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Liebe ist tödlich

Kaibas Maxime. Irrtum ausgeschlossen?
von

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Seinetwegen

Hi!

Endlich bin ich mit dem neuen Kapitel fertig geworden. Die Story hat sich mal wieder selbstständig gemacht. Mit anderen Worten: Es wird mehr Kapitel geben.
 

Ich hoffe es gefällt!
 

LG Kyra
 

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Kapitel 3: Seinetwegen
 

Mir ist langweilig.
 

Ja, mir auch. Was allerdings nicht weiter verwunderlich war, wenn man bedachte, dass wir die embryonale Entwicklung jetzt schon zum vierten Mal behandelten. So ein Nonsens.
 

Das erklärte jedoch nicht den Block mit den drei, schnörkellos geschriebenen Wörtern. Er hatte schließlich etwas zu tun. Ich blickte auf Tsukis Durcheinander aus Kontoauszügen, Rechnungen, Kassenbons und anderen Zetteln, das inzwischen schon auf meinen Tisch herüber schwappte. Dazwischen lagen irgendwo ein Taschenrechner und ein paar Stifte. Bei dem Papierkram konnte von Langeweile eigentlich nicht die Rede sein. Auch wenn er ziemlich überfordert aussah.
 

Als ich mich gerade dazu hinreißen lassen wollte, mich auf diese fragwürdige Art der Kommunikation einzulassen, tauchte unsere Lehrerin vor meinem Tisch auf und nahm mit spitzen Fingern den Block. Sie sah – auch wenn dieses Wort viel zu vulgär war, um zu meinem Standartvokabular zu gehören, an dieser Stelle war es einfach passend – angepisst aus.
 

Einen Moment lang blickte sie schweigend auf das Papier. Vielleicht überlegte sie sich, ob sie vergessen haben könnte, dass meine Schrift eine andere war. Ich war mir sicher, dass sie zu dem Schluss kommen würde, dass es meine Handschrift sein könnte. Sie mochte mich nicht. Nicht mehr, seitdem ich ihr vor der ganzen Klasse ein Abfuhr erteilt hatte. Auch wenn es nur subtil gewesen war. Oder vielleicht gerade weil es subtil gewesen war? Mir war es herzlich egal.
 

In vielerlei Hinsicht wusste ich mehr als sie. Sie konnte mir nichts. Und sollte sich es wagen, irgendeinen belanglosen Grund anzuführen, demzufolge sie mir keine 15 Punkte geben konnte, würde sie es bitter bereuen. Ich würde sie und ihre Argumentation in der Luft zerreißen. Meinen überragenden Durchschnitt würde diese Geradeerst - Lehrerin ganz sicher nicht ankratzen.
 

Dieser Zettel würde keine Konsequenzen haben. Selbst wenn Tsuki nicht erklärte, dass er ihn geschrieben hatte. Was doch sehr zu bezweifeln war. Er legte eine Ehrlichkeit an den Tag, die auch von seiner Dreistigkeit gegenüber einigen anscheinend verhassten Lehrkräften nicht überboten wurde. Davon angesehen wusste er, dass es teils seine Schuld war, dass sie mich momentan zu schikanieren versuchte. Zu den beiden Biologiestunden dieser Woche war ich seinetwegen zu spät gekommen.
 

Dies war einer der, in letzter Zeit häufig auftauchenden, Momente, in denen ich mich fragte, warum ich ihm angeboten hatte, bei mir zu wohnen, als ich gehört hatte, dass er bei der Freundin, bei der er untergekommen war, nicht länger bleiben konnte, da sich deren Eltern zu Besuch angekündigt hatten. Natürlich wusste ich die Antwort auf die Frage. Doch sie widerstrebte mir. Ich hatte in dem Moment nicht gezögert. ... Ich hatte mich schuldig und verantwortlich gefühlt, da ich mit einem beträchtlichen Teil dazu beigetragen hatte, dass er momentan nicht in seine eigene Wohnung konnte.
 

