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Kein Lügner

... und kein ehrlicher Mensch. (TR/HP)
von

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Er kam, stahl Joghurt und ging

Sie starrten sich an.

Es war wie ein Kampf, eine eher kindische aber in gewisser Weise doch recht anspruchsvolle Herausforderung, und Harry wollte nicht aufgeben. Dvill machte auch nicht den Anschein das zu tun, er grinste sogar wie jemand, der wusste, dass er der Sieger sein wird. Der Fremde saß gelassen auf dem Sofa und machte sich breit. Harry, ganz und gar nicht gelassen und schon gar nicht lächelnd, saß kerzengerade und unbeweglich in seinem Sessel. Er befürchtete, dass, sobald er sich bewegte, die ungebetene Person vor ihm einen Grund finden würde, ihn für immer und ewig zum Schweigen zu bringen.

Zurzeit taten sie nichts außer sich anzustarren- und zu atmen! Kein normalsterblicher Mensch konnte so lange ohne Sauerstoff überleben. Nun. Vielleicht gab es welche, aber Harry und dieser Dvill gehörten sicher nicht zu den Ausnahmen. Jedenfalls taten sie noch nichts interessantes.

Doch Dvill wollte anscheinend etwas an ihrer Situation ändern, denn, ganz langsam, hob der fremde Mann einen Löffel in die Höhe und ließ ihn wieder sinken und in den kleinen Plastikbehälter in seiner anderen Hand eintunken. Harry hätte verärgert sein sollen, schließlich hatte dieser Dvill seinen Lieblingsjoghurt aus seinem Kühlschrank geklaut, aber er schwieg und versuchte sich nicht weiterhin von dem Löffel ablenken zu lassen, um dem anderen böse anzustarren. (Harry hoffte jedenfalls, dass er böse schaute). Doch die langsame Bewegung war so dramatisch und lächerlich, dass Harry nicht anders konnte, als immer wieder verwirrt einen Blick auf den Löffel zu werfen, der nun mit Joghurt (plus Orangenstückchen! Nicht zu vergessen, die Orangenstückchen!) beladen war. Dvill, welcher ihn ununterbrochen anstarrte, schleckte den Löffel ab. Es war eine seltsame Art des Abschleckens, dachte Harry und runzelte die Stirn. Dvills Zunge schien richtig am Löffel zu arbeiten, bevor sie wieder im Mund verschwand. Musste wohl irgendeine Macke sein, schlussfolgerte er. Vielleicht wollte der Mann nur nichts übrig lassen. Auf der Straße hatte man es sicherlich schwer, Essen zu finden.
 

„Hm...“ Dvill legte den leeren Joghurt-Becher und den Löffel auf dem Tisch ab ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. „Hmhm... hmmm... interessant.“
 

Meinte er den Joghurt? Hat er ihm nicht geschmeckt? Wenn nicht, dann hätte er ihn nicht essen sollen! Ich wollte ihn so gerne essen...
 

„Du wunderst dich sicher warum ich hier bin, nicht? Bin ich hier, um dich umzubringen? Bin ich der Serienmörder? Fragst du dich das?“ Dvill wartete. Harry schwieg. Dvill beantwortete die Fragen selbst: „Bestimmt! Ich sehe es dir an. Sitzt da, wie eine Statue. Hast wohl doch etwas Angst, hm? Bereust du es, mein Leben gerettet zu haben?“ Stille. Der fremde Mann rollte die Augen. „Natürlich, ich verstehe dich voll und ganz! Jeder würde bereuen, einen Menschen, wie mich-“
 

Ibreiednch!“, kam es aus Harrys Mund.
 

„Muss wirklich schwer sein, als Statue zu reden“, erwiderte Dvill amüsiert.
 

„Ich... bereue nicht, ... jemanden das Leben zu retten“, wiederholte Harry stockend.
 

„Und auch nicht, wenn ich dieser Mörder bin?“ Dvill lehnte sich zurück.
 

„Ich glaube nicht, dass Sie- dass du der Täter bist“, sagte Harry mit einer festeren Stimme.
 

