Zum Inhalt der Seite

Heimliche Liebe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Kapitel

Heimliche Liebe
 

Kanon schlenderte gemütlich durch den Wald Richtung Stadt. Dort spielte er jeden Tag ein paar Stunden Gitarre um etwas Geld für sich und seine Mutter aufzutreiben. Der Wind raschelte durch die Bäume und die Vögel zwitscherten. Es war ein sehr warmer Tag. Deswegen entschied sich Kanon noch kurz einen Abstecher zu dem kleinen See zu machen, der nicht weit entfernt war. Als er dort ankam, legte er seine Gitarre ins Gras und erfrischte sein Gesicht. Danach ließ er sich ins Gras fallen, legte die Arme unter den Kopf und blickte verträumt zum Himmel. Einige Minuten war er völlig reglos. Doch plötzlich sah er aus den Augenwinkeln eine Bewegung und zuckte zusammen. Er hob seinen schwarz-blonden Schopf und spähte in die Richtung, aus der die Bewegung kam. Erschrocken fuhr er hoch als er erkannte, dass es sich um einen Jungen handelte. Dieser saß auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken gegen einen Baum. Um näheres zu erkennen, war er zu weit weg. Sofort rannte Kanon auf ihn zu und blieb nur einen Meter vor ihm stehen. Er musterte den fremden Jungen eingehend. Er war blond, langhaarig und, wie er feststellen musste, ziemlich gut aussehend. Seine Haut war sehr blass. Er mutete fast wie eine Puppe an. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, in der Kanon in dessen Gesicht blickte. Als er sich dabei ertappte, wie er ihn anstarrte, schüttelte er nur den Kopf. Dabei fiel sein Blick auf dessen linkes Bein. Ungläubig riss Kanon die Augen auf. „Ach du Scheiße! Du blutest ja.“, brachte er nur gepresst heraus. Mit einem Schritt verkürzte er die Distanz zwischen sich und dem Blonden und hockte sich hin. Der Junge hatte seine Augen geschlossen und Kanon dachte, er wäre bewusstlos, als er jedoch vorsichtig seine Hand nach der Verletzung ausstreckte und das Bein nur sanft berührte, gab der andere einen wimmernden Laut von sich und spannte seinen Körper an. Kanon zog sofort seine Hand zurück und überlegte kurz, was er machen sollte. Ihm fiel nur eine Möglichkeit ein. Er erhob sich, rannte zu dem Platz, wo er seine Gitarre hingelegt hatte, sammelte diese ein und beeilte sich zu dem Jungen zurückzukommen. Dort hängte er sich die Gitarre mit dem Trageband um, nahm eine Hand des Blonden, der sein Gesicht vor Schmerzen verzog, als Kanon ihn auf die Beine stellte. Damit er nicht wieder umfiel, nahm Kanon dessen rechten Arm und legte ihn sich um die Schulter und hielt ihn fest. Seinen anderen Arm legte er dem Jungen um die Hüfte, um ihn zu stützen. So schnell wie es mit dem Verletzten ging, eilte er nach Hause.
 

Erst am nächsten Tag öffnete der blonde Junge seine Augen. Mit fragendem Blick sah er sich in dem kleinen Zimmer um. Er lag auf einem Bett. Man hatte ihm eine dünne Decke über den Körper gelegt. In dem Raum standen außer dem Bett nur noch ein Schrank und ein kleiner Tisch. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und tauchte das Zimmer in ein schwaches Licht. Sein Blick schweifte weiter als er plötzlich an einem schwarz-blonden Schopf hängen blieb. Er stützte sich auf die Ellbogen um dann aufzustehen. Durch die plötzliche Bewegung fing sein linkes Bein an zu schmerzen. Er kniff die Augen zu und biss die Zähne zusammen um nicht laut aufzuschreien. Als er die Augen wieder aufmachte, sah er in das lächelnde Gesicht des anderen. Dieser hockte am Fußende des Bettes und schaute ihn mit seinen braunen Augen an.
 

Kanon stand auf und ging um das Bett herum und blieb direkt neben dem anderen stehen. Er hielt ihm eine Hand hin und sagte fröhlich: „Hallo, ich bin Kanon. Ich hab schon gedacht, du schläfst heute auch noch durch.“ Zuerst zögerte der andere, schüttelte Kanon aber dann doch kurz die Hand. „Mein Name ist Bou. Wo bin ich hier denn?“ Kanons Lächeln verschwand. „Ich hab dich gestern verletzt im Wald gefunden und sofort hierher, zu mir nach Hause, gebracht. Meine Mutter hat dein Bein verbunden. Du solltest es aber die nächsten Tage schonen, deshalb hab ich gestern noch Krücken für dich besorgt.“ Er zeigte mit einer Hand neben Bou. Dieser drehte seinen blonden Schopf in die Richtung. „Danke, dass du mir geholfen hast.“ Kanon bog seine Mundwinkel nach oben. „Keine Ursache. Aber was ist eigentlich passiert?“ Bou entgleisten bei dieser Frage sämtliche Gesichtszüge. Er zog die Augenbrauen zusammen und starrte auf seine Hände. „Das kann ich dir nicht sagen. Es geht dich nichts an.“ Kanon hob entschuldigend die Hände. „Ist okay. Es war ja nur eine Frage. Ich war bloß neugierig.“ Ein Lächeln stahl sich auf Bous Lippen.
 

An diesem Tag zeigte Kanon Bou ein wenig die Gegend, bevor beide in die Stadt gingen. Kanon spielte dort wieder Gitarre während sein neuer Freund ihm dabei zusah und –hörte. Die Melodien waren mal traurig, mal fröhlich, doch immer mitreißend schön. Die Leute, die an ihnen vorbei liefen, warfen Geld in einen Behälter, den Bou in den Händen hielt. Am Ende des Tages hatten sie einiges zusammen. Auf dem Rückweg sagte Kanon: „Sag mal, kannst du singen?“ Bou sah ihn verblüfft an. Er zögerte ein bisschen bevor er antwortete: „Ähm…ja. Wieso fragst du?“ Der andere grinste ihn breit an. „Na ja, ich dachte mir, wenn du zu meinen Liedern singst, würden uns die Leute vielleicht noch mehr Geld geben.“ Sein Grinsen wurde breiter. Bou dachte darüber nach und Falten durchzogen sein Gesicht. Kurz darauf glättete sich seine Haut jedoch wieder und er stimmte zu. Dann zogen sich Bous Augenbrauen zusammen und er fragte skeptisch: „Hast du denn überhaupt Texte dazu, die ich dann singen könnte?“ Kanon lächelte immer noch und nickte eifrig. „Aber klar hab ich die. Zu jeder neuen Melodie schreibe ich einen Text. Da ich aber selbst nicht singen kann, hatte ich bisher noch keine Verwendung dafür.“ Bou sah ihn nur mit großen Augen an.
 

Als sie zu Hause ankamen, erzählte Kanon seiner Mutter von seinem Einfall. Sie freute sich für ihn, da er nun nicht mehr alleine musizieren musste. Nach dem Abendessen verzogen sich die Jungs in Kanons Zimmer. Bou ließ sich erschöpft auf das Bett fallen. Ihm fiel eine Veränderung in dem Raum auf. Es lag eine zusätzliche Matratze mit Kopfkissen und einer Decke auf dem Boden. Er sollte also mit Kanon in einem Zimmer schlafen. Er hatte ein mulmiges Gefühl bei der Vorstellung. Doch genau in dem Moment setzte sich Kanon neben ihn und er wollte sich nichts anmerken lassen. Sein Freund hielt einen Stapel Blätter in den Händen. Es waren dessen Kompositionen und Texte. „Wollen wir schon mal anfangen mit üben? Dann bist du morgen vielleicht schon für eins oder zwei Lieder startklar.“ Bou zuckte mit den Schultern und gab als Antwort: „Von mir aus. Ich hab nichts dagegen.“ Er lächelte ihn zaghaft an und nahm dem anderen die Texte aus der Hand. Kanon schnappte sich seine Gitarre und fing an zu spielen. Es war ein heiteres Lied, das Bous trübe Gedanken an die bevorstehende Nacht verscheuchten. Kanon war von dessen Stimme überwältigt. Als nächstes kam ein trauriger Song, mit dem er testen wollte, ob der Blonde auch damit zurecht kam. Er war besser, als Kanon gedacht hatte. Bous Stimme klang herzzerreißend. Der kleine Gitarrist sah immer wieder zu ihm. Die Art, wie der andere sang, zog ihn regelrecht in seinen Bann.
 

In der Nacht wurde Bou von Albträumen geplagt. Bei einem dieser Träume verkrampfte er sich so sehr, dass er schweißgebadet aufwachte. Sein Blick traf auf Kanons, der ihn verwirrt und zugleich neugierig betrachtete. „Also wenn du immer so unruhig schläfst, werde ich demnächst wohl am Tag schlafen müssen, da ich in der Nacht kein Auge zubekomme.“ Erschrocken riss Bou die Augen auf, als ihn bei Kanons Worten die Erkenntnis traf, dass dieser wohl schon länger munter war. Ohne zu zögern sprang er auf und stürzte sich auf Kanon. Den Schmerz in seinem linken Bein beachtete er gar nicht. Er setzte sich auf Kanons Beine und drückte dessen Arme auf das Bett, sodass er sich nicht wehren konnte. Doch dieser war viel zu perplex um auch nur daran zu denken, sich zu wehren und Bou von sich zu stoßen. „Wie viel hast du mitbekommen?“ Kanon merkte an dem Tonfall des Blonden, dass es keinen Sinn hatte zu lügen. Also entschied er sich für die Wahrheit: „Ich hab alles mitbekommen.“ „Es ist besser, wenn du alles vergisst, was du gehört hast!“ Kanon sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Hättest du mir das jetzt nicht gesagt, hätte ich es als normalen Albtraum abgestempelt, aber jetzt ist auch mir klar, dass da irgendwas dran sein muss.“, zischte er. „Wie gesagt, es ist besser für dich, wenn du es vergisst!“, funkelte der Blonde ihn böse an. Kanons Augen verengten sich zu dünnen Schlitzen. Bou zuckte daraufhin kurz zurück und gab die Arme des anderen frei. Dies war jedoch ein Fehler gewesen, denn Kanon legte seine Hände auf Bous Brust und schubste ihn von sich. Er knallte mit einem dumpfen Geräusch neben dem Bett auf seinen Hintern. Bou presste stockend die Luft aus seiner Lunge vor Schmerz. Der war schnell vergessen, als Kanon ihn plötzlich anfuhr: „Was zum Teufel ist eigentlich dein Problem? Du gibst komische Geräusche von dir und sprichst im Schlaf und hinterher sagst du mir, ich solle es vergessen! Ja was denn bitteschön? Ich hab doch überhaupt keine Ahnung, was du geträumt hast! Ich kenne die Zusammenhänge doch gar nicht! Und du wirst sie mir auch nicht verraten! Also lass den Scheiß! Ich werde es nicht vergessen, aber wenn du es nicht willst, werde ich kein Wort darüber verlieren. Das ist alles, was ich dir versprechen kann.“ Bou biss sich auf die Unterlippe und sah betreten zu Boden. Er wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte, außer: „Würde ich es dir erzählen, hättest du ein anderes Bild von mir. Und das will ich nicht.“ Den Rest flüsterte er nur noch. Er wusste, dass Kanon Recht hatte.
 

Den Rest des Tages sprachen sie nur das Nötigste miteinander. Einerseits fand das Kanon gar nicht mal so schlimm, denn so konnte sich seine Wut wieder legen. Andererseits schmerzte es ihn, dass Bou ihn größtenteils ignorierte und ihn keines Blickes würdigte. Er hingegen sah immer wieder zu ihm. Vor allem als sie zusammen in der Stadt auf dem Markt saßen und ihre Lieder spielten. Bei dem traurigen Song war Bous herzzerreißende Stimme und das leidende Gesicht, das er dazu machte, fast mehr als Kanon ertragen konnte. Doch da musste er durch, ob er wollte oder nicht. Er selbst war es schließlich gewesen, der Bou darum gebeten hatte zu seinen Melodien zu singen. Seine Wut auf den Sänger war schon seit den ersten Tönen verflogen. Das Geschehen der letzten Nacht ließ ihn aber nicht los. Kanon hatte zwar versprochen, niemandem davon zu erzählen, aber er machte sich trotzdem seine Gedanken. Er wollte unbedingt wissen, was Bou für ein Geheimnis hatte, doch würde der Blonde es ihm wahrscheinlich nie erzählen.
 

Kanon war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht mitbekam, dass Bou völlig ruhig und reglos neben ihm saß. Er hob seinen Kopf und sah zu ihm. Bous Gesicht hatte einen leidenden Ausdruck. Als er Kanons Blick auf sich spürte, brachte er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. Außerdem stand plötzlich ein fremder Mann vor ihnen. Dessen Augen waren völlig auf Bou fixiert, der sich total verkrampfte. Kanon bekam das mit und musterte den Fremden. Er war ziemlich groß, schwarzhaarig und in seinem Blick lag eine Begierde, die Kanon sich nicht erklären konnte. Er sah wie ein normaler Geschäftsmann aus und trug einen schwarzen Anzug. Es war also nichts Ungewöhnliches an ihm zu erkennen. Nur sein Blick unter dem Bou immer kleiner zu werden schien. Anscheinend kannte er diesen Mann. Der Fremde verbeugte sich kurz vor ihnen und sagte dann: „Schönen guten Tag, ihr beiden. Mein Name ist Aiji Kiryu. Ich habe euch beide spielen hören und es hat mir ehrlich gesagt sehr gefallen. Mein Herr führt in fünf Tagen einen Wettbewerb durch, bei dem alle ‚Straßenkünstler’ teilnehmen können. Er würde sich bestimmt sehr über euer Erscheinen freuen. Es beginnt dann 13.00 Uhr genau hier. Überlegt es euch. Auf Wiedersehen.“ Er schenkte Bou noch einen Blick und ein anzügliches Lächeln, das Kanon nicht mitbekam, machte dann auf dem Absatz kehrt und verschwand so schnell wie er gekommen war. Einige Minuten saßen die Jungs schweigend da. Kanon war der Erste, der seine Stimme wieder fand. Er wandte sich an den Blonden und fragte: „Was meinst du? Sollen wir da hin gehen?“ Doch Bou rührte sich nicht. Er zögerte, wusste nicht, wie er antworten sollte. „Wenn du willst, können wir mitmachen.“ Die Gleichgültigkeit, die in seiner Stimme mitschwang, versetzte Kanon einen Stich. Er hatte etwas mehr Begeisterung erwartet, schließlich versetzte sich sein Kumpel sehr gut in die Text hinein. Um ihn nicht wieder anzufahren und sich seiner Wut hinzugeben, die gerade wieder in ihm hochkochte, stand er auf und machte sich auf den Heimweg, nicht darauf achtend, ob der Andere ihm folgte. Als er jedoch einen leisen Fluch hinter sich hörte, da Bou über eine Wurzel gestolpert war und eine seiner Krücken fallengelassen hatte, wusste er, dass er nicht alleine war.
 

Zu Hause angekommen flüchtete Kanon sofort in sein Zimmer. Seine Mutter stand in der Küchentür und sah ihm verwirrt hinterher. Sie fragte Bou, was mit ihrem Sohn los sei, aber dieser zuckte bloß mit den Schultern und folgte dem schwarz-blonden Gitarristen. Er machte leise die Tür auf und trat ein. Kanons Kopf schnellte herum und als er den Blonden sah, brüllte er ihn an: „Sag mal, kannst du mich nicht einmal alleine lassen?! Es kotzt mich echt an, dass du mir ständig auf der Pelle hängst!“ Bei dem letzten Satz fing sein Herz auf einmal an zu schmerzen. Er wusste nicht, warum, und er wusste genauso wenig, wieso er Bou am liebsten immer bei sich haben wollte, aber seine Anwesenheit jetzt nicht ertragen konnte. Es war wohl dessen Schweigen, das für ihn langsam unerträglich wurde, obwohl es erst einen Tag lang war, doch ihm kam es schon viel länger vor. Bou senkte den Kopf und flüsterte leise: „Ich dachte wir proben weiter, vor allem für den Wettkampf.“ Kanon machte einen verächtlichen Laut. „Sei ehrlich, du willst da doch überhaupt nicht hin.“ „Wenn du willst, komme ich mit.“ Kanon wurde durch diese Äußerung noch wütender. „Hast du denn keinen eigenen Willen? Sag mir doch, warum du dort nicht spielen willst. Es wird genau wie heute, nur dass es eben ein Wettkampf ist, wo viele Leute daran teilnehmen… Ist das vielleicht dein Problem?“ Bou schüttelte zaghaft mit dem Kopf. „Nein, das ist es nicht.“ „Was ist es dann?“ Kanons Stimme klang schon beinahe flehend. Der Sänger starrte auf seine Füße und gab keine Antwort. „Ja, versteh schon. Das ist wieder eine Sache, die du mir nicht erzählen kannst.“ Murrend setzte sich Kanon auf das Bett und nahm seine Gitarre in die Hand. Bou ließ sich vorsichtig neben ihm nieder, legte die Texte auf seinen Schoß und konzentrierte sich auf die Melodie, die ihm der Andere vorgab. Und wieder einmal versank er völlig darin und vergaß alles andere um sich herum. Doch als die letzten Klänge ihrer Probe verstummt waren, kamen all seine Sorgen zurück. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht mitbekam, dass Kanon den Raum verlassen hatte. Erst als dieser zurückkam und die Tür ins Schloss fallen ließ, blickte er auf. Der Schwarz-blonde hatte ein Tablett in der Hand auf dem zwei Schüsseln mit Reis standen. Die eine drückte er dem kleinen Sänger in die Hand und die andere nahm er. Nach dem essen legten sich beide schlafen. Aber auch diese Nacht verbrachte Kanon weitestgehend schlaflos.
 

Der folgende Tag verlief eigentlich genauso wie der vorherige. Beide schwiegen sich die ganze Zeit an. Für Kanon war dies kaum noch auszuhalten, aber er wusste nicht, über was er mit Bou reden sollte, ohne herauszufinden, dass dieser noch mehr Geheimnisse hatte. Der Blonde merkte, dass sein Kumpel sichtliche Probleme hatte sich zusammenzureißen und ihn nicht gegen die nächste Wand zu drücken und alles aus ihm rauszuholen, was er wissen wollte. Um es ihm erträglicher zu machen, blieb er nicht immer in seiner Nähe, sondern ließ ihn auch eine Weile alleine. Und genau da merkte Kanon, dass ihm das auch nicht so recht war, ihn nicht bei sich zu haben, denn dann war er mit seinen Gedanken alleine. Ihm wurde auch bewusst, warum es ihm so viel ausmachte, dass Bou etwas vor ihm verschwieg. Doch er konnte nicht fassen, dass ihm das passiert war und auch noch bei einem Jungen. Um das alles verarbeiten zu können, schrieb er einen neuen Song. Nachdem er damit fertig war, an dem Text saß und dabei ständig an Bou denken musste, musste er es sich einfach eingestehen. Er hatte sich in den kleinen blonden Sänger verliebt. Jedoch würde dieser seine Gefühle niemals erwidern, denn er ignorierte ihn ja förmlich. Allgemein war er recht distanziert und kalt zu ihm. Also war die Vorstellung, er könne sich Hoffnungen bei ihm machen, völlig sinnlos.

2. Kapitel

Vier Tage später fand dann der Wettkampf auf dem Marktplatz statt. Kanon hatte Bou davon überzeugen können den neuen Song mit ihm zu spielen. Dieser hatte, wider Kanons Erwartungen, nicht gezögert zuzustimmen, nachdem er den Text gelesen hatte. Das kam ihm etwas komisch vor, doch er wusste, dass er aus dem anderen nichts rausbekam, wenn der nicht wollte. Also sagte er nichts dazu. Es hatten sich viele Künstler eingefunden. Darunter Feuerspucker, Jongleure, Seiltänzer, aber auch andere Musiker. Kanon war ziemlich aufgeregt, aber er litt auch unter Schlafmangel. Selbst Bou war seine Nervosität anzumerken. Kurz bevor sie dran waren, war sie am Größten. Als sie dann jedoch endlich auf der „Bühne“ standen, die aus einer kleinen Erhöhung auf dem großen Platz bestand, hatten sie nur noch Spaß daran, dabei zu sein und ihr Können zu zeigen. Und zum Schluss geschah das, was die Jungs nicht für möglich gehalten hatten. Sie gewannen. Ihr Preis bestand aus 1000 Euro. Diesen sollten sie sich bei dem Veranstalter zu Hause abholen. Aiji Kiryu trat vor die beiden und musterte sie. Wieder mal blieb sein Blick an Bou am längsten hängen. Und wie letztes Mal erkannte Kanon die Begierde in dessen Augen und er fühlte doch tatsächlich Eifersucht. Bou schien unter den Blicken zusammenzusacken. Als Aiji dies sah, breitete sich ein triumphierendes Grinsen auf seinem Gesicht aus. Dann wurden seine Züge wieder hart und er sagte: „Ich freue mich für euch. Mein Herr erwartet euch bei sich. Ich werde euch zu ihm bringen. Folgt mir.“ Gehorsam setzten sich die beiden in Bewegung.
 

Aijis „Herr“ hieß Yuu Matsumoto. Er war ein älterer Mann, so in die 50, mit grauen Haaren. Er begrüßte die beiden sehr freundlich, doch auch sein Blick ruhte seltsam lange auf Bou, der diesem nicht lange standhielt und seinen Kopf senkte. Matsumoto übergab ihnen das Preisgeld und lud sie hinterher noch zum Abendessen ein und darauf, dass sie die Nacht in seinem Haus verbrachten, da es schon recht spät war. Sie willigten ein, obwohl Bou dabei ein sehr ungutes Gefühl hatte, aber er sagte nichts. Nach dem Essen wurden sie in ein Gästezimmer geführt. Dort standen ein großes Doppelbett, ein Kleiderschrank, eine Sitzecke und eine Minibar. Völlig erschöpft ließ sich Kanon auf das Bett fallen, während Bou deplaziert im Raum stand. Kanon sah verwirrt zu ihm und fragte: „Willst du etwa nicht schlafen?“ Doch er erwartete keine Antwort von dem Blonden, kroch mit voller Montur unter die Bettdecke und schloss die Augen. Wenig später schlief er tief und fest. Das hatte er auch dringend nötig, denn in den letzten Nächten hatte er durch Bous Albträume selbst kaum Schlaf gefunden. Dieser ging nun langsam auf das Bett zu und legte sich neben Kanon. Bevor er jedoch selbst die Lider schloss und versuchte zu schlafen, stützte er sich auf beide Arme und beugte sich zu Kanon bis seine Lippen ganz nah an dessen Ohr waren und er flüsterte: „Ich weiß, dass du so viele Fragen an mich hast, da ich dir eigentlich jeden Tag wieder neue aufwerfe und ich würde dir gerne alles erklären, damit du mich halbwegs kennst und verstehst, aber ich kann es nicht, egal wie sehr ich es will. Du würdest etwas völlig falsches von mir denken, denn mein Geheimnis würdest du mir niemals zutrauen, und das ist das, was ich am aller wenigsten will. Ich hoffe, du kannst mir das irgendwann verzeihen.“ Dann legte er sich dicht neben Kanon und fiel seit langer Zeit in einen ruhigen Schlaf.
 

Mitten in der Nacht wachte Kanon plötzlich auf. Die ganze Zeit hatte er im Unterbewusstsein etwas Warmes neben sich gespürt, das wohl Bou gewesen sein musste, doch als er neben sich tastete, war da nichts. Hastig schaltete er die kleine Stehleuchte neben dem Bett an und riss die Augen auf, als er sah, dass Bou nicht da war. Wo konnte er nur um diese Uhrzeit sein? Genau in dem Moment kam ihm ein Gedanke, der ihn vermuten ließ, was los war oder zumindest, wer an dem Verschwinden des Blonden Schuld war. Denn dieser hatte sich in Aijis Gegenwart immer merkwürdig verhalten. Soweit man das sagen konnte, denn sein Verhalten fand Kanon schon die ganze Zeit seltsam, aber diesmal war es schlimmer gewesen. Kanon stand auf und flitzte zur Tür, ehe er sie nur eine Sekunde später hinter sich zufallen ließ. Er suchte das gesamte Haus von Matsumoto ab, doch er fand Bou einfach nicht. Er wollte schon aufgeben, zurück ins Zimmer gehen und sich seinen wohlverdienten Schlaf holen, als er plötzlich an einer Tür vorbeikam, an deren Klinke ein Schild mit der Aufschrift “Keep out!” hing. Er drückte sein Ohr neugierig gegen das Holz um zu lauschen. Von drinnen hörte er einen lauten Knall und darauf folgte ein Schrei, den er kannte. Er war jede Nacht mehrmals gedämpft von Bou zu hören gewesen und er war sich hundertprozentig sicher, dass er auch diesmal von dem kleinen Sänger kam. Mit zitternder Hand griff er nach der Türklinke, drückte sie langsam runter und öffnete die Tür einen Spalt breit. Als er das Geschehen in dem Zimmer erblickte, stockte ihm der Atem und er schluckte trocken. Wieder waren der Knall und dann der Schrei zu hören und Kanon riss ungläubig die Augen auf. Ein leiser Schrei kroch seine Kehle hinauf und er hatte Glück, dass die beiden Personen in dem Zimmer ihn nicht gehört hatten. Eine kurze Weile beobachtete er das Ganze noch, bis er die Tür ganz aufriss und in den Raum trat.
 

„Hören Sie endlich auf damit!“ Erschrocken wandte sich Aiji zu ihm um und auch Bou hob seinen Kopf als er Kanons Stimme gehört hatte. Aiji trug eine schwarze Lederhose und ebensolche Handschuhe und dazu ein weißes Hemd. In der Hand hielt er eine kurze Peitsche, an der eine rote Flüssigkeit klebte. Dann wanderte sein Blick zu Bou. Mit schweren Stahlketten, die an seinen Handgelenken festgemacht waren, hing er von der Decke. Seine Füße berührten gerade so noch den Boden und seine Augen wurden von einer schwarzen Binde verdeckt. Er trug immer noch die blaue Jeans, doch das schwarze Shirt hing in Streifen von seinem Oberkörper und war blutverschmiert. Leise flüsterte Bou: „Kanon…“ „Was willst du hier?“, fragte Aiji mit strenger Stimme. Aber Kanon ging nicht darauf ein und fragte seinerseits: „Was machen Sie denn da? Merken Sie nicht, dass er darunter leidet?“ Ein dreckiges Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen aus. Er trat hinter Bou und sagte dicht neben dessen Ohr: „Du hast es ihm also noch gar nicht verraten.“ Der Blonde zuckte durch die plötzliche Nähe zusammen und als Aiji ihn umarmte und mit den Händen seine verletzte Brust berührte, wimmerte er. Aiji wandte sich wieder an Kanon, der seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Seine Lider waren bis auf einen kleinen Spalt geschlossen. „Weißt du, der Kleine hier steht nämlich auf Schmerzen.“ Er ließ den Satz so im Raum stehen und beobachtete Kanons Reaktion. Der riss nur die Augen auf und brachte ein kurzes „Was?!“ raus. „Ja, du hast mich richtig verstanden.“ Bou spannte seinen Körper an. Kanon hatte das Gefühl, dass der Blonde am liebsten im Erdboden versinken würde. >Das war also sein Geheimnis?! <, dachte sich Kanon. Doch zum Weiterdenken kam er nicht, denn da sprach Aiji auch schon weiter: „Er arbeitet eigentlich für meinen Herrn, dem der wohl angesagteste S/M-Club der Stadt gehört und genau dort hat Bou jede Nacht damit verbracht von den Kunden gezüchtigt zu werden. Es gibt bei uns gewisse Regeln zu beachten und eine davon hat er gebrochen. Es ist den Mitarbeitern des Clubs verboten, sich zu verlieben, aber genau das hat er getan. Er hat sich verliebt.“ Ganz sacht strich er mit seinen Fingern über die Striemen, die die Peitsche auf Bous Haut hinterlassen hatte, sodass dieser seinen Kopf in den Nacken sinken ließ und leise aufstöhnte. Kanon konnte bei dem Anblick kaum noch atmen. „Doch…wieso ist er überhaupt in den Club eingestiegen?“, brachte er mühsam hervor, den Blick starr auf den Blonden gerichtet. „Sein Vater hat seine Vorlieben entdeckt und ihn im Club angemeldet. Yuu Matsumoto hatte Gefallen an ihm gefunden und niemand würde sich ihm jemals widersetzen. Die Kunden ‚lieben’ Bou und er wurde schnell zu unserer Attraktion. Den Grund hast du vielleicht schon mitbekommen. Seine Stimme ist etwas Besonderes. Wenn er singt, zieht er damit wohl jeden in seinen Bann und vielen raubt er damit auch den Verstand.“ Kanon rang nach Fassung. Als er diese wiedererlangt hatte, sagte er vorwurfsvoll: „Aber es scheint ihm wehzutun.“ „Natürlich. Das ist ja der Sinn der ganzen Sache. Bou mag es zwar, Schmerzen zu spüren, aber auch das hat seine Grenzen und die überschreite ich gerade bei jedem Peitschenhieb. Das ist die Strafe dafür, dass er eine Regel missachtet hat. Eigentlich sollte er diese schon vor ein paar Tagen erhalten, aber er ist völlig ausgeflippt, als ich ihn mit einem Messer quälen wollte.“ „Daher also die Verletzung an seinem Bein?!“ „Genau. Die habe ich ihm zugefügt. Er konnte sich befreien und ist weggelaufen. Den Rest kennst du.“ Kanon nickte nur. Er war nicht fähig etwas zu sagen. Zuerst musste er alles verarbeiten, was er gerade über Bou erfahren hatte. Nun ergab für ihn alles einen Sinn: Bous Albträume, die Laute und Worte, die er im Schlaf von sich gegeben hatte und die vielen Situationen, in denen er auf seine Fragen keine Antworten gegeben hatte und schwieg. Bou hatte nie gewollt, dass er es erfährt und schon gar nicht so.
 

Als Aijis Lippen gerade Bous Ohr berühren wollten, klingelte plötzlich sein Handy und Kanon wurde durch den Ton aus seinen Gedanken gerissen. Aiji verließ mit Telefon am Ohr den Raum. Sofort rannte Kanon zu dem Blonden und nahm ihm die Binde ab, damit er in dessen Augen sehen konnte, doch Bou hatte seine Lider geschlossen. Er konnte dem anderen jetzt nicht in die Augen sehen. Er wollte nicht wissen, was er in ihnen zu sehen bekam. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen bis Kanon die Stille brach, die sich über die beiden gelegt hatte. „Ich hol dich hier raus. Weißt du wo sich der Schlüssel für die Ketten befindet?“ Bou nickte und sagte dann: „Er hat ihn in der Lederjacke, die dort drüben auf dem Sessel liegt.“ Kanon sah sich in dem Raum um und entdeckte den Sessel. Er lief auf ihn zu, kramte in der Jacke und als er den Schlüssel gefunden hatte, warf er sie achtlos auf den Boden. Wieder bei Bou stellte er sich ganz nah vor ihn, sodass er an dessen Handgelenke herankam. Sein Herz schlug durch die Nähe zu dem Blonden merklich schneller. Mit einem leisen Klicken öffneten sich die Schlösser und Bous Arme waren frei. Auf der Stelle machte er einen Schritt von Kanon weg. Die Augen hatte er immer noch geschlossen. Doch der Schwarz-blonde ließ ihn keinen weiteren Schritt machen, griff nach einer Hand des Sängers und zog ihn mit sich aus dem Raum. Er sah sich um, ob sie auch niemand beobachtete und verließ mit Bou so schnell wie möglich Matsumotos Haus.
 