Normalerweise scherte ich mich nicht um die Probleme anderer Leute. Und schon gar nicht fühlte ich mich verantwortlich oder schuldig. Es war weder nötig noch angebracht. Ich kam in keine Situation, in der ich mir Fehler eingestehen musste. Ich machte selten Fehler. Tsuki gegenüber hatte ich das erste Mal eine Schuld verspürt. Ich verfluchte mich dafür, weil es meine Schwäche gewesen war, die es dazu hatte kommen lassen. Und Schwächen waren unzulässig. Gerade in meiner jetzigen Situation.
 

„Fühlen Sie sich unterfordert, Mister Kaiba?“, setzte nun – wie ich es erwartete hatte – der Lehrkörper zur Offensive an.
 

„Ich hab dieses Thema während meiner Schulzeit schon dreimal durchgenommen. Ich denke, nach dieser Zahl hätte man entweder im Unterricht schlafen müssen oder das Thema zur Speicherung im Langzeitgedächtnis als nicht wichtig genug befinden müssen, um jetzt nicht unterfordert zu sein.“
 

Sie blinzelte mehrmals, schien erst begreifen zu müssen, was ich gesagt hatte. Dann verfinsterte sich ihr Gesicht. Dabei hatte ich noch nicht einmal etwas gegen ihre Person gesagt.
 

„Miss Ichida“, sagte Tsuki. Seine Worte klangen schmeichelnd, sein Lächeln war einnehmend. „Ich habe den Zettel geschrieben. Ich hatte gehofft, Mister Kaiba in einem möglichen Gespräch dazu überreden zu können, mir bei meinem Papierkram zu helfen. Ich bin momentan etwas überfordert.“ Er ließ etwas die Schultern hängen. „Es tut mir Leid, wenn ich damit Ihren Unterricht gestört habe.“
 

Während er sprach, entspannten sich die Gesichtszüge der Lehrerin. Ihre Augen bekamen etwas Schwärmerisches.
 

„Ah, verstehe. Da Mister Kaiba sowieso unterfordert ist, wird er Ihnen sicherlich gerne helfen.“ Sie wendete sich mit einem boshaften Blick mir zu. „Oder wollen Sie Extraaufgaben?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, marschierte sie wieder zum Lehrerpult und setzte ihren ermüdenden Unterricht fort. Was für eine erbärmliche Art mit Schülern umzugehen.
 

Ich sah zu Tsuki hinüber und notierte mir gedanklich, die letzte Minute immer im Hinterkopf zu behalten. Der Mann war unglaublich manipulativ. Gerade verwandelte sich sein charmantes Lächeln in ein breites Grinsen.
 

Ich griff nach seinem Block und einem Stift und schrieb im Gedanken an seine Fähigkeiten, andere zu beeinflussen:
 

Danke für die Warnung.
 

Er runzelte die Stirn. Ich sah ihm an, dass er über den Satz grübelte. Letztendlich verstand er ihn nicht. Ich würde nicht näher darauf eingehen.
 

Hä?
 

Was versuchst du, anhand deiner Unterlagen zu berechnen?
 

So seltsam es klang: Es interessierte mich. Verwundert blickte Tsuki von meiner Frage zu mir auf.
 

Du würdest mir wirklich helfen?
 

Wenn es wichtig ist.
 

Einen Moment fragte ich mich, ob das eine subtile Beeinflussung von ihm gewesen sein könnte. Als ich bemerkte, dass ich mich wieder für ihn verantwortlich fühlte, hätte ich am liebsten laut geflucht. Ich wusste noch nicht mal, was er errechnen wollte, und fühlte mich schon verantwortlich. Prima. Würde ich bald anfangen, mich verantwortlich zu fühlen, wenn er sich an einem der vielen Schokoriegel, die er täglich verschlang, verschluckte?
 

Könnte man so sagen. Solange ich noch unter Personenschutz stehe, kann ich nicht arbeiten, deswegen wollte ich ausrechnen, was ich im Monat durchschnittlich so ausgegeben habe und wofür. Damit ich etwas haushalten kann, sollte es nötig sein.
 

Ich blinzelte. Was war daran so kompliziert? Insbesondere, da er ja noch nicht mal Lebensmittel- und Nebenkosten mit einrechnen musste. Schließlich stellte ich ihm diese nicht in Rechnung.
 

Und das ist so schwierig?
 

Mit meinen Unterlagen schon.
 

