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Aus den Augen, in den Sinn

Lavi x Yuu | Du weißt erst, was du hast, wenn es nicht mehr da ist
von

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Gewitter

Universitäten waren lärmig und voll und alle seine Kommilitonen waren unterbelichtete Nervensägen, die nur existierten, um ihm auf den Wecker zu fallen. Die Gänge waren voll gestopft und in seinen Ohren dröhnten laute Stimmen und schrilles Lachen, während er sich durch den Strom der Studenten schob. Am schlimmsten waren diese ätzenden Erstsemester, die sich ständig verliefen, sich dann panisch umschauten und somit die Gänge verstopften. Er hatte sich als Erstsemester nicht so bescheuert angestellt und wenn man sich schon für ein Studium entschied, dann sollte man doch wenigstens so intelligent sein und den Weg zu den Hörsälen finden. Er quetschte sich zwischen zwei Mädchen hindurch, die unerträglich schrill giggelten und bog um eine Ecke in einen Gang, der weniger überfüllt war.
 

Die ganze letzte Woche hatte es geregnet und auch heute war der Himmel wieder so grau, dass Kanda versucht war sich in seiner Wohnung einzuschließen und die Jalousien herunterzuziehen, nur um seine Ruhe vor dem Wetter zu haben, dass ihn immer wieder an damals erinnerte.

Das ganze lächerliche Spektakel hatte sich Abschlussball genannt und es war die letzte Veranstaltung gewesen, auf der er all seine ätzenden Mitschüler noch einmal hatte sehen müssen. Wenn er es recht bedachte, hätte er einfach zu Hause bleiben sollen, aber er hatte es nicht getan und verbuchte diese Entscheidung zu einem seiner größten Fehler überhaupt. Es war schrecklich laut und schrecklich primitiv gewesen. Mädchen in viel zu engen, teilweise ekelhaft glitzernden Abendkleidern, betrunkene Eltern und Lehrer, die dröhnend lachten, ein Programm auf der Bühne, das wirklich jeglichem Niveau entbehrte und nicht zuletzt Lavi im schwarzen Anzug, der zu ihm nach draußen gekommen war, als er etwas Luft hatte schnappen wollen.
 

»Was machst du ganz allein hier draußen?«
 

»Geht dich nichts an, Baka- Usagi.«
 

»Heute ist der letzte Abend, an dem wir uns sehen. Findest du das nicht wenigstens ein bisschen traurig?«
 

»Nein. Ist eher ein Grund zu feiern. Ich glaube, ich hol mir einen Drink.«
 

Eigentlich hätte Lavi wissen müssen, dass er für solche Sentimentalitäten nicht zu haben war. Aber Lavi hatte das niemals aufgegeben, er hatte immer darauf beharrt, dass irgendwo tief in Kanda Yuu ein weicher Kern steckte, den es nur herauszukitzeln galt.

Wenn Lavi wüsste, dass er jetzt nach all der Zeit selbst herausgefunden hatte, dass er wirklich so etwas schmachvolles wie einen weichen Kern besaß, dann hätte er sicher triumphierend gelacht, ihn an der Schulter gepackt und leicht durchgeschüttelt. Aber was half es schon, immer und immer wieder über Lavi nachzudenken und sich sein Gesicht in Erinnerung zu rufen? Er musste es irgendwann akzeptieren, er war in ein Phantom verliebt, auch wenn es sehr lange gedauert hatte, bis er das begriffen hatte.
 

Missmutig stapfte er den Gang entlang, bog um eine weitere Ecke und hatte seinen Hörsaal schon fast erreicht, als ein junger Mann vom anderen Ende des Ganges eine Treppe herunter gehastet kam, offensichtlich einen Gebäudeplan in der Hand und ziemlich in Eile.

Kanda erstarrte, den Blick auf die wuscheligen, roten Haare gerichtet, die sich kein bisschen verändert hatten, ebenso wenig wie das schalkhafte Funkeln der grünen Augen oder das geschmacklose Stirnband.

Sein Herz hämmerte plötzlich gegen seinen Brustkorb und er fragte sich, ob er Halluzinationen hatte, doch als der junge Mann kurz davor war, an ihm vorbei zu laufen, hob er den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Kandas Innerstes explodierte in tausend kleine Einzelteile und er starrte den Rotschopf an, der nicht minder verwirrt zurück starrte, als hätte er soeben einen Geist gesehen.
 