Draußen war es kühler geworden und Bou zitterte. Kanon bekam dies mit, zog seine Jacke aus und legte sie dem anderen um die Schultern. Der nahm sie dankend an. „War doch gut, dass ich mir eine Jacke mitgenommen habe.“ Bou senkte den Kopf und flüsterte: „Danke, aber ist dir nicht kalt?“ Kanon sah zu ihm und sagte: „Im Gegensatz zu deinem, hängt mein Shirt nicht in Fetzen.“ Die Worte waren nicht hart, aber sie hatten trotzdem ihre Wirkung bei Bou, denn er verkrampfte sich. Das blieb nicht unbemerkt und der andere sagte schnell: „Entschuldige. Das hätte ich nicht sagen sollen. Mach dir keine Sorgen. Bis nach Hause werde ich schon nicht erfrieren. Komm, lass uns gehen.“ Bou kam dieser Aufforderung nach und folgte ihm.
 

Zu Hause angekommen setzte sich Kanon auf sein Bett und Bou stellte sich ans Fenster und sah zu seinem Kumpel. Schweigen breitete sich aus. Als es Bou nicht mehr aushielt, fragte er: „Und was hältst du nun von mir? Ich wollte nicht, dass du es so erfährst, weil ich Angst hatte, du könntest etwas Falsches von mir denken und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.“ „Das ist doch Unsinn, Bou. Warum sollte ich das tun? Ich respektiere deine Vorlieben, denn jeder Mensch hat doch Hobbys, egal wie krank sie für andere scheinen und du bist auch nicht der Einzige. Ich würde es nicht aushalten, dich nicht mehr bei mir zu haben. Schon das Schweigen zwischen uns war kaum zu ertragen. Ich denke nichts Schlechtes von dir. Das könnte ich einfach nicht, denn dafür liebe ich dich viel zu sehr.“ Bou riss erstaunt die Augen auf. „Was hast du gerade gesagt?“ „Dass ich dich liebe. Doch du wirst meine Gefühle wohl nicht erwidern, denn du hast dich bereits in jemanden verliebt, bevor wir uns kannten.“ Auf Bous Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Da liegst du falsch.“ Er stieß sich vom Fenster ab und lief auf Kanon zu, hockte sich vor ihn hin und sah in dessen braune Augen. In ihnen spiegelte sich Verwirrung wider. „Es stimmt schon, dass ich mich verliebt hab, aber nicht in irgendjemand, sondern in dich.“ Kanon sah ihn mit großen Augen an. „Wann?“ „Nicht erst in den letzten Tagen, sondern schon viel früher. Immer wenn ich im Club Pause hatte, hab ich mich rausgeschlichen und bin auf den Markt gegangen und am Tag hast du dort Gitarre gespielt. Und gleich beim ersten Mal hab ich mein Herz an dich verloren. Eines Tages ist mir Aiji hinterher geschlichen und hat es so rausbekommen.“ Eine Weile schwiegen sie wieder und ließen die Worte auf sich wirken. Bis Kanon das Schweigen brach. „Ich will nicht, dass du in den Club zurückgehst.“ „Ich glaub nicht, dass sie mich einfach so gehen lassen. Sie werden mich suchen, und wenn sie uns zusammen finden, weiß ich nicht, was sie dann tun werden.“ Bou senkte seinen Blick, doch nicht lange, denn Kanon legte ihm eine Hand unter das Kinn und hob sein Gesicht wieder an. „Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Das ist mir gerade völlig egal, solange zwischen uns alles klar ist. Und hab bitte keine Geheimnisse mehr vor mir.“ Bous Mundwinkel hoben sich zu einem seltenen Lächeln. Er nickte und sagte: „Ich verspreche es dir.“, bevor sich seine Lippen sanft auf Kanons legten.

3. Kapitel

Dieser wollte den Kuss schon erwidern, als ihm einfiel, dass die Wunden des anderen noch gar nicht versorgt waren. Also löste er den Kuss und sagte: „Warte mal kurz, Bou.“ Der sah ihn nur verwirrt an, fragte: „Wieso?“ und zog eine Schnute, bei deren Anblick sich der Schwarz-blonde ein leises Lachen nicht verkneifen konnte. Er wurde jedoch schnell wieder ernst. „Schau dich doch mal an. Wenn du das zerfetzte Shirt und das Blut am Körper nicht bald loswirst, saust du mir noch alles ein und wie erklären wir das dann meiner Mutter. Ich glaube kaum, dass du ihr die Wahrheit erzählen willst.“ Der Angesprochene zog die schmalen Augenbrauen zusammen. „Nein, ganz bestimmt nicht!“ Kanon grinste ihn breit an, verwies ihn ins Bad, während er Jod, Mull und Verbandszeug holte.
 

Bou tat, was man ihm gesagt hatte und verschwand ins Bad. Dort streifte er sich die Reste seines Oberteils vom Leib, warf sie auf den Boden und setzte sich dann auf den Wannenrand. Mit einer Hand hielt er sich am Rand fest, während er den Zeigefinger der anderen auf seine Lippen legte, immer noch nicht fassend, was er gerade getan hatte. Er hatte seinen Kumpel geküsst, für den er schon länger, als dieser ihn kannte, so viel empfand, und der mit seinem Geheimnis so umging, als wäre es das Normalste auf der Welt. Doch das Wichtigste für ihn war: Der Gitarrist erwiderte seine Gefühle, obwohl er sich ihm gegenüber in den letzten Tagen nicht gerade freundlich verhalten hatte. Im Gegenteil. Er war zwar in dessen Nähe gewesen, aber er hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Eine Frage stellte sich dem blonden Sänger aber noch: waren sie nun ein Paar? Was sprach schon dagegen? Sie liebten sich.
 

Er wurde aus seinen Gedankengängen gerissen, als er Kanons Stimme an seinem Ohr flüstern hörte: „Nicht träumen, Bou.“ Dieser schüttelte kurz den Kopf, bevor er leise erwiderte: „Tu ich doch gar nicht.“ Der Schwarz-blonde grinste breit, nahm sich die Flasche Jod und machte davon etwas auf einen Mulltupfer. Damit säuberte er die Wunden des anderen, indem er vorsichtig darüber strich. Der Blonde krallte sich am Wannenrand fest und biss die Zähne zusammen. Nachdem die Behandlung vorbei war, wurde ihm noch ein Verband angelegt. Kanon betrachtete sein „Kunstwerk“ noch mal, bevor er gespielt verwirrt fragte: „Ich hab gedacht, du stehst auf Schmerzen?!“ Bou sah ihn daraufhin grimmig an und antwortete: „Du weißt ja nicht, wie höllisch das wehtat!“ Er stand auf und lief zurück in Kanons Zimmer. Der Gitarrist klaubte die Shirtfetzen, den gebrauchten Mull und die Jodflasche zusammen, um es dorthin zubringen, wo es hingehörte. Unterwegs ließ er sich die Situation von eben durch den Kopf gehen. Er war dem kleinen Sänger noch nie so nah gewesen und er hatte gespürt, wie auch dessen Herz schneller geschlagen hatte. Ihm mussten seine Handlungen also doch auf irgendeine Weise gefallen haben.
 

Als er in seinem Zimmer war, saß Bou stumm auf seiner Matratze, die Decke um den Leib gewickelt. Die Knie hatte er eng an den Körper gezogen und die Arme darum geschlungen. Kanon setzte sich neben ihn und zog ihn an sich. Eine ganze Weile saßen sie schweigend da, bis Bou die Stille durchbrach. „Wirst du es deiner Mutter erzählen?“ Der Schwarz-blonde blickte fragend zu ihm. „Was meinst du?“ Bou hob seinen Kopf und drehte sich zu dem anderen, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Das mit uns.“ Kanon lächelte und sagte: „Das bekommt sie auch alleine heraus. Sie durchschaut so was immer sehr schnell. Würde ich es ihr jetzt sagen, würde sie wohl aus den Latschen kippen, doch wenn sie es selbst herausfindet, wird sie sich bestimmt richtig für uns freuen.“ „Sie wird also nichts dagegen haben?“ Kanon schüttelte bloß den Kopf, ehe er aufstand, den anderen ebenfalls auf die Füße stellte und sich mit ihm auf sein Bett verfrachtete. Er legte sich auf den Rücken und Bou sich neben ihn. Verspielt fuhr dieser mit seinen Fingern über Kanons Oberkörper, der immer noch durch ein Shirt verdeckt war, und sein Kopf lag auf dessen Schultern. Die Hand des Sängers wanderte vom Bauch hinauf zum Schlüsselbein und zurück bis zum Saum des Shirts. Dort schlüpfte sie darunter und als der Schwarz-blonde die kühlen Finger auf seiner Haut spürte, zuckte er kurz zusammen. Doch er entspannte sich schnell wieder als Bous Lippen seine Wange berührten und sacht darüber strichen, während seine Hand völlig ruhelos war. Der Gitarrist versuchte sich zurückzuhalten und sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, doch Bou merkte, dass es ihm viel Mühe kostete und er wollte ihm ein paar Laute der Lust abringen. Also stützte er sich auf einen Ellbogen, mit der Hand, die zuvor auf Kanons Oberkörper gelegen hatte, öffnete er dessen Hose und tauchte in die dunkle Panty. Kanon konnte sich ein Stöhnen nicht mehr verkneifen und machte seinen Mund auf. Sofort glitt Bous Zunge hinein und seine Lippen verschlossen die des anderen, sodass dessen Aufschrei nur gedämpft hervorkam. Der Kuss raubte Kanon völlig den Verstand, genau wie Bous Zunge, die sich gekonnt um seine wand. Gierig erwiderte er den Kuss, griff mit beiden Händen in den Schopf des Blonden und zog ihn näher an sich, um die Berührung noch zu vertiefen. Der keuchte erschrocken auf, begann aber gleichzeitig seine Hand um das Glied des anderen zu legen und dieses langsam zu massieren. Eine Hand löste sich aus Bous Haaren, strich über seinen Rücken und verwischte den Schweiß, der sich darauf gebildet hatte. Kanons Fingernägel hinterließen rote Kratzer auf der weißen Haut. Er hörte ein kurzes Wimmern des Blonden, bevor dieser ein leises „Mehr…“ gegen seine Lippen hauchte. Der Gitarrist stoppte in seiner Bewegung. Als ihm jedoch die Vorlieben seines Freundes wieder einfielen, grub er beinahe brutal seine Fingernägel in dessen Haut. Die Reaktion, die er bekam, war ein neuerliches Wimmern. Der Kuss der beiden wurde immer zügelloser und raubte beiden den Atem. Bou war der erste, der sich löste, jedoch mit den Zähnen nach Kanons Lippenpiercing schnappte und leicht daran zog, während sich seine Hand in dessen Schritt immer schneller bewegte. Er ließ von dem Piercing ab, koste mit den Lippen sanft über die Wange, weiter an dessen Hals bis zum Schlüsselbein. Dann löste er sich vollständig von Kanon, der ihn verwirrt anblickte, und pellte dessen Hose und Panty von seinen Beinen. Der begriff plötzlich, was der Sänger vorhatte und seine Hände fanden wie von selbst zu der Jeans des anderen, die schon eine eindeutige Beule aufwies, knöpfte sie auf und zerrte sie runter, ebenso die Unterhose. Danach zog er Bou völlig unvorbereitet auf sich, der aber sogleich Kanons Shirt in die Höhe schob und mit der Zunge über dessen Oberkörper fuhr. Die Hände des Schwarz-blonden wanderten über Bous Rücken, erhitzten den Körper noch mehr und blieben auf dem Po besitzergreifend liegen. Eine Hand ging jedoch weiter zu dem erregten Glied des anderen, dem ein Seufzen über die Lippen kroch, die sich nun einen Weg zu Kanons bahnten. Der wich jedoch aus und vergrub stattdessen seine Zähne in Bous Hals. Sanft leckte er danach über die Wunde. Sein Freund fragte heiser: „Was tust du da?“ „Ich zeige, dass du mir gehörst.“, lautete die Antwort. Dies stachelte den blonden Sänger so sehr an, dass er sich auf die Knie stützte, sich dann auf Kanons Glied sinken ließ und ihn völlig in sich aufnahm, um ihm zu zeigen, dass er ihm auch so gehörte. Beiden Jungs entwich dabei ein leises Stöhnen. Immer wieder hob Bou sein Becken, um sich dann erneut zu pfählen. Kanons Hände hielten ihn an den Hüften um ihn zu stützen, während die Hände des Sängers sein eigenes Glied in dem Rhythmus massierten, wie er sich auf den anderen stieß. Der Unterleib des Gitarristen begann nach einer Weile sich gegen Bou zu bewegen, der inzwischen immer ungehaltener wurde und laut aufstöhnte. „Kanon…“ Der Schwarz-blonde wusste nicht, wie oft er seinen Namen aus dem Mund des Kleinen auf sich gehört hatte, doch es erregte ihn noch mehr, bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte und alles in ihm zu explodieren schien, als er sich noch ein letztes mal kräftig gegen Bou stemmte, sodass diesem kurz die Luft zum Atmen genommen wurde. Um nicht laut aufzuschreien, biss er die Zähne zusammen und nur ein unterdrücktes Wimmern verließ seine Kehle. Seine Hände fielen schlaff von den Hüften des anderen. Als er dessen leisen Aufschrei hörte, wusste er, dass auch er gekommen war. Bou rollte sich erschöpft von Kanon, der ihn aber sofort wieder an sich zog, um dessen immer noch erhitzte Haut noch ein wenig länger zu spüren. Er verwob seine Finger mit denen des Blonden und so schliefen sie kurze Zeit später ein.

4. Kapitel

Kapitel 4
 

Kanon war der erste, der seine Augen wieder öffnete. Sein Blick ging zu der gegenüberliegenden Wand und der Uhr daran – es war bereits nach 14.00 Uhr – und wanderte dann zu der Person neben sich. Bou schlief noch friedlich. Einen Arm hatte er über den anderen gelegt. Ihm waren einige Haarsträhnen ins Gesicht gefallen, die ihm der Gitarrist aber wieder zurückstrich. Durch die Berührung wachte er jedoch auf und sah Kanon bei seinem verschlafenen Anblick grinsen. Der kleine Sänger zog die schmalen Augenbrauen zusammen und fragte: „Was gibt es denn zu grinsen?“ Kanon behielt seinen Gesichtsausdruck bei und gab bloß zurück: „Hast du heute schon mal in den Spiegel gesehen?“ „Haha. Das ist wirklich sehr komisch.“ Bou setzte sich wütend auf. Dabei biss er vor Schmerzen die Zähne zusammen. Sofort setzte sich auch Kanon auf und sah ihn besorgt an. „Was ist denn los?“ „Mir tut mein Hintern weh…“ Der Gitarrist riss erst die Augen auf, dann lachte er. „Das war letzte Nacht wohl etwas zu heftig?“, fragte er scherzhaft. Bou sah ihn daraufhin böse an. „Das war doch gar nichts. Hab schon schlimmeres erlebt. Du vergisst, wo ich gearbeitet hab. Es war bloß mein erstes Mal in dieser Art und mit diesem Ausgang.“ Dem anderen verging sein Lachen. Ihm war es nicht entgangen, dass der Blonde gesagt hatte, er hat in dem Club gearbeitet. Diese Tatsache stimmte ihn glücklich, denn damit zeigte er ihm, dass er nicht vorhatte dort weiter hinzugehen. Dann kam ihm aber noch ein anderer Gedanke. Bou hatte gesagt, es wäre sein erstes Mal gewesen. Kanon sah nachdenklich ins Leere. Der blonde Sänger streichelte ihm mit einer Hand über die Wange. Der andere zuckte kurz zusammen, schmiegte sich dann aber doch in die Berührung. Er nahm Bous Hand und hielt sie in seinen. Mit seinen Gedanken war er ganz weit weg und sein Freund wollte ihn auch nicht stören. Irgendwann hielt er es aber nicht mehr aus, nicht zu wissen, worüber der andere nachgrübelte. „Über was denkst du denn so angestrengt nach?“ Kanon drehte seinen Kopf zu ihm und sagte leise: „Es war also dein erstes Mal?! Das begreife ich nicht. Du hast doch bestimmt schon länger in dem Club gearbeitet.“ Auf Bous Zügen zeigte sich ein Lächeln. „Ich war fast ein Jahr dort. Den Kunden und Mitarbeitern ist es untersagt sich derart Befriedigung zu verschaffen. …deshalb konntest du mein Erster sein. Ansonsten wäre meine Jungfräulichkeit gleich in der ersten Nacht flöten gegangen, als Aiji mich für Matsumoto ‚ausprobiert’ hat.“ Bei dem letzten Teil schwang Ekel in seiner Stimme mit. Er erinnerte sich noch sehr genau an den Tag, als er allein in einem der Zimmer des Clubs gesessen hatte und mit singen anfing. Aiji hätte sich damals am liebsten sofort auf ihn gestürzt, völlig vergessend, dass er damit eine Regel gebrochen hätte. Bei dem Gedanken zitterte er am ganzen Körper. Der Schwarz-blonde hob die Decke, die sie heruntergeworfen hatten, vom Boden auf, legte sie ihm um den Leib und zog ihn danach auf seinen Schoß. Bou legte seinen Kopf auf Kanons Schulter und strich mit den Lippen über dessen Hals. Der Gitarrist hob das Gesicht des Blonden an und küsste ihn. Ohne zu zögern erwiderte er diesen und grub seine Hände in den schwarz-blonden Schopf. Kanon schlang seine Arme um den schmalen Körper, zog ihn noch näher an sich und vertiefte hungrig den Kuss. Bou stöhnte dadurch leise auf und hauchte Kanons Namen. Der flüsterte bloß: „Wenn du wieder so anfängst wie letzte Nacht, stürze ich mich gleich auf dich.“ Der Blonde lächelte und öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, ließ es jedoch als er Kanons Zunge an seiner spürte. Eine ganze Weile küssten sie sich so und bekamen nicht genug von dem anderen.
 

Plötzlich ging die Tür auf und Kanons Mutter trat ein. Erst sah sie ein wenig überrascht aus, dann hoben sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln. Sie räusperte sich kurz und sagte dann: „Eigentlich hatte ich vor euch zu wecken, aber wie ich sehe, seid ihr bereits putzmunter.“ Erschrocken lösten sich die Jungs voneinander und fuhren mit den Köpfen herum. Bou hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er Kanons Mutter lächeln sah. Sie war nicht böse oder geschockt wegen dem, was sie gesehen hatte, wobei das mehr als eindeutig gewesen war. Der Blonde meinte sogar Freude in dem Blick der Frau zu sehen und das stimmte ihn fröhlich. Damit war ihm klar, dass sie nichts gegen ihre Beziehung haben wird. Kanon blieb ganz locker. Er hatte sowieso gewusst, dass sie es irgendwann rausbekommt. Es wunderte zwar selbst ihn, dass es so schnell ging, aber das ließ er sich nicht anmerken. Stattdessen begrüßte er seine Mutter und sagt dann noch: „Wir ziehen uns schnell an und kommen dann in die Küche. Ich hab nämlich schon großen Hunger.“ Seine Mutter nickte und verließ dann das Zimmer.
 

Der Gitarrist drückte seinem Freund noch einen Kuss auf die Wange, um ihn aus seiner Starre zu holen und schob ihn dann sanft von sich. Er begann sich anzuziehen, während Bou reglos auf dem Bett saß. Sein Blick ging in weite Ferne. Er fragte sich, ob Aiji Matsumoto schon von der letzten Nacht berichtet hat, aber bestimmt schon. Warum sollte er es ihm auch verheimlichen? Außerdem fragte er sich, was Matsumoto nun mit ihm vorhatte, da er seine Strafe noch nicht vollständig hinter sich gebracht hatte. Und diesmal würde sie nicht nur ihn treffen, sondern auch Kanon. Er blickte verträumt zu dem Schwarz-blonden, der bereits dabei war seine wirren Haare zu bändigen. Kanons Frage holte ihn jedoch wieder in die Realität zurück. „Willst du heute etwa nackt auf den Markt gehen?“ (Einerseits störte ihn das überhaupt nicht, auf der anderen Seite schon, denn seiner Meinung nach sollte niemand mehr Bou so zu Gesicht bekommen außer ihm.) Bou runzelte die Stirn und fragte: „Hast du wirklich vor heute dort hinzugehen?“ Der andere legte seine Bürste weg, lief auf seinen Freund zu, stellte ihn auf die Füße und umarmte ihn. Leise flüsterte er an seinem Ohr: „Glaubst du, dass Aiji wieder auftaucht und dir was antun will, weil er letzte Nacht nicht damit fertig geworden ist?“ Der kleine Sänger nickte nur. „Das lasse ich nicht zu. Kein anderer wird dich mehr anrühren.“, versuchte Kanon ihn aufzumuntern. Wieder bekam er nur ein Nicken als Antwort und er löste sich von Bou. Dieser begann sich nun ebenfalls Klamotten anzuziehen und während er seine langen Haare bürstete, überredete er Kanon, dass er noch mal in seine Wohnung musste um seine Klamotten zu holen, da er schlecht immer nur die des anderen tragen konnte. Er stimmte zu und als Bou fertig war, gingen sie zusammen in die Küche.
 

Kanons Mutter beobachtete die beiden Jungs sehr genau um einzuschätzen, wie ernst es zwischen ihnen war. Am Ende kam sie zu dem Schluss, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht, dass einer der beiden dem anderen so schnell das Herz brechen könnte. Mit jeweils einer Hand aßen die zwei ihr Essen und mit der anderen hielten sie unterm Tisch Händchen. Auch als sie satt waren und Kanons Mutter bereits den Tisch wieder abräumte, blieben sie sitzen und unterhielten sich mit ihr. Sie wollte schließlich wissen, wie der Wettkampf gelaufen war. Den Teil bei Matsumoto ließen sie absichtlich aus. Zumindest die Übernachtung, denn selbst wenn sie gleich nach dem Abendessen bei ihm nach Hause gegangen wären, hätte sie das nicht mehr mitbekommen. Als sie mit erzählen fertig waren, fiel Kanon etwas ein. Er stieß die Hände auf die Tischplatte, sodass sich seine Mutter und Bou erschrocken zu ihm wandten. „Mist, ich habe meine Gitarre bei Matsumoto vergessen. Daran hab ich gar nicht mehr gedacht, als wir gegangen sind.“, sagte er aufgebracht. Doch seine Mutter versuchte ihn zu beruhigen: „Mach dir keine Sorgen. Ein netter, junger Mann hat sie heute Morgen vorbeigebracht.“ Beide Jungs rissen sofort die Augen auf. Bou war der erste, der seine Stimme wieder fand. „Könnten Sie ihn uns beschreiben?“ Kanons Mutter sah beide verwirrt an. „Ja natürlich. Er war ziemlich groß, schwarzhaarig, hatte einen schwarzen Anzug an und darunter ein weißes Hemd. Er machte auf mich einen sehr normalen Eindruck… Obwohl…“ Der Schwarz-blonde musterte sie prüfend. „Was war denn?“ „Na ja auf seinem Hemd waren rote Flecken. Ich hab ihn darauf nicht angesprochen. Es geht mich ja auch gar nichts an, aber normal achtet man doch darauf saubere Sachen zu tragen.“ „Eigentlich schon.“, antwortete Kanon. Bou stand ohne zu zögern auf und zerrte seinen Freund mit raus vor die Haustür.
 

„Weißt du, was das bedeutet?“, platzte es aus dem kleinen Blonden heraus, kaum dass sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Kanon wusste genau, worauf er hinaus wollte und sagte nur: „Natürlich weiß ich das. Er weiß, wo er uns finden kann.“ Eine Weile zögerte er, ehe er weitersprach, diesmal sichtlich aufgebracht: „Etwas anderes regt mich aber mehr auf als diese Tatsache. Diese Flecken auf seinem Hemd waren dein Blut. Der Typ hat sich noch nicht mal die Mühe gemacht, seine Klamotten zu wechseln und es scheint ihn nicht zu stören, dass er damit das Zeugnis deiner Qualen mit sich rumträgt.“ Bous Wut hatte sich schon fast wieder gelegt. Nun schritt er vorsichtig auf Kanon zu und legte ihm zur Beruhigung eine Hand auf die Wange. Kanons Atmung war immer noch hart, doch durch die Berührung des Sängers normalisierte sie sich langsam wieder. Einige Minuten standen sie einfach so da. Es dauerte ein wenig bis sich der Schwarz-blonde wieder völlig beruhigt hatte. Als Bou sich sicher war, dass sein Freund bei seinen nächsten Worten nicht gleich wieder ausrastet, traute er sich etwas zu sagen: „Es ist ihm tatsächlich egal. Er macht das sogar sehr gerne. Damit zeigt er, was er vollbracht hat. Ich kenne ihn nicht anders, deswegen rege ich mich schon gar nicht mehr darüber auf.“ Kanon wollte schon wieder aus der Haut fahren, doch er hielt sich Bou zuliebe zurück und sagte zwischen zusammengebissenen Zähnen: „Der Typ macht so was also gerne?! Der ist echt krank!“ Der Blonde sah betreten zu Boden. Auch er hatte seine Meinung dazu, die ihn mit einschloss und er äußerte sie auch: „Also meiner Meinung nach, sind alle krank, die in so einem Club arbeiten oder dort als Kunden hingehen.“ Der Schwarz-blonde runzelte die Stirn und widersprach sofort: „Du steckst dich selbst also auch zu den kranken Leuten?! Wenn ja, dann liegst du da völlig falsch. Dein Vater hat dich gezwungen dort zu arbeiten und du trägst keine Schuld daran.“ Kanon war wütend. Er konnte nicht verstehen, wie dessen eigener Vater ihn an so einen Club verkaufen konnte. Was hatte er auch schon davon? Der Gitarrist glaubte nicht, dass dieser das aus Nächstenliebe getan hatte, um seinem Sohn eine Freude damit zu bereiten. Irgendetwas anderes musste dahinter stecken. Bloß konnte er sich nicht vorstellen, was, und Bou zu fragen, traute er sich nicht. Wenn er überhaupt wusste, warum er dort war.
 

Plötzlich sprach Bou in die Stille hinein, die sich gebildet hatte. „Vielleicht hast du Recht und ich gehöre nicht zu den kranken Personen, aber bei einem liegst du falsch. Hätte mein Vater mein ‚Hobby’ nicht herausgefunden, hätte er das auch nicht getan. Ich hätte einfach besser aufpassen müssen.“ Kanon war sprachlos. Darauf wusste er nichts mehr zu sagen. Doch das musste er auch nicht. Er würde Bou in seiner Meinung sowieso nicht umstimmen können. Er gab sich selbst die Schuld an der Situation. Aber der Schwarz-blonde versuchte dem Ganzen etwas Gutes abzugewinnen. Ein gutgelauntes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, denn er hatte eine Idee, wie er Bou wieder aufmuntern konnte. „Überleg mal Bou…“, begann er. Der Blonde hob seinen Kopf und sah ihn wegen seinem, wie er fand, unpassenden Gesichtsausdruck skeptisch an. „Denk scharf nach. Wenn das alles nicht passiert wäre, wären wir uns wohl nie begegnet. Du würdest wahrscheinlich noch bei deinem Vater wohnen und irgendwas machen und ich wäre immer noch einsamer Straßenmusikant und Single.“ Der kleine Sänger ließ sich das durch den Kopf gehen und lächelte Kanon dann an. „Da hast du Recht.“ Kanon hatte es geschafft seinen Freund zum Lächeln zu bringen. Damit war er mit sich mehr als zufrieden. Die Tatsache, dass sie sich ohne das alles nicht kennen gelernt hätten, ließ Bou seine düsteren Gedanken vergessen. Ihre Beziehung war schließlich das einzige, das er nicht bereute.
 

Auf einmal klopfte ihm der Schwarz-blonde auf die Schulter, drehte ihm mit den Worten „Warte kurz hier“ den Rücken zu und verschwand im Haus. Dort schnappte er sich seine Gitarre und war auch schon wieder raus. Auf den verwirrten Gesichtsausdruck seiner Mutter achtete er nicht. Dann nahm er Bous Hand und zerrte ihn hinter sich her Richtung Stadt. Eigentlich hatte er irgendwelche Proteste des anderen erwartet, doch dieser sagte kein Wort. Er wollte ihn aber auch nicht darauf aufmerksam machen, wo sie nun hingingen und dass er vor einer guten Stunde noch dagegen protestiert hatte und behielt seinen Kommentar für sich.
 

Als sie in der Stadt ankamen, sahen sie schon von weitem, dass sich bereits viele Leute an ihrem Stammplatz eingefunden hatten. Seit dem gestrigen Tag hatten sie also Fans. Trotzdem kamen sie ungehindert durch die Menge. Kanon setzte sich wie immer auf die Rückenlehne der Bank, die genau gegenüber des Springbrunnens stand, der sich in der Mitte des Marktes befand. Direkt neben ihm machte es sich der blonde Sänger bequem. Auch er setzte sich auf die Lehne. Der Schwarz-blonde nahm seine Gitarre, stützte sie auf seinem Bein ab und begann zu spielen. Es war der Song, mit dem sie den Wettkampf gewonnen hatten. Am Ende des Liedes sah man durch die vielen Menschen kaum noch den Boden unter ihren Füßen. Nach ungefähr einer Stunde ohne Unterbrechung waren sie fertig und sie hatten auch einiges an Geld beisammen. Sie verabschiedeten sich kurz und zwängten sich dann durch die Massen. Manche der Umstehenden machten ein eigenartiges Gesicht, als Bou nach Kanons Hand griff. Dies tat er eigentlich nur, um nicht verloren zu gehen, doch durch die Berührung vergaß er, dass sie von so vielen dadurch angestarrt wurden.
 

Nachdem sie keine Zuschauer mehr um sich hatten, fühlte sich Bou plötzlich beobachtet und dies kam nicht von dem Knäuel Menschen, das hinter ihnen war und sich nun langsam auflöste. Sein Blick wanderte umher, bis er an einer schwarzgekleideten Person im Schatten eines großen Baumes hängen blieb. Er glaubte ein Lächeln auf dem Gesicht des Mannes zu erkennen und dazu ein eigenartiges Leuchten in den Augen. Bou blickte Aiji stur an und verstärkte dabei den Griff um Kanons Finger. Sofort wurden Aijis Augen aufmerksam und beobachteten jede Bewegung, die Bou machte. Kanon drehte den Kopf zu seinem Freund und sah ihn verwirrt an, als er merkte, dass er in eine ganz bestimmte Richtung schaute. Er fragte ihn leise: „Was ist denn los?“ Bou gab ihm darauf jedoch keine Antwort. In seinem Kopf schwirrten einfach zu viele Fragen herum, um auf irgendwas oder –jemand zu hören oder zu reagieren. Er hätte gerne gewusst, was Aiji hier wollte. Sollte er sie ausspionieren, damit sich Matsumoto einen passenden Plan für sie überlegen konnte, wie er sie am besten quälen konnte? Oder war er nur zum eigenen Spaß hier, um sich an den Reaktionen von ihm zu befriedigen, weil er immer noch zusammenzusacken schien, wenn er ihn und seinen stechenden Blick sah. Da der Gitarrist merkte, dass er wohl keine Antwort mehr erwarten durfte, sah er einfach in die gleiche Richtung. Als er den Mann sah, gefror ihm das Blut in den Adern. Er gestand sich ein, dass Bou wohl Recht gehabt hatte, als er heute Morgen gesagt hatte, dass Matsumoto ihn nicht einfach so gehen lassen würde. Aijis Auftauchen genau auf diesem Platz war Beweis genug dafür. Wieder dachte er an die Person, die, seiner Meinung nach, für all das verantwortlich war und mit genau dieser Person wollte er reden. Er würde Bou jedoch überreden müssen mitzukommen. Kanon brauchte ihn, da er nicht wusste, wo dessen Vater wohnte und außerdem wollte er diesem einmal vor Augen halten, was er seinem Sohn denn da eigentlich zumutete.
 