„Und woher willst du das wissen?“
 

„Ich weiß es einfach!“ Harry sah den anderen trotzig an. Sein Verhalten war kindisch und eigentlich sollte er eher nach einen Ausweg suchen. Seltsamerweise kam ihm plötzlich das Bild eines dreckigen Obdachlosen in den Kopf. Der arme, stinkende Obdachlose, der kränklich neben der Mülltonne gelegen war und gehustet hatte, kuschelte sich nun gesund und munter und sauber vor ihm in seinen Sofa hinein. Dvill sah nicht aus wie ein Serienmörder. Harry wusste, dass man nicht nach dem Aussehen gehen sollte, aber er hatte dieses Gefühl. Irgendein Instinkt, der sich hin und wieder zeigte, sobald er in der Klemme steckte. Dieser Instinkt sagte ihm, dass dieser gewisse Mörder, der in den Medien Schlagzeilen machte, nicht in seinem Wohnzimmer saß und sein Joghurt geklaut hatte. Jedoch sagte sein Instinkt auch, dass Dvill nicht ganz vertrauenswürdig war.
 

„Du glaubst, hast du gesagt, aber du weißt es nicht. Du glaubst.“ Dvill schüttelte den Kopf. Dann, mit einem übertriebenen Aufseufzer, sagte er: „Ach, was soll‘s! Du hast recht, ich bin nicht hier, um dich umzubringen. Ich bin hier, weil ich deine Wohnung als Unterschlupf brauche. Hast du etwas zu trinken? Außer Wasser? In deinem Kühlschrank gibt es nicht viel zu entdecken, weißt du.“
 

„Oh... ehm... nur Wasser. Ich habe gerade nichts anderes“, sagte Harry, während er das Gesagte verarbeitete. „U-Unterschlupf?“
 

„Nur Wasser? Wie langweilig.“ Dvill stand auf und ging aus dem Wohnzimmer. Harry folgte ihm zögernd.
 

„Wo willst du hin? Und warum brauchst du einen Unterschlupf? Willst du dich vor jemanden verstecken? Oh, könntest du bitte die Schuhe ausziehen? Du hast ganz schön viel Dreck an den Sohlen-“
 

Dvill blieb abrupt stehen und Harry lief in ihn hinein. Überrascht sprang er ein paar Schritte von dem fremden Mann weg und hoffte diesen nicht verärgert zu haben. Dvill drehte sich jedoch nicht wütend um, stattdessen versuchte dieser sein Gleichgewicht zu behalten, um die abgetragenen Schuhe abzustreifen.
 

„Draußen regnet es und ich möchte gern im Trockenen und Warmen schlafen.“
 

„Ehm...“ Harry sah, wie Dvill in sein Schlafzimmer ging. Er wollte sich aufregen, schließlich war das seine Wohnung, sein Schlafzimmer und somit sein Bett, aber er konnte nicht. Er fragte sich, wie oft dieser ‚Dvill‘ draußen gegen Krankheiten, Hunger und anderen Problemen gekämpft haben musste. Er fragte sich, ob dieser Unbekannte noch eine Familie hatte. Und wenn, wahrscheinlich kümmert es dieser Familie nicht einmal, dass Dvill auf der Straße sein Leben verbrachte. Vielleicht gab es noch mehr Dursleys.

Harry schüttelte den Kopf und ging zurück ins Wohnzimmer. Er musste wohl auf dem Sofa schlafen.
 

◊◊◊◊◊◊◊
 

„Her mit dem Ahornsirup.“
 

Harry grummelte und schob das gewünschte Objekt über den Tisch.
 

„Gibt es noch mehr Pfannkuchen? Ja? Her damit.“
 

Harry verbiss sich seinen Kommentar und tat was ihm befohlen wurde. Es war ja nicht so, als wurde er dazu gezwungen- er machte einfach nur mit.
 

Ah, so voll habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt!“ Dvill streckte sich in seinem Stuhl. „Das war nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht, Harry.“
 

„Danke“, sagte Harry und lächelte leicht. Er war erleichtert, dass er endlich selbst zum Essen kommen konnte. Vielleicht war er selbst schuld, dachte er. Er hätte einfach ‚Warte, bitte‘ sagen sollen und ‚Ich habe auch nur zwei Hände!‘. Aber Dvill hatte wirklich hungrig ausgesehen und Harry konnte einfach nicht anders, als diesem jeden Wunsch zu erfüllen. Den befehlerischen Ton hätte sich dieser unhöfliche Mann jedoch sparen können-
 

„Ich gehe jetzt wieder. Einen schönen Tag noch!“ Und so verlies der seltsame Mann, der sich ‚Dvill‘ nannte, ein zweites mal die Wohnung.
 

Harry seufzte und aß weiter. Er war noch am Leben. Das war doch ein gutes Zeichen.
 

◊◊◊◊◊◊◊
 

„Bisschen gefährlich, findest du nicht?“, fragte Dean Thomas, der eine Etage über ihm wohnte.

