Ihre Nägel hatten Spuren auf der nackten Haut ihrer Schultern hinterlassen, doch die Wunden färbten sich weder rötlich, noch floss Blut. Wenn kein Blut aus einer Wunde floss, gab es keinerlei Hoffnung mehr.

Als Araya auf diesen Schock kurz innehielt, spürte sie Wärme hinter sich. Eigentlich war es ihr egal, wer noch hier war, doch als sie aus dem rechten Augenwinkel eine Hand sah, die nach ihr greifen wollte, zuckte sie zurück. Sie wollte bei Saliha bleiben! Mit einer schnellen und heftigen Bewegung schlug sie die Hand mit einiger Kraft fort. „Nein!“, schrie sie, stürzte sich nach vorne und klammerte sich mit ihren Armen an das tote Mädchen. Das einzige, was ihr außer ihren Erinnerungen von Saliha geblieben war.

Wäre Saliha noch am Leben, hätte sie sich gewiss beschwert, Araya halte sie so fest, dass es wehtue. Sie befürchtete sogar einen Moment, der Leiche alle Knochen zu brechen und Saliha zu verletzen. Doch dann kehrte die Gewissheit des Todes zurück und die Tränen flossen nur umso schneller aus ihren Augen. „Saliha … Come back to me! Don’t leave me! You can’t leave me after all without saying goodbye!! Do you hear me?!

Sie konnte sich kaum selbst verstehen, so unregelmäßig wurde ihre Atmung durch das Weinen. Ihre Kehle verschloss sich immer wieder unwillkürlich und raubte ihr so die Worte, die sie Saliha entgegenschrie. Stattdessen verließ ein Schluchzen ihre Lippen, doch Araya war sicher, ihre Freundin verstand sie auch so.

Wie aus dem Nichts griffen Hände nach ihren Armen. Araya schrie auf, doch das interessierte die beiden Männer nicht, die ihren Klammergriff gewaltsam von der Frauenleiche lösten und ihr dabei fast die Arme brachen. Dann wurde sie auf die Beine gezogen, und als sie anfing zu treten, kam ein Dritter dazu, um sie vollständig bewegungsunfähig zu machen. Der Knabe, der sie aus dem Hort geholt hatte, trat vor sie. Araya vernahm seine Stimme zwar nur undeutlich, dafür brannten die Worte aber umso heißer.

„Da du anscheinend auch nicht mehr helfen kannst, wirst du zurück in den Hort gebracht. Ich werde die Entsorgung der toten Dienerin veranlassen“, sprach er mit nüchterner Stimme und wandte sich dann ab. Erst gab er einem Mann etwas abseits einen Wink mit der Hand, dann warf er den drei Männern, die sie festhielten, einen Blick zu, woraufhin sie begannen, sich vom Schauplatz zu entfernen und Araya mitzunehmen.

„Nein!“, schrie sie wie von Sinnen und so laut es ihr ihre Tränen erlaubten. „Ich will nicht! Saliha!! Ich will bei Saliha bleiben!“ Sie schluchzte, als sie sah, wie der große Mann ihre beste Freundin grob und ungehobelt über seine Schulter warf und sich abwandte. Dann bogen die drei Männer geschlossen um eine Ecke und verwehrten ihr dadurch die Sicht. „Ihr dürft sie nicht wie Abfall wegwerfen!“, entrang sich ihr ein letzter Schrei, bevor Araya, mit dem Bild der toten Saliha zwischen Essensresten und allerlei anderem Unrat vor Augen, nur noch weinen konnte, ohne sich ihrer Umgebung bewusst zu werden.

Nur noch vereinzelt schluchzte das Mädchen in den Armen der drei Männer auf, doch die Tränen rannen ungehindert weiter. Sie hätte sie auch gar nicht aufhalten können. Zu viele waren da und tausende strömten nach. Araya kam es vor, als würden es immer mehr statt weniger. Saliha war immer gesund und lebendig gewesen. Ihr Geist schrie beinahe aufgrund dieser Ungerechtigkeit auf.

Dieses nahezu perfekte Mädchen war nur selten krank gewesen und war bestimmt nie dem Tode zu nahe gekommen. Warum musste also sie sterben? Warum nicht Araya selbst, die wesentlich häufiger als Kind mit hohem Fieber Bettruhe hatte einhalten müssen? Warum die blonde, schöne Saliha, die immer an ihrem Bett gesessen hatte, obwohl das andere Mädchen ihr geraten hatte zu gehen, um sich nicht anzustecken? Nein, es war die von beiden gestorben, die lachend auf einem kleinen Holzschemel gesessen hatte und ihrer Freundin sagte, sie werde erst sterben, wenn sie alt und grau war.