Der Schwarz-blonde wandte seinen Blick von Aiji ab und zog Bou hinter sich her, direkt zu dessen Wohnung. Den Weg dorthin hatte er erklärt bekommen, als sie in die Stadt gelaufen waren. Der kleine Sänger ließ es zu. Er wollte nur noch weg. Wollte sich diesen Blicken entziehen. Dies war schon seit Anfang an so gewesen. Einerseits zogen ihn Aijis Augen in den Bann und auf der anderen Seite wollte er sie nicht sehen, denn in ihnen stand allein die Begierde nach Bou. Nach dessen Körper und dem Spaß, den er seiner Meinung nach mit ihm haben könnte.
 

Wenige Minuten später standen sie dann vor der Wohnung. Bou holte den Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss auf. Gemeinsam gingen sie rein. Die Wohnung war nicht gerade groß. Sie bestand aus einem Wohnzimmer, in dem der Blonde auch zu schlafen schien, einer kleinen Küche und einem kleinen Bad. Verbunden wurden die Räume durch einen kurzen Flur. Kanon machte es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich, während sein Freund eine Reisetasche hervorkramte und dort das wichtigste drinnen verstaute. Darunter war auch eine silberne Kette mit einem wunderschönen Herzen als Anhänger, in dem auf der linken Seite kleine blaue Steine eingelassen waren. Sie schien einer Frau gehört zu haben. Bou hielt sie einige Zeit in der Hand und war dabei völlig reglos. Der Gitarrist beobachtete ihn stumm in dieser Zeit. Er wollte seine Gedanken nicht stören. Bis er fand, dass es Zeit war zu gehen, sich hinter seinen Freund stellte, ihn umarmte und fragte: „Gehörte diese Kette deiner Mutter?“ Bou zögerte seine Antwort ein wenig hinaus. Er wusste nicht, ob er es Kanon wirklich sagen sollte, wem diese Kette einmal gehört hatte. Dies zu erfahren würde ihm schlimmstenfalls vielleicht das Herz brechen. Also entschied er sich dafür Kanon anzulügen. Dieser Weg war immer noch besser, als ihn vielleicht zu verlieren. „Ja, sie gehörte meiner Mutter. Sie gab sie mir an ihrem Sterbebett.“ Kanon senkte den Kopf und flüsterte: „Das tut mir Leid.“ „Das muss es nicht. Sie ist gestorben, da war ich noch ganz klein.“ Bou löste sich aus der Umarmung, steckte den Schmuck ein und nahm seine Tasche.

5. Kapitel

Kapitel 5
 

Auf dem Weg nach Hause wollte der Schwarz-blonde dem Sänger von seiner Idee erzählen, dessen Vater einen Besuch abzustatten. Doch er wusste nicht, wie er es machen sollte, denn Bou würde nicht freiwillig mit ihm gehen um seinen Vater zu sehen. Innerlich verabscheute er ihn mehr als Matsumoto und Aiji. Und die beiden waren für Kanon schon nicht zu übertreffen. Er wollte sich nicht ausmalen, wie groß Bous Hass auf seinen Vater wirklich war. Solche starken negativen Gefühle konnte er dem Kleinen nicht zutrauen, aber sie waren da. Er hatte bereits seinen Zorn auf Aiji in seinen Augen gesehen, auch wenn Bou das sehr gut versteckte.
 

Kanon blieb stehen. Dies bemerkte Bou gar nicht und lief weiter. Erst als der andere etwas sagte, blieb er ebenfalls stehen und drehte sich zu ihm um. „Bou, ich will dir was sagen.“, fing Kanon an. „Was denn?“ Der Gitarrist spielte nervös mit seinen Fingern. Er hatte keine Idee, wie er es ihm schonend beibringen könnte. Er wählte den einfachsten aber auch zugleich riskantesten Weg. Er verriet es ihm ohne Umschweife: „Ich würde gern mal mit deinem Vater reden und ich möchte, dass du mitkommst.“ Der Blonde starrte seinen Freund wie vom Blitz getroffen an. Er verstand nicht, warum er das tun wollte. Was hatte er vor, dass er diesen Mann persönlich treffen wollte? Wusste Kanon nicht, dass er ihn nie wieder sehen wollte? Und nun bat er ihn darum, mit ihm zu gehen. Bou ballte die Hände zu Fäusten, sah erst zu Boden und dann voller Wut zu Kanon. Doch dieser wusste, dass sie nicht ihm galt. Er hätte sich denken können, dass er so reagierte. „Das werde ich nicht tun. Ich kann es nicht. Ich will diesem Menschen nie mehr unter die Augen treten, der mir so viel Leid und Schmerzen gebracht hat. Der mein Leben zerstört hat. Verstehst du es nicht? Ich verachte ihn mehr als du es dir vorstellen kannst. Wenn du zu ihm gehen willst, dann tu es allein. Ich werde nicht mitkommen.“
 

Bou liefen Tränen über das Gesicht. Sein Freund meinte Verzweiflung in seinen Augen zu sehen. Dann rannte er plötzlich weg. Kanon konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er zwischen den Bäumen verschwunden war. Er stand wie angewurzelt da, unschlüssig, ob er ihm hinterher laufen oder nach Hause gehen sollte, um dort darauf zu warten, dass sein Freund sich wieder beruhigte und zurückkam. Er wusste, dass er mit dieser Bitte einen Fehler begangen hatte. Bou würde wohl vieles für ihn tun, doch dies war eine Sache, wo er lieber sterben würde, als es zu machen.
 

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen – doch tatsächlich waren es nur wenige Minuten – ehe sich der Schwarz-blonde dafür entschied, dem Sänger zu folgen und selbst dafür zu sorgen, dass er sich wieder beruhigte. Er konnte sich denken, wo er ihn finden würde. Also ging er zielstrebig zu dem See im Wald. Und dort fand er ihn auch. An dem Ort, an dem sie sich das erste Mal getroffen hatten, an dem alles angefangen hatte.
 

Bou saß wie damals an den Baum gelehnt, die Beine an den Körper gezogen und den Kopf auf die Knie. Sein Blick war auf den See gerichtet, sodass er nicht mitbekam, dass Kanon leise auf ihn zukam. Er kniete sich wieder vor den Blonden und strich mit einer Hand über dessen Haar. Erst da merkte er, dass er nicht alleine war und sah zu dem Gitarristen und in seine braunen Augen. In ihnen sah er, dass sein Freund ihn um Verzeihung bitten wollte, aber auch, dass er das Gesagte ernst meinte. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich mit ihm gehen sollte. Die Entschuldigung würde er auf jeden Fall annehmen, aber das andere… Auf der einen Seite wollte er seinen Vater nie wieder sehen, aber auf der anderen Seite, wollte er auch nicht von Kanon getrennt sein. Nicht jetzt, nachdem er ihm endlich so nah war. Wochen lang hatte er ihn heimlich beobachtet und nur von einer Beziehung mit ihm geträumt, und jetzt wo es kein Traum mehr war, wollte er so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Das schloss jedoch mit ein, dass er seiner Bitte nachgab.
 

„Es tut mir so leid, Bou. Ich hätte dich nicht darum bitten dürfen. Das war falsch. Ich hoffe, du vergibst mir. Ich werde dich nicht darum anflehen mit mir mitzukommen. Es ist deine Entscheidung.“ Während Kanon dies sagte, sah er zu Boden. Er konnte Bou dabei nicht in die Augen sehen, da es ihm schwer fiel ihm freie Hand bei der Entscheidung zu geben. Er konnte sich denken, wie er antworten würde. Er würde wohl alleine gehen müssen. Doch gegen seine Erwartungen sagte er ihm nicht gleich ab, sondern fragte erst: „Warum willst du zu ihm und, dass ich mitkomme?“
 

Kanon erklärte ihm seine Beweggründe und der Sänger fand das Ganze recht logisch. Trotzdem wollte er etwas Bedenkzeit haben, die ihm der andere natürlich einräumte. Der Gitarrist setzte sich neben Bou. Schweigend verbrachten sie noch einige Zeit an dem See, bevor sie sich gegen Abend auf den Weg nach Hause machten. Dort angekommen erzählte der Schwarz-blonde seiner Mutter von der Reise, die er machen würde, ob nun mit oder ohne Bou. Wobei ihm Letzteres nicht sehr gefiel.
 

In Kanons Zimmer stellte sich Bou ans Fenster und sah hinaus, während sich der andere auf sein Bett setzte und auf seiner Gitarre eine traurige Melodie spielte. Bei dem Klang hielt es der Blonde nicht lange aus nur da zu stehen und zu schweigen. Sie zeigte ihm, wie es gerade in seinem Freund aussah, also drehte er sich zu ihm und sagte: „Kanon?“ Der Angesprochene blickte von seinem Instrument auf und zu ihm. Einige Sekunden vergingen, in denen sie sich einfach nur ansahen, ehe Bou weiter sprach: „Es kommt jetzt vielleicht plötzlich, aber ich werde morgen mit dir mitkommen. Es macht mich fertig dich so zusehen. Genauso wenn ich mir vorstelle, dass du mit meinem Vater alleine reden würdest.“ Erst riss Kanon erstaunt die Augen auf. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich Bou so schnell entscheiden würde, doch dann zeigte sich ein Lächeln auf seinen Zügen und er erwiderte: „Danke, dass du das für mich machen willst. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich das hätte alleine hinkriegen sollen.“ Auch Bou lächelte nun. Er hatte jedoch immer noch Bedenken wegen des morgigen Tages, aber er musste sich seinen Ängsten stellen und er war sich sicher, dass er sich seiner größten Furcht mit Hilfe von Kanon ungezwungener stellen konnte, als wenn er damit alleine wäre.
 

In der Nacht schliefen beide Jungs sehr schlecht, obwohl sie den Schlaf dringend nötig hatten und ihn nun vielleicht auch hätten nachholen können, da Bou in der letzten Nacht keine Albträume gehabt hatte, was die Beiden hoffen ließ, dass sie nun endgültig vorbei waren. Jedoch wurde er von anderen Träumen geplagt, in denen immer wieder sein Vater auftauchte und Kanon war einfach zu aufgeregt, um schlafen zu können. Deshalb kletterte er mitten in der Nacht aus seinem Bett und kroch mit unter Bous Decke. Dort konnte er ihn auch beruhigend in den Arm nehmen, wenn er wieder aus einem seiner Träume aufschreckte. Bou genoss es seinerseits seinen Freund so nah bei sich zu haben.
 

Am nächsten Morgen wachte Bou als Erster auf. Er spürte wie jemand einen Arm um ihn gelegt hatte. Also drehte er sich um und erblickte Kanon. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie der andere sich neben ihn gelegt hatte. Der blonde Sänger stand auf und stellte sich ans offene Fenster. Einige Minuten stand er dort und starrte hinaus. Langsam kehrte seine Erinnerung zurück. Er wusste nun wieder, was seine Träume beinhaltet hatten. Es waren Dinge über seinen Vater, die er versucht hatte zu verdrängen, doch jetzt, da er mit seinem Freund ihn besuchen wollte, kam alles wieder zurück. Bou hatte immer noch Bedenken darüber, was sie dort wollten, obwohl Kanon ihm alles erklärt hatte.
 

Plötzlich spürte er warmen Atem an seinem Hals. Bou fuhr erschrocken herum und sah in Kanon grinsendes Gesicht und musste selbst anfangen mit lächeln. Kanon konnte sich denken, warum der andere allein am Fenster stand und ihn nicht geweckt hatte. Prompt sprach er seine Vermutung auch aus: „Überlegst du immer noch, ob es richtig ist, mitzukommen?“ Ehe Bou antwortete, atmete er tief durch: „Ja schon, aber das ändert nichts an meiner Entscheidung von gestern Abend. Keine Angst, ich werde dich nicht versetzen.“ Durch diese Äußerung wurde Kanons Grinsen noch breiter. Genau diese Einstellung des Blonden liebte er so an ihm. Wenn er sich einmal für etwas entschieden hatte, blieb er dabei, egal wie viele Gedanken er sich noch darüber machte.
 

Einige Zeit standen sie noch schweigend vorm Fenster. Kanon hatte seine Arme um den schmalen Körper von Bou geschlungen und ihn an sich gedrückt. Jedoch konnten sie nicht lange so bleiben, auch wenn der Blonde die Nähe sehr genoss. Schließlich hatten sie heute noch was Wichtiges vor und vorher mussten sie sich noch stärken. Also zogen sich beide an, bürsteten sich die langen Haare und liefen dann gemeinsam in die Küche. Dort wartete bereits Kanons Mutter mit dem Frühstück auf die beiden. Der Schwarz-blonde sah ihr ihren Kummer sofort an. Sie versuchte ihn zu verbergen, schaffte es aber nicht. Sie hatte Angst, ihren Sohn gehen zu lassen, aber er war inzwischen alt genug dafür. Und um Bou hatte sie ebenfalls Angst, der für sie schon zur Familie gehörte. Von den beiden hatte sie nur erfahren, dass Bou seinen Vater nicht besonders mochte und deshalb in der Stadt gewohnt hatte.
 

Kanon erklärte seiner Mutter, dass sie nicht lange dort bleiben wollten, um sie ein wenig aufzuheitern. Und tatsächlich schaffte er es damit, sie wieder zum lächeln zu bringen. Sie war über diese Nachricht sehr erleichtert, denn außer ihm und seinem Freund hatte sie niemanden mehr. Ihr Mann hatte sie schon vor Jahren verlassen, um die Welt zu bereisen und sie hatte kaum Hoffnung, dass er wieder kommt, denn seit damals vor zwölf Jahren hatte sie noch keine Nachricht von ihm erhalten. Doch sie hatte ihren Sohn auch alleine groß bekommen und sein Vater wäre über dessen „Liebe“ bestimmt sehr wütend.
 

Bevor sie sich jedoch auf den Weg machten, wollte Kanon Bous Verband noch mal wechseln. Als der Blonde mit seinem Freund Hand in Hand in Richtung des Badezimmers ging, stieg ihm die Hitze ins Gesicht und er wurde rot. Nur zu gut konnte er sich an das letzte Mal erinnern, als er mit Kanon im Bad gewesen war und an das, was danach geschehen war. Er bereute es nicht, diesen Schritt so schnell gegangen zu sein. Denn wenn man mal von dem Anfang der Nacht absah, war diese die Schönste in seinem Leben gewesen. Nie hatte er eine Person so nah an sich heran gelassen. Und er wollte auch mit niemand anderem als Kanon so einen Moment teilen.
 

Im Bad angekommen, gab der Gitarrist seinem Freund kurz einen Kuss und holte dann einen neuen Verband. Der Blonde blieb allein zurück. Er setzte sich wieder auf den Wannenrand und stützte die Hände neben seinem Körper ab. Es war nicht gut, ihn allein zu lassen, denn dann hatten seine Ängste genug Gelegenheit ihn erneut zu quälen. Wenige Minuten später kam Kanon zurück. Bous Gesicht war auf den Boden gerichtet. Seine langen blonden Haare fielen ihm über die Schultern und verweigerten einen Blick auf seine Augen. Jedoch wusste der Schwarz-blonde auch so, dass der andere mit seinen Gedanken wieder weit weg war. Er hockte sich vor ihn und hob Bous Gesicht mit der rechten Hand an um ihm direkt in die Augen sehen zu können. In ihnen bemerkte er nicht nur Angst sondern auch Verzweiflung, so als ob er bereits ahnen würde, dass etwas Schreckliches passiert. Und das würde schließlich auch geschehen, wenn Kanon erfuhr, wem die Kette von Bou wirklich einmal gehörte und damit auch von wem er sie bekommen hatte.
 

Kanon legte ihm eine Hand auf die Wange, sah ihn kurz besorgt an und gab ihm dann einen zärtlichen Kuss, mit dem Bou in die Wirklichkeit zurückfand. Seine Augen waren aber trotzdem noch leer. Die Angst um Kanon ließ ihn nicht los. Er wollte ihn nicht verlieren. Wollte der Person, die ihn so liebte, wie er war, nicht das Herz brechen. Doch heute würde es wohl soweit sein. Psychisch bereitete sich Bou schon darauf vor, dass er Kanon nach diesem Tag vielleicht nie wieder unter die Augen treten soll. Einerseits war die Zeit mit dem Gitarristen das Schönste was ihm im Leben bisher passiert war und andererseits gab es dadurch soviel, das er falsch machen konnte.
 

Bous Freund nahm seine Hände von dessen Gesicht und machte sich stattdessen an seinem T-Shirt zu schaffen. Der kleine Sänger wehrte sich nicht, als Kanon es ihm über den Kopf zog und die Binde von seinem Oberkörper löste. Die Wunden heilten recht langsam, aber trotzdem brauchte er keine neue Kompresse auf die Verletzungen tun. Der Gitarrist war bereits dabei den neuen Verband zu nehmen und ihn Bou umzulegen, da griff der andere nach seinen Händen und legte sie auf die Striemen auf seiner Haut. Leise flüsterte er: „Ich will, dass du es dir noch einmal genau ansiehst und noch mal berührst. Ich will dich spüren, Kanon.“
 

Dieser sah ihn nur verwirrt an, sagte aber nichts. Er wurde aus Bous Verhalten nicht schlau. Also tat er, was ihm gesagt wurde, doch er überlegte immer noch, was das Ganze werden sollte. Hatte es sich Bou anders überlegt oder wollte er ihren Aufbruch bloß hinauszögern? Er wusste es nicht. Langsam strich er mit den Fingern über die Abschürfungen auf Bous Haut und sah ihm dabei unentwegt in die Augen. Ehe er reagieren konnte, zog ihn Bou näher an sich und stahl ihm hungrig einen Kuss. Kanon versuchte sich loszureißen, doch der Blonde verhinderte dies indem er seine Hände in dem schwarz-blonden Schopf vergrub und Kanon damit jede Bewegungsfreiheit nahm. In dem Kuss steckte alle Verzweiflung, die in Bou war und das machte Kanon Angst. Er wollte ihn fragen, was denn los sei, aber Bous Zunge an seiner ließ ihn die Frage und auch seine Gegenwehr vergessen. Nach endlosen Minuten löste sich Bou von Kanon und dieser rappelte sich wieder auf die Beine und blieb erst einmal völlig außer Atem stehen. Bou stand ebenfalls auf und drückte den anderen gegen die nächste Wand. Wieder küsste er ihn auf eine Weise, die Kanon eine Gänsehaut bescherte. Jedoch wehrte er sich nicht. Er gab den Widerstand gleich von Anfang an auf, denn er wusste, dass Bou ihn nicht gehen lassen würde. Die Hände des Sängers wanderten unter das Shirt des Schwarz-blonden. Sie fühlten sich kühl auf Kanons warmer Haut an und erneut lief ihm ein Schauder über den Rücken. Ganz langsam strichen die Finger über die Wirbelsäule und verweilten nach jedem Wirbel kurz auf der Stelle. Diese Gelassenheit nahm sich Bou auch bei seinen Küssen, die er Kanon auf Mund und Hals hauchte. Der Schwarz-blonde wollte sich völlig fallen und von seinem Freund verwöhnen lassen, doch als dessen Finger an Kanons Hose waren und Bou versuchte den Knopf zu öffnen, kehrte Kanons Verstand zurück. Er griff nach dessen Hände und hielt ihn davon ab, mit dem weiter zu machen, was er vorhatte.
 

Keuchend sagte Kanon: „Hör auf Bou! Dafür haben wir gerade keine Zeit. Wir müssen so schnell wie möglich los. Ich will das aus der Welt schaffen und dann kannst du von mir aus mit mir tun, was du willst. Aber im Moment steht das andere an erster Stelle.“ Unter anderen Umständen hätte das Bou beruhigt, aber er konnte sich nicht sicher sein, ob es danach noch ein „wir“ gab. Doch Kanon würde ihn, jetzt, wo er wusste, was er vorhatte, nicht noch mal so nah an sich heran lassen. Zumindest nicht, bis diese ganze Sache vorbei war. Kapitulierend setzte sich Bou wieder auf die Wanne und ließ sich von seinem Freund verbinden. Dabei sprachen sie kein Wort miteinander. Jeder hing seinen Gedanken nach.
 

Als Kanon fertig war, sah er Bou an, doch dieser wich den Blicken aus. Dadurch plagten den Schwarz-blonden leichte Schuldgefühle und er versuchte den anderen zu besänftigen: „Sei mir bitte nicht böse, Bou, aber versteh doch, es geht grad nicht. Ich will das hinter mich bringen, damit du wieder glücklich bist und vielleicht nicht mehr von Albträumen geplagt wirst. Ich will, dass es dir wieder gut geht. Aber dazu müssen wir jetzt aufbrechen.“ Bou nickte nur resignierend und zog sich sein T-Shirt an. Der Gitarrist verließ das Bad und sein Freund schlich ihm wortlos hinterher. Er wusste nicht, was er sagen sollte, um Kanon vielleicht doch noch umzustimmen. Außerdem hatte er sein Wort gegeben mitzugehen. Da hatte er zwar nicht mehr an die Kette gedacht, aber was er einmal versprochen hatte, musste er auch halten. Kanon verließ sich auf ihn.

6. Kapitel

So hier gibts jetzt als kleines Weihnachtsgeschenk die nächsten beiden Kapitel. Viel Spaß beim lesen. ^^
 

Kapitel 6
 

In Kanons Zimmer packten sie alles zusammen, was sie brauchten: Geld, ein paar Klamotten. Aus der Küche holten sie noch was zu essen, dann machten sie sich los. Der Bahnhof war nicht weit entfernt, jedoch mussten sie dort eine ganze Weile warten, da die Züge bloß alle zwei Stunden in die Richtung fuhren, wo sie hin mussten. Die Zeit verbrachten sie dort. Sie zog sich, denn beide wussten nichts zu sagen.
 

Eine Stunde später fuhr der Zug in den Bahnhof und beide stiegen ein. Unterwegs wurden sie von den übrigen Passagieren komisch angeschaut, denn Bou hatte den Kopf auf Kanons Schulter gelegt und schlief für die drei Stunden Zugfahrt, die ihnen bevorstanden. Zuerst dachten die meisten wohl, dass es sich bei Bou um ein hübsches Mädchen handelte, doch bei näherer Betrachtung bemerkten sie, dass dem nicht so war und beäugten die beiden mit Missfallen, denn Kanon hielt die ganze Zeit über die Hand seines Freundes und strich mit der anderen durch dessen blonde Haare.
 

Als sie kurz vor ihrem Zielbahnhof waren, flüsterte Kanon Bou ins Ohr: „Bou, aufwachen. Wir müssen gleich raus.“ Diese Geste zog natürlich mal wieder alle Blicke auf die beiden, aber Kanon störten sie nicht. Mit halb geöffneten Augen sah Bou erst zu seinem Freund und dann aus dem Fenster. Bei dem Anblick der Gegend, in der sie sich nun befanden, blieb ihm beinah das Herz stehen. Das letzte Mal war er vor einem Jahr hier gewesen. Es dauerte nun nicht mehr lange, bis er seinen Vater wieder zu Gesicht bekam und es gab auch kein Zurück mehr für ihn. Der kleine Blonde drehte sich vom Fenster weg und sah wieder zu Kanon. Dieser hatte bemerkt, dass es seinem Freund immer schlechter ging und er sagte beruhigend: „Keine Angst, ich bin ja bei dir. Du musst nicht alleine mit ihm reden.“ Das hörte sich für Bou beinah so an, als hätte er die Entscheidung getroffen gemeinsam mit Kanon hierher zufahren.
 

Der Zug erreichte nur wenige Minuten später den Bahnhof. Beim Aussteigen griff der Sänger nach Kanons Hand. Wenn er ihn berührte, fühlte er sich sicher. Nun hatten sie nur noch einen Fußmarsch von vielleicht zehn Minuten vor sich und mit jedem Schritt wuchsen die Angst und die Panik in Bou. Der Gitarrist bemerkte dies und entzog ihm deshalb seine Hand nicht. Von den umstehenden Leuten wurden sie zwar schief angesehen, aber beide blendeten alles andere aus und konzentrierten sich nur noch auf das, was ihnen bevorstand.
 

Bous Körper versteifte sich als sie endlich vor dem großen Anwesen seiner Familie standen. Kanon hingegen riss erstaunt die Augen auf. Ihm war nicht klar gewesen, dass sein Freund aus so gutem Hause kam. Bevor er den großen Türklopfer betätigte, wandte er sich an den Blonden und meinte: „Ich glaube, es ist besser, wenn dein Vater nicht weiß, dass wir zusammen sind. Sonst lässt er vielleicht gar nicht mit sich reden und schlägt uns die Tür vor der Nase zu.“ Bou nickte und antwortete: „Ja, ist wahrscheinlich besser so.“ Kanon drückte die Hand seines Freundes noch einmal ermutigend, ließ sie dann los und klopfte. Kurze Zeit später ging die Tür auf und ein Dienstmädchen begrüßte sie: „Was möchten Sie, meine Herren?“ Der schwarz-blonde Gitarrist antwortete ihr: „Wir möchten gern mit Mister Suzuki sprechen, wenn es möglich ist.“ „Haben Sie einen Termin bei ihm?“ „Nein leider nicht.“ „Dann kommen Sie erst einmal herein. Ich sehe nach, ob Mister Suzuki Zeit für Sie hat.“ Mit diesen Worten trat sie zur Seite und ließ die Jungs rein. Die Eingangshalle war groß und sehr komfortabel eingerichtet. Vier große Steinsäulen, an denen sich Drachen entlang schlängelten, stützten die Decke. Gegenüber der Eingangstür, die inzwischen hinter den beiden geschlossen worden war, führte eine Treppe in das obere Stockwerk.
 

Während sich Kanon noch umsah, verschwand das Dienstmädchen in einem Flur im Erdgeschoss. Bou wurde immer mulmiger zumute. Er musste sich nichts ansehen. Er wusste wie sein „Zuhause“ aussah. In dem letzten Jahr, wo er nicht da gewesen war, hatte sich nichts verändert. Und selbst wenn sich etwas geändert hatte, verspürte er keine große Lust dies zu sehen. Er würde nach diesem Tag sowieso nie wieder zurückkehren. Es gab nichts, was ihn hier hielt. Außer vielleicht eine Person.
 

Plötzlich rief jemand: „Kazuhiro!“ Beide Jungs drehten sich um und sahen wie ein gutaus-sehendes schwarzhaariges Mädchen die Treppe hinuntergelaufen kam. Als sie unten war, fiel sie Bou um den Hals und der Blonde erwiderte die Umarmung und lächelte. Kanon hingegen sah beide verwirrt an. Nach endlosen Minuten ließ das Mädchen seinen Freund wieder los und sagte: „Ich freu mich so, dich wieder zu sehen. Ich hab dich total vermisst.“ Der kleine Sänger legte ihr eine Hand auf die Wange und erwiderte: „Glaub mir, mir geht es nicht anders. Ich freu mich auch. Obwohl ich eigentlich gar nicht her wollte.“ Das Mädchen riss erstaunt die Augen auf, dann machte sie ein trauriges Gesicht und fragte mit leiser Stimme: „Wolltest du mich etwa nicht wieder sehen?“ Der Schwarz-blonde musste sich anstrengen, damit er überhaupt etwas verstand, da Bou ihr genauso leise antwortete: „Nein und das weißt du auch. Du kennst den Grund.“ Die Unbekannte senkte ihren Blick und sprach: „Ja, den kenne ich. Ich dachte schon, ich sehe dich nie wieder, nachdem unser Vater dich letztes Jahr weggebracht hat. Er hat mich ja auch nicht zu dir fahren lassen. Er meinte, ich wäre zu jung um alleine zu fahren und er wollte mich nicht begleiten.“
 

Kanon stand zwar direkt neben den zweien, hatte aber dennoch Mühe das Gesagte zu verstehen, da sie immer leiser geworden war. Doch nun wusste er wenigstens, wer sie war. Bou hatte ihm nie erzählt, dass er eine kleine Schwester hat. Allgemein verriet er wenig über seine Familie. Der Gitarrist hatte bei der Person, die vor ihm stand, jedoch nicht gedacht, dass sie Bous Schwester ist, sondern irgendetwas anderes. Seine Freundin?! Seine Verlobte?! Er wusste, bei den reichen Familien war alles möglich und außerdem war sie gar nicht so viel jünger als ihr Bruder, vielleicht drei oder vier Jahre.
 

Auf einmal drehten sich Bou und seine Schwester zu Kanon und der Blonde sagte: „Darf ich vorstellen Kanon?! Das ist meine kleine Schwester Hana.“ Dann wandte er sich halb zu ihr und sprach weiter: „Und das ist Kanon.“ Er machte eine kurze Pause und sagte dann noch: „Mein Freund.“ Das kleine schwarzhaarige Mädchen musterte Kanon sehr genau, bevor sich ihre Mundwinkel zu einem breiten Grinsen verzogen. Sie reichte ihm eine Hand zur Begrüßung und der Schwarz-blonde nahm sie gerne an.
 

Kanon hatte kaum den ersten „Schock“ überwunden und etwas mehr über seinen Freund erfahren, kam auch schon der nächste, denn ein Mädchen in seinem und Bous Alter mit langen blonden Locken kam aus dem Flur, in dem das Dienstmädchen vor ein paar Minuten verschwunden war. Kaum hatte sie die drei Personen in der Eingangshalle entdeckt, lief sie schnurstracks auf sie zu. Unterwegs sagte sie: „Ich wusste doch, dass ich dich Kazuhiros Namen rufen gehört habe, Hana!“ Kanon beobachtete sie sehr genau, als sie sich zwischen ihn und Bou stellte. Dieser griff kurz in seine Hosentasche, holte etwas heraus und hielt es in der geschlossenen Hand. Es konnte also nicht gerade groß sein, aber Kanon blieb die Aktion des Blonden nicht unbemerkt und er runzelte die Stirn. Er überlegte, was es sein könnte. Bevor er jedoch irgendwas denken konnte, ergriff das blondgelockte Mädchen Bous Hände und küsste ihn.
 

Der kleine Sänger konnte gar nicht so schnell reagieren, wie die Blonde seine Hände nahm und sich ihre Lippen auf seine legten. Er entriss ihr seine Hände und stieß sie von sich. Dabei ließ er allerdings den Gegenstand fallen. Das Mädchen war erst etwas erschrocken, drehte sich dann, sodass Kanon sie von der Seite sah und hob das Fallengelassene auf. Sie ließ es zwischen ihren Fingern baumeln und nun erkannte auch der Gitarrist, worum es sich handelte.
 

Sie begutachtete es erstaunt und sagte dann was, das Kanon verwirrte: „Oh. Das ist ja die Kette, die ich dir vor einem Jahr bei deinem Weggang geschenkt hatte, damit du mich nicht vergisst.“ Geschockt über die Worte sah Bou erst sie an, dann wanderte sein Blick zu Kanon. Als dieser spürte, dass er beobachtet wurde, hob er den Blick und seiner traf auf Bous. Es waren nur wenige Sekunden, in denen sie sich ansahen. Der Blonde merkte wie sich die Verwirrung seines Freundes erst in Erkenntnis und dann in Fassungslosigkeit verwandelten. Er wusste, dass der Augenblick, den er so gefürchtet hatte, nun gekommen war. Gerne hätte er es noch etwas hinausgezögert, aber nun war es vorbei. Kanon wusste jetzt, dass er ihn angelogen hatte, was die Kette betraf. Dass sie überhaupt nicht von seiner Mutter war, sondern von seiner… Er konnte das Wort noch nicht einmal denken, denn schon der Gedanke daran würde ihm die Luft nehmen und ihm schmerzhaft das Herz zusammenschnüren. Bou wollte seinem Freund irgendetwas zu seiner Verteidigung sagen, doch auch das konnte er nicht, denn er war sich sicher, dass nichts von alldem eine Rechtfertigung für die Lüge wäre und an der Situation, in der er sich befand, nichts ändern könnte. Stattdessen kamen ihm die Tränen.
 

