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Was wäre wenn...

von

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Kapitel 16

Kapitel 16
 

Mein Mund stand offen. Etwas weiter oben in meinem Gesicht drohten meine Augen gerade direkt aus ihren Höhlen zu fallen. Mein Hirn hatte derweil beschlossen, auf Kurzurlaub zu gehen, daher auch mein überaus intelligenter Gesichtsausdruck. Alles in allem muss meine körperliche Verfassung (stockender Atem, Versteinerung, etc.) Steve beunruhigt haben, den als ich nicht auf meinen Namen reagierte, schubste er mich an der Schulter an.
 

Nicht, dass es große Auswirkungen gehabt hätte: Ich schwankte nur ein wenig, um dann wieder in meine Ausgangsposition zurückzukehren. Aber ich hatte auch alles Recht dazu. Ich meine, dieser Anblick war schlicht irgendwie... seltsam.
 

Steve und ich waren von dem zukünftigen Moor direkt in die Richtung gewandert, in der ich den Tempel des Grotesken wusste, also in die Berge. Wie lange genau ich damals mit Harkat und Spits gebraucht hatte, um den Tempel zu erreichen wusste ich nicht mehr. Deshalb war ich umso erstaunter, als Steve und ich ungefähr knapp zwei Wochen später einem Pfad über den Hang eines Berges folgten und... sich plötzlich dieser Anblick vor uns auftat.
 

Unter uns breitete sich eine Stadt aus, die sich den gegenüberliegenden Hang hinaufwand. Nicht besonders groß, aber auch nicht klein, augenscheinlich verlassen. Die Stadt an sich wäre ja nichts allzu besonders gewesen, es gab schließlich sicher auch noch andere Städte in den Bergen, aber es war die erste Stadt, die wir auf unserer gesamten Reise gesehen hatten. Und am oberen Rand dieser Stadt befand sich ein großes, weißes Gebäude, dass von hier aus gesehen gut und gerne der Tempel sein konnte.
 

Steve brauchte noch ein paar Minuten, um mich wieder aus meiner Starre zu lösen.
 

„Endlich! Noch ein bisschen länger, und dein Gesicht wäre in der Position eingefroren.“ Steves Hand wedelte noch immer vehement vor meinem Gesicht hin und her, auch als ich schon längst geblinzelt und einen Schritt zurück gemacht hatte.
 

„Aber, da ist eine Stadt!“, rief ich ein wenig einfältig. Offensichtlich musste mein Hirn erst noch seine Koffer wieder auspacken.
 

„Ja, Darren, eine Stadt, genau.“ Steves Tonfall glich dem, den Eltern für ihren kleinen Kinder verwendeten. „Aber ich bin sicher, dass wir dort ein paar nützliche Dinge finden können. Was meinst du?“
 

Mein Nicken war Bestätigung genug.
 

***
 

Sobald wir die Stadt erreicht und uns eines der besser erhaltenen Häuser als ‚Hauptquartier’ ausgesucht hatten, teilten Steve und ich uns auf, um die Stadt zu erkunden und alles einzusammeln, was uns auch nur im Entferntesten nützlich erschien. Ich sah Steve nach, bis er um eine Häuserecke verschwand. Viel lieber wäre ich mit ihm gegangen, aber das war schlicht unproduktiv bei dieser Größe der Stadt.
 

Sie war wirklich verlassen. Und zwar so verlassen, als wären die Menschen, die hier gelebt hatten, von einer Sekunde auf die andere geflüchtet. Auf manchen Küchentischen standen noch die benutzten Teller, auch wenn das Essen sich inzwischen verflüchtigt oder wieder lebendig aus seinem Behältnis gewandert war. Ein paar Jahre früher hätte ich dabei wohl noch zusehen können.
 

Auch ehemalige Kleidung, die aus den Schränken herausquollen, und andere Dinge, die aus Stoff oder Leder bestanden, waren inzwischen nichts weiter als ein Haufen zerrissener Lumpen. Schade eigentlich. Es wäre schön gewesen mal wieder ein paar Kleider anzuziehen, die ich nicht schon seit Wochen trug.
 

Meine Ausbeute an scharfen Messern jedoch war recht groß. Die Familien schienen keinen Wert darauf gelegt zu haben, ihr Besteck und ihre Hackmesser auf die Flucht mitzunehmen. Ich fand auch ein paar Pistolen und Gewehre, aber da ich diese nach dem Vampirkodex sowieso nicht benutzen durfte...
 