Ich blickte auf sein Durcheinander und glaubte ihm sofort. Das musste auf jeden Fall sortiert werden. Etwas, was ich bestimmt nicht tun würde. Danach sollte es allerdings höchstens eine Stunde dauern.
 

Wenn du für ein wenig Ordnung sorgst, dann nehme ich mir heute Nachmittag die Zeit, um eine Bilanz aufzustellen.
 

Er sah nicht sehr begeistert aus. Dennoch erkannte ich, dass er sich im Grunde über mein Angebot freute.
 

Ordnung? Wie soll ich da denn Ordnung rein bekommen?
 

Indem du deine Kontoauszüge chronologisch abheftest, Kopien machst und die Abbuchungen nach Gruppen (Lebensmittel, Kleidung, etc.) verschiedenfarbig markierst. Nach demselben Muster sortierst du auch die Kassenbons und Rechnungen.
 

°__° Willst du mich überfordern?
 

Dieses Gebilde aus zwei Kreisen und einem Strich gab seinen Gesichtsausdruck erstaunlich gut wieder. Zudem machte es seine Frage überflüssig. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Das konnte nicht sein Ernst sein.
 

Du willst mir ernsthaft erzählen, dass du keine Lebensmittel von Kleidungsstücken oder Hygieneartikeln unterscheiden kannst? Dazu ist jeder Grundschüler fähig. Man muss dabei nicht mal denken.
 

Tsuki blinzelte. Dann schüttelte er grinsend den Kopf.
 

So war das nicht gemeint. Ich wollte damit nur sagen, dass ich einige Kassenbons nicht so leicht sortieren kann, weil ich teilweise „gruppenübergreifend“ einkaufe.
 

Jetzt hätte ich beinahe überrascht geblinzelt. Ich wusste inzwischen genug über ihn, um sicher sein zu können, dass er gut verdient hatte. Schließlich war er einer der beliebtesten Callboys der Oberschicht Dominos. Er konnte es sich leisten, in exklusiven Geschäften einkaufen zu gehen. Diese waren normalerweise immer auf etwas spezialisiert. Ich hatte Tsuki so eingeschätzt, dass er seine Besorgungen nur in solchen Geschäften machte. Anscheinend hatte ich mich geirrt. Ich mochte es nicht, wenn ich mich verschätzte. In letzter Zeit noch viel weniger. Es gab mir das Gefühl, meinen letzten Schutz zu verlieren.
 

Du kaufst im Supermarkt ein?
 

Ja, bestimmte Dinge schon.
 

Tsuki lächelte verschmitzt. Mist. Er hatte meine Fehleinschätzung erkannt. Ich spannte meine Schultern an, in Erwartung auf irgendetwas, das meinen Fehler bestrafen würde. Aber er lächelte nur. Seine Augen funkelten triumphierend, aber keineswegs herablassend oder schmälernd. Er schien sich einfach nur zu freuen, mich getäuscht zu haben.
 

Das kommt mit Sicherheit nicht wieder vor!
 

Mal sehen. ^^ Wie soll ich das Supermarkt - Problem lösen?
 

Ich beschloss nicht weiter auf meinen Irrtum oder seine Reaktion darauf einzugehen. Sollte er sich doch freuen. Er hatte sich in den letzten Tagen, was meine Person betraf, auch mehrmals verschätzt.
 

Mach eine eigene Gruppe daraus und markier in ihr nach den anderen.
 

Es klingelte, als ich ihm den Block zuschob. Er warf einen Blick darauf, nickte und beugte sich dann über seine Tasche, um den nächsten Schokoriegel und eine Flasche Fanta heraus zu kramen. Mein Blick wanderte automatisch zu seinem Bauch hinunter. Er war immer noch genauso flach, wie an dem Abend, als ich ihn kennengelernt hatte. Ein Wunder, bei der Menge Schokoriegel, der er anscheinend täglich aß. Aus einem plötzlichen Impuls heraus fragte ich:
 

„Wie viele Kilo hast du in den letzten zwei Wochen zugenommen?“
 

Tsuki blickte mich überrascht an. Er begann zu lächeln und hob gespielt tadelnd einen Finger.
 