Kanon war bereits dabei einen Schritt auf ihn zu zumachen, als sich Bou wegdrehte und die Treppe hinauf zu seinem alten Zimmer rannte. Ohne zu zögern folgte ihm das gelockte Mädchen und auch der Schwarz-blonde wollte ihm hinterher, doch Hana legte ihm eine Hand auf den Oberkörper und deutete ihm damit da zu bleiben, wo er war.
 

Bou wusste den Weg zu seinem Zimmer noch und er wusste auch, dass sein Vater nichts daran verändert hatte. Dafür hatte Hana garantiert gesorgt. Und so war es auch. Er trat ein und schloss hinter sich die Tür zu. Er konnte sich denken, dass die ehemalige Besitzerin der Kette ihm folgen würde. Immer noch liefen ihm Tränen über das Gesicht. Der Blonde setzte sich auf sein Bett, zog die Beine an den Körper und legte den Kopf auf die Knie. Der Schmerz in seiner Brust sollte aufhören, was anderes wollte er im Moment nicht, aber er tat es nicht. Er verschwand nicht und mit jeder Träne wurde er schlimmer. Bou wollte Kanon nicht verlieren, aber er hatte keine Idee, was er dagegen tun sollte. Und plötzlich klopfte es an der Tür. Er schrak aus seinen Gedanken auf und er hatte einerseits Angst, es könnte sein Freund sein und andererseits wollte er es. Er konnte ihm nicht in die Augen sehen, aber er wollte ihn bei sich haben. Als er dann gegen alle Erwartungen eine weibliche Stimme seinen Namen rufen hörte, glühte Hass in seinem Herzen.
 

Eigentlich hätte Kanon Hanas Hand ganz leicht wegschlagen, an ihr vorbeigehen und Bou hinterher laufen können, doch ihr strenger Blick veranlasste ihn, es nicht zu tun. Hana nahm ihre Hand runter als sie merkte, dass der Gitarrist nichts Unvernünftiges tun würde. Dann sah sie ihn kurz mit traurigem Blick an und deutete ihm ihr zu folgen. In einem Zimmer, in dem ihr Vater wohl Gäste empfing, setzten sie sich auf ein Sofa. Kanon machte sich gar nicht erst die Mühe sich umzusehen und wartete nur darauf, was Bous Schwester nun vorhatte. Einige Minuten saßen sie schweigend da, bevor Hana anfing mit erzählen: „Ich glaube, ich muss dir etwas erklären, das Kazuhiro bisher noch nicht übers Herz gebracht hat. Du hast es schon mitbekommen, dass mein Bruder körperliche Schmerzen mag, wenn sie ihm von der richtigen Person zugefügt werden, aber seine Seele ist verletzlich. Je widerstandsfähiger sein Körper gegen Schmerzen wird, umso zerbrechlicher wird seine Seele. Ich war die Erste, die sein Geheimnis vor ungefähr drei Jahren erfahren hat. Gemeinsam haben wir es zwei Jahre erfolgreich vor unserem Vater und Sora, dem Mädchen von eben, geheim gehalten. Irgendwann bekam er es jedoch heraus und schickte meinen Bruder in diesen Klub. Sie weiß von alldem nichts.“ Kanon unterbrach sie in ihrer Erzählung mit der Frage: „Aber was ist Sora für Bou?“ Hana legte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen, damit er nicht weitersprach und sagte: „Dazu komme ich jetzt. Unser Vater beschloss, als Kazuhiro 16 war, dass es Zeit für ihn wäre zu heiraten oder zumindest seine Braut auszusuchen. Mein Bruder war davon überhaupt nicht begeistert. Den Grund kennst du auch. Schon zu der Zeit fühlte er sich eher zu Jungs als zu Mädels hingezogen. Da mein Bruder nichts unternahm, beschloss unser Vater die Sache selbst in die Hand zu nehmen und das Resultat dieser Aktion konntest du gerade kennen lernen.“
 

Der Gitarrist ließ die neuen Informationen erst einmal auf sich wirken und ließ sie sich auch noch einmal durch den Kopf gehen. Egal wie sehr er sich auch anstrengte, er verstand noch nicht alles. Deswegen fragte er Hana: „Aber warum hat mir das Bou nicht selbst erzählt? Ich hatte ihn gefragt, von wem die Kette ist, die ihm gerade runtergefallen war, und er hatte mir gesagt, sie sei von seiner verstorbenen Mutter.“ Hana sah ihn traurig an „Wahrscheinlich hatte er Angst du würdest ihn verlassen, wenn du erfährst, dass er eigentlich eine Verlobte hat. Er hat Angst von den Menschen verletzt zu werden, die er ins Herz geschlossen hat. Er versucht sich durch kleine Lügen selbst zu schützen, die ihm hinterher aber nur noch mehr Leid zufügen. Doch er macht es immer wieder. In solchen Dingen ist Kazuhiro sehr schwierig.“
 

Das schwarzhaarige Mädchen legte ihm eine Hand auf die Brust und sprach dann mit Nachdruck weiter: „Sein Herz schlägt nur für dich. Also hoffe ich, dass du es ernst mit ihm meinst und ihm nicht wehtust, denn ich will gar nicht wissen, was mit meinem Bruder passiert, wenn es doch geschehen sollte.“ Einige Minuten schwiegen sie, ehe ihr Kanon mit ernstem Gesicht etwas versicherte: „Hana, mach dir keine Sorgen. Ich werde auf deinen Bruder aufpassen. Egal was sein wird, ich werde für ihn da sein. Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.“ Auf Hanas Gesicht zeigte sich ein zufriedenes Lächeln und sie stand auf. Zusammen mit Kanon verließ sie den Raum.
 

Bou ignorierte das Klopfen an der Tür und die Rufe. Er dachte, dass Sora früher oder später aufhörte, wenn er nicht reagierte, doch er hätte wissen müssen, dass sie dies nicht tut. Sie hatte Nerven wie Drahtseile und diese waren besonders dick. Zumindest wenn es um das nerven von anderen Leuten ging. Irgendwann reichte es dem Blonden und er schrie: „Hau ab, Sora! Verschwinde! Und komm mir nie wieder unter die Augen! Ich will dich nie wieder sehen!“ Zum Ende hin brach seine Stimme durch die Tränen. Trotzdem verfehlten seine Worte nicht ihre Wirkung. Sora hörte auf gegen die Tür zu hämmern und nach ihm zu rufen.
 

Hana und Kanon liefen gemeinsam die Treppe in der Eingangshalle hinauf. Die Schwarzhaarige wollte Kanon zu ihrem Bruder bringen, damit er ihn beruhigte. Auf halben Weg kam ihnen dabei Sora tränenüberströmt entgegen. Der Gitarrist sah ihr einerseits verwundert und andererseits mitfühlend hinterher. Doch Hana hingegen grinste breit und meinte nur: „Das geschieht ihr ganz recht. Kazuhiro hat ihr schon so oft gesagt, dass er nichts von ihr will, aber sie muss es ja immer wieder versuchen.“ Kopfschüttelnd ging sie weiter und der andere folgte ihr ohne ein Wort zu verlieren. Als sie vor der Tür zu Bous Zimmer standen, ließ Hana den Freund ihres Bruders alleine. Zaghaft klopfte dieser einmal an und wartete auf eine Reaktion. Diese fiel recht heftig aus: „Sagte ich nicht, du sollst mich in Ruhe lassen?! Verschwinde oder muss ich noch deutlicher werden?! Du nervst!“ Verwundert über den Ausbruch sagte Kanon leise: „Ich bin’s Bou.“

7. Kapitel

Kapitel 7
 

Der blonde Sänger blickte überrascht zur Tür. Er dachte schon, dass Kanon das Anwesen und damit auch ihn bereits wieder verlassen hatte. Einerseits war er froh darüber, dass es nicht so war, aber andererseits wusste er, dass es jetzt auch noch so kommen konnte. Bou wusste nicht, was er nun machen sollte. Sollte er sitzen bleiben und darauf warten, dass der andere ging oder sollte er ihn reinlassen und mit ihm reden? Er wollte ihm alles erklären, aber er hatte auch Angst davor. Jedoch war die Sehnsucht in ihm, Kanon in die Augen zu schauen und ihn zu berühren, größer. Also stand er auf und ging langsam zur Tür. Er zögerte kurz, bevor er sie aufmachte, gab sich dann aber einen Ruck und drückte die Klinke nach unten.
 

Kanons Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er Bous von den Tränen gerötetes Gesicht sah. Er wollte ihn in die Arme nehmen, ihn trösten und sagen, dass er ihm nicht böse war. Anfangs war er es gewesen, doch nach dem Gespräch mit Hana hatte er wieder eine Seite an Bou zu verstehen gelernt und er konnte nicht wütend auf ihn sein. Der kleine Blonde war nun einmal so und Kanon hatte sich auch deswegen in ihn verliebt. Weil er sehr verletzlich war und den Eindruck machte, Hilfe zu brauchen. Der Gitarrist wollte ihm zeigen, dass er keine Angst mehr zu haben braucht. Doch der Schwarz-blonde bekam kein Wort heraus. Er wusste nicht, womit er anfangen sollte und außerdem hatte er das Gefühl, dass Bou ihm auch etwas sagen wollte.
 

Um nicht wieder mit weinen anfangen zu müssen, als er den Schmerz in Kanons Gesicht sah, drehte sich Bou um und lief auf sein Bett zu und machte es sich dort wieder bequem. Sein Freund folgte ihm und setzte sich neben ihn. Nach einigen Minuten des Schweigens, sagte der Sänger leise: „Es tut mir leid.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, liefen ihm erneut Tränen über die Wangen. Von Kanon blieb dies nicht unbemerkt und er legte ihm einen Arm um die Schulter und zog ihn an sich. „Ist schon okay. Hana hat mir alles erklärt.“ Bou vergrub sein Gesicht in Kanons Shirt und sprach weiter: „Ich wollte dich nicht anlügen, aber…ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich wollte dich nicht verlieren, aber ich dachte…du würdest mich verlassen…wenn du erfährst, dass…ich eigentlich schon…jemandem… versprochen bin.“ Der andere strich ihm mit den Fingern durch die langen Haare und gab ihm einen Kuss darauf bevor er antwortete: „Das ist doch Schwachsinn, Bou! Warum sollte ich dich deswegen verlassen? Es ist mir egal, wem du versprochen bist, solange du denjenigen nicht liebst, sondern mich. Und nachdem was ich heute gesehen und gehört habe, weiß ich, dass Sora bei dir nie im Leben eine Chance haben wird. Die Meinung deines Vaters über uns, wenn er erfährt, dass wir zusammen sind, wird mir genauso egal sein. Er muss nicht hinter uns stehen, denn ein Vater, der seinem Sohn so etwas antut, dessen Meinung zählt für mich nicht im Geringsten. Mach dir keine Sorgen. Ganz gleich, was bei dem Gespräch heraus kommt, zwischen uns wird sich nichts ändern. Das verspreche ich dir. Ich verlasse dich nicht.“ Der Schwarz-blonde streichelte ihm beruhigend über den Rücken und legte seine Wange auf den blonden Schopf. Einige Zeit verbrachten sie so schweigend und jeder hing seinen Gedanken nach. Als Bou sich wieder beruhigt hatte, flüsterte er: „Es tut mir leid. Bitte verzeih mir meine Lüge.“ Bevor Kanon darauf etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür. Da Bous Stimme immer noch nicht wieder ganz in Ordnung war, übernahm sein Freund und er sagte: „Herein.“ Langsam ging die Tür auf und das Zimmermädchen von vorhin betrat den Raum. Sie wurde leicht rot und senkte peinlich berührt den Blick, als sie die beiden eng umschlungen auf dem Bett liegen sah. Damit hatte sie nicht gerechnet. Unbeholfen stammelte sie vor sich hin: „Ähm…also…Ihr Vater hätte nun Zeit für ein Gespräch mit Ihnen.“ Obwohl diese Aussage eindeutig an Bou gerichtet war, erwiderte der Gitarrist: „Dankeschön. Wir kommen gleich.“ Die Frau verbeugte sich und verließ das Zimmer mit den Worten: „Ich warte unten auf Sie.“
 

Kaum waren sie wieder allein, hob Bou sein Gesicht zu Kanons und strich mit seinen Lippen über die des anderen ohne ihn jedoch zu küssen. Dies ließ sich Kanon nicht gefallen und stahl sich gierig einen Kuss. Als er wieder von ihm abließ, sagte er: „Nun ist es soweit. Bist du bereit?“ „Ich will es endlich hinter mir haben, damit ich ihn hinterher nie wieder sehen muss.“ Bou rutschte von Kanon runter und ließ ihn aufstehen. Er hingegen blieb noch kurz an Ort und Stelle sitzen und ließ sich das ganze letzte Jahr, auch die Zeit mit Kanon, noch einmal durch den Kopf gehen, bis der Schwarz-blonde seine Hände ergriff und ihn vor sich auf die Beine stellte. Leise sagte er: „Wenn wir ihn warten lassen, gibt er uns vielleicht nie wieder so eine Gelegenheit. Also zögere nicht, sondern sei froh, dass du es bald hinter dir hast und ihn hinterher vergessen kannst, wenn du willst.“ Der kleine Sänger nickte bloß kurz und wehrte sich nicht als sein Freund ihn mit sich aus dem Zimmer und anschließend die Treppe hinunter zog. Unten wurden sie bereits von dem Hausmädchen erwartet, das sie nun in den Raum führte, wo der Herr des Hauses bereits auf sie wartete.
 

Als sie in dem Zimmer standen, wurde die Tür hinter ihnen geschlossen. Suzuki saß in einem bequemen Ledersessel ein paar Meter von ihnen entfernt. Er musterte die beiden Jungs sehr genau und sein Blick wurde durchdringend als seine Augen bei Bou angelangt waren. Dieser zuckte zusammen, als er es mitbekam. Am liebsten hätte er Kanons Hand genommen und ihm damit gezeigt, dass er Angst hatte. Der grauhaarige Mann vor ihnen erhob sich und bat den zweien die beiden Ledersessel an, die vor ihm standen. Nur zaghaft setzte sich der Blonde in Bewegung. Eigentlich war der einzige Grund, warum er es tat, dass er in Kanons Nähe bleiben wollte. Sonst hätte er sich keinen Millimeter auf den Mann, den er so sehr hasste, zubewegt. Suzuki setzte sich wieder, als der Gitarrist und sein Freund sich auf die Sessel sinken ließen. Einige Zeit war es still, bis Suzuki die Frage stellte: „Also, Kazuhiro, was bringt dich und deinen Freund zu mir?“ Bou schluckte schwer, bevor er den Mund öffnete um zu antworten, doch er bekam keinen Laut heraus. Also schloss er den Mund wieder und der Schwarz-blonde gab stattdessen die Antwort: „Wir wollen mit Ihnen über Ihren Entschluss vor einem Jahr reden. Es geht darum, dass…ich Sie darum bitten möchte, Ihren Sohn wieder aus dem Club herauszunehmen. Die ‚Arbeit’ dort tut ihm absolut nicht gut, sondern macht ihn psychisch nur kaputt.“ Bous Vater dachte kurz über Kanons Worte nach. Dann schüttelte er leicht den Kopf und sagte bestimmt: „Nein. Das kann ich nicht.“ Für Kanon war dieser einfache Satz wie ein Schlag ins Gesicht. Bou hingegen zeigte keinerlei Reaktion. Ihm war das klar gewesen, doch seinen Freund machte es wütend, dass Suzuki eine Alternative noch nicht einmal in Erwägung zog. Er stand auf und knallte die Hände auf den Tisch, der zwischen ihnen und Suzuki stand. Die anderen beiden zuckten zusammen. „Haben Sie mir nicht richtig zugehört? Sie muten Bou etwas zu, das ihn fertig macht. Seit ich erfahren habe, womit Bou sein Geld verdient hat, frage ich mich, warum Sie ihn überhaupt dorthin geschickt haben. Wieso tun Sie ihm so etwas an? Springt da für Sie irgendetwas heraus?“
 

Bou sah seinen Freund bedrückt an, denn er wusste, dass so ein Ausbruch bei seinem Vater nichts bringen würde. Doch zu seinem Erstaunen sah er sehr überrascht aus und schien nachzudenken. Es schien als würde Kanon es schaffen ihn zu überreden und den kleinen Blonden aus dem Club herauszuholen. Dadurch hellte sich Bous Miene etwas auf und er hatte schon Hoffnung. Jedoch wurde diese gleich wieder zunichte gemacht als er sah wie sein Vater sie beide angrinste. „Ja. Es springt sehr wohl etwas für mich heraus. Und zwar bekomme ich mehr als die Hälfte von Kazuhiros Einkommen. Ich weiß nicht, ob du schon mal seine Wohnung gesehen hast, aber wenn ja, hast du dich doch sicher gefragt, warum er in so einer Gegend wohnt, obwohl er doch so gut verdient.“ Dies hatte sich Kanon tatsächlich gefragt, doch hatte er nicht den Mut gehabt, Bou danach zu fragen und der Sänger schien auch sehr froh darüber zu sein, nicht darüber reden zu müssen. „Da ich selbst durch Krankheit nicht mehr in der Lage bin zu arbeiten, kommt Kazuhiro nun für unseren Lebensunterhalt auf und deswegen kann ich ihn nicht aus dem Club rausnehmen. Und selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht, da Matsumoto sein ‚Aushängeschild’ wohl niemals freiwillig gehen lassen würde.“ Der Schwarz-blonde setzte sich entmutigt wieder in den Sessel und sein Freund hatte Mühe die Tränen zurückzuhalten, die ihm in die Augen stiegen. Er war verzweifelt und wütend zugleich, da ihm klar wurde, dass sie völlig für umsonst an diesen Ort gekommen waren. Einige Zeit war es völlig ruhig in dem großen Raum, da die zwei Jungs einen Weg suchten, Bou doch noch von seinem Arbeitsplatz zu holen. Suzuki musterte die beiden dabei eingehend und nach einer Weile seufzte er und sagte: „Es gibt vielleicht doch einen Weg.“ Sofort wurden der Blonde und Kanon hellhörig. „Matsumoto ist in diesem Land der größte Sadist, den die Leute kennen. Was aber keiner weiß ist, dass seine rechte Hand, Aiji Kiryu, sogar noch schlimmer ist. Und ich weiß, dass er ein Auge auf Kazuhiro geworfen hat. Und das bereits am ersten Tag. Das Einzige, das ihn davon abhält, ihm all das anzutun, was er sich in seinem Kopf ausmalt, ist meine Drohung, dass ich meinen Sohn zu mir zurückhole, wenn Aiji ihm etwas Derartiges antut. Denn ich versichere euch, hätte er die Gelegenheit dazu, könnte es durchaus sein, dass Kazuhiro hinterher im Krankenhaus liegt. Was ich damit sagen will: Bringt Aiji dazu bis zum Äußersten zu gehen und ich könnte etwas unternehmen. Aber ansonsten nicht.“ Kanon riss die Augen auf. Mühevoll brachte er hervor: „Das geht nicht. Das kann ich Bou nicht antun.“ „Aber das musst du, wenn du seine Laufbahn als Stricher beenden willst. Denn mehr als das ist er nicht. Nur in gesonderter Form.“ Der Gitarrist begriff, dass Suzuki Recht hatte. Es gab keinen anderen Weg, wenn dieser Albtraum endlich ein Ende haben sollte. Am liebsten hätte er ihm jedoch noch an den Kopf geworfen, dass er an all dem Schuld war, da er Bou erst dorthin geschickt hatte. Aber er ließ es, aus Angst sich und seinem Freund damit die einzige Chance zu verbauen.
 

Die beiden standen auf und verbeugten sich. Als sie bereits die Tür erreicht hatten, sagte Suzuki noch: „Ihr seid herzlich zum Abendessen eingeladen. Und Hana würde sich bestimmt freuen, wenn ihr noch bis morgen bleibt, da sie ihren Bruder solange nicht gesehen hat.“ Sie verbeugten sich erneut und Kanon erwiderte: „Vielen Dank.“ Dann öffneten sie die Tür und gingen. In der großen Empfangshalle atmete Bou einmal tief durch. Die ganze Zeit über hatte er kein Wort herausbekommen und er war froh, dass wenigstens Kanon dazu in der Lage war. Nun war er erleichtert, dass er es hinter sich hatte, auch wenn es am Ende nicht so gelaufen war, wie er es sich vorgestellt hatte. Jetzt musste er nur noch das Abendessen und das Frühstück hinter sich bringen und dann konnte er diesen Ort für immer verlassen. Auch wenn es ihm jetzt schon tief im Herzen wehtat, morgen in Hanas Gesicht zu sehen, wenn sie dann wieder abreisen. Sie wusste, dass ihr Bruder sie liebte, doch ihr war auch klar, dass sein Hass auf ihren Vater so groß war, dass er nicht noch einmal zurückkehren wird.
 

Schweigend gingen sie auf Bous Zimmer. Dort angekommen setzte sich Kanon auf Bous Bett und der Blonde stellte sich ans Fenster. Kanon durchbrach als Erster die Stille. „Ich kann nicht zulassen, dass Aiji dir so etwas antut, Bou. Schon das letzte Mal war es ziemlich schmerzhaft für mich, dich ihm völlig ausgeliefert zu sehen.“ Der Sänger drehte sich zu Kanon und blickte ihm genau in die Augen. „Aber es geht nicht anders. Und das, was du letztens gesehen und gehört hast, war seine übliche Behandlung. So etwas habe ich jeden Tag durchgemacht und jedes Mal wurde ich widerstandsfähiger, habe mehr ausgehalten, aber er schaffte es immer wieder meine Grenzen zu überschreiten.“ Bou verstummte und versank in seinen Erinnerungen. Kanon lief zu ihm und nahm ihn in die Arme. „Wenn er zu weit geht, werde ich einschreiten.“ Bou schüttelte mit dem Kopf und erwiderte: „Nein. Das wirst du nicht tun.“ Der Schwarz-blonde sah ihn überrascht an. „Aber wieso?“ „Ich will dich nicht dabei haben, Kanon! Du sollst dir das nicht mit ansehen müssen. Ich in den Händen eines Anderen würde dich nur zu sehr verletzen.“ „Und wie willst du ihn dazu bringen, über dich herzufallen, wie ein wildes Tier?“ Bou überlegte nicht lange, ehe er antwortete: „Ich kenne ihn. Er wird sich schon nicht beherrschen können, wenn er mich irgendwo alleine zu Gesicht bekommt.“ Kanon machte daraufhin einen abfälligen Laut. „Glaubst du das wirklich?! Ich glaube eher, er wird sich zurückhalten, da er nicht riskieren will, dass dein Vater seine Drohung wahr macht und gar nicht mehr an dich herankommt. Du wirst also Hilfe brauchen.“ Der Blonde dachte darüber nach und er musste sich eingestehen, dass sein Freund Recht hatte. Allein würde er es nicht schaffen.
 

Bis zum Abendessen blieben die beiden, wo sie waren und versuchten nicht mehr an das zu denken, was ihnen bevorstand. Draußen war es bereits dunkel, als das Dienstmädchen an der Tür klopfte und diese kurz darauf vorsichtig öffnete, damit rechnend, dass sie die zwei Jungs wieder in einer innigen Umarmung erwischte. Doch so war es nicht. Sie saßen nur nebeneinander auf dem Bett. Erleichtert, nicht wieder einen Schock erlitten zu haben, gab sie den beiden Bescheid, dass das Essen fertig war.
 

In dem großen Speisesaal saß Suzuki an einem Ende des Tisches. Bou und Kanon setzten sich etwas weiter weg von ihm. Als Sora hereinkam und ihren „Verlobten“ erblickte, ging sie schnurstracks zu ihm und wollte sich neben ihn setzten, als sie jedoch Kanons linke hand auf Bous Oberschenkel liegen sah, lief sie geknickt weiter. Hana bemerkte auch, dass der Gitarrist so offensichtlich zeigte, dass ihr Bruder ihm gehörte. Trotzdem setzte sie sich neben den Blonden. Ihr machte das nichts aus. Sie musste grinsen, als sie sich daran erinnerte, wie ihr Dienstmädchen total aufgewühlt zu ihr gekommen war, nachdem sie die beiden Jungs zu der Unterredung gebracht hatte, da sie die beiden eng umschlungen auf dem Bett liegen gesehen hatte.
 

Das Essen verlief recht entspannt und hinterher zogen sich der Sänger und der Gitarrist wieder auf Bous Zimmer zurück. Kanon bemerkte nicht, dass sein Freund hinter sich die Tür abschloss. Dies tat er nur aus einem Grund. Er wollte von niemandem bei dem gestört werden, was er nun vorhatte. Und er konnte sich vorstellen, dass Sora und sein Vater neugierig waren, was die beiden jetzt machten, da Kanon ein Gästezimmer angeboten wurde, er aber bei Bou schlafen wollte.
 

Der schwarz-blonde Gitarrist legte sich erschöpft auf das Bett. Langsam folgte ihm der Blonde. „Ich bin total fertig. Der Tag war echt anstrengend.“ Bou stand nun vor dem Bett und meinte: „Ja, da gebe ich dir Recht, aber ich hoffe du hast noch etwas Kraft für mich übrig.“ Kanon zog die Stirn in Falten und sah den anderen fragend an. In seinen Augen entdeckte er ein seltsames und sehnsüchtiges Leuchten. Bous Freund wusste immer noch nicht, was er mit dieser Aussage meinen könnte, also verriet der Sänger es ihm, um ihn nicht noch länger auf die Folter zu spannen. Er machte jedoch bloß eine Andeutung: „Weißt du noch, was du mir heute Morgen im Bad versprochen hast?“ Kaum hatte er den Satz beendet, fiel es Kanon wieder ein. Er hatte ihm gesagt, er könne alles mit ihm machen, wenn sie das Gespräch mit seinem Vater hinter sich hatten. Er hätte jedoch nicht gedacht, dass er das jetzt schon einfordern würde und er wollte sich auch gar nicht ausmalen, was Bou mit ihm vorhatte. Der blonde Sänger war nun über ihm und verwickelte ihn in einen Kuss, der ihm völlig den Verstand raubte. Dabei schob ihm Bou das T-Shirt bis zum Kinn. Ohne zu zögern erhob sich Kanon ein Stück, damit der andere ihm das Oberteil über den Kopf ziehen konnte. Der Schwarz-blonde wollte Bou an sich ziehen, doch dieser ergriff seine Handgelenke und hielt sie mit einer Hand über dessen Kopf. Mit der anderen holte er ein Paar Handschellen aus dem kleinen Schrank neben dem Bett und legte sie erst um die Gitter und machte dann Kanons Gelenke damit fest. Leise fragte dieser: „Was hast du vor?“ Bou beantwortete dies mit einer Gegenfrage: „Was denkst du denn, was ich vorhabe?“ Da wurde es Kanon klar und er sagte nur noch: „Aber ich werde wohl nicht so viel aushalten wie du. Denk daran.“ Sein Freund flüsterte ihm ins Ohr: „Mach dir keine Sorgen. Ich werde aufpassen und wenn ich merke, dass du an deine Grenzen stößt, breche ich ab. Vertrau mir.“

8. Kapitel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

9. Kapitel

Abrupt drehte er sich rum und blickte in das blasse puppenartige Gesicht von Hana, das in der Hinsicht dem von Bou so ähnlich war. Als sie nun mit reden anfing, klang es fast so, als würde sie mit sich selbst sprechen und Kanon gar nicht bemerken: „Sie war eine wunderbare Frau. Kazuhiro hat ihren Tod bis heute nicht verkraftet. Was ich gut verstehen kann. Solange sie am Leben war, war mein Vater so nett zu ihm. Doch nachdem sie gestorben war, wurde er richtig hässlich zu ihm. Er hat ihn ständig herumkommandiert und ihn jedes Mal, wenn er etwas falsch gemacht hat, kritisiert. Seit ihrem Tod erkennt er ihn nicht mehr als seinen Sohn an. Das finde ich gemein. Kazuhiro kann doch nichts dafür, dass er adoptiert wurde…“ Kanon unterbrach sie mit einem erschrockenen: „Was?!“ Nun sah sie Kanon an und schien zu merken, was sie da gerade gesagt hatte. Ihr Blick wurde traurig als sie weitersprach: „Ja, er ist nicht mein richtiger Bruder, auch wenn ich ihn als solchen ansehe und liebe. Meine Eltern haben ihn aufgenommen, da war ich noch gar nicht geboren. Sie dachten, meine Mutter könne keine Kinder bekommen und haben daher ein Kind adoptiert. Kazuhiros Eltern waren gestorben. Seine wahre Mutter bei der Geburt und sein Vater war ein Säufer und hat im Betrunkenen Zustand einen tödlichen Unfall gehabt. Kazuhiro tat meiner Mutter leid und deswegen hat sie ihn und kein anderes Kind gewollt. Alles war großartig und als ich wenige Jahre später auf die Welt kam, war alles perfekt. Doch drei Jahre später ist auch meine Mutter gestorben. Sie hatte Krebs.“
 

Dem Schwarz-blonden verschlug diese Geschichte die Sprache. Er hatte nicht im Geringsten gewusst, wie viel Leid sein Freund bisher tatsächlich schon erfahren hatte. Kein Wunder, dass er so zurückhaltend und verletzlich war und Angst hatte, die Menschen, die er liebte, könnten ihn verlassen. Für sich nahm er sich vor, ihn nicht zum Weinen zu bringen. Er wollte ihn nie wieder so verletzt sehen.
 

Hana lächelte gezwungen und meinte: „Nun weißt du wieder etwas mehr über meinen Bruder. Irgendwann wird er den Mut haben dir das alles selbst zu erzählen.“ Sie berührte noch einmal kurz seine Schulter und ging dann wieder davon. Kanon drehte sich wieder zu den Grabsteinen um und sah, dass Bou aufgestanden war und nun langsam auf ihn zukam. Der Gitarrist wischte Bou eine Träne aus dem Gesicht und umarmte ihn hinterher. Zuerst war der Blonde etwas verwirrt, doch dann genoss er einfach nur die Umarmung. Leise flüsterte Kanon: Das mit deiner Mutter tut mir leid.“ Etwas an seiner Stimmlage verriet Bou, dass er nicht die Frau meinte, die er acht Jahre lang gekannt hatte. „Hana hat es dir erzählt, nicht wahr? Ich habe meine leiblichen Eltern nicht gekannt. Deswegen…“, er schien zu überlegen, was er sagen sollte: „…muss es dir nicht leid tun. Sie waren nur meine Erzeuger, meine Eltern sind hier. Meine Mutter dort hinten unter der Erde und mein Vater bei einem Termin.“ Nur mit Widerwillen zählte er auch seinen Adoptivvater mit auf. Kanon löste sich etwas von Bou, gab im einen Kuss auf die Stirn und sagte dann: „Wir müssen uns langsam verabschieden und auf den Weg machen. Unser Zug fährt bald.“ Der Blonde nickte und schmiegte sich wieder enger an seinen Freund.
 