In den Kellern fand ich einige Konserven, natürlich alle schon Jahre über dem Verfallsdatum. Aber ich öffnete eine mit einem kleinen Schnitt mit meinem Fingernagel und der Inhalt schien durchaus noch essbar. Das schrie förmlich nach einem Festmahl heute Abend, dass nicht ausschließlich aus frisch gejagtem Fleisch bestand.
 

Je näher ich dem Zentrum der Kleinstadt kam, desto größer wurde das Chaos in den Häusern. Auch die Schäden an Dächern und den Hauswänden würden zunehmend beachtlicher. Von vielen Scheiben waren nur noch Splitter übrig, die leeren Fenster schmückten noch einzelne Scherben. Die Straßenlaternen waren umgeknickt oder ganz aus ihrer Verankerung gerissen, genau wie die Ampeln und die vereinzelten Bäume an den Straßenrändern. Alles in allem sah es so aus, als wäre eine mittelgroße Bombe hier eingeschlagen, wäre nicht der Asphalt seltsam unbeschädigt gewesen, minus an den Stellen, an denen die Natur langsam ihren Weg zurück in die Stadt fand.
 

Im exakten Zentrum der Stadt war ein mit Pflastersteinen bedeckter Platz, in dessen Mitte ein großes Gebäude stand. Und wäre dieses Gebäude einer Kirche nicht absolut unähnlich, dann hätte es die Ausmaße einer Kathedrale gehabt. Es überragte die umliegenden Häuser um einige Stockwerke. Die Konstruktion bestand im Wesentlichen aus Metall und weitläufigen, verspiegelten Glasfronten, auch wenn diese große, ausgefranste Löcher aufwiesen. Das Logo über dem nicht mehr vorhandenen Eingangsportal war mir nicht bekannt, aber das war auch nicht weiter schwer.
 

Hier und um den Platz herum war die Zerstörung am massivsten. Es gab kaum Häuser mit einer intakten Außenwand, manche hatten noch nicht einmal die Hälfte ihres Dachs. Alles wies darauf hin, dass das Metall- und Glasgebäude das Zentrum war, nicht nur in der geografischen Hinsicht.
 

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich fühlte mich, als würde ich beobachtet werden. Steve war es nicht, ich kannte das Gefühl seiner Anwesenheit. Nein, etwas anderes... Mit einem Ruck drehte ich mir um. Die Straße, aus der ich gekommen war, war leer. Ebenso die Fenster der Häuser und die Türen. Nichts.
 

Eine Bewegung in meinem linken Augenwinkel ließ mich meinen Kopf drehen. Etwas Rotes verschwand in einer kleinen Seitengasse. Ein Vampyr?! Doch als ich in der Gasse ankam war auch dort nichts zu sehen. Nur ein kleiner Fetzen roten Stoffes, der immer wieder mit dem Wind hin und her wehte... Erleichtert atmete ich aus. Den Schatten über mir sah ich nicht.
 

Im Laufe der Zeit, die ich in der Stadt herumirrte, war ich immer neugieriger geworden. Was war hier passiert? Die einfachste Möglichkeit, dies herauszufinden, schien mir in der Erkundung des Gebäudes in der Mitte des Platzes zu liegen.
 

Zu meiner Enttäuschung war der Eingangsbereich gähnend leer, nur das Rezeptionspult stand noch in der Nähe des Eingangs. Auch in den oberen Stockwerken fand sich nichts außer ein paar leeren Aktenschränken, wenigen Schreibtischen und aufgequollenem Parkett. Ein Bürotrakt, aber das half mir auch nicht weiter.
 

Erst als ich den Eingang in die ganzen acht (!) Untergeschosse fand wurde es interessant. In der ganzen Stadt hatte es keine Spur von Menschen gegeben, außer den Überbleibseln ihrer Wohnstätten. Ich hatte zumindest ein paar Leichen, oder eher Skelette, vermutet, nach dem grad der Zerstörung, aber ich hatte keine gesehen. Hier unten jedoch... Hier stieß ich immer wieder auf welche, manche mit zerschmetterten Knochen, andere vollkommen unversehrt. Die meisten fand ich in der Nähe von Wänden, die mit roher Gewalt zerschmettert worden zu sein schienen. Aber auch hier gab es sonst nichts Nennenswertes zu sehen. Jemand hatte hier gründlich aufgeräumt.
 