„Einem Callboy stellt man keine Fragen zu seinem Gewicht“, sagte er.
 

Mehr sagte er nicht. Ich schwieg ebenfalls. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich gefragt hatte. Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, erschien Miss Zedama im Raum. Sie war zu früh. Der Sozialkundeunterricht begann erst in ein paar Minuten.
 

„Wir gehen heute in den Computerraum. Eure Sachen nehmt ihr am besten mit“, erklärte sie.
 

Sofort brach das totale Chaos aus. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Was war so schwer daran, zu seinem Platz zurückzukehren und seine Sachen zusammenzupacken? So ein Kindergarten. Miss Zedama trat auf Tsuki zu, als dieser gerade versuchte seinen Papierkram zumindest halbwegs ordentlich in seiner Tasche zu verstauen.
 

„Hast du Lust bei einer Gruppenarbeit mitzumachen?“, fragte sie ihn.
 

„Was denn für eine?“
 

„Es handelte sich um ein längeres Projekt. Zweiergruppen bekommen eine fächerübergreifende Aufgabe, die sie bis kurz nach der Studienfahrt fertigstellen müssen. In der Klasse sind 23 Schüler, also müsste ich eine Dreiergruppe bilden. Das wäre allerdings etwas kompliziert, da die Aufgaben auf zwei Personen ausgerichtet sind.“
 

„Was sind das für Fächer?“, fragte er etwas unsicher. „Von Naturwissenschaften habe ich für mein Leben genug!“
 

„Das ist interessenorientiert.“
 

„Okay, dann mach ich mit!“
 

***
 

„Ruhe!“, wies Miss Zedama an. „Die Computer könnt ihr schon hochfahren, aber Finger weg von Tastatur und Maus.“
 

Es kehrte tatsächlich Ruhe ein. Das sich jemand an ihr Verbot hielt, war allerdings unwahrscheinlich. Diese Klasse bestand, mit Ausnahme von mir, aus mehr oder weniger großen Spielkindern.
 

„Wie ihr sicherlich wisst, steht in diesem Halbjahr in Sozialkunde eine umfangreiche Gruppenarbeit auf dem Plan. Die Aufgaben sind sehr unterschiedlich, basieren aber immer auf zwei oder drei Schulfächern und jede beinhaltet eine besondere Schwierigkeit.“
 

Ein Raunen aus Stöhnen, Freuderufe und Diskussionen ging durch die Klasse. Ich sah gegen diese Gruppenarbeit schon eine Weile an. Mit einem dieser infantilen Idioten zusammenarbeiten zu müssen, versprach regelrecht Ärger. Normalerweise ignorierte ich Gruppenarbeiten. Doch diese war ein wesentlicher Bestandteil der Note. Also war ich zu einem Teil von dem Anderen abhängig. Und das schmeckte mir gar nicht. Ich schielte zu Tsuki hinüber. Vom Verhalten her wäre er sicherlich der angenehmste Partner, über seine Schulnoten wusste ich allerdings nichts. Wahrscheinlich bildeten wir die Gruppen sowieso nicht selbst.
 

„Ruhe!“, rief Miss Zedama nochmals. „Eine solche fächerübergreifende Arbeit findet dieses Jahr nicht zum ersten Mal statt. Bisher haben alle Methoden der Gruppenbildung nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Deshalb hat sich das Kollegium entschieden, ein Computerprogramm anzuschaffen, dass diese Aufgabe übernimmt.“ Laute Protestschreie brachen aus. Ganz vorne mit dabei: Yugis Kindergarten, wie sollte es auch anders sein. Miss Zedama wartete bis wieder Ruhe eingekehrt war. „Dieses Programm basiert auf dem gleichen System wie Tests zur Partnersuchen. Es vergleicht persönliche Eigenschaften und Interessen und bestimmt danach einen Gruppenpartner. Außerdem gibt es Aufgabenvorschläge, aber die werde ich wahrscheinlich noch mal überarbeiten müssen, da nicht alle Teilaufgaben zueinander passen. Habt ihr bis hierhin noch Fragen?“
 

Yugis kleine Freundin meldete sich. „Nach welchen Kriterien wird denn der Partner bestimmt?“
 

„Bisher sind nur zwei Kriterien vorgegeben. Charaktereigenschaften und Interessen, insbesondere schulische. Den restlichen Test werden wir gemeinsam entwerfen“, erklärte Miss Zedama. Die Klasse brach in Jubelgeschrei aus und sofort schossen mehrere Hände in die Luft, um Vorschläge zu machen.
 