Wie konnte Saliha nur immer so gesund gewirkt haben, wenn sie sie sah, und doch so krank gewesen sein? Es wollte Araya nicht in den Kopf, dass ein unglückliches Schicksal ihre Freundin dahingerafft hatte. Doch bei diesem Gedanken stoppte sie. Unglückliches Schicksal? Das einzige Unglück, das Saliha hier, wo sie niemand besser kannte, hätte widerfahren können, war Galbatorix. Ein Galbatorix, der wusste, dass sie nicht so unwichtig war, wie er glaubte, sondern jemandem wertvoll war, von dem er selbst etwas erhalten wollte, der sich ihm aber verweigerte.

Der Diener hatte gesagt, sie sei ohne vorherige Anzeichen zusammengebrochen. Vielleicht war sie nicht aus Schwäche gefallen, sondern weil sie von einem Augenblick auf den anderen tot war. Araya war sich sicher, dass man mit Magie töten konnte, auch wenn Murtagh das nie erwähnt hatte. Immerhin bestände sonst kein Grund für Galbatorix, seinem Schützling ebenjene zu Gemüte zu führen, wenn man damit nicht kämpfen konnte. Und mit was man kämpfen kann, konnte man auch töten.

Nach einiger Zeit entrang sich ein tiefes Schluchzen ihrer vom Weinen bereits rauen Kehle. Es riss Araya aus ihrer Trance, brachte aber auch eine grausame Wahrheit mit sich. Sie selbst war schuld. Ohne sie wäre Saliha noch am Leben und würde einen relativ glücklichen Alltag hier im Schloss verbringen. Die Bekanntschaft mit ihr hatte ihr das Leben gekostet, das noch vor ihr gelegen hatte. Und Araya selbst wollte nicht mit dieser Schuld leben. Es wäre ihr nur Recht, jetzt sofort mit Saliha zu sterben. Oder ihr sogar durch ihren eigenen Tod das verlorene Leben zurückzugeben. Das Mädchen hatte nie eine Ahnung davon gehabt, in was es das verstrickt worden war.

Ein Gedanke durchflutete sie, als sie benommen feststellte, dass gerade der Felseneingang zum Drachenhort freigegeben wurde. Sie war die Letzte. Und bevor sie in das diffuse Licht des Hortes traten, hatte sie auch kurz geglaubt, allein zu sein. Bis sie Murtagh mit Dorn inmitten der Felsenwüste des Raumes sitzen sah, der sofort aufsprang, als er Araya mit den drei Männern sah.

Durch ihren Tränenschleier erkannte sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck, als er sie so vollkommen wehrlos in den Armen der drei Diener sah. Bevor Araya wieder gegen die festen Griffe um ihre Arme und Beine ankämpfen konnte, wurde sie hastig hinuntergelassen, obwohl niemand ein Wort gesagt hatte. Die drei gestandenen und kräftigen Männer wichen eiligst zurück und drängten sich wie in Todesangst näher aneinander. Weil Araya ihren Blick auf Murtagh fixiert hatte, wusste sie, dass es nicht an ihm liegen konnte.

Erst durch Murtaghs leichte und sanfte Berührung an ihrer rechten Wange, die nass von ihrer Trauer zeugte, wurde sie wieder vollständig in die Gegenwart gezogen. Der Grund für die Angst der Diener war Dorn. Er hatte die Lefzen zurückgezogen und zeigte den Männern mit grausig geöffnetem Maul seine blanken Zähne, während ein kampflustiges Grollen durch den Hort hallte.

Doch es war ihr egal, was mit diesen Männern geschehen würde; ebenso, wie es ihr egal war, dass Dorn sich seit geraumer Zeit anscheinend ihr gegenüber stärker zurückhielt oder dass sie wieder vor Murtagh weinte, dieses Mal aus vollem Herzen. Sie sah nur immer wieder Salihas im Todeskampf erschrocken erstarrtes Gesicht vor sich, an dem allein sie schuld war. Zu guter Letzt waren ihr alle anderen sogar so gleichgültig, dass sie weder an die Folgen noch an die Interpretationsmöglichkeiten ihrer nächsten Handlung dachte.

Völlig aufgewühlt fühlte sie noch immer Murtaghs warme Hand an ihrer Wange, die stetig den neuen Tränenstrom aufzuhalten versuchte. Diese Wärme war es, die sie im Moment mehr brauchte als ihr eigenes Leben. Und so stürzte und klammerte sie sich an die Quelle und wollte sie nie mehr gehen lassen. Sie schlang Murtagh ohne Sinn und Verstand die Arme um den Hals und vergrub ihr nasses Gesicht an seiner Schulter.