Er war ein guter Freund und Zuhörer hatte Harry herausgefunden. Kurz nachdem Hermine und Ron nicht mehr miteinander gingen war die Atmosphäre für ihn zu unerträglich geworden und er war zu Dean geflohen, um seine beiden besten Freunde zu ignorieren und zu warten bis beide wieder einigermaßen ansprechbar waren. Er war froh, dass es jemanden wie Dean gab, der versuchte einen zu verstehen und Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Harry besuchte ihn gerne. Außerdem war Dean ein wirklich guter Hobbykünstler und seine Wohnung war so voll von seinen Bildern und Basteleien, dass Harry manchmal glaubte, eine andere Wirklichkeit betreten zu haben. Mehrmals hatte er versucht seinen Mietnachbarn dazu zu bringen mit seinen Werken nebenbei Geld zu verdienen, aber dieser lehnte es vehement ab. Er sei noch zu unerfahren und müsste weiter üben, um in der Realität mitzuhalten. Als Empfangsherr im fünf-Sterne-Hotel Flamel verdiente es sich auch nicht schlecht, hatte Dean immer wieder gemeint. Es war manchmal frustrierend, dachte Harry, aber wenigstens war es ihm erlaubt, die Bilder zu sehen.
 

„Ich liege nicht sterbend und nach Hilfe röchelnd irgendwo rum, oder?“ Harry schlürfte seine Tasse Tee leer. Wieder einmal saß er in der Wohnung seines Freundes und sah diesem bei seiner künstlerischen Arbeit zu, oder bei seiner ‚Spontanen Aktivität unnützer Herstellung von Müll‘, wie Dean es nannte.
 

„Dein Glück, sage ich“, kam es von dem dunkelhäutigen Mann und wedelte unachtsam mit seinem nassen Pinsel gegen die Leinwand. Rote Kleckse trafen auf und sie wirkten wie Blut. Harry bemerkte, dass sein Freund die Konzentration bei seiner Arbeit verloren hatte, und er wusste, dass dieser versuchte eine neue Inspiration zu finden- in Form der ,Zerstörung'. Doch selbst die ‚zerstörten‘ Bilder fand Harry hübsch.

Er neigte seinen Kopf zur Seite und starrte, vorbei an Deans Ellbogen, auf die Kleckse. Grün und Rot und Braun, Blau und Weiß, ein Irrgarten aus Klecksen.
 

„Sieht aus wie ein Baum.... ein Apfelbaum“, sagte Harry langsam. „Hey! Wie wäre es, wenn du noch eine Schlange hinein malst und eine Frau und einen Mann, vielleicht Adam und Eva, die... ehm... ah! Genau! Die Purzelbäume schlagen.“ Dean lachte und sah sich die Leinwand genauer an.
 

„Der sportliche Adam und die sportliche Eva?“ Dean fing wieder an zu malen. „Wie du willst. Hm. Ein Schild wäre auch nicht schlecht.“
 

„Und was wird auf dem Schild stehen?“
 

„FKK-Bereich.“
 

„Wa-“ Harry verschluckte sich an der Luft. Dann überlegte er. „Äh. Okay. Gute Idee. Gibt dem Bild eine gewisse... Bedeutung. Jedenfalls würden andere denken, dass es eine tiefere Aussage haben muss und dass du wusstest, was du von Anfang an malen wolltest- würdest du es jemals anderen Leuten zeigen, außer mir und Seamus und wenigen anderen auserwählten Personen.“
 

Sein Aufenthalt bei Dean machte nie viel Sinn. Er besuchte diesen meistens sowieso grundlos. Selbst die Themen über die sie sprachen waren von keiner großen Wichtigkeit, aber das war in Ordnung. Sie waren Freunde und sie durften das. Wenn Seamus da war, wurde es sogar noch lustiger. Seamus war Deans bester Freund und war ein ziemlich fröhlicher, offener Mensch, der über viele Dinge wusste- so offen und so wissend in bestimmten Bereichen des Lebens, dass Harry ihn manchmal nicht richtig verstand.

Harry wünschte sich nur, dass er sich auch wieder mit Hermine und Ron so entspannt unterhalten konnte. Alle zusammen, zu dritt und zur selben Zeit am selben Ort.
 

„Wirst du diese Sache mit dem Obdachlosen den beiden erzählen? Das er in deine Wohnung eingebrochen ist?“, fragte Dean. Seine Stimme klang ein wenig abwesend, da er sich wieder auf sein Bild konzentrierte.
 