Das einzige, dass mich davon abhielt, die Erkundung einfach aufzugeben, war das leichte Flackern der Lampen. Es gab Strom! Das war das erste Mal seit Monaten, dass wir auf Elektrizität stießen, die funktionierte. Das Lager hatte einen eigenen Generator gehabt, aber auch diesen hatten sie nur für Notfälle verwendet.
 

Im ungefähr dritten Untergeschoss stieß ich auf das erste Labor. Natürlich war auch dieses verlassen und leer, aber immerhin gab es Aufschluss darüber, was der Sinn dieses Gebäudes gewesen war. Eine Forschungsstation mitten in den Bergen. Je tiefer ich ging, auf desto mehr und größere Laborräume traf ich. Aber auch diese waren leer und verlassen (nur um es nochmal gesagt zu haben).
 

Die ersten Geräusche hörte ich im siebten Kellergeschoss. Leises Klicken auf dem harten Fußboden, manchmal ein schleifendes Geräusch, Klappern. Alles sehr dezent und mein Gehör sagte mir, dass es auch noch weiter entfernt war.
 

Ein paar Minuten später drückte ich mich neben einer der vielen Öffnungen an die Wand und schielte um die Ecke. Kleine, blasse Gestalten huschten auf dem dort liegenden Gang hin und her, manchmal mit Kisten oder anderen Gegenständen, von denen ich keine Ahnung hatte was es war, in der Hand. Ihr Ziel schien ein bestimmtes Labor schräg gegenüber von der Position zu sein, auf der ich mich gerade befand. Hier waren sie also, die Wächter des Blutes...
 

Eine große Glasscheibe erlaubte es mir, einen Blick auf das zu werfen, was sie in dem Labor taten. In der Mitte des Raums stand ein durchsichtiger Behälter, ungefähr so hoch wie ich es war, gefüllt mit einer rosafarbenen Flüssigkeit. Ein kleiner Körper schwamm darin, kleiner noch als die Wächter, zusammengerollt wie ein Kind im Bauch seiner Mutter. So etwas Ähnliches schien es auch zu sein, denn ein Schlauch (?) führte von der Wand des Gefäßes in den Körper des Wesens. Es bewegte sich nicht, nur die Wächter wuselten um das Behältnis herum. Sie schienen das, was sie dort... ausbrüteten, zu versorgen, wie auch immer sie das taten.
 

Ich löste mich von der Wand und wollte gerade einen Schritt in den Gang tun, als sich eine schwere Hand auf meine Schulter legte. Reflexartig fuhr ich herum, sofort kampfbereit, nur um in das fette Grinsen eines ebenso fetten Mannes im Tweedanzug zu starren. Mr. Tiny!
 

„Hallo, mein Sohn.“ Sogar seine Stimme klang so heiter und gleichzeitig beunruhigend wie immer.
 

„Ich sehe, du hast endlich deinen Weg hierher gefunden. Du hast länger gebraucht als erwartet, aber das hast du ja schon immer.“ Eine kurze Stilleblase entstand. Die knochige Hand Mr. Tinys lag noch immer auf meiner Schulter und hinderte mich erfolgreich daran, meine unwilligen Beine von ihm weg zu bewegen. Aber mein ‚Vater’ hatte schon immer die Angewohnheit gehabt, Leute vor Schock einfrieren zu lassen.
 

„Ein bisschen sauer bin ich immer noch auf dich, Sohn, dafür, dass du meine schönen Pläne mit den Vampiren und den Vampyren zunichte gemacht hast. Aber wie du siehst haben meine neuen Pläne genauso gut funktioniert.“ Der Atem stockte in meiner Kehle.
 

„Was für Pläne?“, war das einzige, was ich hervorkrächzen konnte.
 

„Aber, aber Darren! Hast du nicht gesehen, wie schön die Erde jetzt aussieht?“, tadelte er mich mit einem noch breiteren Grinsen, dass seine Zähne gefletscht wirken ließ.
 

„Ich habe meine Schöpfung der Nacht immer für die effektivere gehalten, aber die Menschen waren fast noch besser! Ein kleiner Schubs hier und ein bisschen Überredungskunst da und alles lief wie am Schnürchen. Oder hast du etwa gedacht, deine Trotzaktion damals würde die Erde retten?“ Er machte eine Wirkungspause. „Kleiner Darren, sei nicht so anmaßend. Du hast den Untergang vielleicht ein klein wenig herausgezögert, aber mehr auch nicht.“
 

„Nein...! Das kann doch nicht sein...!“
 

„Sei nicht so schockiert. Du bist der Sohn des Schicksals: mein Sohn. Niemand kann das Schiksal aufhalten.“ Endlich nahm Mr. Tiny seine Hand von meiner Schulter und tätschelte ein paar Mal meinen Kopf. Dann griff er meinen Arm am Ellenbogen, wandte sich um, und ging den Gang entlang, weg von dem Labor, mich hinterher ziehend. Dabei spracht er weiter in seiner Singsang-Stimme.
 

