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100 Themen Herausforderung

von

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#011 - Es ist nicht aller Tage Abend

Ich merke, dass es immer die gleichen Themen sind, über die ich schreibe. Eine Zeit lang war es das Tanzen, das mich faszinierte, das sich in jedes Gedicht einschlich, in jede Notiz und jede Kurzgeschichte. Ich dachte lange Zeit, dass ich das nun hinter mir habe, dass meine regelrechte Obsession vorbei wäre, aber das stimmt nicht. Sie ist noch da, sie ist nur anders. Sie hat gemerkt, dass das Tanzen in meinem Leben eine große Rolle gespielt hat, ich ihm diese Rolle aber irgendwann nicht mehr geben wollte. Ich blockte ab, als ich merkte, dass ich wieder in Metaphern von Rhythmus und Bewegung schrieb. Stattdessen driftete ich schließlich weiter. Nach dem Tanzen, nach dem Ablegen dieser Obsession schrieb ich zunächst eine lange Zeit kaum etwas. Es erschöpfte mich, meiner Obsession aus dem Weg zu gehen. Heute denke ich, dass das falsch war. Ich hätte so viel weiter sein können, hätte ich weiterhin geübt. Aber Einsicht kommt ja bekanntlich erst, wenn es zu spät ist.

Einige Zeit später begann ich, auf Abruf zu schreiben. Hier ein Wettbewerb, da eine Reizwortvorgabe. Doch meine Obsession überlistete mich. Dadurch, dass ich über den Tanz nicht mehr schreiben wollte, musste sie mich mit einem anderen Thema ködern. Angst. Panik. Schmerz, seelischer wie körperlicher. Sie fand reichhaltigen Nährboden, es ging mir in jener Zeit schlecht und ich litt still und heimlich vor mich hin. Das ging so lange gut, bis ich nicht mehr in dieser Phase steckte. Ich war gewissermaßen aus meinen eigenen Geschichten herausgewachsen.

Wieder folgte eine Zeit, in der ich auf Abruf zu schreiben versuchte. Kein Wunder, dass es nicht gelang, ich hatte mich leergeschrieben, wie ein Gefäß, das ein Leck hat. Andere Dinge wurden wichtiger, wegzugehen, Schule, Freunde. Ich wartete auf den großen Knall, der mir sagte: Jetzt bist du eine Autorin. Jetzt bist du gut genug. Jetzt bist du fertig. Aber, wen wundert es?, er kam nie.

Ich kaufte mir Ratgeber. Ich kaufte mir Anleitungen. Aber ich musste feststellen, dass die Antwort eigentlich die ganze Zeit in mir gelegen hat, in meinem Kopf, ohne dass ich sie hätte sehen können. Wer in sich hineinschauen will, darf nicht von der Angst beherrscht werden, außen etwas zu verpassen. Das war die Zeit in der ich das erste Mal rauchte, das erste Mal betrunken war und anfing, offener zu werden, gegenüber allem. Dabei ging ich äußerst unkritisch vor. Ich hätte jede Droge ausprobiert, die ich bekommen hätte.

Und schließlich, ich weiß nicht wie es kam, fing ich an, über das Leben zu schreiben, über das Leben und den Tod. Vielleicht, weil ich es selbst gerne verstehen wollte. Vielleicht weil ich so damit besser zurechtkam, dass meine Haustiere gestorben waren. Vielleicht aber auch nur, weil jeder Mensch im Laufe seines Lebens irgendwann anfängt, sich genau darüber Gedanken zu machen. Ich begann, philosophische Wälzer zu verschlingen, mich mit Sexualität auseinanderzusetzen, mit der Angst vor dem Tod, dem Willen zu leben. Mit Selbstmord, Selbstzerstörung, mit Drogen und Magersucht. Meine Gedanken kreisten um Gott und die Welt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich vergrub mich zum Philosophieren in mein Zimmer, ließ niemanden an mich heran.

Anfangs wollte ich noch einzigartig schreiben, anders sein als andere, "ich selbst sein". Ich schrieb Notizen auf und verwarf sie wieder, weil sie zu sehr von Klischees geprägt waren. Lob nahm ich prinzipiell nicht an; ich wollte Kritik hören, besser werden um jeden Preis. Gutes strich ich sofort aus meinem Gedächtnis, dachte, aus negativer Kritik bestünde Verbesserung. Doch irgendwann... ja, was dann? Urplötzlich war es nicht mehr wichtig. Ich merkte, dass ich entweder ich selbst oder anders als alle anderen sein konnte, aber nie beides zur gleichen Zeit. Und ich entschied mich, in mich hinein zu hören.

Ich weiß jetzt, was mich selbst bewegt, was mir wirklich wichtig ist, und das spiegelt sich in meinen Geschichten wieder. Es ist eine Ruhe eingekehrt, ein Frieden, der dafür sorgt dass alle Geschichten zu einem gewissen Grade gleich klingen. Ewig kann das nicht so weitergehen, sicher, aber ich sehe es als einen Fortschritt. Und solange ich immer weiter schreibe, wird sich mein Leben verändern, mein Fokus, meine Themen. Nicht abrupt, aber langsam und stetig, wie ein Fluss sein Bett verändert, sich langsam einen neuen Weg ins Gestein sucht. Vielleicht komme ich eines Tages an den Punkt, an dem meine Geschichten allesamt vielseitig werden, an dem ich mein schreiberisches Tun umschalten kann wie einen Schalter. Station eins: Tiefgreifende Kurzgeschichten. Station zwei: Romantikkomödien. Station drei: ...