Sora suchte nach Bou. Sie wollte mit ihm reden und ihn darum bitten noch ein bisschen zu bleiben. Schließlich hatte sie ihn ein Jahr lang nicht gesehen und hier war seine Familie. Sie rannte durch das ganze Haus, fand ihn aber nicht. Also versuchte sie es draußen. Wie angewurzelt blieb sie stehen, als sie um die Ecke zum Friedhof bog und die beiden Jungs in einer mehr als freundschaftlichen Umarmung erwischte. Und sie riss entsetzt die Augen auf, als sich eine von Bous Händen besitzergreifend auf Kanons Hintern legte und die andere erst in den Nacken des Gitarristen wanderte und dann in den schwarz-blonden Schopf griff um Kanons Gesicht näher zu seinem zu ziehen und ihn zärtlich zu küssen. Dem kleinen blonden Mädchen war klar gewesen, dass zwischen den beiden eine besondere Verbindung bestand. Sonst hätte Bou nicht darauf bestanden, dass der andere bei ihm schlief, doch dass sie soweit ging, hätte sie dann doch nicht gedacht. Wenn sie sich jetzt jedoch noch einmal alles durch den Kopf gehen ließ, was sie seit gestern gesehen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie es hätte wissen müssen. Doch sie hatte diese Möglichkeit verdrängt, da sie Bou liebte und, dass sie es nun so deutlich zu sehen bekam, trieb ihr Tränen in die Augen.
 

Ihr wurde von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt und eine ihr vertraute Stimme sagte: „Du brauchst gar nicht zu heulen. Du bist selbst dran Schuld, wenn du ihnen hinterher spionieren und sie bespannen musst.“ Ruckartig drehte sie sich rum und sah in Hanas Gesicht. Sie wurde wütend und fuhr die Schwarzhaarige an: „Ich habe sie nicht bespannt! Ich wollte nur mit Kazuhiro reden und habe sie dann so gesehen. Und was heißt hier, ich brauche nicht zu heulen?! Was soll ich denn sonst machen, wenn mein Verlobter mit einem Kerl rummacht?“ Auf Hanas Gesicht zeigte sich Mitleid als sie ihre Antwort gab: „Du hast schon immer gewusst, dass Kazuhiro nichts von dir will. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Verlobung nicht akzeptiert und annimmt. Du warst für ihn nie seine Verlobte.“ Neue Tränen liefen Sora über die Wangen und ein Schluchzen kroch über ihre Lippen. „Was bin ich dann für ihn?“ Hana zögerte kurz und überlegte, was sie darauf antworten sollte. „Ich glaube, du bist für ihn einfach nur das Mädchen, das unser Vater – unnötigerweise – ausgesucht hat und sich leider in ihn verliebt hat, obwohl er deine Gefühle niemals erwidern wird. Aber ich glaube, er wünscht sich trotzdem für dich, dass du glücklich wirst. Und das wirst du nicht, wenn du darauf wartest, dass er sich doch irgendwann für dich interessiert. Lös die Verlobung auf. Das wäre das Beste für euch beide.“ Dem blonden Mädchen liefen immer mehr Tränen über das Gesicht. Sie schlang die Arme um Hanas Hals – die im ersten Moment überrascht war, es aber zuließ – und drückte ihr Gesicht gegen ihre Schulter. Mit tränenerstickter Stimme sagte sie: „Ich werde es tun. Ich löse die Verlobung auf.“
 

Kanon löste sich sanft von Bou um wieder Luft holen zu können. Auch dem Blonden ging es nicht anders. Nun legte er auch seine andere Hand auf Kanons Po und steckte beide in die Hosentaschen. „Hey Jungs. Wir müssen euch was wichtiges sagen.“, erklang eine vertraute Stimme hinter ihnen. Beide drehten sich um und Bou riss erstaunt die Augen auf, als er Sora und Hana auf sie zulaufen sah. Seine Schwester hatte der Anderen einen Arm um die Schulter gelegt und Sora wischte sich die letzten Tränen weg. Dieser Anblick verursachte bei Bou, dass er nicht unfreundlich klang, als er fragte: „Was ist denn los?“ Zwei Meter vor den Jungs kamen die beiden zum stehen und Hana erklärte ihnen, was passiert war. Am Ende tat es dem Blonden ein wenig leid, dass er sie nicht doch etwas besser behandelt hatte. Schließlich hatte er ihr von Anfang an gezeigt, dass er nicht mit ihr einverstanden war. Er legte ihr eine Hand auf die Wange und flüsterte: „Entschuldige, dass ich die ganze Zeit so garstig zu dir war. Das hattest du nicht verdient, aber ich war so wütend auf meinen Vater, dass sich das auch auf dich übertragen hat. Ich hoffe, du verzeihst mir.“ Auf Soras Lippen zeigte sich ein zaghaftes Lächeln. Sie entzog sich Bous Hand und rannte ins Haus zurück. Hana warf ihm noch einen dankenden Blick zu und lief ihr dann hinterher.
 

Zwei Stunden später machten sich die Jungs wieder auf den Heimweg. Beide waren immer noch fertig von der letzten Nacht. Kanon lehnte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe und Bou legte seinen Kopf auf die Schulter seines Freundes. Beinah hätten sie den Ausstieg verpasst, wenn nicht ein kleines Mädchen beim abrupten Halten des Zuges das Gleichgewicht verloren hätte. Sie wollte sich noch abstützen, stürzte aber trotzdem auf Bou. Dieser wachte daraufhin auf, drehte den Kopf zu dem Mädchen und blickte in ein kleines, zierliches Gesicht mit großen braunen Kulleraugen und einem entschuldigendem Blick. Sofort sagte sie: „Tut mir Leid“, und rannte ihren Eltern hinterher. Der kleine Sänger lächelte und sah dann aus dem Fenster. Er bemerkte, dass sie an der nächsten Haltestelle aussteigen mussten. Er beugte sich über Kanon und flüsterte ihm ins Ohr: „Aufwachen, Kanon, wir müssen gleich raus.“ Eine Gruppe Jugendliche in seinem Alter – bestehend aus zwei Jungs und drei Mädchen – bekamen diese Geste mit und fingen sofort an zu tuscheln. Eigentlich hatte er gedacht, dass ihm das inzwischen nicht mehr störte und er das Gerede und die Blicke aushielt, aber er hatte sich geirrt und es machte ihn befangen. Doch zu seinem Glück wachte Kanon bereits durch seinen ersten Weckversuch auf und er machte es sich so mehr oder weniger bequem. Kanon spürte, dass er von den fünf Leuten beobachtet wurde, machte sich aber im Gegensatz zu Bou nichts daraus, rieb sich über die Augen und meinte: „Entschuldige, dass ich eingeschlafen bin. Ich wollte nur kurz die Augen schließen und auf einmal war ich völlig weg.“ Bou lächelte ihn zaghaft an, darauf bedacht den Jugendlichen nicht noch mehr Stoff zum Reden zu geben und antwortete: „Ist kein Problem. Ich war auch eingeschlafen.“ „Die letzte Nacht war auch ziemlich anstrengend. Kein Wunder, dass wir noch so müde sind.“ Der Schwarz-blonde lächelte seinen Freund verschmitzt an, aber dieser ging nicht darauf ein und der Gitarrist sah ein, dass Bou nichts weiter sagen würde, bis sie den Zug verlassen hatten. Solange musste er aber auch gar nicht mehr warten, denn kurze Zeit später standen sie auf dem Bahnhof und machten sich zu Fuß auf den Heimweg. Bou fühlte sich etwas besser, obwohl sie auch hier von allen Seiten angestarrt wurden, weil Kanon nach seiner Hand griff und ihn hinter sich her zog. Aber er wusste, dass dies nicht lange anhalten würde, da er immer weiter einen Fuß vor den anderen setzte und er wusste, dass er bald wieder in den vertrauten vier Wänden vor, wo er sich auch wie zu Hause fühlte. Dort angekommen wurden sie herzlich begrüßt. Kanons Mutter hatte sie schrecklich vermisst, obwohl sie nur einen Tag weg waren.
 

Hinterher verzogen sie sich auf ihr Zimmer. Bou machte sich auf dem Bett breit, während Kanon die Tasche mit ihren Sachen auspackte. Der Blonde legte die Arme unter den Kopf und schloss die Augen. Nachdem der Gitarrist fertig war, setzte er sich lautlos neben Bou und beugte sich über ihn um ihm einen sanften Kuss zu geben. Als er sich gerade wieder von ihm lösen wollte um zu schauen, ob sein Freund vielleicht eingeschlafen war, verhinderte plötzlich dessen Hand in seinem Nacken, dass er sich auch nur einen Millimeter von ihm zurückzog. Damit war ihm klar, dass Bou noch wach war und den Kuss sehr wohl mitbekommen hatte. Der Schwarz-blonde schmeckte Bous warmen Atem auf seinen Lippen, als dieser sagte: „Du gehst nirgendwo hin.“ Bou drückte seine Lippen fordernd auf Kanons, dessen Verstand kurz aussetzte, der den Kuss aber stürmisch erwiderte. Er wollte Bou und zwar auf der Stelle und er wollte ihm das sagen, doch in dem Moment, wo er seinen Mund öffnete, schlüpfte eine ihm nur allzu bekannte Zunge hinein und raubte ihm den Verstand. Er vergaß, was er sagen wollte und spielte Bous Spiel nur zu bereitwillig mit. Minuten vergingen, in denen sie nichts anderes taten, als sich wild zu küssen. Beide hatten den Bezug zur Realität verloren und der Gitarrist wusste nicht einmal mehr, wo er sich befand, doch das war ihm auch egal. Das einzige was er spürte, war Bous geschickte Zunge an seiner. Ganz langsam kam die Erinnerung wieder, was er tun wollte. Er flüsterte Bou ins Ohr: „Ich will dich.“ und der kleine Blonde unter ihm lächelte leicht und gab als Antwort: „Dann nimm mich.“ Kanon legte eine Hand auf Bous Wange und strich dann weiter zu seinem Hals, wo sie kurz liegen blieb. Der Gitarrist merkte, dass der Puls des anderen spürbar schneller ging als gewöhnlich. Dann bewegte er seine Finger langsam weiter nach unten über Bous schmalen Körper. Kurz bevor er an dessen Hose angekommen war und diese öffnen konnte, klopfte es an der Tür und sie wurde einen Spalt breit geöffnet und Kanons Mutter sah herein. Für sie war der Anblick der beiden in dieser Weise immer noch ungewohnt. Doch sie lächelte und meinte: „Ihr seid wirklich unzertrennlich. Wenn ihr Hunger habt, kommt in die Küche. Das Essen ist fertig.“ Sie bekam von ihrem Sohn nur ein Nicken als Antwort und ging dann wieder. Die ganze Zeit hatte Kanon seinem Freund fest in die Augen gesehen und dieser war seinem Blick nicht einmal ausgewichen. Kaum waren sie wieder alleine und die Tür geschlossen, fuhr der Schwarz-blonde dort fort wo er unterbrochen wurde. Geschickt machte er die Hose auf, während sich Bou an der seines Gegenübers zu schaffen machte. Der bekam das „blind“ genauso gut hin wie der andere und es dauerte nicht lange bis sie auch den Rest ihrer Kleidung losgeworden waren. Ehe sich Kanon versah, lag er auf dem Rücken, Bou saß auf seinen Oberschenkeln, eine Hand fest um Kanons Glied geschlossen. Mit seinen langen Haaren kitzelte er den Schwarz-blonden. Kanon zog die Augenbrauen zusammen und sagte: „Eigentlich wollte ich heute den Ton angeben.“ Sein Freund grinste ihn breit an und antwortete: „Das kannst du auch, aber überlass das Vorspiel mir.“

10. Kapitel

Kapitel 10
 

Der Gitarrist gab sich geschlagen und ließ Bou das tun, was er am besten konnte. Er ließ sich dabei jedoch nicht so viel Zeit wie in der Nacht zuvor. Kanons Ungeduld übertrug sich auch auf ihn. Unruhig strichen Bous Finger über Kanons Körper und erhitzten die warme Haut noch mehr. Der kleine Blonde stützte sich auf die Knie um sich so besser über Kanon beugen zu können und sich an dessen Hals zu schaffen zu machen. Seine Hand blieb jedoch in dessen Schritt und massierte sein Glied. Die ganze Zeit über hatte der Schwarz-blonde die Augen genießend geschlossen und die Lippen leicht geöffnet. Bei jeder von Bous Berührungen entwich seiner Kehle ein Stöhnen. Als er Bous Lippen, Zähne und Zunge an seinem Hals spürte, verzog er schmerzhaft das Gesicht, als er ihn biss und hinterher über die geschundene Stelle leckte. Er nahm Bous Gesicht in beide Hände, zog es zu seinem, sodass er ihm in die Augen sehen musste. Leise flüsterte er: „So was finde ich gar nicht nett.“ Bou versteifte sich, da er dachte, er hätte etwas falsch gemacht, aber als er seinen Freund dann lächeln sah, entspannte er sich wieder. Sofort drückte Kanon seine Lippen auf Bous und drängte ihn dazu, sie zu öffnen. Es dauerte nicht lange, bis der Blonde der stummen Aufforderung nachkam, Kanons Zunge in seinen Mund tauchte und ihn zu plündern begann. Ohne es zu merken, drängte der Schwarz-blonde den anderen zurück, sodass er saß und Bou wieder auf seinen Oberschenkeln hockte. Der kleine Sänger bekam nicht genug davon, denn als Kanon sich von ihm lösen wollte, griff er in den schwarz-blonden Schopf und hinderte ihn daran. Nach einer Weile musste er allerdings selbst erst einmal Luft holen.
 

Bevor Bous Verstand wieder vollkommen da war, der sich zwischendurch verabschiedet hatte, umfasste Kanon seine Hüften und stemmte ihn nach oben. Ehe er es realisieren und reagieren konnte, schloss Kanon auch schon die Lippen um das Glied des anderen und saugte und leckte daran. Damit sein Freund sich nicht zurückzog, legte er beide Hände auf Bous Po. Doch der war gar nicht in der Lage sich gegen die Behandlung zu wehren, genoss jede einzelne Sekunde und bewegte sich der Berührung sogar entgegen um sie noch zu intensivieren. Er vergrub seine Hände in Kanons Haaren und verhinderte seinerseits, dass der Schwarz-blonde aufhörte. Dass er eigentlich das Vorspiel dominieren wollte, hatte er inzwischen ganz vergessen, was auch der Grund war, warum er sich in keiner Weise beschwerte.
 

Anfangs lagen Kanons Hände sanft, fast ehrfürchtig, auf Bous Hintern, doch nach und nach übte er immer mehr Druck darauf aus, bis er schließlich seine Fingernägel in die weiche Haut grub und seinem Gegenüber damit einen lustvollen Laut und ein Keuchen entlockte. Das leise „Mehr…“ des Blonden war kaum zu verstehen, aber der Gitarrist wusste auch so, was sein Freund wollte, als er die Beine soweit spreizte wie es ging und das Becken nach hinten streckte um dem anderen somit eine bessere Möglichkeit gab, in ihn einzudringen, aber anstatt dies zu tun und sich selbst und Bou das zu geben, was sie wollten und brauchten, ließ Kanon von Bous Glied ab und schob bloß einen Finger in ihn. Durch beide Taten entfuhr dem Kleinen ein enttäuschter Laut, doch gleichzeitig öffnete er seine Lippen für ein Stöhnen und bewegte sein Becken gegen den Finger um sich wenigstens so etwas von dem zu holen, was sein Freund ihm bisher noch verwehrte. Doch das genügte ihm nicht und als er das begriff, ließ er bedrückt den Kopf hängen und sah Kanon mitleidig an. Dieser hielt dem Anblick nicht lange Stand, zog mit seiner freien Hand Bous Gesicht zu seinem, küsste ihn leidenschaftlich und voller Ungeduld und rammte währenddessen immer wieder seinen Finger in Bou. Der Sänger wimmerte leise und Kanon wusste, dass er noch weit mehr aushielt. Nach schier endlosen Minuten hielt es auch der Schwarz-blonde nicht mehr aus. In jedem Augenblick und mit jeder Berührung wuchs seine Erregung. Er gab es auf, sich und Bou weiter auf die Folter zu spannen, kroch unter dem anderen hervor und hinter ihn. Er bedeutete dem Blonden sich nach vorn zu beugen und sich auf allen vieren abzustützen. Ohne Umschweife tat er dies und bereitete sich auf das nun kommende vor. Kanon umfasste wieder Bous Hüften und ließ sich in ihn gleiten. Durch die plötzliche Enge wurde ihm die Luft aus den Lungen gepresst und der andere seufzte zufrieden. Er hielt sich nicht lange damit auf, vorsichtig zu sein oder jeden Moment auszukosten. Beinah brutal stieß er sich immer wieder in Bou und dessen Reaktionen reichten ihm. Geduld war nun einmal nicht seine Stärke und Bous ungehaltenes Stöhnen und sein Name, den er immer wieder dazwischen zu hören bekam, stachelten ihn an. Er wollte ihn zum Schreien bringen. Es dauerte nicht lange, bis er dies erreicht hatte. In dem Augenblick, in dem Kanon seinen Höhepunkt erreichte und leise aufschrie, verkrampfte sich auch Bou, krümmte sich seinem Freund noch mehr entgegen und erfüllte Kanons Wunsch, als ein Schrei seine Kehle hinauf kroch und über seine Lippen kam.
 

Kanon zog sich aus seinem Freund zurück, von dem daraufhin ein Laut er Enttäuschung zu hören war. Er hätte ihn gern noch etwas länger in sich gespürt, doch Kanon war erschöpft und rollte sich zur Seite damit er nicht auf Bou fiel. Der sackte nun auch zusammen, legte sich auf die Seite und rutschte zu Kanon, der seine Arme besitzergreifend um ihn legte. Gedankenverloren strich er durch das blonde Haar. Seine Gedanken drehten sich um den Plan, den sie sich noch genau überlegen mussten. Er schwor sich, dass er verhindern würde, dass jemand anderes hinterher Bou in solcher Weise, wie er gerade, anrühren würde. Wenn er schon daran dachte, was für Dinge Aiji am liebsten mit ihm anstellen würde, wurde ihm schlecht. Er wünschte, dass es einen anderen Weg gäbe, ohne Bou solcher Gefahr auszusetzen. Schließlich wussten sie nicht, wie Aiji reagiert, wenn er erfährt, dass das alles geplant ist um den Blonden rauszuholen. Dieser bekam mit, dass sein Freund anfing zu zittern, holte die Bettdecke vom Fuß des Bettes, legte sie über ihn und sich selbst und schmiegte sich noch mehr an den schmalen Körper neben sich. Kurz darauf fing sein Magen an zu knurren. Das Geräusch holte Kanon aus seinen Gedanken und er fing an zu lachen. „Ich glaube, wir sollten in die Küche was essen gehen, damit meine Mutter nicht umsonst gekocht hat und du noch vor Hunger umkippst.“, sagte er immer noch glucksend. Bou ergriff Kanons Hand, kletterte aus dem Bett und zog seinen Freund mit sich. Er zog seine Unterwäsche und Jeans wieder an. Das T-Shirt ließ er dort liegen, wo es war. Kanons Mutter wusste ohnehin, was sie solange gemacht hatten und der Schwarz-blonde tat es ihm gleich.
 

Nach dem Essen holte Kanon seine Gitarre aus dem Zimmer und die Jungs setzten sich draußen unter einen nahe stehenden Baum. Dort probten sie gut zwei Stunden lang ihre Songs und der Gitarrist hatte auch schon wieder Ideen für einen neuen, die er Bou vorspielte. Den Text wollte er zusammen mit ihm besprechen, nachdem er auch noch Papier und Stift geholt hatte. Währenddessen schnappte sich der Sänger die Gitarre und begann ohne Vorlage irgendetwas zu spielen. Selbst den Text sang er aus dem Gedächtnis heraus. Das ganze Stück klang sehr traurig. Kanon blieb, als er zurückkam, einige Meter entfernt wie angewurzelt stehen und lauschte der melancholischen Melodie und Stimme. Erst nachdem Bou geendet hatte setzte er sich wieder in Bewegung und nahm neben dem Blonden Platz. „Das hörte sich wirklich sehr schön an. Ich wusste gar nicht, dass du Gitarre spielen kannst.“, meinte er. Bou gab ihm die Gitarre zurück und antwortete: „Du hast nie danach gefragt, ob ich ein Instrument spielen kann. Nebenbei beherrsche ich auch noch das Klavier.“ Der Schwarz-blonde machte große Augen und fragte neugierig: „Wo hast du es denn gelernt?“
 

Bou senkte erst seinen Blick, dann schaute er hoch zum Himmel. Er wartete bis der Schmerz in seiner Brust verklungen war, ehe er seine Antwort gab: „Zu Hause steht ein Klavier. Meine Mutter hat daran immer gespielt. Sie war wirklich gut. Ich habe dann andauernd neben ihr gesessen und fasziniert zugehört. Als ich alt genug war, hat sie angefangen, es mir beizubringen. Bevor ich es jedoch richtig konnte, starb sie. Lange Zeit machte mich der Anblick traurig. Mein Vater wollte es irgendwann verkaufen, da keiner mehr daran spielte. Ich fand es nicht richtig, es einfach jemand anderes zu überlassen. Meine Mutter hätte das bestimmt auch nicht gewollt. Von da an übte ich jeden Tag und es blieb bei uns. Zu viele Erinnerungen hängen daran, um es wegzugeben.“ Wenn Kanon gewusst hätte, dass das Gespräch so eine Wendung nahm, hätte er seinen Freund nie danach gefragt. Er hörte den Schmerz in seiner Stimme und es tat ihm selbst weh. Er wollte nicht, dass Bou litt. Also fragte er weiter, in der Hoffnung ihn damit ablenken zu können: „Und wo hast du Gitarre gelernt?“ Der Sänger sah zu im, lächelte ihn an und obwohl Kanon nicht wusste, warum, hoben sich seine Mundwinkel ebenfalls. „In wohlhabenden Familien gehört es zum guten Ton, ein Instrument zu spielen. Meist ein klassisches, wie Geige oder Klavier. So auch bei mir. Durch meine Mutter war das kein Thema, aber später reizte es mich, noch etwas anderes zu spielen. Doch wusste ich nicht genau, was. Und dann habe ich dich auf dem Marktplatz gesehen und deine Lieder gehört und von da an wusste ich, dass ich genau das wollte. Da die meisten meiner Kunden abends nach der Arbeit kamen, nahm ich tagsüber Musikstunden. Ich lerne ziemlich schnell, daher dauerte es nicht lange, bis ich es konnte.“ Kanons Augen wurden immer größer. Beinah ungläubig sah er seinen Freund an, denn nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er ihn dazu gebracht hatte, Gitarre zu spielen. Er wusste, dass es bei Bou Liebe auf den ersten Blick gewesen war, aber das hätte er dann doch nicht gedacht. Der Blonde holte ihn aus seiner Versunkenheit indem er ihn seinerseits fragte, wo und warum er angefangen hatte, Musik zu machen, außer damit seiner Mutter finanziell unter die Arme zu greifen.
 

Auch sein Blick wurde traurig, als er es ihm erzählte: „Ich war damals, glaube, fünf als meine Mutter mit mir in die Stadt gegangen ist um ein paar Besorgungen zu machen. Ich lief neben ihr über den Markt und dabei fiel mir ein Mann Mitte vierzig, Anfang fünfzig auf, der auf einer Bank gegenüber des Springbrunnens Gitarre spielte. Neugierig rannte ich zu ihm und gesellte mich zu den wenigen anderen Leuten, die um ihn herum standen. Obwohl sie sich wieder entfernten und ihrer eigenen Wege gingen, als er fertig war, stand ich weiterhin mit großen Augen vor ihm. Er fragte mich, ob ich ihm noch etwas Gesellschaft leisten wolle. Ich nickte und meine Mutter bat ihn, während sie einkaufen ging, auf mich aufzupassen. Ich sagte ihm, dass sich das wirklich sehr toll angehört hatte, aber er meinte zu mir, dass dies das letzte Mal gewesen sei, da er an einer akuten respiratorischen Insuffizienz (Mangelfunktion der Lunge) leide. Er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde und die Ärzte hatten ihm jegliche Anstrengung untersagt. Trotzdem wollte er solange spielen, wie er konnte. Als meine Mutter mich wieder abholte, schenkte er mir seine Gitarre, aus Dankbarkeit dafür, dass ich bei ihm geblieben war. Später, als ich älter war, wurde mir bewusst, was er kurz vor seinem Tod noch auf sich genommen hat um seiner Leidenschaft nachzugehen und da wurde aus der Bewunderung für seine Musik, großer Respekt vor ihm. Von da an brachte ich mir das Gitarrespielen selbst bei und um zu zeigen, wie viel Respekt ich ihm gegenüber habe, obwohl er nicht mehr lebt, sitze ich jeden Tag an dem selben Platz wie er damals.“
 

Während der Erzählung war Bou näher zu Kanon gerutscht und hatte ihm einen Arm um die Schulter gelegt. Eine Träne löste sich aus Kanons Augenwinkel, doch er merkte es gar nicht. Dafür war er viel zu sehr in seine Erinnerungen vertieft. Der Blonde wischte sie ihm weg und streichelte ihm hinterher mit dem Handrücken sanft und tröstend über die Wange. Eine ganze Weile saßen die beiden so da und schwiegen, bis Bou die Stille durchbrach: „Ist das noch seine?“, fragte er und zeigte kurz mit der Hand auf die Gitarre in Kanons Schoß, ehe sie sich wieder auf dessen Wange legte. Der Schwarz-blonde nickte nur und blieb weiterhin still. Es dauerte noch einige Minuten bis er sich wieder gefasst hatte. Er schüttelte leicht den Kopf um die Gedanken an die Vergangenheit zu vertreiben. Dann klaubte er seine Sachen zusammen, schnappte Bous Hand und ging mit ihm in sein Zimmer. Dort machten sie sich daran den Text zu schreiben. Dieser wurde durch die gedrückte Stimmung recht traurig, aber Kanon fand, dass es einer seiner besten war, den er bisher geschrieben hatte.
 

Am nächsten Morgen wachte Kanon schon sehr früh auf. Wie immer lag Bou in seinen Armen und schlief friedlich. Vorsichtig strich er mit den Fingern durch das lange Haar und war wieder einmal in Gedanken versunken. Er hatte Angst vor der Zukunft. Es war noch nicht lange her, dass er den kleinen Blonden kennen gelernt und sich in ihn verliebt hatte und letztendlich mit ihm zusammen gekommen war. Obgleich er wusste, dass Bou viele Geheimnisse vor ihm hat und er dadurch immer wieder von neuem überrascht wird, war er glücklich. Doch nun hatte er Angst, dass das alles auf einmal vorbei sein könnte, wenn das mit Aiji schief ging. Im schlimmsten Fall könnte er Bou verlieren. Daran wollte er zwar nicht denken, aber er konnte es nicht verhindern. Zu sehr quälte ihn der Gedanke, was danach mit ihm selbst sein würde. Er hatte sich daran gewöhnt, nicht allein zu sein und ihn bei sich zu haben. Sie kannten sich zwar noch nicht lange, aber für ihn fühlte es sich wie eine halbe Ewigkeit an. Das lag vor allem daran, dass sie in der Zwischenzeit schon einiges erlebt hatten.
 

Plötzlich spürte er wie vorwitzige Finger über seine Brust zu seinem Bauch und zurück fuhren. Bou merkte wie sich Kanon unter seinen Fingern zu rühren begann. Er löste seinen Blick von seinen Händen und schaute zu Kanons Gesicht. „Entschuldige. Ich wollte dich beim Nachdenken nicht stören.“ Der Gitarrist schüttelte leicht den Kopf. „Ist nicht schlimm.“ Er lächelte ihn an, doch dies verschwand als ihn Bou fragte: „Woran hast du denn gedacht?“ „Es war nichts Wichtiges.“ Bou zog skeptisch die Augenbrauen zusammen, denn für seinen Geschmack, hatte sein Freund ihm zu schnell geantwortet. „Du verheimlichst mir was!“, stellte er fest. Kanon atmete einmal tief durch. „Ich kann es dir noch nicht sagen, aber keine Sorge, ich erzähle es dir noch.“ Der Blonde begriff, dass er aus dem anderen nichts herausbekam. Also wechselte er das Thema: „Gehen wir heute wieder in die Stadt? Wenn nicht, fällt das Aiji bestimmt auf. Wir waren schon die letzten zwei Tage nicht.“ Der Schwarz-blonde dachte kurz darüber nach, dann nickte er und antwortete: „Da hast du Recht, aber ich hatte ohnehin nicht vor wegen ihm von meiner Routine abzuweichen. So mächtig ist er nicht um mich derart zu beeinflussen. Und du solltest dich auch nicht von deiner Angst vor ihm beherrschen lassen, Bou.“ Dieser Rat hörte sich in seinen Ohren völlig falsch an, aber Bou schien es nicht mitbekommen zu haben und nickte nur.
 

Nach dem Frühstück machten sie sich sofort auf den Weg in die Stadt. Die Stimmung war um einiges besser als am Vorabend. Dies änderte sich jedoch ziemlich schnell als sie auf den Markt kamen. Bou stellte sich die Situation vor, die ihm Kanon erzählt hatte. Er sah vor seinem geistigen Auge genau, wie sein Freund mit fünf Jahren mit großen Augen vor einem Mann mit Gitarre stand. Schweigend trottete er hinter Kanon zu ihrem Platz her. Dort angekommen, bemerkte der Schwarz-blonde, dass in Bous Blick ein Funken Traurigkeit war, den er versuchte zu verstecken, das ihm aber nicht gelang. Zärtlich streichelte er mit dem Handrücken über Bous Wange und flüsterte nah an seinem Ohr: „Nicht traurig sein. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern und ihm konnte man leider sowieso nicht mehr helfen.“ Der Blonde ergriff Kanons Hand, drehte sie mit der Innenfläche zu seinem Gesicht und legte sie auf seine Wange. „Ich habe mich eben nur erinnert, was du gestern gesagt hast und mir bewusst gemacht, dass ich nun auf dem Platz sitze, wo bereits der Grundstein für uns gelegt wurde. Ich weiß, das ist sehr weit hergeholt und da spielten noch andere Dinge mit rein, aber…“ Mitten im Satz brach er ab, da er nicht recht wusste, wie er ihn beenden sollte. Der Gitarrist konnte sich aber denken, was der andere ihm damit sagen wollte und meinte: „Ich weiß, was du meinst. Ich hätte die Gitarre ja auch in der Ecke stehen lassen können und dann wären wir uns vielleicht nie begegnet. Doch so ist es nicht gekommen und wir sollten uns nicht mit den Gedanken rumquälen, was passiert wäre, wenn…!“ Es dauerte einen Moment bis der Sänger ihm ins Gesicht sah und ihn anlächelte. Da das nun geklärt war, machte es sich Kanon auf der Lehne der Bank bequem und begann zu spielen.