„Die Menschen waren wesentlich leichter zu lenken als deine Art es jemals war. Ein bisschen Starthilfe, sonst musste ich nicht viel tun. Sie haben ihren Planeten von ganz alleine zugrunde gerichtet in ihrer Gier nach Macht und Reichtum. Natürlich gab es immer wieder Stimmen, die etwas dagegen tun wollten, aber sie sind bald untergegangen oder... verschwunden.“ Inzwischen befanden wir uns im untersten Stockwerk und Mr. Tiny hatte mich losgelassen. Aus den Gängen vor uns glimmt das Licht in einer anderen Schattierung als auf den anderen Etagen, einen Tick heller und gleichzeitig irgendwie schärfer.
 

„Hier unten haben die Menschen ihren eigenen Untergang besiegelt. Sie haben Wesen geschaffen in ihrer Gier, ihrem Wahn,...“ Ein kurzes Kichern und alle Haare auf meinem Körper stellten sich auf. „Die sie nicht kontrollieren konnten und die intelligenter waren als sie selbst. Du kannst es dir denken, oder, mein Sohn?“
 

„Die Drachen...“, konnte ich nur flüstern.
 

„Genau, die Drachen. Sind es nicht beeindruckende Geschöpfe? Sie haben es geschafft, innerhalb von Jahren eine Dynastie zusammenbrechen zu lassen, die in der Steinzeit vor ungefähr 3 Millionen Jahren begann und die fast genauso lange seine Vorherrschaft behalten hat.“
 

Wir bogen um eine Ecke und vor uns tat sich ein breiter Gang auf, in dessen entfernter Wand viele Glasscheiben montiert waren. Und jede einzelne der Scheiben gab die Sicht frei auf eine mit diesem seltsamen Licht beleuchtete Zelle. Es war wie in einer Menagerie des Abnormalen und Widernatürlichen, wahrhaftig würdig einer Freakshow. Außer, dass bärtige Damen und knochige Männer oder solche mit zwei Mägen dagegen wie putzige Leute wirkten.
 

In den Zellen waren Wesen, die es nicht geben sollte, mit zu vielen Gelenken oder Gliedmaßen an den falschen Stellen, mehreren Köpfen oder verzerrten menschlichen Gesichtern.... Sie alle waren schlicht... grotesk. Die Drachen waren dagegen schon tauglich für einen Schönheitswettbewerb. Das Grotesk befand sich auch in einer der Zellen, nicht so groß, wie es einmal sein würde, aber beweglicher, und das Gift, dass es bei meinem Anblick gegen seine Zellenscheibe spuckte hinterließ einen breite Furche in dem Glas.
 

In diesem Moment fragte ich mich, ob die Fantasie eines einzelnen Mannes dazu ausreichte, sich so viele Deformationen auszudenken, oder ob Mr. Tiny tatsächlich einen Bruder haben könnte. (‚Lord Loss’ schoss es mir durch das Hirn, aber der Name verschwand, so schnell er gekommen war.) Aber das liebevolle Grinsen, das Mr. Tiny den Kreaturen zuwarf, sagte deutlich, dass das hier allein sein Werk war.
 

„Warum tun Sie das?“ sagte ich leise, ohne den Blick von den Zellen abzuwenden.
 

„Kannst du dir das nicht denken, kleiner Darren? Weil es Spaß macht natürlich! Nichts ist interessanter als das Chaos und wer mag schon Langeweile?“ Der kleine Mann seufzte. Dann drehte er sich schon fast tänzelnd zu mir herum, die Geste sehr seltsam anmutend.
 

„Aber leider sind auch mir Grenzen gesetzt, deshalb muss ich dich jetzt gehen lassen, auch wenn ich sicher noch viel Spaß mit dir haben könnte. Die Wächter würden sich sicher über ein neues Subjekt freuen.“ Seufzen.
 

„Du hast deine Sache gut gemacht bis jetzt, kleiner Darren. Um diese Stadt hier werde ich mich kümmern, aber deine Aufgabe ist noch nicht beendet.“ Das Grinsen Mr. Tinys wurde einen Tick breiter, gerade so viel, dass es bedrohlich war. „Es wird mir sicher genauso viel Spaß bereiten, euch weiter zu beobachten, Sohn.“
 

Ohne weitere Worte drehte er sich um und verschwand, ohne mir Gelegenheit zu lassen, etwas zu erwidern.
 