»Irgendwie muss ich immer lächeln, wenn ich dich ansehe, Yuu.«
 

»Mir bleibt auch echt nichts erspart, oder?«
 

All die Dinge, die er falsch gemacht hatte, huschten vor seinem inneren Augen vorbei wie eine rasend schnelle Diashow, gespickt mit zigfachen Zurückweisungen von seiner und hunderten von Annäherungsversuchen von Lavis Seite aus. Er wusste nicht, wie lange sie in diesem Gang standen und sich anstarrten, als hätten sie noch nie in ihrem Leben einen anderen Menschen gesehen. Aber Kanda war es gleich. Solange er nur hier stand und Lavi anstarrte, konnte er sich einbilden, dass der Vollidiot niemals aus seinem Leben verschwunden war und dass er ihn jetzt wieder lächeln sehen konnte, auch wenn ihm diese sentimentalen Gefühle extrem peinlich waren.

Lavi öffnete den Mund und Kanda räusperte sich.

»Ich fass es nicht«, murmelte Lavi. Sein Gesichtsausdruck war merkwürdig. Es war eine Mischung aus grenzenloser Freude und tiefem Bedauern. Kanda hatte keine Ahnung, wie er diesen Blick deuten sollte, aber wirkte nicht sonderlich erbaulich und bevor er noch den Kopf verlor, sich auf Lavi stürzte und ihn küsste, wandte er sich hastig ab und flüchtete in den Hörsaal.
 

Sein Gehirn schien wie gelähmt, er folgte der Vorlesung nicht einmal ansatzweise, obwohl er sonst einer dieser Musterstudenten war, die alles Mögliche mitschrieben und immer zuhörten, egal wie langweilig es war.

Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Lavi mit einer Flut unbedeutender Erstsemester an diese Uni gekommen, offenbar ohne zu wissen, dass Kanda hier ebenfalls studierte. Er hatte keine Ahnung, was Lavi das letzte Jahr über nach dem Abschlussball getan hatte, oder was er nun studierte – auch wenn es zweifellos etwas Sinnfreies war, das würde dem Armleuchter ähnlich sehen! – aber das alles änderte nichts an der Tatsache, dass er nun hier war. Sie waren in der gleichen Stadt, an der gleichen beknackten Universität.

Sein Herz überschlug sich immer noch vor Aufregung und Überraschung.
 

In einem winzigen, irrationalen Teil seines Gehirns wünschte er sich nichts mehr, als dass Lavi immer noch Gefühle für ihn hatte, dass sie miteinander reden und dass Lavi ihn anlächeln würde und dass sie sich küssen konnten und ihm Regen und Mittwoche nichts mehr ausmachen würden, dass er nicht mehr nur noch wütend wäre und endlich nicht mehr das Gefühl hatte, den größten Fehler seines Lebens für immer mit sich herum schleppen zu müssen.

Er hatte nie gemerkt, wie viel Lavi ihm eigentlich bedeutete, bis der vollidiotische Feuerlöscher aus seinem Leben verschwunden war. Einfach so. Und mit einer Liebeserklärung, die er einfach abgeschmettert hatte. Er hatte nicht geantwortet. Er war einfach gegangen. Und das war das letzte Mal gewesen, dass sie sich gesehen hatten.
 

Normalerweise war er froh darüber, wenn die Uni lange dauerte und er viel zu tun hatte. Aber heute hatte er keinen größeren Wunsch, als dass die Vorlesungen allesamt ausfielen und er nach Hause gehen konnte. Natürlich war nicht die Rede davon, Lavi zu suchen und mit ihm zu reden, es ging einzig und allein darum, schnell weg von diesem Ort zu kommen. Er würde ihn ohnehin nicht finden, der Campus war riesig.
 

»Yuu, in drei Monaten sind wir fertig mit der Schule. Stell dir das mal vor, dann sehen wir uns gar nicht mehr!«
 

»Eine glückliche Fügung…«
 

»Ich werd dich ganz schön vermissen!«
 

»Halt die Schnauze, Baka- Usagi!«
 

»Wäre es nicht absolut cool, wenn wir an derselben Uni studieren könnten?«
 

»Nein, das wäre ein Alptraum! Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!«
 

Natürlich konnte es unmöglich sein, dass Lavi herausgefunden hatte, wo er studierte und nur deswegen hierher gekommen war. Dann wäre er nicht so überrascht gewesen. Außerdem war das Humbug. Vermutlich hatte Lavi ihn nur vergessen wollen, nachdem Kanda nichts auf seine Gefühlsbekunden geantwortet hatte. Bei diesem Gedanken zog sich sein Magen unangenehm zusammen. Wohlmöglich wollte Lavi ihn nicht sehen. Und nicht mit ihm reden. Und ihn nie wieder anlächeln.

Und wohlmöglich würde er ihm nun aus dem Weg gehen und allen erzählen, dass der langhaarige Eisklotz aus dem dritten Semester der Typ war, der ihm das Herz gebrochen hatte. Herrgott, er wurde sentimentaler, als es ihm gut tat. Leider konnte er das nicht abstellen. Das wäre ja auch zu schön gewesen. Dann hätte er es schon damals an diesem verregneten Abschlussballabend getan.