Desinteressiert wendete ich mich dem Fenster zu. Dieser Test konnte nur lächerlich werden, wenn unsere Klasse ihn entwarf. Meine Gedanken schweiften zu der Sitzung mit den Führungskräften meiner Marketingabteilung ab, die für heute Nachmittag angesetzt war. Das würde wieder nervenaufreibend werden. Informatiker hatten auch den Ruf ein Völkchen für sich zu sein, aber mit denen kam ich besser klar, als mit dem Typ Mensch aus dem ein Großteil meiner Marketingabteilung bestand. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Miss Zedama Tsuki drannahm. Ich hob eine Augenbraue. Er wollte sich nicht wirklich an diesem Kinderkram beteiligen?!
 

„Ich denke nicht, dass wir das Geschlecht als Kriterium aufnehmen sollten“, erklärte er. „Das würde das Ergebnis meiner Meinung nach nur verzerren, da das Programm wahrscheinlich erst mal gemischtgeschlechtliche Gruppe bilden würde. Und das ist nicht Sinn der Sache, wenn die Gruppen vordergründig nach Charakter und Interessen gebildet werden sollen. Außerdem, finde ich, ist es bestimmt ganz interessant zu erfahren, zu wem man aus der Klasse am besten passt.“
 

Während in der Klasse zustimmendes Gemurmel ausbrach, zwinkerte Tsuki mir grinsend zu. Was sollte das? Ich wendete mich wieder ab. Auf gar keinen Fall sollte er sehen, wie verwirrt er mich hatte. Schon allein die Tatsache, dass er es hatte, war kaum zu dulden. Wollte er einfach nur mit mir in eine Gruppe oder war das eine Anmache gewesen? Ich war versucht, die Hände vorm Kopf zusammen zu schlagen. Was dachte ich da für einen Mist?! Ich verdrängte den Gedanken. Es war nicht vertiefungswürdig.
 

„Hey Seto“, murmelte Tsuki plötzlich. Es war ungewohnt, dass mich jemand außer Mokuba mit meinem Vornamen ansprach. Unangenehm war es nicht. „Denkst du man kann das Programm manipulieren?“
 

Mit genügend Zeit konnte man alle Programme manipulieren. Aber warum fragte er? „Wieso willst du das wissen?“
 

Er blinzelte überrascht. „Weil ich eigentlich nur zugestimmt habe, um mit dir zusammenzuarbeiten. Dass du deine Klassenkameraden nicht sehr schätzt, hab ich ja mitbekommen.“
 

Mit anderen Worten er hatte der Gruppenarbeit nur zugestimmt, damit ich nicht mit irgendeinem Trottel aus meiner Klasse zusammenarbeiten musste. Warum machte er sich meinetwegen so eine Arbeit? Ich verstand es nicht. Um nicht weiter darüber nachzudenken, konzentrierte ich mich auf meine Antwort:
 

„Man kann jedes Programm manipulieren. Die Schule wird allerdings kein simples Programm gekauft haben, dass die Gruppen nur auf Grundlage von Gemeinsamkeiten bestimmt. Es wird auch auf ergänzende Zusammenstellungen programmiert sein. Es ist schwer zu sagen, mit welchem Faktor die beiden Komponenten das Ergebnis bestimmen.“
 

Tsuki wirkte geknickt. Und in mir kam wieder ein Schuldgefühl auf. Ich verdrängte es sofort. Was konnte ich dafür, dass er sich entschloss, mir einen Gefallen zu tun. „Aber es ist eine fächerübergreifende Aufgabe. Einige Fächer schließen sich doch aus, oder nicht?“, fragte er hoffnungsvoll.
 