Er zögerte keinen Augenblick; Murtagh legte vorsichtig seine Arme um Araya und zog sie näher an sich heran. Was ihr die Stärke und Kraft gab, sich wirklich vollends fallenzulassen. Während sie nicht einmal bemerkt hatte, dass die Diener den Hort fluchtartig verlassen hatten, begann sie zu weinen wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Nicht einmal als kleines Mädchen hatte sie Gründe gehabt, so vollkommen in Tränen auszubrechen, dass es ihr selbst in den eigenen Ohren viel zu laut anmutete und sie so sehr schluchzte, dass sie immer wieder aufstoßen musste.

Es dauerte mehrere Minuten, bis das Schluchzen langsam verebbte und ihr Körper sich unfreiwillig beruhigte; sie hatte einfach keine Kraft mehr. Das Atmen fiel ihr schwerer als sie angenommen hätte, doch die Tränen rannen weiter ihre Wangen hinab. Araya glaubte nicht, jemals wieder mit ohne sie sein zu können. Doch mit dem ermattetem Gefühl, dass sich nun in ihr ausbreitete, begann auch Murtagh wieder aktiv zu werden. Er regte sich vorsichtig, verlagerte leicht sein Gewicht und legte ihr dann eine Hand auf den Kopf. Mit sanft kreisenden Bewegungen versuchte er wohl, sie weiter zu beruhigen und die salzigen Tropfen versiegen zu lassen.

„Erzählst du mir, was passiert ist?“, fragte der Drachenreiter, seine Stimme noch beruhigender und einfühlsamer als sie es normalerweise schon war. Als sie weder eine Antwort gab, noch irgendwie reagierte, versuchte er es erneut. „Araya? Haben diese Kerle dir irgendetwas getan? Ich schwöre dir, sie werden zur Rechenschaft gezogen werden!“ Sie spürte an seinen Bewegungen, dass er sich zu ihr herabbeugte, um sie besser zu sehen und zu hören, doch sie schüttelte nur den Kopf.

Was zugleich Antwort, als auch der Beginn ihrer ersten Worte war. „Keine weiteren Toten“, murmelte sie schwach und Arayas Schulter zuckten von den kleinen unterdrückten Schluchzern, die ihren Körper schüttelten, als sie das verhängnisvolle Wort aussprach. Durch Murtaghs Körper ging ein Ruck, als er ihre Worte verarbeitet hatte, dann fragte er: „Wer ist gestorben?“

Er klang ein wenig schuldbewusst, was Araya kurz verwirrte, doch dann glaubte sie, er fühle sich nur schlecht, sie darauf anzusprechen. Wieder konnte sie nur den Kopf schütteln, als ihr Körper anscheinend wieder genügend Kraft hatte, die Luft unregelmäßig aus ihren Lungen zu pressen. Murtagh wartete geduldig, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, doch er kam nicht dazu, erneut etwas zu fragen, da Araya ihm zuvor kam.

Murderer“, flüsterte sie in seine Kleidung und sackte dann ein wenig in sich zusammen. Ihre Hände krallten sich in den weichen Stoff von Murtaghs Hemd, als sie sich ein wenig von ihm entfernte, um ihrer Stimme besseres Gehör zu verschaffen. Obwohl die Flüssigkeit ihre Wangen immer noch hinunterrann, holte sie so gut und tief Luft wie sie konnte und schrie dann mit ihrer verbleibenden Kraft: „Murderer!

Araya spürte Murtagh unter ihren Worte erstarren, dann packten sie Hände an den Oberarmen und entfernten sie ein wenig von dem warmen Körper vor ihr, sodass er ihr ins Gesicht schauen konnte. „Was bedeutet das?“, fragte er mit einer ungewohnten Dringlichkeit in der Stimme und sah ihr fest in die Augen, doch Araya konnte nur den Kopf schütteln. Worauf ein weiteres Schütteln folgte, jedoch erfasste dies ihren ganzen Körper. Murtagh hatte sie leicht gerüttelt.

„Araya, das ist kein Spiel. Was bedeutet das?“ Sie senkte den Blick und murmelte undeutlich: „Ich weiß es nicht.“ Daran, wie Murtagh empört die Luft durch seine Nase ausstieß, erkannte sie, dass er ihr nicht glaubte. „Du sagst doch keine Worte, dessen Bedeutung du nicht kennst!“, verlangte er zu wissen und drängte sie so zu einer Antwort.