11. Kapitel

Kapitel 11
 

Eigentlich sollte er sich langsam an Bous Gesang gewöhnt haben, aber als er seine „Liebeserklärung“ an ihn anspielte und seine Stimme vernahm, die sich an einigen Stellen sehr verzweifelt anhörte, jagte ihm ein Schauer über den Rücken. Er schluckte trocken und musste sich zwingen sich zusammenzureißen und nicht die Gitarre einfach fallen zu lassen und Bou in die Arme zu nehmen. Dabei biss er sich ziemlich unsanft auf die Zunge und schmeckte Blut. Dies war aber immer noch besser als den umstehenden Leuten zu zeigen, dass die beiden mehr als nur Freunde waren, denn er wusste, dass es weder bei ihm noch bei Bou bei einer bloßen Umarmung geblieben wäre. Das wollte er nicht riskieren. Schließlich wollte er es nicht in die Welt hinaus posaunen und es war ja auch nur ein Lied. Zumindest versuchte er sich das einzureden. Tief in seinem Innern wusste er es besser. In dem Text spiegelten sich all seine Gefühle wider, die er insgeheim von Anfang an für den kleinen Blonden gehegt hat. Seit dem Augenblick, in dem er ihn an dem See verletzt an einen Baum gelehnt gesehen hatte. Seitdem er in das blasse zierliche Gesicht einer scheinbar lebenden Puppe geschaut hatte und gedacht hatte, er würde wie Porzellan zerspringen, wenn er ihn berührte. Doch inzwischen wusste er ja, dass Bou körperlich ziemlich widerstandsfähig für Schmerzen war, aber es seelisch bei ihm ganz anders aussah.
 

Bou spürte plötzlich einen durchdringenden Blick auf sich. Er sah vom Boden auf und durchsuchte die Menge. Derjenige, dessen Blick auf ihn geheftet war, stand jedoch etwas abseits und registrierte mit sichtlicher Zufriedenheit, dass er ihn bemerkt hatte. Kanon drehte seinen Kopf ebenfalls in die Richtung, in die sein Freund schaute, als er mit spielen fertig war. Er hätte es eigentlich wissen sollen, dass Aiji auftauchen würde, um Bou zu beobachten und wieder davon zu träumen, was er mit ihm anstellen könnte. Ekel und Panik stiegen ihm auf, al er daran dachte, dass er seinen Freund mehr oder weniger freiwillig in dessen Hände gab, damit er all seine Fantasien an ihm ausleben konnte. Aiji löste seinen Blick kurz von Bou und sah zu Kanon. Er grinste ihn breit und hinterhältig an. Dann machte er sich wieder daran den kleinen Blonden eindringlich zu mustern und achtete darauf, wie dieser reagierte, als er ihn mit seinen Blicken durchbohrte. Der Sänger hielt das nicht lange aus, ergriff Kanons Hand und zog ihn auf die Beine. Der Schwarz-blonde war völlig unvorbereitet gewesen und hätte beinah seine Gitarre fallen lassen. Wieder einmal wollte Bou einfach nur weg und aus der Sichtweite des Schwarzhaarigen sein, doch er wollte auch noch nicht wieder nach Hause. Also schleifte er seinen Freund in einige Läden.
 

Am Nachmittag machten sie sich dann aber doch allmählich nach Hause. Unterwegs hatte der Schwarz-blonde die Idee noch einen Abstecher zum See zu machen. Bou war alles recht, was ihn von Aiji und seiner Angst vor ihm ablenkte. Am See legten sie die Einkaufstüten an einen Baum in der Nähe des Wassers. Es war ziemlich warm. Deswegen bekam Kanon den anderen sogar dazu, sich zusammen mit ihm etwas abzukühlen. Da die Leute lieber ins Schwimmbad gingen, waren sie völlig allein und konnten verhindern, dass ihre Sachen nass wurden und badeten nackt. Das Ganze hatte bei Bou den gewünschten Effekt, dass er nicht über Aiji nachdachte, da er damit beschäftigt war, Kanon davon abzuhalten ihn unter Wasser zu tauchen. Allgemein hatte der Ort eine ziemlich beruhigende Wirkung auf ihn. Er sorgte dafür, dass er an nichts Schlimmes denken konnte. Die Sonne verschwand bereits hinter einigen Bäumen, als die beiden wieder aus dem Wasser kamen. Dennoch dauerte es nicht lange, bis sie trocken waren und ihre Klamotten wieder anziehen konnten.
 

Nachdem Abendessen wollten die Jungs wie gewohnt proben. Doch bereits nach dem zweiten Song brach Kanon mit den Worten: „Ich halte das nicht mehr aus!“ ab. Bou sah ihn verwirrt an, aber bevor er fragen konnte, hatte sein Freund seine Gitarre beiseite gelegt und sprach weiter: „Der Kerl schaut dich immer an, als würde er sich am liebsten sofort auf dich stürzen, ungeachtet davon, ob es in der Öffentlichkeit ist oder nicht! Außerdem grinst er, als ob er irgendetwas ausgeheckt hat und bereits weiß, dass er das auch schafft!“ Nun wusste der Blonde von wem die Rede war und er hatte einen Kloß im Hals. Da sein Freund nichts erwiderte, blickte Kanon zu ihm und sprach vorsichtig weiter: „Wir sollten uns langsam überlegen, wie wir es anstellen wollen.“ Bou versteifte sich und gab kein Wort von sich. Der Schwarz-blonde zog ihn auf seinen Schoß, schlüpfte mit den Händen unter sein Shirt und legte seine Finger auf die weiche Haut. Bou entspannte sich und sie konnten anfangen zu planen.
 

Als sie nach einer halben Stunde fertig mit diskutieren und auch zufrieden waren, fragte der Blonde. „Erzählst du mir nun an was du heute Morgen gedacht hast?“ Kanons Finger glitten langsam über Bous Rücken und als er sich daran erinnerte, an was er gedacht hatte, blieben seine Hände abrupt da wo sie gerade waren. Es dauerte einige Minuten, ehe er seine Stimme wieder gefunden hatte und antworten konnte. Jedoch flüsterte es nur: „Ich hab mir überlegt, was passiert, wenn Aiji herausbekommt, dass wir ihn reinlegen wollen; wenn es schief geht.“ „Wenn das geschieht, rastet er völlig aus und es kann sein, dass man hinterher schwer verletzt im Krankenhaus liegt.“ „Genau davor habe ich Angst. Ich will dich eigentlich gar nicht in seine Hände geben und mit zusehen müssen, dass er dich quält und foltert. Einfach weil ich mich davor fürchte, dich dabei vielleicht zu verlieren. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dich bei mir zu haben und ich liebe dich über alles und ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, wie mein Leben nun ohne dich sein könnte. Das würde, glaube, überhaupt nicht mehr funktionieren und hätte absolut keinen Sinn.“
 

Es geschah nicht oft, dass die beiden so direkt über ihre Gefühle sprachen. Nur, wenn es unbedingt sein musste. Aber nicht nur Kanon fiel es von Mal zu Mal leichter darüber zu sprechen, sondern auch Bou: „Ich habe ebenfalls Angst, dich wegen Aiji zu verlieren, deswegen will ich eigentlich gar nicht, dass du mitkommst, da ich weiß, wozu er in der Lage sein kann. Du bist mir verdammt wichtig, Kanon, und neben Hana, war der Gedanke an dich in den letzten Monaten das einzige, das mich am Leben erhalten hat, denn ich dachte, es gibt keinen Weg aus diesem Teufelskreis. Ich habe geglaubt, dass mich, außer Sora, wohl nie jemand lieben könnte, weil ich so schwierig bin und ich dachte auch, dass selbst meine Liebe zu dir unerwidert bleiben würde. …danke, dass du für mich da bist. Ich weiß, dass ich dir das Leben nicht gerade leichter mache und das tut mir leid.“ Kanon schlang seine Arme um Bous schmächtigen Körper und drückte ihn fest an sich. „Du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Ich liebe dich so wie du bist, auch mit deinen kleinen Macken, denn so was hat jeder und ohne die wärst du nicht mein Bou. Ich werde immer für dich da sein und hinter dir stehen.“ Der Blonde lächelte ihn dankend an und legte hinterher seinen Kopf auf Kanons Schulter.
 

Die Minuten vergingen, in denen sie schwiegen und einfach nur die Nähe des anderen genossen. Kanon hätte jetzt am liebsten die Zeit angehalten und diesen Moment für immer eingefangen. Doch leider ging das nicht und sie mussten sich noch eine Frage beantworten, die er dann auch äußerte: „Wann wollen wir es eigentlich durchziehen?“ Der Sänger zuckte zusammen. Gerade hatte er es geschafft, nicht daran denken zu müssen und nun erinnerte ihn sein Freund daran. Aber er war ihm nicht böse deswegen. Schließlich war es wichtig das zu wissen. Schweigen legte sich wieder über sie während er überlegte. „Also…ich würde sagen, dass wir es übermorgen machen. Ich weiß, du willst es genauso schnell wie ich hinter dich bringen, aber morgen will ich einfach noch mal einen normalen Tag haben. Weißt du, was ich meine?“ Der Schwarz-blonde nickte und sagte: „Ja, ich verstehe, was du meinst.“ Er grinste breit und sprach weiter: „Dann werden wir das jetzt erst einmal vergessen und uns noch eine schöne Zeit machen.“ Bou hatte absolut nichts dagegen. Er wollte, bis es soweit war, nicht mehr daran denken. Seine Mundwinkel hoben sich ebenfalls und er meinte: „Ich weiß, wie wir das zumindest für kurze Zeit hinbekommen.“ Kanon verstand, sein Grinsen wurde noch breiter und seine Hände schlüpften wieder unter Bous Shirt.
 

Der darauf folgende Tag verlief im Grunde genauso wie der vorherige. Nur das sich diesmal keine schrecklichen Gedanken in ihren Kopf schummelten. Zu ihren kleinen Auftritten kamen immer mehr Leute. Kanon freute es, dass er durch seine Musik so viele Menschen erreichte. Jedoch wusste er, dass Bou einen ziemlich großen Teil dazu beitrug. Seine Stimme war etwas Besonderes und jeder, der sie hörte blieb sofort stehen und kam zu ihnen um ihr weiter zu lauschen und um zu sehen, wem diese außergewöhnliche Stimme gehörte. Dadurch nahmen sie natürlich noch mehr Geld ein.
 

In der Nacht schliefen die Jungs nicht besonders gut. Sie selbst hatten zwar den folgenden Tag verdrängt, doch ihre Unterbewusstseins wussten genau, was ihnen bevorstand und es schien ihnen ein Vergnügen zu bereiten, es den beiden unter die Nase zu reiben. Bou kuschelte sich noch enger an Kanon und als dieser seine Arme fester um ihn schloss, merkte er, dass auch der Schwarz-blonde munter war. Mit geschlossenen Augen flüsterte Bou: „Versprich mir, dass sich danach zwischen uns nichts ändern wird.“ „Was sollte sich denn ändern?“, fragte Kanon mit gerunzelter Stirn. „Das war keine Antwort.“ „Ich verspreche es.“ Damit gab sich Bou zufrieden und versuchte weiterzuschlafen.
 

Beide wurden durch die Sonne geweckt. Sie hatten am Ende doch noch besser schlafen können, als erwartet, aber auch nur weil sie sich noch etwas abgelenkt hatten. Es war bereits Mittag, als sie aufstanden und gemeinsam unter die Dusche gingen. Um hinterher noch etwas zu essen, waren sie viel zu aufgeregt. Sie hätten sowieso nichts herunterbekommen. Also versuchten sie es erst gar nicht. Sehr zum Leidwesen von Kanons Mutter, die sich sofort Sorgen um die Jungs machte. Hätte es bloß einen betroffen, hätte sie nicht gefragt, was los sei, aber bei beiden war das doch sehr auffällig. Die zwei hielten sich zu ihrem Plan bedeckt, was Kanons Mutter noch misstrauischer machte. Jedoch konnte ihr Sohn es ihr nicht erzählen. Sie war zwar für vieles offen, aber er wusste nicht, wie sie reagierte, wenn sie erfuhr, worauf Bou stand und wo er arbeitete. Auch wenn letzteres nicht mehr lange so sein würde, konnte man Bous Vorlieben nicht ändern. Außerdem gehörte das genauso zu ihm wie seine Stimme, die einen in den Bann zog und um den Verstand brachte. Dies alles konnte er ihr unmöglich erzählen. Also schwieg er lieber, auch wenn er seine Mutter nicht gerne im Unklaren darüber ließ, was er vorhatte, aber bei dieser Sache ging es einfach nicht anders.
 

Sie verließen das Haus am frühen Nachmittag. Als sie in das Viertel der Stadt kamen, wo sich der Club befand, wurden die Unruhe und der Druck der beiden immer größer und als sie den Club bereits sahen, setzten sie nur noch widerwillig einen Fuß vor den anderen. Bou öffnete die Tür für Kanon und die Empfangsdame riss beim Anblick des Blonden verwundert die Augen auf und sie weiteten sich noch mehr, als sie dessen Begleitung erblickte, doch sie begrüßte beide trotzdem höflich und ließ sie durch. Der Schwarz-blonde blieb dicht hinter seinem Freund, da er in den verwinkelten Gängen nicht verloren gehen wollte. Sein Blick war die ganze Zeit auf Bou geheftet. Er sah sich nicht um. Er wollte nicht wissen, wie es dort aussah, da er nach diesem Tag ohnehin nie wieder hierher kommen würde.
 

Unterwegs begegnete ihnen ein blonder Typ, der Bou überrascht ansah und begrüßte: „Hallo Süßer. Lange nicht mehr gesehen. Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht, als der Chef sagte, dass du nicht mehr herkommen würdest. Schließlich würde er dich nicht so einfach gehen lassen. Er lässt ja niemanden gerne gehen, aber dich besonders nicht.“ Bou grinste ihn breit an und erwiderte: „Hallo Reita. Mit mir ist alles in Ordnung. Du brauchst dir also keine Sorgen um mich zu machen.“ Kanon musterte ihn eindringlich. Er war ziemlich schmal, war größer als er und Bou und sah sehr gut aus. Der Schwarz-blonde schätzte, dass er nur ein oder zwei Jahre älter war, als Bou. Eine Sache an ihm verwirrte ihn. Er verstand nicht, warum Reita ein Tuch über der Nase trug. Dann bemerkte er, dass Reita ihn ebenfalls anstarrte. Nach kurzer Zeit sah er aber wieder zu Bou und sagte ihm: „Du hast dir einen netten Kunden geangelt. Hättest du ihn dir nicht unter den Nagel gerissen, hätte ich ihn gern gehabt.“ Sein Blick glitt noch einmal über Kanon, ehe er weitersprach: „Aber ich will ihn dir ja nicht wegnehmen. Und ich will dich auch nicht von der Arbeit abhalten. Machs mal gut. Man sieht sich.“ „Man läuft sich bestimmt noch mal über den Weg.“ Beide verabschiedeten sich und Kanon und Bou konnten weitergehen. Bevor der Gitarrist fragen konnte, erklärte sein Freund: „Das war Reita. Er gehört zu der anderen Rubrik des Clubs. Wenn du weißt, was ich damit sagen will.“ Er blickte über seine Schulter und grinste Kanon an.
 

Vor Aijis Büro drehte sich Bou zu Kanon um, schlang seine Arme und seinen Hals und drückte seine Lippen vorsichtig auf Kanons. Er zitterte dabei am ganzen Körper und der Schwarz-blonde spürte die Verzweiflung in der Berührung. Um ihm seine Angst wenigstens etwas vergessen zu lassen, erwiderte er den Kuss erst zaghaft, ehe er ihn gierig intensivierte. Dabei lenkte er ihn langsam Richtung Wand und drückte ihn dagegen. Kanons Zunge schlüpfte zwischen Bous leicht geöffnete Lippen in dessen Mund und verwöhnte zärtlich ihren Gegenpart. Schlagartig hörte das Zittern des Blonden auf. Kanon löste Bous Arme von seinem Hals und heftete sie mit seinen Händen an die Wand. Ein unzufriedener Laut entfuhr Bou. Kanon löste sich von ihm, biss ihm ins Ohr und machte sich hinterher mit seinen Zähnen an Bous Hals zu schaffen. Dem Blonden kam ein Stöhnen über die Lippen, als der Schwarz-blonde mit seinem Knie Bous Beine auseinanderdrückte und sein Bein in dessen Schritt zu reiben begann. Der Sänger hatte inzwischen vergessen, warum sie dort waren und gab sich der Behandlung seines Freundes völlig hin. Immer wieder verwickelte er den anderen in leidenschaftliche Küsse, begann seine Hüften gegen Kanons Bein zu bewegen und wurde durch die wachsende Stimulation immer ungehaltener. Sein Stöhnen wurde mit jedem Augenblick lauter und Kanons Name mischte sich ab und zu dazwischen. Aber genau das war es, was sie mit der ganzen Aktion erreichen wollten. Sie wollten, dass Aiji sie durch die geschlossene Tür mitbekam und das schafften sie auch. Ohne, dass sie es mitbekamen, wurde die Tür hinter ihnen geöffnet und der Schwarzhaarige stand stumm auf der Schwelle. Lange Zeit beobachtete er das Geschehen vor sich und das Verlangen, das er in sich trug, seitdem er Bou das erste Mal gesehen hatte, wuchs bis ins Unermessliche. Er wollte den Blonden, aber nicht so, wie in den seltenen Sessions, zu denen er ihn überreden konnte, wenn er nur wenig zu tun hatte. Er wollte ihn mehr denn je und vergaß dabei völlig, dass er damit die Grenze, die ihm Bous Vater gesetzte hatte, überschritt.
 

Aiji verkürzte die Distanz zwischen sich und den Jungs leise. Bou hatte die Augen geschlossen, sodass er ihn nicht kommen sah. Er merkte es erst, als sein Freund von ihm abließ und vor ihm zusammensackte. Der Blonde sah nur noch, dass sich die Hand des Schwarzhaarigen auf der Höhe befand, wo bis eben noch Kanons Nacken gewesen war. Er hatte ihn bewusstlos geschlagen, legte ihn sich nun über die Schulter und ergriff eine von Bous Händen. Dieser war viel zu geschockt um sich zu wehren. Eigentlich wusste er, dass Aiji so reagieren würde. Trotzdem war er unvorbereitet gewesen.
 

Als Kanon sein Bewusstsein wiedererlangte und die Augen aufschlug, saß er in einem der Sessionräume auf einem bequemen Ledersessel. Sein verstand sagte ihm, er solle so schnell wie möglich aufstehen und verschwinden. Doch er versuchte noch nicht einmal dieser Aufforderung Folge zu leisten, denn er hatte bereits bemerkt, dass seine Arme an den Lehnen des Sessels festgemacht waren, der wohl für genau solche Zwecke gedacht war. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen sah er sich in dem Raum um. Er kam nur so weit, dass er seinen Kopf hob und schon erblickte er Bou. Seine Arme waren mit Ketten an der Decke befestigt, doch er war noch völlig unversehrt. Kanon konnte auf die Entfernung keine Verletzung erkennen. Er atmete einmal tief durch, auch wenn er wusste, dass das noch viel zu früh war. Auch wenn Bou jetzt noch nicht verletzt war, so war es jedoch nun nicht mehr zu verhindern. In den Augen des Blonden glühten Angst, Verzweiflung und unermessliches Leid. Sein Blick war die ganze Zeit auf den Schwarz-blonden gerichtet. Dieser hielt nun Ausschau nach Aiji, aber der war nirgends zu sehen. Fast nicht hörbar sagte Bou: „Er ist nicht hier. Er meinte, er fängt nicht an, ehe du nicht aufwachst. Außerdem wollte er Matsumoto holen, um der Folter beizuwohnen.“

12. Kapitel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

13. Kapitel

„Beruhige dich Bou. Es ist ja vorbei. Wir haben es überstanden. Und jetzt erzähl mal. Was ist aus Aiji und Matsumoto geworden und woher wusste die Polizei davon?“ Der Blonde setzte sich auf Kanons Unterleib um die Wunde zu entlasten und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe er zu erzählen begann: „Mein Vater hatte Matsumoto gebeten ihn anzurufen, sobald ich wieder im Club erscheine. Das hat er natürlich getan. Hinterher hat mein Vater anonym die Polizei angerufen und ihr erzählt, dass wir festgehalten werden. Daraufhin haben die den Laden gestürmt und Aiji und Matsumoto festgenommen. Das Gericht hat ein Schnellverfahren gemacht. Aiji wurde wegen Freiheitsberaubung und schwerer Körperverletzung in zwei Fällen zu sieben Jahren Haft und Matsumoto wegen Beihilfe zu vier Jahren Haft verurteilt. Zudem darf Matsumoto nie wieder ein Geschäft führen. Die sehen wir so schnell nicht wieder.“
 

Auf Kanons Gesicht zeigte sich bei Bous Worten ein Lächeln. „Wir sind sie also wirklich los und du bist frei?! Was wird nun eigentlich aus dem Club? Sitzen dieser Reita und die anderen jetzt auf der Straße?“ Bou schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Es hat sich bereits ein neuer Eigentümer gefunden. Ich habe ihn schon kennen gelernt. Er hat sich für die Taten seines Vorgängers entschuldigt, obwohl er überhaupt nichts damit zu tun hatte. Er scheint ganz in Ordnung zu sein. So schnell wird Reita nicht arbeitslos. Dafür ist er zu gut und zudem bringt der Laden eine Menge Geld ein.“ Kanon zog die Augenbrauen zusammen. Ihm war die eine Bemerkung über Reita nicht entgangen. „Woher weißt du wie gut der Blonde ist?“ „Ähm…wie erkläre ich das bloß? Eins kann ich dir versichern: Ich habe mit ihm nie auch nur eine Session gemacht. Obwohl er mir das mal angeboten hatte. Aiji hatte eine gute Meinung über ihn und von seinen Kunden hört man auch nur Lobeshymnen.“ Kanon schenkte ihm Glauben und wollte bereits zur nächsten frage ansetzten, überlegte es sich dann aber doch anders, denn er konnte sich denken, dass sich Bou zieren würde, sie zu beantworten und wenn er es tat, würde ihm die Antwort vielleicht nicht gerade gefallen und für derartigen Stress war er noch nicht wieder fit genug. Also hob er sie sich für später auf, wenn sie wieder zu Hause waren.
 

Der Gitarrist musste noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Es freute sich schon darauf wieder nach Hause zu kommen. Die ganze Zeit über war der Blonde bei ihm, obwohl er außer Lebensgefahr war. Bou wollte ihm nicht von der Seite weichen. Oft verfielen sie in langes Schweigen und Bou hatte das leichte Gefühl, dass sich zwischen ihm und seinem Freund doch etwas geändert hat. Als sie endlich zu Hause waren, verzog sich Kanon in seinem Zimmer mit der Begründung, dass er einen neuen Song schreiben wolle und dafür Ruhe brauche. Bou gab ihm die Zeit und gesellte sich zu Kanons Mutter. Doch Kanon hatte gar nicht vor derartig etwas zu tun. Er brauchte bloß eine Gelegenheit, um ungestört nachdenken zu können. Er zog sich einen Stuhl ans Fenster, öffnete dieses und setzte sich. Der Schwarz-blonde verschränkte die Arme auf dem Fensterbrett und bettete seinen Kopf darauf. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, weshalb er die Augen schloss, und ein leichter Wind fuhr ihm durch die Haare. Das herrliche Wetter passte so gar nicht zu seinem Gemütszustand. Wenn es danach ginge, müsste die Welt in Dunkelheit versinken. Eigentlich hätte er glücklich sein müssen. Schließlich war das Schlimmste jetzt überlebt. Aber er war es nicht. Ohne Zweifel liebte er Bou über alles und hatte sich inzwischen auch an seine Eigenarten gewöhnt. Und er wusste, dass Bou ihn ebenfalls liebte. Dennoch nagten die Zweifel an ihm, ob er wirklich der Richtige für den Blonden war. Er konnte die Bilder von dessen Folter nicht verdrängen, geschweige denn vergessen, obwohl er dies am liebsten täte. Im Moment wünschte er sich, dass das alles nicht passiert wäre. Dass es anders besser wäre.
 

Plötzlich klopfte es an der Tür. Erst da merkte er, dass es bereits dämmerte und er das Abendessen verpasst hatte. Er reagierte nicht, aber Bou trat trotzdem ein und hinter ihn. Er legte seine Hände auf Kanons Schultern und fragte: „Was ist los mit dir? Du bist schon die ganzen letzten Tage so komisch.“ Kanon erhob sich, stellte wortlos den Stuhl zurück und lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Tür. Bou runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was das werden sollte. „Du wirst mir jetzt jede Frage beantworten, die ich dir stelle! Ich akzeptiere keine Ausreden und Schweigen gleich gar nicht! Du kommst hier nicht raus, ehe ich nicht meine Antworten habe!“ Kanons Stimme klang ernst und sie ließ keinen Widerspruch zu. Der Sänger schluckte trocken, setzte sich auf das Bett und atmete tief durch. „Also gut. Was willst du wissen?“ „Ich habe lange nachgedacht und kam doch auf keine vernünftige Antwort. Warum? Warum hast du dich Aiji so hingegeben, ohne dich zu wehren? Warum hast du dich so gehen lassen? Ich dachte du hasst ihn. Und dann muss ich so was mit ansehen.“ Sein Freund antwortete nicht sofort. Er suchte nach den passenden Worten, um es ihm zu erklären und Kanon wurde leicht ungeduldig.
 

„Ich weiß nicht recht, wie ich es dir erklären soll, ohne dass du völlig ausrastest, aber ich versuche es. Du hast Recht. Ich hasse Aiji wirklich. Das ist die eine Seite. Das, was mein Verstand mir sagt. Aber dann ist da auch noch das Körperliche, was ich von Anfang gespürt habe. Versteh mich nicht falsch. Ich brauche dich in jeder Hinsicht. Und das so sehr, dass es schmerzt, wenn auch nur ein paar Räume zwischen uns liegen. Aber Aiji hatte schon immer eine ganz bestimmte Wirkung auf mich. Er zieht mich allein mit seiner Ausstrahlung an. Mein Körper verlangt nach ihm, wenn er in der Nähe ist. Danach, was er immer mit mir anstellt. Obwohl ich es nicht will, kann ich es doch nicht ändern. Ich habe es die ganze Zeit unter Kontrolle gehalten, aber an dem Tag ging es einfach nicht mehr. Seine Präsenz war zu stark. Ich habe nicht gewollt, dass du das mitbekommst. Es tut mir Leid.“ Während er dies erzählte, war sein Blick auf den Boden gerichtet und selbst jetzt konnte er Kanon nicht in die Augen schauen. Daher hatte er den Ausbruch, der nun folgte, nicht vorherahnen können.
 

Der Schwarz-blonde stieß sich von der Tür ab und trat einige Schritte auf Bou zu. „Es tut dir also Leid?! Damit willst du das Ganze also einfach abtun? Mit einem schlichten ’Es tut mir Leid’?“ Seine Stimme wurde immer lauter und wütender. „Wieso Bou? Wieso tust du mir das immer wieder an? Wieso belügst du mich und verschweigst mir ständig etwas? Vor allem solche wichtigen Dinge?! Das mit Aiji hättest du mir vorher sagen müssen! Langsam bin ich das Ganze von dir echt leid. In letzter Zeit habe ich von anderen Personen so viel über dich erfahren und ich habe versucht zu verstehen, warum du mir das nicht erzählt hast. Ich habe sogar versucht zu akzeptieren, dass das nun mal zu dir gehört, aber langsam reicht es mir. Deiner Meinung nach versuchst du dich damit selbst zu schützen und die Menschen, die du liebst, nicht zu verlieren, aber wenn du weiter so machst, wirst du bei mir das genaue Gegenteil erreichen! Ich kann nicht mit dir zusammen bleiben, wenn du mir nicht voll und ganz vertraust!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und öffnete die Tür. Bou stand auf und wollte ihn aufhalten, doch sein Freund schlug die Tür zu, als er draußen war und ließ Bou alleine zurück. Er blieb wie angewurzelt stehen und Tränen liefen ihm über die Wangen.
 

Kanon stürmte ohne eine Erklärung an seiner Mutter vorbei und schmiss die Haustür hinter sich zu. Sie stand noch einige Momente reglos da und blickte zur Tür. Zu gerne wüsste sie was zwischen ihm und Bou vorgefallen war, dass ihr Sohn mit Tränen in den Augen so schnell das Weite suchte. Sie ging zu Kanons Zimmer, wo sie dessen Freund vermutete um ihn zu fragen. Dort angekommen erschrak sie. Der kleine Blonde stand ihr zugewandt da und sah in ihre Richtung, doch sein Blick war völlig leer. Tränen liefen ihm unaufhörlich über das Gesicht. Doch der größte Schock war das, was er in seiner einen Hand hielt. In ihr befand sich eine Rasierklinge, die schon gefährlich nah an seinem Handgelenk war. Vorsichtig lief sie auf ihn zu, darauf gefasst, schnell reagieren zu müssen. Aber Bou rührte sich nicht. Sie nahm ihm die Klinge aus der Hand und in dem Moment schien er zu realisieren, was in den letzten Minuten passiert war, denn er sank auf die Knie und begann zu schluchzen.
 

Kanons Mutter legte die Klinge auf den Tisch und nahm den Sänger hinterher tröstend in die Arme als wäre er ihr eigener Sohn. Für sie gehörte er schließlich schon zur Familie und sie wollte natürlich nicht, dass er litt. Es dauerte einige Zeit, bis sich Bou soweit beruhigt hatte, dass er etwas Verständliches herausbekam. Er erzählte ihr was passiert war. Er brauchte ihr nichts zu verschweigen. Schließlich hatte sie durch die Gerichtsverhandlung alles erfahren. Sie war seltsamerweise nicht ausgerastet und hysterisch geworden oder hatte Kanon jeden weiteren Umgang mit ihm verboten, sondern hat es ganz locker aufgenommen. Es hatte etwas gedauert, bis sie alles vollends begriffen hatte, aber sie akzeptierte es. Bou fragte sich, wie seine Mutter wohl damit umgegangen wäre. Er wusste es nicht und konnte nur Vermutungen anstellen. Sie hätte wahrscheinlich gar nicht erst zugelassen, dass das alles passiert wäre.
 

Kanons Mutter brachte Bou in die Küche und machte ihm dort zur Beruhigung einen Tee. Sie wollte ihn nicht alleine lassen, in der Angst er könne erneut versuchen sich etwas anzutun. Sie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen und spannte ihn zur Ablenkung in den nächsten Tagen in die Hausarbeit mit ein. Das half aber auch nicht wirklich, denn die meiste Zeit über war er geistesabwesend und oft brach er in Tränen aus. Sie konnte verstehen, wie es dem Blonden ging und sie selbst wusste auch nicht, wo sich ihr Sohn befand. Die Polizei schaltete sie gar nicht erst ein, denn sie wusste, wenn er nicht gefunden werden wollte, fand man ihn auch nicht. In den Nächten war ihre Sorge am größten. Dann fragte sie sich, ob mit Kanon alles in Ordnung war und ihr fiel es auch schwer schlafen zu gehen und somit nicht auf den Blonden aufpassen zu können.
 

Nach zwei Wochen war das Warten darauf, dass ihr Sohn zurückkam fast unerträglich und auch Bous Zustand besserte sich nicht. Ihr schien es, als ob er immer weiter in einen Abgrund fiel, aus dem er nicht wieder herauskam, wenn ihm keiner half und sie hatte das Gefühl, dass nur Kanon ihm da wieder heraushelfen konnte. Zudem blieb ihr vor Schreck beinah das Herz stehen, als sie wie jeden Früh nach Bou sehen wollte und er nicht da war. Das Bett war gemacht – vermutlich hatte er letzte Nacht gar nicht darin geschlafen -, das Fenster stand sperrangelweit offen und von ihm war nichts zu sehen. In ihr machte sich Verzweiflung breit, da sie dachte nun auch noch die letzten zwei Menschen, die ihr nahe gestanden hatten, verloren zu haben. Sie sank zu Boden und blickte fassungslos in das leere Zimmer.
 