„Die Aufgaben scheinen sehr flexibel zu sein. Diese Gruppenarbeit ist seit drei Jahren verbindlich. Dabei sind schon die lächerlichsten Aufgabenstellungen zustande gekommen. Letztes Jahr hatte eine Gruppe die Teilaufgabe Sauerstoff unter Bezug des atomaren Aufbaus, der Eigenschaften und der Bedeutung für den Menschen musikalische darzustellen.“
 

Mokuba hatte mir das erzählt. Ich hatte mir die Ergebnisse der Gruppenarbeiten, die jedes Jahr im Aufenthaltsraum aufgehängt wurden, noch nie angesehen. Es interessierte mich einfach nicht.
 

„Das ist nicht dein Ernst“, murmelte Tsuki. Entsetzen lag in seinem Blick.
 

„Seh ich so aus, als würde ich Witze machen?!“, fragte ich sarkastisch.
 

„Na großartig.“ Allerdings.
 

***
 

Der Test war lächerlich. Es war nicht anders zu erwarten gewesen.
 

Name: Kaiba Seto
 

Alter: 18
 

Kreuzen Sie die drei Charaktereigenschaften an, die sie am besten beschreiben!
 

Ich blickte auf die Auswahl und schüttelte innerlich den Kopf. Das war total oberflächlich. Einen Moment überlegte ich unehrlich zu sein, entschloss mich aber dagegen. Diese Daten würden niemanden in die Finger fallen, der sie gegen mich verwenden konnte. Schließlich hatte Miss Zedama mich, aus Gründen des Datenschutzes, dazu eingeteilt die Testbögen zu löschen, nachdem jeder einen Partner hatte. Letztendlich markierte ich:
 

Selbstbewusst. Fleißig. Introvertiert.
 

Wie teamfähig sind Sie? Markieren Sie auf der Skala!
 

Die Markierung landete sehr nah an dem Ende der Skala, das mit „Wenig“ beschriftet war. Ich hatte es nicht nötig, mit irgendwem zusammenzuarbeiten.
 

Kreuzen Sie einen schulischen Themenbereich an, der Sie interessiert. Wenn gewünscht, tragen Sie ein bestimmtes Schulfach ein.

Sprachen.
 

Einen Moment hatte ich überlegt, die Naturwissenschaften zu nehmen, hatte es mir bei dem Gedanken an die musikalische Beschreibung von Sauerstoff aber anders überlegt. Letztendlich war es egal. Ich war in jedem Fach gut und zu jedem Fach konnte es lächerliche Aufgaben geben.
 

Welchen Beruf wollen Sie später ergreifen?

CEO.
 

Nennen Sie Ihre drei Lieblingshobbys!

Musik hören. Lesen. Programmieren.
 

Was ist Ihr Lieblingstier?
 

Bis hierhin waren die Fragen akzeptabel gewesen. Aber ganz ehrlich, wie sollte ein Lieblingstier dazu beitragen, den richtigen Partner für ein schulisches Projekt zu finden? Würden jetzt die Hundeliebhaber eine Gruppe bilden, oder wie stellten sie sich das vor? Diese dämliche Frage konnte auch nur von jemandem aus unsere Klasse kommen. Wieder war ich versucht, mir etwas auszudenken, ließ es aber bleiben. Wer wusste schon, wie diese Frage gewichtet wurde, und was für seltsame Tierliebhaber es in diesem Kindergarten gab.
 

Katze.
 

Was trinken Sie am liebsten?

Kaffee.
 

Das war einfach beantwortet. Aber die Frage war ... ohne Worte.
 

Was ist Ihre Lieblingssüßigkeit?
 

Langsam bekam ich das Gefühl nach Beendigung dieses Tests würde mir die Sprache eine Weile fehlen. Das hier war der totale Nonsens. Ich sah einfach keinen Zusammenhang zum Zweck dieses Fragenbogens. Und das sollte etwas heißen. Wenn es Zusammenhänge gab, dann erkannte ich sie auch. Ganz von der Lächerlichkeit der Frage abgesehen: Ich mochte keine Süßigkeiten. Von Zartbitterschokolade vielleicht abgesehen. Aber die aß ich auch nur, weil sie herb schmeckte. Mit anderen Worten: nicht süß.
 

Zartbitterschokolade.
 