***
 

Ich wälzte mich auf den Stoffteilen aus denen unser ‚Bett’ bestand herum und versuchte eine Position zu finden, in der ich einschlafen können würde. Das versuchte ich schon seit Stunden, aber es wollte einfach nicht klappen. Der Mond war inzwischen wieder am Untergehen, die Sterne verblassten langsam. Man konnte die Gedanken gut wandern lassen, wenn man den Himmel beobachtete, auch wenn man es durch eine Lücke in dem Dach über einem tat.
 

Als ich aus den Kellergewölben heraus und zurück zu Steves und meinem Treffpunkt zurückgekehrt war, hatte Steve schon freudestrahlend auch mich gewartet. Vor ihm lag ein großer Haufen Konservendosen aller Art, daneben ein nicht minder großer Metalltopf, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Weiter hinten stapelten sich Aststücke und Zweige an einer Wand und warteten darauf, zu einem Lagerfeuer umgeschichtet zu werden. Falls es hier noch Menschen gegeben hätte, dann wäre ihnen bei dem Anblick eines Kochfeuers mitten auf der Straße sicher die Kinnlade heruntergefallen.
 

Das Essen selbst war eins der besten, die ich seit Wochen gehabt hatte. Es war abwechslungsreich! Das und Steves gut gelauntes Geplapper und seine Anschmiegsamkeit schafften es trotzdem nicht ganz, meine Gedanken von dem Gespräch mit Mr. Tiny wegzuholen. Zu sehr beschäftigte mich, was der alte Bast- Herr gesagt hatte. Ich gab mir nicht die Schuld daran, dass die Erde jetzt so war wie sie war. Aber bis jetzt war ich der Meinung gewesen, dass mein Tod zumindest etwas bewirkt hatte. Was nicht der Fall war. Und das traf mich dann doch irgendwo. Nur ändern konnte ich es nicht. Die Zeit, in der in etwas hätte ändern können, die Zeit, als ich die Prophezeiung noch hätte beeinflussen hätte können, war vorbei, gestorben.
 

Ich drehte mich erneut um, sodass ich mein Gesicht in Steves inzwischen langen Haaren vergraben konnte. Es roch gut, nach Steve eben. Und weich war es auch. Beruhigend.
 

Morgen würden wir weiterziehen, weg aus der Stadt, über die Berge auf die andere Seite (der Tunnel war noch in Bau), weg von Mr. Tiny, weg von diesen Gedanken und zurück zum See der Seelen. Und von dort zum Berg der Vampire.
 

***
 

Wir kamen nicht so schnell voran, wie sonst. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen mussten wir, je näher wir dem Lager kamen, auch vorsichtiger sein. Wir wussten schließlich nicht, was nach unserer Flucht dort geschehen war und wie man uns empfangen würde. Zum anderen hatten Steves Albträume, die in den letzten Wochen fast vollständig aufgehört hatten, wieder begonnen. Steve selbst schien das nicht allzu viel auszumachen, aber ich wurde täglich ein wenig müder, weil ich Nachts oft wach wurde. Es war auch bald wieder Zeit für mich, wieder einmal Blut zu trinken, auch wenn es scheinbar nur mir so ging.
 

Tatsächlich stießen wir auf einen Menschen, aber der trug weder die lagertypische Kleidung noch hatte er irgendwelche Ausrüstung dabei und nach einer gewissen Zeit der Beobachtung, in der nichts auch nur entfernt seltsames geschah, nahmen Steve und ich Kontakt auf. Er war ein netter, junger Mensch. Sein Name war Luis und er war auf der Jagd gewesen, aber leer ausgegangen. Steve und ich hatte nie Probleme mit dem Jagen gehabt, also saßen wir am Abend zu dritt um ein Feuer und aßen von unseren Vorräten. Und ein paar Stunden später, als er endlich schlief, zapfte ich ihn an. Ein leckerer Zeitgenosse^^. Nichts desto trotz trennten sich unsere Wege in Laufe des nächsten Tages, als wir die Berge verließen.
 

Im Nachhinein hätten wir uns diese Reise eigentlich sparen können, denn je näher wir dem See kamen, desto dichter wurde der Rauch, und als wir schließlich die Lichtung betraten, war vom Lager schon nichts als Asche übrig...



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