Er wusste auch noch genau, wie es an ihrem letzten Schultag gewesen war. Ein Mittwoch, ausnahmsweise nicht verregnet, aber immerhin bewölkt und kühl.
 

»Fühlst du dich nicht manchmal allein, Yuu?«
 

»Nein. Tu ich nicht. Ich genieße meine Ruhe!«
 

»Ich glaube, eigentlich hättest du auch gern jemanden, aber du willst es einfach nicht zugeben.«
 

»Du hast zu viel Bier getrunken!«
 

»Kann sein. Darf ich dich küssen?«
 

»NEIN! VERDAMMTE SCHEIßE!«
 

Auch wenn er es nicht verstanden hatte, in diesem Moment hatte sein Herz gewummert wie noch nie in seinem Leben. Er hatte es auf die Wut geschoben. Aber jetzt wusste er, dass die Vorstellung, von Lavi geküsst zu werden, ihn einfach unglaublich hibbelig gemacht hatte. Er hatte seinen ersten Kuss immer noch nicht verloren und er würde wohlmöglich auch für immer ungeküsst bleiben, aber was machte das schon. Es gab wichtigere Dinge im Leben. Deswegen hasste er den Mittwoch. Der letzte Schultag, ein betrunkener Lavi, der ihn fragte, ob er ihn küssen durfte und ihn ließ die Vorstellung seitdem nicht mehr los, wie es war, von Lavi geküsst zu werden. Das half ihm nicht wirklich dabei, den Rotschopf zu vergessen.
 

Als er den Innenhof überquerte gab es irgendwo in der Ferne ein Donnergrollen und im nächsten Moment begann es zu regnen. Er fluchte unterdrückt, legte einen Schritt zu und marschierte quer über den Rasen in Richtung Hauptstraße. Mehrere Studenten mit Kapuzen oder Schirmen rannten an ihm vorbei zu ihren Autos oder Fahrrädern oder auch zum nächsten Bus.

Er hatte nie einen Regenschirm dabei. Er mochte Regenschirme genauso wenig wie den Regen. Vielleicht war das ein Widerspruch…

Er wandte den Kopf zur Seite, als es erneut donnerte und sein Blick fiel auf einen roten Schopf unter einem durchsichtigen Regenschirm. Er blieb stehen und starrte hinüber zu Lavi, der lachend die Arme um ein brünettes Mädchen legte und es küsste. Ein Blitz zuckte über ihnen, Lavi und seine Freundin gingen unter dem Schirm weiter. Kanda blieb im Regen stehen und starrte ihnen nach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Ai_Kue
2009-08-19T20:10:01+00:00 19.08.2009 22:10
OH NEIIIIIIIN!!! DAs ende des chaps!!! QAQ
Wie kannst du nur! ><

Ich geh direkt weiterlesen!!! ><
*es kaum aushalt*
Von:  Manu-chi
2009-08-15T10:42:03+00:00 15.08.2009 12:42
Oh Gott ich LIEBE deine Lavi x Kanda Storys!!!!!
Du hast einen super Schreibstil, der perfekt zu den beiden Charas passt!
^//////^

Mir tut Kanda leid. QQ
Aber ich hab mir schon gedacht, dass irgendwas kommt, wo er noch mehr leiden muss. *muhaha*
Bin auf jeden Fall gespannt wie es weitergeht. *vor Freude rumhops* *eg*

Lg Chi~
Von: abgemeldet
2009-08-14T20:23:08+00:00 14.08.2009 22:23
*schwärm*
man dieser Schreibstil ist einfach göttlich. man kann sich das so schön vorstellen!
ich weiß ich wiederhol mich xDDD

aber man kann nichts anderes dazu sagen außer das es genial geschrieben ist...und ich freu mich schon riesig wenn es weiter geht!

*knuff*
LG Prestige
Von:  LeoBaskerville
2009-08-14T10:54:32+00:00 14.08.2009 12:54
Owwwwwwwwwwwww........wie traurig
*schnief*
Q___Q
so schön geschrieben
armer Kanda
*den am liebsten in den Arm nehmen würde*
Von:  YuuichirouHyakuya
2009-08-14T09:52:04+00:00 14.08.2009 11:52
ah scheiße ich wein gleich.. das kannst du diesem eisklotz doch nicht antun *wimmer*
aber irgendwie dacht ich mir das, dass Lavi schon ne freundin hat *seufz*
*Kanda tret*
Idiot..

aber jahh... es ist toll *_*
ich liebe drama, ich liebe lavi und kanda, und ich liebe es wie du schreibst hihi *rumhüpf*


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