„Nur in deiner Sprache nicht“, hielt Araya sich kurz, doch Murtagh verstand, was sie meinte. Daran, wie seine Hände sich leicht von ihren Oberarmen lösten, konnte sie erraten, dass er wohl gedankenversunken darüber nachdachte, wie er die Bedeutung ihrer Worte trotzdem erfahren konnte. „Beschreib es mir.“ Als ihn nur ein verständnisloser Blick traf, lächelte Murtagh sie erleichtert an und fügte hinzu: „Die Bedeutung des Wortes.“

Wahrscheinlich war er erleichtert, dass sie ihn angesehen hatte, und vielleicht war genau seine ehrliche Sorge um sie der Grund dafür, dass sie ihm antwortete und sich nicht in sich zurückzog. „Der Mann, der für Salihas Tod verantwortlich ist!“, zischte sie, ohne Murtagh dabei direkt anzusehen. Sie wollte sein Gesicht nicht sehen, wenn ihm klar wurde, wer gestorben war. Der Hass und die Wut, die nun in Araya aufbrandeten, schafften es sogar, ihre Tränen zurückzudrängen. Sie versiegten endlich.

Als die Flüssigkeit langsam trocknete, spannte sie auf ihren Wangen. Murtagh hatte nichts weiter gesagt. Doch dann ergriff er wieder das Wort: „Du meinst Mörder. Ist Saliha eines gewaltsamen Todes gestorben.“ Seine Stimme klang betroffen – vielleicht fühlte er mit ihr –, doch Araya wurde das Gefühl nicht los, dass seine erstickte Stimmlage auch eigene Gefühle preisgab. Während sie nickte, fragte sie Murtagh schon, ohne überhaupt darüber nachzudenken, das, was ihr in den Kopf schoss.

„Wie heißt das?“ Araya sah auf und in sein Gesicht. Er sah angeschlagener aus, als sie gedacht hätte. Murtagh hatte Saliha nie wirklich leiden können, es wunderte sie, so offensichtlich ehrliche Betroffenheit und Trauer zu erkennen. Und wieder diesen Ausdruck, den sie schon vor zwei Tagen nicht hatte deuten können. Wie immer sah er sie dabei an. „Mord“, antwortete der Drachenreiter schließlich.

Nun hatte sie einen Namen für das Geschehene. Sie senkte den Kopf und sah auf ihre eigenen Hände, die sich in den Saum ihres Kleides gegraben hatten. Araya versuchte, ruhig zu atmen, um sich zu sammeln, sich auf die Folgen dessen, was sie nun tun würde, vorzubereiten. „Murder – Mord. Murderer – Mörder.“ Dann nahm sie einen tiefen Atemzug – hoffentlich ihr letzter.

Araya warf den Kopf und den Nacken und ließ ihrer Wut freien Lauf: „Murderer! Mörder!!“ Sie holte wieder Luft, um das gesagte zu wiederholen, doch Murtagh Hand nahm ihr den Atem. Er verschloss ihr damit den Mund und warf sich regelrecht auf sie. Allein mit seinem Körpergewicht nagelte er sie an den Boden fest. „Bist du vollkommen verrückt geworden? Willst du dich umbringen oder warum schimpfst du Galbatorix einen Mörder?!“, rief Murtagh ihr aufgebracht ins Gesicht und sie meinte einen kurzen Augenblick, Angst in seinen Augen zu erkennen. Doch dann war der Ausdruck verschwunden und er starrte sie wütend an.

Doch ihre eigene Wut stand seiner in nichts nach und gab ihr Kraft. Mit aller Gewalt, die sie aufbringen konnte, bäumte sie sich unter ihm auf und schlug seine Hand von ihrem Mund. „Sie hat dir nichts getan. Sie war ein gutes Mädchen! Sie war nett zu mir, obwohl ich … obwohl ich …“ Araya bemerkte kaum, dass sie den Mund zu einem erneuten Schluchzer verzerrte. Erst, als Murtaghs Gewicht von ihr wich, entglitt ihr die aufgestaute Luft, die dieses Mal trocken ihre Kehle passierte. Vielleicht hatte sie einfach keine Tränen mehr. Hatte alle geweint, die ein Mensch in seinem Leben weinen konnte.

Gerade, als sie sich auf die Seite drehte, um sich wieder in eine sitzende Position zu begeben, durchbrach Murtagh die entstandene Stille mit vier einfachen Worten, die seinen Mund so schwerfällig verließen, als wolle er sie niemals aussprechen. Und als Araya ihren Kopf zu ihm herumwarf, sah sie genau diesen Gesichtsausdruck, den sie schon zuvor bemerkt hatte, wenn er sie ansah. Nun konnte sie ihm ein Gefühl zuordnen.

„Es ist meine Schuld.“



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