„Ich möchte nicht, aber ich werde es wohl...“ Harry biss sich auf die Lippen. Wahrscheinlich würde ihm Hermine raten, bessere Türschlösser anzubringen und die Polizei endlich einmal anzurufen, und Ron würde es als Nützlich sehen mehrere Selbstverteidigungskurse zu besuchen.
 

„Und wie weit bist du mit deinem neuesten Buch?“, fragte Dean weiter und wechselte das Thema. Harry lächelte dankbar.
 

„Die Hälfte habe ich schon hinter mir, schätze ich“, antwortete er. „Ich hoffe nur, dass ich keine Schreibblockade erfahren muss.“ Er starrte auf die Schlange, die soeben auf die Leinwand gemalt wurde. „Setze der Schlange eine Sonnenbrille auf.“
 

„Die Kinder sind ganz schön begeistert von deinen Geschichten über Hexen und Zauberer und was noch für magisch Kreaturen und Dinge, die du in deinen letzten Büchern eingebaut hast. Sogar im Ausland!“ Deans Augenbrauen zogen sich zusammen. „Warum eine Sonnenbrille? Warum braucht sie das? Nun gut. Egal...“ Und die Schlange bekam eine schicke Sonnenbrille.
 

„Das macht mir etwas Angst.“
 

„Die Schlange? Du wolltest ihr-“
 

„Diese ganze Aufmerksamkeit, meine ich.“ Harry beobachtete die Entstehung von Adam.
 

„Oh, das. Tja. Irgendwann werden sie dich finden, Harry. Ich verstehe es sowieso nicht, wie du dich so lange vor den Reportern verstecken konntest.“
 

„Sie haben mich mal, nach dem das zweite Buch gedruckt wurde, erwischt. Ich weiß nicht mehr, wo genau das war, aber ich habe mich von all den Fragen durchlöchern lassen. Sie schienen auch für eine Zeit lang zufrieden gewesen zu sein, aber...“ Harry hörte, wie sein Mietnachbar leise nach Luft schnappte. Manchmal vergaß Dean zu atmen, wenn er an einem Bild saß- oder stand.
 

„Deine Bücher sind eben ziemlich gut. Bestseller. Ich habe am Empfang ein Mädchen gesehen, das dein Buch nicht aus den Händen legen konnte. Sogar ältere Leute mögen deine Bücher.“
 

„Es ist wirklich schön, dass sie so anerkannt werden, aber nach diesem Buch, das ich noch zu Ende schreiben muss, werde ich eine lange Pause machen! Ja. So lang, bis sich alles wieder gelegt hat.“ Wahrscheinlich hätte Harry noch mehr Probleme mit irgendwelchen nervigen Reportern gehabt, wenn Serienmörder nicht auf freiem Fuß wäre. Dieser Gedanke erleichterte ihn nicht.
 

„Dabei könntest du dir so leicht eine hübsche, junge Frau ködern“, sagte Dean grinsend. „Ich hörte, dass viele alleinerziehende Mütter von dem Foto des Autors... fasziniert sind...“
 

„Seamus hat einen schlechten Einfluss auf dich, weißt du das?“
 

„Vielleicht?“
 

Sie sahen sich amüsiert an und fingen an zu lachen.
 

„Kannst du neben der Schlange einen Engel hin malen? Mit einem Schwert in der Hand? Er soll mit der Schlange reden. Kannst du das machen?“, fragte Harry nach einer Weile. Dean blinzelte.
 

„Du sprühst immer so voller Fantasie, ich werde wirklich neidisch“, sagte sein künstlerischer Freund mit erhobenen Augenbrauen.
 

„Ich lese nur viele Bücher.“
 

„Deine? Das sind... bis jetzt... fünf.“
 

„Andere, natürlich.“ Harry rollte die Augen. Dann lächelte er schüchtern. „Kann ich... das Bild haben, wenn es fertig ist?“
 

„Ich verkaufe es für eine von dir gekochte fünf-Sterne-Mahlzeit.“
 

„Abgemacht!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ReinaDoreen
2010-01-09T22:16:28+00:00 09.01.2010 23:16
Dvill scheint es gewohnt zu sein, da er befiehlt. Und Harry ist ja auch wirklich leicht zu beeinflussen.
Aber irgendwie passen die beiden zusammen.
reni
Von:  Ageha-san
2010-01-07T20:27:01+00:00 07.01.2010 21:27
Eine interessante Geschichte! Ich bin gespannt, was es mit dem Landstreicher auf sich hat. Freue mich auf das nächste Kap!


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