Bou hatte sich mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen indem er durch das Fenster abgehauen war. Er lief ziellos durch den Wald und wurde doch von einem Ort magisch angezogen. Er steuerte anfangs jedoch nicht darauf zu, da er wusste, was das für ein Ort war und dort völlig alleine zu sein würde ihm sein Herz nur noch mehr zerreißen. Also lief er in die Stadt und bei Sonnenaufgang kam er dort an. Die wenigen Leute, die um diese Uhrzeit bereits unterwegs waren, sahen ihn erstaunt an. Einige erkannten ihn und wollten ihn ansprechen, doch als sie ihm in die leeren Augen sahen, ließen sie ihn doch lieber alleine und gingen weiter. Er setzte sich auf seinen und Kanons Stammplatz, zog die Beine auf die Bank, eng an seinen Körper und schlang die Arme darum. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der er einfach nur auf den gegenüberliegenden Springbrunnen starrte. Doch irgendwann spürte Bou wieder die starke Anziehungskraft jenes Ortes, an den er nicht wollte. Doch sein Körper wollte etwas anderes und zwang ihn dazu aufzustehen und dorthin zu gehen, selbst auf die Gefahr hin, dass er dadurch unterging.
 

Je näher er dem kleinen See im Wald kam, desto langsamer wurde er. Bou versuchte sich immer noch dagegen zu wehren, doch die Präsenz war inzwischen zu groß und sie wuchs mit jedem Schritt. Außerdem vollführte sein Herz etwas, das er in en letzten beiden Wochen nicht einmal gespürt hatte. In der Zeit war ihm, als wäre es stehen geblieben und zu Eis gefroren, doch nun taute es wieder auf und mit jedem noch so kleinen Zentimeter schlug es schneller bis sein Puls unnatürlich schnell war. Der Blonde konnte sich das nicht erklären, bis er die kleine Lichtung mit dem See erreichte. Dort saß an einem Baum eine Gestalt, die ihm das Gesicht abgewandt hatte. Jedoch wusste der Sänger auch so, wer dort saß. Sein Herz zeigte es ihm, das vor Freude Purzelbäume schlug und er war seinem Körper dankbar, dass er im Gegensatz zu seinem Verstand die Gegenwart dieser Person hier gespürt hatte. Wie so oft in letzter Zeit füllten sich seine Augen mit Tränen und er lief langsam auf ihn zu. Als er direkt neben ihm stand, sagte er halblaut: „Kanon…“ Dieser drehte seinen Kopf zu ihm und riss erstaunt die Augen auf, als er den anderen völlig fertig vor sich stehen sah. „Was willst du hier?“ Kanons Stimme klang eisig und das versetzte Bou einen Stich genau da, wo sich bis eben noch sein Herz befunden hatte, das aber bei diesen Worten in tausend kleine Teile zersprungen war. Er sank auf die Knie und nun konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen über und nahmen ihm die Sicht. „Ich vermisse dich Kanon. Ich vermisse…dich so sehr. Ohne dich ist das kein Leben, was ich führe. Ich vegetiere nur noch dahin. Alles läuft nur noch mechanisch ab, ohne das da auch nur ein Funken Leben dahinter steckt. Ich brauche dich. Was muss ich machen, damit du mir noch eine Chance gibst und zu mir zurückkommst? Bitte sag es mir. Ich würde wirklich alles dafür tun.“
 

Bous Blick war auf den Boden gerichtet und langes unerträgliches Schweigen breitete sich aus. Kanon schob eine Hand unter Bous Kinn und hob dessen Gesicht an. Nur kurz streiften seine Lippen die des Blonden, bevor er sagte: „Schwöre mir nur eins. Vertrau mir, egal was passiert. Und meine es diesmal ernst. Das heißt keine Lügen mehr und auch kein verheimlichen!“ Der Sänger bekam kein Wort heraus und nickte nur. Dann legten sich Kanons Lippen erneut hauchzart auf seine und diesmal war die Berührung länger. „Ich habe dich auch vermisst, Bou. Du weißt nicht, wie sehr ich mich in der ganzen Zeit nach dir gesehnt habe.“ Er schlang die Arme um den schmalen Körper des Blonden und küsste ihn noch mal. Dabei ließ er sich zur Seite fallen und riss Bou mit sich. Als sie beide auf dem Boden lagen, zog er seinen Freund auf sich und hielt ihn fest, so als wolle er ihn so schnell nicht wieder loslassen. Bou hatte nichts dagegen einzuwenden und bettete seinen Kopf auf Kanons Schulter. Während sie dort lagen unterhielten sie sich über dies und jenes und die Hände des Schwarz-blonden fuhren dabei unentwegt über Bous Rücken, der die sanften Berührungen sehr genoss. Er spürte wie mit jedem Augenblick, den er bei Kanon verbrachte, sich sein Herz langsam wieder zusammensetzte. Die letzten zwei Wochen kamen ihm inzwischen auch nur noch wie ein schrecklicher Alptraum vor.
 

Nach einigen Stunden, in denen sie sich nicht vom Fleck bewegt hatten, bekamen beide Hunger. Kanon löste die Umarmung, sodass Bou aufstehen konnte. Auch der Gitarrist erhob sich und stellte sich vor den anderen. Er nahm dessen Hände in seine und sagte zaghaft: „Ich habe noch eine Frage an dich, Bou.“ Dieser zuckte zusammen und bereitete sich auf etwas Schlimmes vor. Bei den nächsten Worten entspannte er sich jedoch wieder: „Ich weiß, es ist verboten und ich habe lange überlegt, ob es nicht doch irgendwie geht, aber wenn es tatsächlich eine Möglichkeit gibt, dann… Worauf ich hinaus will, ist…“ Er atmete ein paar Mal tief durch und kniete sich dann vor Bou. Er hatte dessen Hände immer noch in seinen und sah ihm nun fest in die Augen während er fragte: „Bou…willst du mich heiraten?“

14. Kapitel

Dem kleinen Blonden verschlug diese Frage glatt die Sprache. Er ging ebenfalls in die Knie und antwortete mit einem Lächeln: „Ja, ich will!“ Nun lächelte auch Kanon. Er griff in seine Hosentasche und deutete Bou seine Augen zu schließen. Der Blonde tat es und Kanon legte ihm etwas in die Hand. Als der Sänger seine Augen wieder öffnete, entdeckte er ein silbernes Armband mit Namenszug. Der Schwarz-blonde nahm Bous linken Arm und legte ihm das Armband mit seinem Namen ums Handgelenk. Das gleiche tat Bou hinterher bei ihm. Er gab ihm auch noch einen zärtlichen Kuss, bevor sie sich dann auf den Heimweg machten. Unterwegs ergriff Bou Kanons Hand. Er wollte einfach so oft wie möglich spüren, dass das alles keine Einbildung von ihm war. Der Gitarrist hatte damit kein Problem. Er wusste wie es seinem Freund ging. Er selbst konnte noch nicht recht glauben, was in letzter Zeit passiert war und dass er nun nach all dem mit Bou verlobt war. Doch er wusste, dass es jetzt besser werden würde, da der Blonde gerade erlebt hatte, wie es ist, in dem Glauben zu sein, ihn verloren zu haben. Daher war er sich sicher, dass er sich ändern würde.
 

Als ihr zu Hause bereits in Sicht war, bekamen sie mit, dass ein Polizeiwagen dort stand. Daraufhin beeilten sie sich und Kanon riss als Erster die Tür auf und rief nach seiner Mutter. Diese kam schnell aus der Küche und schien ihren Augen nicht zu glauben, als sie die beiden Jungs sah. Hinter ihr tauchten auch die beiden Polizisten auf und einer der beiden meinte: „Scheinbar hat sich das ganze Problem nun erledigt. Auf Wiedersehen Madam.“ Mit diesen Worten gingen sie an ihnen vorbei und verschwanden. Kanons Mutter kamen die Tränen und sie fiel den Jungs um den Hals. „Ich hatte schreckliche Angst! Ich habe gedacht, euch ist irgendwas passiert. Tut das bitte nie wieder.“ Kanon nickte, antwortete: „Wir werden es versuchen.“ und grinste Bou dabei an. Seine Mutter beeilte sich das Mittagessen zu kochen und die beiden verzogen sich in ihr Zimmer. Sie wusste, dass sie die Zeit für sich brauchten um alles wieder in Ordnung zu bringen und die gab sie ihnen auch.
 

Bou schloss hinter sich die Tür und sagte: „Kanon…“ Der Angesprochene drehte sich zu ihm und fragte: „Was ist denn?“ Der Blonde sah ihm in die Augen und sprach weiter: „Ich weiß, ich habe dir versprochen, dir nichts wichtiges mehr zu verheimlichen und dich nicht weiter anzulügen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das so schnell schaffe. Ich weiß nicht, ob ich mich von heute auf morgen ändern kann.“ Kanon legte ihm eine Hand auf die Wange und erwiderte: „Bou, das du dich änderst, muss nicht von jetzt auf gleich sein. So was braucht Zeit. Ich will bloß sehen, dass du es wirklich versuchst. Also dass es Fortschritte gibt. Du musst dich nicht über Nacht ändern. Das verlange ich gar nicht von dir.“ Er gab ihm einen Kuss und wollte sich gerade wieder lösen, doch da griff Bou in den schwarz-blonden Schopf und zog Kanon näher zu sich. Der keuchte dadurch auf und Bous Zunge schlüpfte in Kanons Mund. Er erkundete ihn, als würden sie sich das erste Mal küssen. Der Blonde ließ von seinen Freund ab und flüsterte: „Das habe ich auch vermisst.“ Der Gitarrist grinste breit. „Nicht nur du.“ Er presste seine Lippen auf Bous und lenkte ihn zur Wand und drückte ihn dagegen. Sie küssten sich wild und leidenschaftlich bis sie völlig außer Atem waren.
 

Auf einmal klopfte es kurz an der Tür und Kanons Mutter trat ein. Sie sagte den beiden Bescheid, dass das Essen fertig war und ging hinterher mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder aus dem Zimmer. Sie wusste nun, dass sich die Jungs nicht an die Kehle gingen, sondern ihren wohl üblichen Aktivitäten nachgingen, wenn sie alleine waren und Zeit für sich hatten. Kanon ergriff Bous Hand und wollte seiner Mutter folgen, als der Blonde plötzlich sagte: „Warte mal kurz.“ Sein Freund drehte sich um und sah ihn fragend an: „Was meinst du? Wollen wir ihr sagen, dass wir verlobt sind oder lassen wir sie wieder im Dunkeln tappen, bis sie es selbst herausfindet? Bein letzten Mal hatte sie ja nicht sonderlich lange gebraucht.“ Er grinste Kanon breit an und wartete auf eine Antwort. „Ich würde sagen, das darf sie selbst erraten. Nur sollten wir es ihr diesmal nicht so leicht machen. Und sollte sie es doch nicht herausfinden, werden wir es ihr einfach sagen, denn ich glaube, selbst sie würde nie im Traum darauf kommen, dass ich dir einen Heiratsantrag gemacht habe.“ Er grinste seinen Freund verschmitzt an und ging dann mit ihm in die Küche.
 

Beide Jungs langten kräftig zu. Kanon hatte schließlich nicht viel zu essen bekommen und Bou hatte aus Kummer nichts gegessen. Kanons Mutter sah den beiden bloß schweigend zu. Nur zu gerne hätte sie sie gefragt, was letzte Nacht passiert war, doch sie lies es. Sie wollte die Wunden nicht neu aufreißen, die bereits anfingen zu heilen. Nie wieder wollte sie einen von beiden so verloren sehen. Als Entschuldigung dafür, dass sie ihr so einen Schreck eingejagt hatten, machten Bou und sein Freund den Abwasch.
 

Einige Zeit verging, in der sie ihrem gewohnten Alltag nachgingen. Nichts erinnerte mehr an die alptraumhaften zwei Wochen. Bou versuchte alles um sich so schnell wie möglich zu ändern und Kanon musste ihm einige Male sagen, dass das nicht so schnell ging und dass es auch keineswegs eilte.
 

Eines Tages, als die beiden gerade mit ihrem Auftritt fertig waren, trat ein älterer Mann an sie heran. Er trug einen grauen Anzug, dazu eine schwarze Krawatte und auch sein Haar war bereits mit grauen Strähnen durchzogen. Er verbeugte sich freundlich vor ihnen und begrüßte sie mit einem: „Guten Tag meine Herren.“ Kanon und Bou verbeugten sich ebenfalls kurz und begrüßten ihn. Ohne lange Smalltalk zu machen, kam er gleich zu dem, was er von den beiden wollte: „Mein Name ist Hiroaki Sakai und ich würde Ihnen beiden gerne ein Angebot machen.“ Er setzte ein freundliches Lächeln auf, während Bou seinen Freund fragend ansah. Dieser blickte ebenfalls zu ihm und sah dann wieder zu Sakai.
 

„Was wäre das denn für ein Angebot?“, fragte der Schwarz-blonde vorsichtig. Dafür hatte er auch seinen Grund. Das letzte Mal, als sie von einem scheinbar Fremden angesprochen worden waren, war die ganze darauf folgende Geschichte absolut nicht gut gelaufen. Diesmal würde er sich nicht so schnell um den Finger wickeln lassen, egal was ihnen angeboten wurde. Und diesmal würde er vielleicht ausnahmsweise auch mal auf Bous schlechtes Bauchgefühl hören, wenn er denn eines bekommen sollte.
 

„Sie müssen nicht gleich so skeptisch sein. Es ist etwas ganz harmloses.“ Sakais Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Ich hätte Ihnen eine Arbeit anzubieten. Immer nur hier auf der Straße Musik zu machen ist keine Alternative für solche jungen Leute wie Sie.“ Kanon wurde daraufhin noch etwas vorsichtiger und Bou blieb das nicht verborgen. Er streifte mit einer Hand unauffällig Kanons und erhob ebenfalls das Wort: „Wissen sie, mein Freund und ich haben erst kürzlich mit so was schlechte Erfahrungen gemacht, deswegen werden wir erst einmal Zeit brauchen, um darüber nachzudenken.“
 

Der Gitarrist lächelte den Blonden dankend an. „Ach Sie meinen bestimmt den Vorfall in dem S/M-Club, in dem Sie gearbeitet haben, soweit ich weiß. Keine Angst, so etwas habe ich mit Ihnen ganz bestimmt nicht vor. Wissen Sie, ich bin der Direktor an der erst kürzlich gebauten Universität etwas außerhalb der Stadt und ich suche noch Lehrkräfte.“
 

Kanon sah ihn mit großen Augen an, bevor sich seine Augenbrauen zusammenzogen. „Und was sollen wir da unterrichten. Immerhin muss man, um unterrichten zu können, studiert haben.“ Sakai hob besänftigend die Hände und erwiderte: „Ich würde Sie gerne als Musiklehrer einstellen. Die Uni ist für junge Leute aus reichem Elternhaus und in denen ist es so Brauch, dass die Kinder ein Instrument lernen. Viele Kinder haben jedoch zu Hause keine Zeit um eines zu erlernen und deswegen würde ich gerne Musikstunden anbieten. Ich habe etwas über Sie recherchiert. Sie, Mister Sano, können nur Gitarre spielen. Das ist jedoch nicht sehr schlimm, denn der Trend mit den Instrumenten geht seit neuestem in diese Richtung. Und Sie, Mister Suzuki, können Klavier und ebenfalls Gitarre spielen und haben nebenbei eine wunderbare Singstimme. Sie beide wären also perfekt für unsere Schule. Was sagen Sie?“
 

Der schwarz-blonde Gitarrist zog die Augenbrauen noch etwas weiter zusammen und sah den Mann vor sich skeptisch an. Er begriff nicht, woher er wissen konnte, dass Bou Klavier und Gitarre spielen konnte und zudem, dass sein Freund einmal in dem Club gearbeitet hatte. Am meisten wunderte ihn, dass er damit noch nicht einmal ein Problem zu haben schien. Immerhin hatten solche Leute nicht unbedingt den besten Ruf und dennoch wollte er den Blonden als Lehrer an einer Schule einstellen, die sich einen gewissen guten Ruf aufbauen wollte. Es kam ihm alles ziemlich spanisch vor und er wandte sich Hilfe suchend an Bou. Doch der sah selbst ziemlich verdattert in Sakais Richtung. Er machte sich scheinbar die gleichen Gedanken, wie er selbst und war ihm daher keine große Hilfe.
 

„Könnten wir bis morgen Zeit bekommen, um uns das Angebot zu überlegen? So eine schwierige Entscheidung können wir nicht sofort treffen. Und es ist ja auch noch etwas Zeit bis die Schule anfängt, oder?!“, sagte Kanon an Sakai gewandt. Dieser dachte kurz nach, als müsse er nachrechnen wie viel Zeit noch blieb, bis das neue Semester anfing. Dann nickte er und erwiderte: „Ich komme morgen wieder vorbei und bin auf Ihre Antwort gespannt.“ Er verbeugte sich zum Abschied und machte auf dem Absatz kehrt.
 

Bou sah seinen Freund verwirrt an. Er war immer noch zu verdattert um auch nur ein Wort herauszubekommen. Er erinnerte sich noch gut daran, was das letzte Mal passiert war, als sie einfach angesprochen worden waren, um irgendwo mitzumachen. Es hatte damit geendet, dass der Schwarz-blonde ihn verlassen hatte und er die schlimmsten zwei Wochen seines Lebens erlebt hatte, bis alles wieder in Ordnung gekommen war. Sakai hatte zwar gesagt, dass er keine Hintergedanken dabei hatte, trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl dabei. Schließlich warb man für eine Eliteuni nicht einfach zwei Leute von der Straße an, die in solchen Dingen überhaupt keine Erfahrung hatten. Er wusste wie es den Leuten erging, die für den Lehrberuf nicht gut genug waren. Sie wurden von einer Sekunde auf die nächste entlassen und meist bekamen auch nur die eine solche Stelle, die selbst der gehobenen Gesellschaft entstammten. Und Kanon kam weder aus einer solchen Familie noch hatte er je jemanden unterrichtet. Ganz zu schweigen davon, dass die Schüler ihn nicht akzeptieren würden, sollten sie das erfahren, da ihnen immer nur das Beste gut genug war. Und der „Pöbel“ gehörte eindeutig nicht dazu.
 

Kanon legte dem Blonden eine Hand auf den Arm und holte ihn damit aus seiner Starre. Der Sänger zuckte kurz zusammen, ehe er dem anderen in die Augen blickte. „Was denkst du? Sollen wir das Angebot annehmen oder nicht?“, fragte der Gitarrist und fuhr mit seiner Hand Bous Arm entlang um am Ende dessen Hand in seine zu nehmen. Bou hatte wieder dieses Deja-vu-Gefühl, denn auch damals hatte Kanon ihn nach seiner Meinung gefragt. Doch diesmal würde er seinen Freund weder anlügen noch es ihm verschweigen, was er darüber dachte. Dennoch zögerte er kurz bevor er etwas von sich gab.
 

Kanon dachte bereits, dass der kleine Blonde einen Rückzieher machen würde, was seine Meinung betraf. Doch als gerade leichte Wut in ihm aufsteigen wollte, öffnete Bou den Mund um etwas zu sagen: „Also ich weiß nicht recht. Ich bin mir nicht ganz sicher was dieses Angebot angeht. Dieser Kerl spricht einfach jemanden auf der Straße an und bietet Stellen als Lehrer an einer Uni für höhergestellte Kinder an, obwohl es im ganzen Land viel geeignetere Personen gibt. Das gibt mir echt zu denken.“ Kanons Augenbraue ging überrascht nach oben, ehe er sie zusammenzog und über Bous Worte nachdachte. „Vielleicht sucht er jemanden in der Gegend und hat von sehr geeigneten Personen keinen in der Nähe gefunden. Vielleicht will er damit Geld sparen.“ Bou schüttelte leicht den Kopf: „Würde er richtig nachdenken, würde ihm klar werden, dass es keine gute Idee ist, Unerfahrene auf Kinder aus reichem Elternhaus loszulassen. Es ist einfach total unüberlegt.“ Der Gitarrist drückte kurz Bous Hand, bevor er fragte: „Als nehmen wir nicht an? Ich hab, was das angeht, leider absolut keine Ahnung. Du bist in den Dingen sozusagen der Experte, denn du bist damit groß geworden.“ Der Blonde lächelte ihn zaghaft an. „Na ja das Geld, das dabei rausspringt, können wir gut gebrauchen, denn auf meine Flitterwochen will ich nicht verzichten.“
 

Er hauchte Kanon einen Kuss auf die Wange, völlig ignorierend, dass sie dadurch von einigen Leuten schräg angeschaut wurden. Kanon begann zu lächeln, als er die Blicke auf sich spürte und merkte, dass Bou es gar nicht zu beachten schien. Langsam wurde es dem Blonden egal, was andere über ihn dachten.
 

Kanon legte ihm eine Hand auf die Wange und erwiderte: „Stimmt. Auf den Urlaub will ich auch nicht verzichten, auch wenn ich noch nicht wirklich weiß, wie wir das mit der Hochzeit machen sollen.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter, als er sah, wie sich Bous Mundwinkel ebenfalls nach oben bogen. „Wenn wir genug Geld gespart haben, können wir ja einen Pfarrer bestechen.“ Sein Grinsen wurde hinterlistig als er einen noch fieseren Gedanken hatte: „Oder wir lassen Reita auf ihn los und hinterher wird er es freiwillig machen.“ Der Schwarz-blonde fing daraufhin lauthals an zu lachen und konnte erst ein paar Minuten später wieder aufhören.
 

Zu Hause fragten die Jungs Kanons Mutter um Rat, die die ganze Idee gar nicht mal so schlecht fand, da die zwei somit berufliche eine Zukunft hatten. Sie hörte sich auch in aller Ruhe die Sorgen der beiden an und fand diese auch recht logisch. Dennoch glaubte sie an das Gute im Menschen und versicherte ihnen, dass dieser Sakai gewiss nichts Schlechtes im Schilde führte. Das beruhigte die Jungs ein wenig und sie beschlossen, das Angebot anzunehmen und es einfach mal zu versuchen.
 

Dementsprechend unruhig schliefen sie in der Nacht. Sie wussten noch nicht so recht, auf was sie sich da eingelassen hatten und waren voll gespannt wie es werden würde. Bou schmiegte sich wie in den Nächten zuvor noch enger an Kanon und dieser legte seinen Arm um den schmalen Körper, um ihm gar nicht die Möglichkeit zu lassen, sich von ihm zu lösen. Obwohl der Blonde seinem Freund näher war als sonst, wurde er wieder einmal von Alpträumen geplagt. Die Geschehnisse des Tages weckten in ihm die Erinnerungen an das letzte Mal und diese quälten ihn nun im Schlaf. Der Gitarrist schlief friedlich, aber unbewusst fuhr er mit einer Hand über Bous Rücken, als wolle er ihn nach dem aufschrecken aus solch einem Traum beruhigen und ihm zeigen, dass er da war und der kleine Sänger keine Angst zu haben brauchte. Dies half auch und er schlief jedes Mal schnell wieder ein, nur um dann erneut einen schlimmen Traum zu erleben.

15. Kapitel

Am nächsten Tag standen sie erst recht spät auf, da die Nacht so schlecht verlief. Kanon war der erste von beiden, der durch einen von Bous Alpträumen munter wurde. Als auch dieser schweißgebadet aufwachte, hatte der Schwarz-blonde ihn bereits in die Arme genommen um ihn zu beruhigen. Dies klappte auch sehr schnell und hinterher gingen sie gemeinsam unter die Dusche. Hinterher machten sie sich auf den Weg in die Küche.
 

Kanons Mutter sah die beiden verwundert an, weil sie später als sonst zum Frühstück kamen, aber sie konnte sich schon denken, warum. Deshalb sagte sie zu ihren beiden Jungs: „Macht euch nicht so viele Gedanken über die Arbeit an dieser Schule. Es wird schon alles gut gehen. Es sind nicht alle Menschen so schlecht wie dieser Kiryu und sein Chef. Ich glaube dieses Mal wird es besser für euch ausgehen.“ Bou lächelte sie dankend an. Er hatte sich tatsächlich noch Gedanken gemacht, ob es wirklich so gut war dem Mann, der sie angesprochen hatte, zu vertrauen. Doch seine zukünftige Schwiegermutter hatte ihm nun Mut genug gemacht, es wirklich zu probieren.
 

Sie aßen schnell etwas und liefen dann in die Stadt. Und wie versprochen trat Sakai an sie heran als sie mit ihrem Auftritt fertig waren. Er begrüßte die beiden erst einmal und fragte sie hinterher, wie sie sich denn entschieden hatten. Kanon antwortete ihm: „Wir nehmen ihr Angebot gerne an. Vielleicht können wir uns während der Zeit als Lehrer sogar selbst noch etwas aneignen.“ Sakai lächelte, als er die Antwort hörte und erwiderte: „Es freut mich, dass Sie mein Angebot annehmen und gewiss werden Sie neue Dinge lernen und neue Erfahrungen sammeln, während Sie als Lehrer tätig sind.“
 

Er bot den beiden an zum Unigelände zu fahren und ihnen alles zu zeigen. Schließlich mussten sie wissen wo sie dann arbeiten gingen. Das würde eine völlig neue Herausforderung für die beiden werden, da sie so etwas noch nie gemacht hatten. Kanon hatte eine Universität nicht einmal von innen gesehen in seinem bisherigen Leben und nun sollte er in einer, Studenten im Fach Gitarre unterrichten. Er war sich noch nicht so sicher, ob er das wirklich packte, aber er ließ sich nichts anmerken und stimmte Sakai zu, zum Unigelände zu fahren.
 

Dort angekommen zeigte er ihnen alle wichtigen Räume. Ihre beiden Unterrichtsräume kamen zum Schluss dran. Sie lagen direkt nebeneinander und darüber war der Schwarz-blonde mehr als froh, weil er somit immer wusste, dass Bou ganz in seiner Nähe war. Dieser Gedanke beruhigte ihn. Und den Blonden scheinbar auch, denn er hatte einen zufriedenen und erleichterten Gesichtsausdruck, als der Gitarrist zu ihm sah. Bou bemerkte, dass er von Kanon beobachtet wurde, lächelte ihm zu und flüsterte: „Das schaffen wir beide schon.“ Wenn Bou so zuversichtlich war, dann konnte das Kanon ebenfalls sein und er lächelte zurück.
 

Nach der Führung lud Sakai sie noch zu etwas zu trinken in das in der Nähe gelegene Kaffee ein. Bou war froh, dass dieser Termin somit fast vorbei war. Er wollte wieder mit Kanon alleine sein. Solange sie noch die Möglichkeit dazu hatten, wollte er jede Minute nur mit ihm verbringen. Wenn dann das Semester anfing würden sie nicht mehr so viel Zeit haben und das bedrückte ihn ein wenig. Aber vielleicht sah er auch einfach zu schwarz. Schließlich gab es bei ihrem Unterricht nicht sehr viel Theorie und demnach auch keine Arbeiten zu kontrollieren.
 

Während sie in dem kleinen Kaffee saßen, in dem sich dann bald die Studenten tummeln würden, strich Bou Kanon heimlich mit der Hand immer wieder übers Bein. Sie wollten nicht, dass Sakai etwas von ihrer Beziehung mitbekam. Bisher wussten noch nicht viele davon, dass die beiden zusammen waren und das sollte auch erst einmal so bleiben. Sie wussten nicht wie der ältere Herr ihnen gegenüber auf so eine Beziehung reagieren würde. Wenn es ganz schlecht kam, ließ er sie doch nicht an der Uni arbeiten und sie wollten es ja zumindest probieren.
 

Sie klärten noch einige wichtige Dinge, wie zum Beispiel, wann sie am ersten Tag da sein und wo sie sich melden sollten. Hinterher verabschiedeten sie sich voneinander. Sakai freute sich schon auf die Zusammenarbeit mit den beiden Jungs und wünschte ihnen noch eine schöne und unbeschwerte Zeit bis Semesterbeginn. Die Jungs wünschten im dasselbe, aber sie wussten, dass er noch viel zu tun hatte. Und auch sie mussten sich darauf vorbereiten, aber dafür wollten sie sich noch etwas Zeit lassen.
 

Ein paar Wochen später war es dann endlich soweit. Kanon und Bou stand ihr erster Tag als Lehrer bevor. Und an diesem wichtigen Tag hätten sie beinah verschlafen, wenn Kanons Mutter sie nicht geweckt hätte. Sie beeilten sich trotzdem beim Duschen und essen. Zum Glück hatte ihnen Kanons Mutter zudem etwas Essen zusammengepackt, damit sie auch in der Uni etwas hatten.
 

Auf dem Weg zum Campus waren sie schrecklich nervös und sprachen kein Wort miteinander. Doch das war auch nicht nötig, denn sie wussten wie es dem jeweils anderen ging und die Nervosität stieg immer weiter, je näher sie dem Campus kamen. Kurz davor blieb Kanon stehen. Der Blonde stoppte ebenfalls. Der Gitarrist sah sich um. Überall standen und liefen bereits Studenten herum. Vor ihm erstreckte sich das riesige Unigelände und er konnte es immer noch nicht so recht glauben, dass er von nun an hier arbeiten würde. Er schluckte schwer. Er wusste nicht, ob er das wirklich konnte oder doch lieber umdrehen und wieder nach Hause gehen sollte. Bou nahm ihm die Entscheidung ab indem er ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn fragte: „Bist du soweit?“
 

Er blickte in die braunen Augen seines Freundes und nickte. Kanon musste das durchziehen. Er wollte Bou hier nicht alleine lassen, während er zu Hause saß. Der kleine Sänger grinste breit und gab ihm noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange, ehe sie gemeinsam zum Zimmer des Direktors gingen.
 

Bou klopfte kurz bevor sie eintraten. Sakai sah von einem Stapel Akten auf und machte ein freundliches Gesicht, als er die Jungs in der Tür stehen sah. Er zeigte ihnen mit einer Handbewegung, dass sie doch eintreten sollten. Als sie vor seinem Tisch standen begrüßte er sie. „Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen. Ich freue mich, Sie hier zu sehen. Diesbezüglich war ich mir nicht ganz sicher. Sie hatten zwar zugesagt, aber seitdem ist ja einige Zeit vergangen. Und junge Leute, wie Sie, ändern ganz gerne mal ihre Meinung. Deshalb freut es mich umso mehr, dass Sie hier sind.“ Er ließ die beiden gar nicht großartig erst zu Wort kommen. Er kramte in einer Schublade und förderte zwei große, dicke Ordner zutage, die er Bou und Kanon überreichte. Die sahen ihn daraufhin verwirrt an. Doch er erklärte es ihnen. „Was Sie nun in den Händen halten, ist die Arbeit früherer Musiklehrer, die nun bereits in Rente sind. Sie haben sich bereit erklärt, ihre gesammelten Werke an die nächste Generation weiterzugeben und somit Ihnen beiden eine kleine Hilfe zu geben. Ich dachte mir, für Sie wäre es genau das Richtige. Ich wünsche Ihnen damit viel Erfolg.“
 

Kanon bedankte sich auch im Namen von Bou. Diese Ordner würden für sie wirklich sehr hilfreich sein, um durch den Lehreralltag zu kommen. Dennoch hatte er noch eine Frage. „Vielen Dank für dieses großartige Geschenk. Das können wir gar nicht wieder gut machen. Eine Frage hätte ich jedoch noch. Was sollen wir heute am ersten Unterrichtstag mit den Studenten machen?“ „Ah ja ich verstehe Ihr Problem. Heute werden Sie sich erst einmal nur der Klasse vorstellen und diese sich Ihnen, erklären, worum es in Ihrem Unterricht geht und wenn dann noch Zeit ist vielleicht schon einmal etwas anfangen. Unter Umständen können Sie den Studenten ja etwas von Ihrem Können präsentieren. Lassen Sie sich ganz einfach etwas einfallen. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag.“
 

Mit diesen Worten zeigte er den beiden, dass sie ihn nun wieder allein lassen sollte und dies taten sie auch. Kanon schloss hinter sich die Tür und atmete tief durch. Das würde ein sehr anstrengender Tag werden, aber er wusste, mit Bou an seiner Seite konnte er das schaffen. Zusammen liefen sie zu ihren Unterrichtsräumen. Die erste Stunde begann gleich und sie mussten sich ein wenig beeilen. Vor ihren Räumen blieben sie noch stehen. Bou drehte sich zu Kanon um und meinte: „Mach dir keine Sorgen. Der erste Tag ist der schlimmste, weil alles neu ist, und die anderen Tage werden dann vergehen wie im Flug.“ Kanon lächelte etwas. Bous Worte beruhigten ihn ein bisschen, aber er hatte trotzdem noch etwas Angst vor die Klasse zu treten. Was wenn er kein Wort herausbekam? Für Bou war das kein großes Problem. Er sang seit Monaten für ihn vor einer ganzen Menge fremder Leute, aber er musste einfach bloß Gitarre dazu spielen.
 