Es wäre ein schönes Ziel, auch wenn ich weiß dass es nahezu unmöglich zu erreichen ist. Irgendwie wird sich meine aktuelle Obsession wieder melden und sich wie ein roter Faden durch meine Erzählungen ziehen.

Aber egal, was es letztlich ist, an dem ich ende, an dem ich stehenbleibe und sage: "Ich habe mein Ziel erreicht": Die Hauptsache ist, dass ich weiterschreibe, nicht zweifle an meiner geheimen Revolution, die niemanden außer mir selbst betrifft, und offen bleibe. Egal, was kommt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-05-06T13:30:06+00:00 06.05.2011 15:30
Hallo, schon wieder.

Ähm, ich kann den Text gerade nicht einordnen. Bevor ich also begriffen habe, worauf du hinauswillst, muss ich dir Nüchternheit ansprechen, die die ersten Sätze für mich ausdrücken. Es ist beinahe etwas schade, wenngleich nahezu perfekt umgesetzt.
Weiter im Text.

>Ich hätte jede Droge ausprobiert, die ich bekommen hätte.
Oha. Man hört das im Übrigen ja ständig. Diese kreativen und ihre Drogen und so.
>dass alle Geschichten zu einem gewissen Grade gleich klingen.
Keine Ahnung, warum mir Grade hier so ins Auge springt... ich tendiere immer dazu, nur Grad zu schreiben. Aber deines passt einfach sehr gut zu dem Rest. ^^

Ein schöner Schluss. ^^

Es ist ziemlich gut geschrieben und scheint etwas zu sein, was ich noch zu erreichen versuche.
Ich bin froh, dass hier die Drogen keine größere Rolle gespielt haben. Nicht, weil ich darüber nichts lesen will, sondern um des Erzählers Willen. Dass derjenige einen anderen Weg gefunden hat, damit umzugehen. Irgendwie.
Zumindest hoffe ich das, explizit wird hier ja nichts gesagt.
Es entspricht nicht ganz meinem Geschmack - genau solche Oneshots waren mein Grund zur Aufgabe -, was dem Sinn und dem Stil aber keinen Abbruch tut. Hier geht es schließlich ums Schreiben - und das hat du gut gemacht. ^^ Und das kann ja auch wie eine Droge wirken. Manchmal.

Liebe Schreibziehergrüße,
Gaemon
Von: abgemeldet
2010-07-22T18:56:54+00:00 22.07.2010 20:56
Hallo,
(Ja, endlich melde auch ich mich zu deinen Ergüssen, zu deinen Opfergaben an die Herausfoderung, zu Wort.)
Im Grunde habe ich nicht viel dazu zu sagen, denn dein Text hinterlässt bei mir den Eindruck, dass bereits alles notwendige gesagt worden ist.

Man kann nicht unterscheiden, ob du dich selbst darstellst oder etwas geschaffen hast, dafür kann man sich allerdings vollkommen damit identifizieren. Dieser Fluss, denn du beschreibst, der mal hier und dann wieder dort fließt, jeder ist einer. Und jeder muss lernen, diesen Umstand zu akzeptieren.
Würde ich darüber nachsinnen, würden mir massenhaft Menschen einfallen, von denen diese Worte auch stammen könnten, was ungemein interessant sind.
Dieses Gefühl habe ich nur selten, und ich danke dir dafür, dass du es in mir wachgerufen hast.

Ich bin gespannt, wohin dich die einhundert Themen noch führen werden.
Liebe Grüße, Polaris
Von:  Schreiberliene
2010-06-30T11:25:30+00:00 30.06.2010 13:25
Hallo,

nein, es ist wirklich nicht aller Tage Abend, wenn ich das so betonen darf. Egal, ob du aus eigener Erfahrung schreibst, eins zu eins, nur ein sehr authentisches Lyrisches Ich erschaffen hast oder eine Mischung aus beidem hier zum Tragen kommt, in jedem Fall schwingt eine unterschwellige Wahrheit in den Worten.

Man kann sehr schön den Entwicklungsbogen bei dem Protagonisten sehen, und sich als Schreiber bis zu einem bestimmten Punkt mit ihm identifizieren; das Lesen hat, gerade auch durch den ruhigen Ton, etwas Beschwichtigendes. Nach der Lektüre lächele ich und habe das Gefühl, geerdet worden zu sein, eine sehr schöne Atmosphäre.

Ich bin gespannt, wie der Rest der Herausforderung laufen wird; mir persönlich waren die 100 einfach zu viel, auch, weil ich mit vielen Vorgaben so gar nichts verbunden habe. Es ist aber immer wieder schön, so etwas verfolgen zu können...

Alles Liebe,

Anna


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