Er versuchte diese Gedanken zu verscheuchen und erwiderte: „Du hast recht. Das heute wird der schlimmste Tag und danach wird es leichter.“ Er lächelte Bou nun etwas selbstsicherer an und dieser belohnte ihn dafür mit einem kurzen Kuss. Als der Blonde sich von Kanon wieder löste sagte dieser nur: „Darauf werde ich mich in den Pausen besonders freuen.“ Der kleine Sänger ging auf den verspielten Tonfall jedoch nicht ein und schüttelte bloß den Kopf. „Wir können es nicht riskieren, dass man uns erwischt. Sonst werden wir rausgeschmissen und wir brauchen doch das Geld für die Hochzeit und die Flitterwochen. Also müssen wir auf solche Spielereien bis nach Feierabend verzichten.“
 

Kanon sah das ein und seufzte nur resignierend. Trotzdem drückte er seinem Freund noch einen Kuss auf die Stirn bevor er in den Raum ging, der für ihn vorgesehen war. Bou sah ihm noch einen kurzen Moment hinterher, eh er ebenfalls seinen Raum betrat.
 

Er überlegte einen Moment und holte einmal tief Luft bevor er weiter sprach. „Als erstes wäre es gut, wenn ihr euch alle einmal vorstellen und mir sagen würdet, warum ihr in meinen Kurs gekommen seid.“
 

Ein Student nach dem anderen stellte sich vor, nannte Bou seinen Namen und zudem seine Herkunft, denn darauf waren die reichen Kinder besonders stolz. Als letztes erhob sich ein Mädchen, das Bou sehr gut kannte und er wunderte sich das sie hier war. „Mein Name ist Hana Suzuki. Ich wohne zusammen mit meinem Vater und der ehemaligen Verlobten meines Bruders zusammen außerhalb der Stadt auf einem großen und sehr schönen Grundstück. Wir haben zu Hause einen Flügel stehen. Er gehörte meiner Mutter und vor ihrem Tod hat sie sehr oft darauf gespielt. Außerdem hat mein Bruder darauf Klavier spielen gelernt. Seit er nicht mehr zu Hause wohnt, spielt keiner mehr daran und mein Vater hatte bereits überlegt, ihn zu verkaufen. Doch ich fände es schade. Schließlich ist er ein Andenken an meine Mutter und ich will nicht, dass er verkauft wird. Aus diesem Grund möchte ich selbst Klavier spielen lernen, weil er dann bei uns bleibt.“
 

Bou war gerührt davon, dass seine kleine Schwester das Instrument erlernen will und er war stolz auf sie, dass sie sich so für das Erbstück ihrer Mutter einsetzte. Er selbst hatte nach dem Tod seiner Mutter nicht sehr häufig auf dem Flügel gespielt, weil es einfach zu schmerzhaft für ihn gewesen ist, aber nun würde Hana dies tun.
 

Nach der Stunde blieb Hana noch als Einzige im Raum mit Bou zurück. Sie fiel ihm in die Arme und redete mit ihm in der Pause über alles Mögliche. Zwischendurch kam auch Kanon vorbei und blieb erstaunt in der Tür stehen, als er Hana sah. „Was machst du denn hier Hana?“ Sie drehte sich zu ihm und lächelte. „Mein Vater hat gehört, dass hier eine neue Uni eröffnet wird und sollte schon mal einen Tag hier her kommen um zu sehen wie sie ist. Wenn ich sie gut finde, werde ich hier studieren.“
 

Ein paar Stunden später hatte Kanon endlich Schluss. Er musste jedoch noch eine Stunde auf Bou warten, da er noch Unterricht hatte. Der Schwarz-blonde war froh den ersten Tag überstanden zu haben. Er wusste noch nicht so recht wie er das ein ganzes Semester oder vielleicht länger durchhalten sollte. Er setzte sich auf dem Campus auf eine Bank und wollte dort die Zeit verbringen.
 

Hana hatte ebenfalls bereits Schluss und sah Kanon auf einer Bank sitzen und entschied sich zu ihm zu gesellen. Sie blieb kurz neben ihm stehen bis er zu ihr aufsah und setzte sich dann neben ihn. Sie unterhielten sich während sie gemeinsam auf Bou warteten. „Sag mal Kanon was ist damals bei der Sache dem Aiji und dem Matsumoto noch geschehen? Man sagte mir zwar, dass beide verurteilt wurden aber keiner wollte oder konnte mir sagen, was die ganze Geschichte für Auswirkungen bei dir und Kazuhiro hatte.“
 

Der Gitarrist verstummte einen Moment. Er wusste, er konnte der kleinen Schwester seines Freundes alles erzählen. Doch er hatte Angst, dass sie vielleicht böse auf ihn wird, wenn sie erfährt, was er getan hatte. Aber vielleicht würde sie ihn auch verstehen. Also entschied er sich ihr die ganze Wahrheit zu sagen. „An dem Abend, als ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatten Bou und ich uns gestritten. Ich hab ihm an den Kopf geworfen, dass ich nicht mit ihm zusammen sein kann, wenn er mich ständig belügt oder mir wichtige Sachen vorenthält. Danach bin ich für zwei Wochen abgehauen.“
 

Nachdem Kanon fertig war, sah er zu Hana, aber die schaute ihn ziemlich böse an. „Wie kannst du Bou nur verlassen? Und wenn es nur für zwei Wochen war. Du hattest mir damals versprochen, ihn niemals zu verlassen und für ihn da zu sein. Du hast mir dein Wort gegeben.“ Kanon zuckte kurz zusammen. Mit so einem Ausbruch hatte er nicht gerechnet. Aber er versuchte zu erkläre, warum er so gehandelt hatte.
 

„Weißt du, Hana, er hatte mir, wie schon öfter, etwas Wichtiges verschwiegen. Ich wusste vorher nicht, dass Aiji so versessen auf ihn war. Das hätte er mir vorher sagen müssen, hat es aber nicht getan. Ich wusste in diesem Moment keinen anderen Ausweg, um ihm zu zeigen, dass er das so nicht weiter machen kann. Ich weiß nicht wie es ihm in den zwei Wochen ging. Meine Mutter wollte es mir nicht sagen und ich traue mich nicht Bou danach zu fragen. Ich will nicht, dass er es nochmal durchleben muss. Wir haben darüber geredet und ich glaube, er hat durch mein Handeln eingesehen, dass sich etwas ändern muss. Aber obwohl wir das geklärt haben, steht dennoch etwas Großes zwischen uns, über das wir noch nicht gesprochen haben.“
 

Nun sah Hana ihn aufmerksam an. Er hatte es geschafft, ihr sein Handeln klar zu machen und jetzt war sie neugierig. „Okay dann leg mal los. Was ist das für ein Problem, über das ihr noch nicht geredet habt?“ Kanon sah einen Moment schweigend zu Boden. „Obwohl ich ihm einen Heiratsantrag gemacht habe und es so in der Beziehung wieder super läuft, habe ich ihn seit jenem Tag nicht mehr angerührt.“
 

„Oh…Okay die Tatsache, dass ihr verlobt seid, packen wir mal kurz beiseite. Aber erklär mir mal, warum du seitdem nicht mehr mit ihm geschlafen hast? Immerhin ist es schon eine Weile her. Ich erinnere mich noch gut an die zwei Tage, als ihr bei uns wart. Da konntet ihr die Finger nicht voneinander lassen.“
 

Langes Schweigen trat ein, da Kanon nach den richtigen Worten suchte. „Weißt du, ich würde ja gerne, aber ich weiß nicht ob ich das schaffe, nicht daran zu denken, was geschehen ist.“ „Ich verstehe, was du meinst, aber ich kann dir da nur sagen: Erkläre es Kazuhiro und versuch es. Wenn du es nicht ausprobierst, tust du es vielleicht nie wieder. Oder wirst zumindest immer Angst davor haben und Kazuhiro dadurch vielleicht sogar wehtun. Also probiere es“
 

Kanon nickte nur und zuckte kurz darauf zusammen, als sich zwei Hände auf seine Schultern legten. „Können wir dann los?“, fragte Bou leise hinter ihm. „Ja klar. Wir haben schließlich nur auf dich gewartet.“ Der Blonde nahm seine Hände von Kanon und dieser stand auf. „Wisst ihr was?“; meldetet sich Bous kleine Schwester. „Ich komme mit. Ihr müsst mir das mit eurer Verlobung erzählen und da mein Zug nach Hause erst heute Abend fährt, haben wir dafür genügend Zeit.“ Sie grinste die beiden breit an und ließ ihnen damit gar keine Gelegenheit zu widersprechen. Außerdem lernte Kanons Mutter Hana somit auch mal kennen und umgekehrt.
 

Am Abend brachten die Jungs Hana zum Bahnhof. Eigentlich hätte sie das auch alleine geschafft, aber so konnten sie noch etwas Zeit zusammen verbringen. Als sie hörte, dass die beiden tatsächlich vorhatten zu heiraten, aber noch nicht recht wussten, wie sie das machen sollten, da es ja eigentlich verboten war, hatte sie ihnen ihre Hilfe angeboten. Sie erzählte ihnen, dass es an ihrer Schule auch eine kleine Kapelle mit Pastor gab und sich mit ihm auch gut verstand. Hana wollte ihn fragen, ob er die Trauung vornehmen konnte. Ihn dazu zu überreden würde zwar schwer werden, aber sie wollte es versuchen.

16. Kapitel

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Eine Woche darauf dachte sich auch Kanon, dass er das versuchen sollte, worüber er mit Hana gesprochen hatte. Inzwischen meisterten er und Bou die Uni-Tage recht gut und nun stand das Wochenende bevor. Eigentlich müssten sie den Unterricht für die nächste Woche planen, aber dazu hatte weder der Schwarz-blonde noch sein Freund allzu große Lust. Also schlug Bou ihm vor, mal wieder nur so zum Spaß Musik zu machen und nicht nur, weil es die Arbeit so verlangte. Kanon hatte absolut nichts dagegen. Er griff nach seiner Gitarre, die neben dem Bett an der Wand lehnte und setzte sich bequem auf die Matratze. Sein Freund setzte sich neben ihn und als sie anfingen, fühlte es sich wie immer an, wenn sie für einen ihrer kleinen Auftritte probten, für die sie nun keine Zeit mehr hatten. Den Blonden betrübte dieser Gedanke ein wenig. Während er vor sich hinsang, legte er seinen Kopf auf Kanons Schulter und vergrub seine Finger in dessen T-Shirt.
 

Den Gitarristen ließ diese Geste natürlich nicht kalt und er versuchte die Situation in die Richtung zu lenken, die er sich für den Abend ohnehin vorgenommen hatte. Bereits nach dem dritten Lied stellte er sein Instrument wieder zur Seite. Der kleine Sänger sah ihn daraufhin mit verwirrtem Blick an. Er lächelte zaghaft, legte eine Hand auf Bous Wange und blieb mit seinem Gesicht nur wenige Zentimeter von dem des anderen stehen. Sekundenlang sah er in die braunen Augen seines Gegenübers und verlor sich darin. Er zögerte sichtlich und der kleine Blonde fragte sich, warum das so war. Jedoch wusste Kanon nicht so recht, ob er wirklich dazu bereit war, wieder so weit zu gehen. Die Entscheidung des ersten Schritts nahm ihm sein Freund ab indem er seine Lippen hauchzart auf Kanons legte und darauf wartete, wie dieser reagierte.
 

Es dauerte nur ein paar Momente, ehe der Schwarz-blonde sich regte und jegliches Zögern erst einmal von ihm abfiel. Ihm gegenüber saß schließlich keine Fremder sondern sein Verlobter. Seine Finger wanderten zu Bous Hals und Nacken um sich hinterher in dem blonden Schopf zu vergraben. Er zog ihn näher an sich heran, zwang Bous Lippen mit seiner Zunge sachte aber bestimmt auseinander um mit ihrem Gegenpart zu spielen. Die Hände des kleinen Sängers fanden wie von selbst zu Kanons Hose und begannen diese zu öffnen. Kanons Hände hingegen wanderten unter Bous T-Shirt. Doch als er die warme Haut unter seinen Fingern spürte, der Blonde unterdrückt aufstöhnte und dann den Kuss vertiefte, schossen ihm die Erinnerungen an den Tag von Bous Folter in den Kopf und er löste sich abrupt von dem anderen.
 

Der Kleine sah den Gitarristen verwirrt an und brachte nur ein halblautes „Kanon“ heraus, als dieser sich von ihm abwendete und auf die Bettkante setzte. Bou krabbelte hinter ihn, wollte ihm gerade eine Hand auf die Schulter legen und fragen, was denn los war, doch da hörte er Kanon flüstern: „Ich schaff das einfach nicht.“ Der Blonde erstarrte in seiner Bewegung und er erinnerte sich daran, wie Kanon ihn das letzte Mal verlassen hatte, als er leise und kaum verständlich fragte: „Liebst du mich nicht mehr? Oder hab ich irgendwas falsch gemacht?“
 

Kanon drehte sich erschrocken um und blickte in zwei traurige braune Augen. Er hatte das Gefühl, dass Bou sich schon wieder damit „anfreunden“ wollte, dass es vorbei war. Doch das war es keinesfalls. Er wusste zwar noch nicht so recht, wie er dieses Hindernis überwinden sollte, aber er wollte Bou nicht verlieren. Nicht deswegen. „Das darfst du noch nicht einmal denken. Du hast nichts falsch gemacht und ich liebe dich immer noch über alles, aber…“ Er atmete tief durch, bevor er zu einem neuen Versuch ansetzte: „Immer wenn…wenn ich dich berühre, dann erinnere ich mich wieder daran, was Aiji mit dir gemacht hat. Vor allem wenn ich die Narben sehe, die immer zu sehen sein werden. Ich will wirklich, dass das hier funktioniert. Ich wollte mich heute dieser Angst stellen, aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“
 

Dem Blonden verschlug dieses Geständnis glatt die Sprache. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Also ließ er lieber Taten sprechen anstatt weiter darüber nachzudenken, was er sagen könnte. Er zog sich sein Shirt über den Kopf und nahm Kanons Hand in seine. Dieser sah ihn verwirrt an. Er hatte keine Ahnung, was das werden sollte. Sein Blick war starr auf seine Hand gerichtet, die immer weiter zu Bous Oberkörper geführt wurde und als er die Wärme unter seinen Fingern spürte wollte er die Hand zurückziehen, aber der kleine Sänger hielt ihn davon ab auch nur einen Zentimeter zurückzuweichen. Er wurde regelrecht dazu gezwungen über die Haut zu streichen und leichte Panik schwang in seiner Stimme mit als er sagte: „Nein! Ich schaff das nicht!“ Doch Bou gab im Gegensatz zu ihm nicht gleich auf. „Sieh mir in die Augen Kanon!“ Er tat es und die Angst verschwand aus seinen Augen. „Du schaffst das.“, versuchte sein Freund ihm gut zu zureden.
 

Nach weiteren zehn Minuten, in denen sie so dasaßen, ließ Bou Kanons Hand los um zu sehen, ob er bereit dazu war. Der Schwarz-blonde löste seinen Blick von Bous und glitt damit über dessen mit kleinen Narben übersäten Körper. Auf der hellen Haut waren sie kaum zu sehen, doch da Kanon noch genau wusste, wo die Eisenstäbe Bous Haut verbrannt hatten, fand er sie ohne langes Suchen und fuhr mit den Fingerspitzen darüber. Seine Finger fingen dabei an zu zittern, doch er riss sich zusammen und machte weiter. Der Weg führte von Bous Hals und Schlüsselbein über die Rippen und den Bauch bis hin zu seiner Hose. Dort hielt er inne und sah dem Blonden in die Augen. Dieser wusste sofort, was sein Freund von ihm wollte. Er wusste, dass er sich nicht mehr erhoffen konnte. Er entfernte die Hand von seiner Hose, drückte dem Gitarristen noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich die Hose von den Beinen streifte und sich unter die Bettdecke legte. Die Woche hatte ihn ziemlich geschafft, also beschloss er früh schlafen zu gehen.
 

Kanon war seinem Freund sehr dankbar, dass er nicht mehr von ihm verlangte. Er tat es dem Blonden gleich, zog sich T-Shirt und Hose aus und legte sich neben ihn. Außerdem tat er etwas, das Bou im Moment nicht gedacht hätte. Da er mit dem Rücken zu seinem Freund lag, legte dieser sich so nah hinter ihn wie es ging, schlang seine Arme um ihn und zog ihn noch näher. Leise flüsterte er in sein Ohr: „Schlaf gut und träum was Schönes.“ Bou musste bei diesen Worten lächeln, wünschte Kanon das gleiche und schloss die Augen mit der Gewissheit, dass bald alles wieder gut sein würde.
 

Und er sollte Recht behalten. In der nächsten Woche verkündete Hana die freudige Nachricht, dass sie den Pastor in der kleinen Schulkapelle dazu überreden konnte, die Trauung vorzunehmen. Doch dafür waren die Kosten höher als normalerweise, doch das konnte die gute Stimmung der Jungs nur wenig trüben. Mit ihrem Lehrerjob verdienten sie genug, sodass sie das Geld in kürzester Zeit zusammen haben würden. Zudem war Kanon am Ende der Woche soweit, dass ihn der Anblick von Bous Brandnarben nichts mehr ausmachte.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Viel zu früh wurden die Jungs von einem lauten, durchdringenden Geräusch geweckt, das von ihrem Wecker kam. Mit einem Murren griff Kanon danach und stellte ihn aus. Er gab einen zufriedenen Laut von sich als es wieder ruhig war, stellte den Wecker zurück und schloss nochmal kurz die Augen. Kurze Zeit später merkte er wie ihm jemand über die Wange streichelte und leise sagte: „Aufstehen, du Schlafmütze. Wir haben verschlafen.“ Bei diesen Worten riss er sofort die Augen auf und sah in Bous leicht verärgertes Gesicht. Verwundert fragte er: „Was ist denn los? Was schaust du so grimmig?“ „Naja ich finde es etwas komisch, dass du nicht aufwachst, wenn ich dich küsse, aber dann, wenn ich dich als Schlafmütze bezeichne.“ „Oh.“ Mehr wusste er nicht zu sagen, denn er musste sich eingestehen, dass er das wirklich nicht mitbekommen hatte. Als Entschuldigung küsste er ihn zärtlich und Bous Mundwinkel bogen sich augenblicklich triumphierend nach oben. Kanon wusste dadurch, dass die Verärgerung nur gespielt war und zur Rache kitzelte er ihn durch, sodass sich der Blonde auf dem Bett hin- und her rollte um der Attacke zu entkommen. Doch es gelang ihm nicht und so musste er es sich über sich ergehen lassen.
 

Als Kanons Mutter in das Zimmer kam um die Jungs zum Frühstück zu holen, waren die bereits fertig angezogen und konnten ihr somit gleich folgen. Viel Zeit zum Essen blieb ihnen jedoch nicht, da sie sich beeilen mussten noch rechtzeitig in die Schule zu kommen.
 

Den beiden stand der letzte Tag vor den Semesterferien bevor und die Studenten waren alle schon auf Freizeit eingestellt und planten, was sie alles machen konnten. Das taten sie selbst in den Stunden und somit gestaltete sich der Unterricht als sehr nervenaufreibend. Nach der zweiten Klasse, die scheinbar nicht mehr gewillt war, zuzuhören, gaben es sowohl Kanon als auch Bou auf und fragten einfach jeden Studenten nach seinem Vorhaben. Bis alle durch waren, war auch immer die Stunde vorbei. Den Tag verbrachten sie mehr oder weniger effektiv und die beiden Nachwuchslehrer waren froh, als es nach der sechsten Stunde hieß, dass sie es endlich geschafft hatten.
 

Bou schlich zu Kanons Raum und setzte sich dort auf den Lehrertisch, während der Schwarz-blonde dabei war einige Gitarren mit neuen Saiten zu bespannen, die in den ersten beiden Stunden gerissen waren. Als er damit fertig war, stellte er alles wieder dahin, wo es hingehörte und Bou machte sich währenddessen auf dem Tisch lang und schloss die Augen.
 

Federleicht legten sich weiche Lippen auf Bous und kaum hatte er sie gespürt, waren sie auch schon wieder verschwunden. Er hob seine Lider und blickte in Kanons dunkelbraune Augen. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, bevor er sich etwas erhob und seinen Freund stürmisch zu küssen begann. Ohne zu zögern griff Kanon in den blonden Schopf und zog ihn näher zu sich. Es dauerte nicht lange bis eine vertraute Zunge in seinen Mund schlüpfte und die seine verwöhnte. Kanon drückte Bou wieder auf den Tisch und seine Hand wanderte unter das T-Shirt des anderen. Der Blonde gab einen wohligen Laut von sich als er die Finger des anderen auf seiner Haut spürte. Und ein unterdrücktes Stöhnen schlüpfte aus Bous Mund als Kanons andere Hand in seinen Schritt wanderte und diesen zu reiben begann.
 

Ohne dass es die Jungs mitbekamen, wurde hinter ihnen die Tür geöffnet und der Direktor wäre beinahe rückwärts wieder aus dem Raum gestolpert, als er sah, was dort vor sich ging. Ungläubig riss er die Augen auf, ehe er sich räusperte und an den Türrahmen klopfte um sich bemerkbar zu machen. Augenblicklich fuhren Kanon und Bou auseinander und erstarrten als sie Sakai erblickten. Keiner der beiden traute sich etwas zu sagen um die Situation nicht noch schlimmer zu machen. Ausreden konnten sie ohnehin vergessen, denn das, was Sakai gesehen hatte, war mehr als eindeutig gewesen. Der Direktor hingegen wusste nicht, was er zu diesem ganzen Szenario sagen sollte. Doch er versuchte sein Entsetzen in Worte zu fassen. „Also ich nehme mal an, dass die Beziehung zwischen Ihnen beiden schon vor Semesterbeginn so eng war. Auch wenn ich davon nicht die geringste Ahnung hatte, hätte ich Sie doch für so schlau gehalten, diese Sache von der Schule fernzuhalten und privates und berufliches zu trennen. Da ich nicht sicher sein kann, dass Sie sich nicht an die Wäsche gehen, wenn Studenten auf Sie aufmerksam werden könnten, kündige ich Sie hiermit alle beide. Ich hoffe, Sie verstehen es, dass ich es nicht verantworten kann, dass die Studenten solcher Unmoral ausgesetzt sind. Leben Sie wohl.“
 

Sakai wartete erst gar keine Reaktion der Jungs ab, machte auf dem Absatz kehrt und schloss hinter sich wieder die Tür. Es dauerte einen Moment bis Kanon und Bou realisiert hatten, was gerade geschehen war. Der Blonde war der Erste, der die Fassung wiedererlangte und stockend sagte: „Hat er uns gerade tatsächlich gefeuert?“ Sein Freund nickte nur und presste ein kurzes „Ja“ hervor. Der Unglauben war ihm ins Gesicht geschrieben und dieser wuchs noch an, denn Bou grinste ihn breit an. Da dieser sich denken konnte, dass der Schwarz-blonde noch nicht wieder in der Lage war vollständige lange Sätze herauszubringen, um ihn zu fragen, was denn in ihn gefahren sei, sagte er schnell: „Das kommt mir sehr gelegen. Ich hatte ohnehin nicht vor hier ewig zu bleiben. Wir haben genug Geld für die Hochzeit und die Flitterwochen. Mehr brauchen wir nicht. Wir kamen auch vorher mit wenig aus und außerdem hat mir unsere frühere Arbeit besser gefallen. Er hat uns sozusagen die Arbeit eines Kündigungsschreibens abgenommen.“
 

Nun verstand es auch Kanon. Dennoch hatte er seine Stimme noch nicht wiedergefunden. Doch das brauchte er auch gar nicht. Der wissende und zugleich zustimmende Ausdruck in seinen Augen, zeigte dem Blonden deutlich, dass er seiner Meinung war. Er hatte sich ohnehin nie wirklich wohl an der Uni gefühlt und nun blieb er davor verschont im nächsten Semester wieder das Gelände betreten zu müssen.
 

Der kleine Sänger ergriff Kanons Hand und zog ihn hinter sich her aus dem Raum und von dem Campus. Auf dem Nachhauseweg überlegten sie angestrengt, was sie Kanons Mutter wegen der Kündigung sagen sollten, doch außer ein paar erbärmlichen Ausreden fiel ihnen nichts ein. Also beschlossen sie bei der Wahrheit zu bleiben. Sie wollten zwar auch keinen Streit mit ihr so kurz vor der Hochzeit, aber es war immer noch besser als sie anzulügen. Bou hatte damit immerhin mehr als genug Erfahrungen sammeln können.
 

Am Ende reagierte Kanons Mutter gar nicht so geschockt oder verärgert, wie angenommen. Sie wusste einfach, dass die beiden die Finger nicht voneinander lassen konnten. Ob sie nun zu Hause oder auf Arbeit waren, war in dem Punkt egal. Oft genug hatte sie die zwei in einer solchen Lager überrascht und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, welche Gefühle über das Gesicht des Direktors gelaufen waren, als er sie ebenfalls dabei erwischt hatte. Bei der Vorstellung grinste sie in sich hinein. So ein Schock geschah diesen Leuten, die so auf die Moral der Schüler bedacht waren, ganz recht. Egal wie behütet Kinder aufwuchsen, früher oder später kamen sie mit so was in Kontakt, ob sie Eltern, Lehrer oder sie selbst das wollten, spielte keine Rolle. Sie selbst hätte nie gedacht, dass sich ihr Sohn einmal in einen Jungen verlieben würde, aber inzwischen wusste sie, dass die beiden sogar heiraten wollten und somit hoffte sie insgeheim, dass solche Beziehungen irgendwann in der Gesellschaft akzeptiert wurden.
 

Die Zeit bis zur Hochzeit verbrachten Bou und Kanon damit alles vorzubereiten und sich zwei Anzüge und Ringe zu kaufen. Die Tage bis dahin vergingen wie im Flug und am Abend davor trafen Bous Vater, Hana und, gegen alle Erwartungen, Sora ein. Bou hatte sie zwar eingeladen, aber eigentlich nicht damit gerechnet, dass sie ebenfalls dabei sein wollte. Aber vielleicht hatte seine kleine Schwester auch bloß solange auf sie eingeredet, bis sie zugesagt hatte. Denn der Gedanke, Sora wäre da, weil sie sich doch für ihn freute, kam ihm nach allem noch etwas abwegig vor. Doch warum sie nun gekommen war, war ihm im Moment sehr egal.
 

Hana fiel Bou zur Begrüßung um den Hals. Seit Semesteranfang hatten sie sich nicht mehr gesehen. Aber wenn sie dann auf die Uni ging, würde sich das ändern. „Ich bin schon total aufgeregt wegen morgen.“, flüsterte sie ihrem Bruder ins Ohr. „Dann frag mich mal, wie es mir geht.“ Das kleine Mädchen grinste ihn daraufhin breit an, denn das konnte sie sich nur allzu gut vorstellen. Bous Mundwinkel bogen sich ebenfalls nach oben, bevor Hana sich von ihm löste.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yagyuu
2011-01-10T12:48:04+00:00 10.01.2011 13:48
Heyho!

Ich habe erst gestern die FF entdeckt und bin jetzt endlich bis zu diesm Kapi gekommen. ^.^

Ich finde es schade, dass sie nur so wenige Kommis hat, weil ich deinen Schreibstil sehr interessant finde, vorallem aber auch die Thematik.

Ich würde es sehr schade finden, wenn du mit dieser FF aufhören würdest, denn sie gefällt mir sehr und würde mich über neue Kapis sehr freuen.

glg
*knuddel*
Von:  ParadoxKanata
2010-12-28T21:45:48+00:00 28.12.2010 22:45
*____*
Die Fanfic ist toll
bitte schnell weiterschreiben
Von:  Lo_me
2010-01-05T16:12:55+00:00 05.01.2010 17:12
Hallo:)
da bin ich:)
Nein, ich hab dein Kommi nicht vergessen...:)
Ich bin ziemlich spät dran... aber irgendwie hab ich nie die richtigen Worte gefunden.

Alsooo, ich hab mir gerade nochmal die FF im Ganzen durchegelesen.
Ich muss sagen, ich finde die Kapitel sind in sich und auch im Zusammenhang miteinander sehr stimmig, auch die Rechtschreibung ist super <3

Wie schon gesagt, ich finde es super, dass du dir mit den einzelnen Geschenissen jetzt mehr Zeit lässt.

Zu den letzten Kapiteln: Gut das das mit der Kette jetzt geklärt ist. Das hätte nur Ärger gemacht, wenn das noch länger ungeklärt geblieben wäre.
Ich find es auch ´gut, dass Bou´s Vater wenigstens etwas mit sich reden lässt. Allerdings wundert es mich schon ein bisschen wie schnell er seine Meinung ändert. Erst mein er, Bou müsse dort arbeiten, weil seine Familie sonst kein Geld zum Leben hätte, dann meint er er könne Bou von da wegholen, wenn er von "misshandelt" werde. Aber naja, wenigstens zeigt er Einsicht.
Und Bou´s Verlobte.... die mag ich nicht :P

Liebe Grüße <3

PS: Bin ich wirklich die einzige, die die FF liest, oder sind die andern nur zu faul n Kommi zu schreiben.... :( *Böse Leute, böse*

Von:  Lo_me
2009-11-13T14:16:52+00:00 13.11.2009 15:16
OHHH! OHHH! Das waren ja Mal zwei tolle Kapitel <3
dein Schreibstil ist super und mir ist auch aufgefallen, dass du dir jetzt mehr Zeit für die einzelnen Handlungsabläufe nimmst. Großes Lob.
Aber was hat Bou für ein Geheimnis? Von wem hat er den Schmuck bekommen? Wenn es so schlimm ist, dass er fürchtet, dass Kanon ihn verlässt.... :(
Bitte ganz schnell weiter, bzw. so schnell wie es halt geht, wenn du kein Internet hast.
Liebe Grüße
Von:  Lo_me
2009-10-06T12:32:06+00:00 06.10.2009 14:32
Hey :) da melde ich mich doch nochmal :D ja, eigentlich wollte ich dir gestern auch ein Kommi schreiben, aber irgendwie war ich zu blöd dazu. ich saß vorm Laptop und dachte die ganze Zeit "Hä?, wieso geht das denn nicht?" Nunja, Fehler gefunden... Aufjeden Fall gefällt mir die Geschichte super:) mir gefällt die Idee wirklich gut. Ganz liebe Grüße nochmal Lome :)


Zurück