Wunschpartner: Aozora Tsuki
 

Die letzte Frage war definitiv die beste. Ich klickte auf Fertigstellen und lehnte mich seufzend im Stuhl zurück. Die Lehne drückte mir unangenehm in den Rücken. Ich sollte mich wirklich bei der Schulleitung beschweren, damit endlich neue Stühle angeschafft wurden. Mit etwas Glück konnte Mokuba dann noch davon profitieren.
 

„Und was meinst du?“, fragte Tsuki. Ich spürte, dass er mich wieder einmal musterte.
 

„Ich bin von Idioten umgeben!“, antworte ich nur und begann schon einmal einen Plan zu entwerfen, wie ich diesen Gruppenpartner am besten einschüchtern konnte, damit meine Note nicht in den Keller sank.
 

Tsuki lachte leise. „Ich gebe dir recht, der Fragebogen trotzte nur so vor Intelligenz und Angemessenheit. Aber vielleicht haben wir ja Glück.“
 

„Das glaub ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe.“
 

„Sind alle fertig?“, fragte Miss Zedama. Niemand verneinte. „Gut. Dann müssen wir jetzt einen Moment warten. Bevor das am Ende der Stunde untergeht: Die Hausaufgabe zur nächsten Stunde ist es, euch ein Konzept zu überlegen, wie ihr die Aufgaben bearbeiten wollt. Natürlich könnt ihr die Teilaufgaben untereinander aufteilen, aber ich möchte, dass ihr gemeinsam Vorüberlegungen zum Thema macht. Fragen dazu? Nein?! Gut.“
 

Sie setzte sich wieder an ihren Computer. Kurz runzelte sie die Stirn. Dann nahm sie ein Blatt Papier und begann zu schreiben. „Tsuki“, rief sie wenig später auf.
 

„Wenn ich anfange zu grinsen, ist alles prima“, murmelte er, während er aufstand, „ansonsten, ... werde ich mich nachher beschweren.“ Er zwinkerte mir zu.
 

In meinen Ohren klang das wie eine Drohung. Vielleicht war es das auch. Ich beobachtete, wie er nach vorne ging. Miss Zedama überreichte ihm den Zettel und Tsuki warf sofort einen Blick darauf. Von Grinsen konnte keine Rede sein. Er strahlte geradezu übers ganze Gesicht. Ich entspannte mich. Damit konnte ich leben.
 

„Yes“, rief er aus und führte einen kleinen Freudentanz auf. Normalerweise hätte ich das als kindisch und lächerlich bezeichnet, aber er sah dabei ... verdammt gut aus. Seine Bewegungen waren fließend und elegant. Er wirkte regelrecht verboten erwachsen. In seinen Augen funkelten Glück und Triumpf um die Wette. ... Und das alles meinetwegen? ... Ein warmes Gefühl durchlief meinen Körper.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Nachsommer
2010-01-11T21:07:38+00:00 11.01.2010 22:07
Also gleich am Anfang: "Liebe ist tödlich" ist vielleicht die beste FF, die du je geschrieben hast. Und das Schöne ist, dass sie noch nicht zu Ende ist :D <--fettes Grinsen. Tsuki gefällt mir immer besser. Er ist wie ein Gegenpart zu Kaiba und doch ähnelt er ihm in vielen Charakterzügen. Man merkt so langsam, dass vorallem Kaiba was an Tsuki liegt. Das ist vor allem im letzten Satz geglückt.
Schön am Stil finde ich, dass der Anfang des Kapitels nie linear mit dem Ende des Letzten übereinstimmt. Das ist spannender als der normale Verlauf: wo das letzte Kapitel aufhört, muss das Neue anfangen.

Ein bisschen lange hast du in diesem Kapitel die Partnerarbeit erklärt. Obwohl ich sagen muss, dass ich ja den weiteren Verlauf nicht kenne, aber das kam mir unendlich lange vor. Schön waren die Zettel, die die Beiden sich geschrieben haben :) Das hatt irgendwie etwas von ner traditionellen Love-Story.

Nen paar Tippfehler waren drin:

ein Bilanz

dass er im Grunde über mein Angebot freute.


Würde ich bald anfangen, mich verantwortlich zu fühlen, wenn er sich an einem der vielen Schokoriegel, die er täglich verschlang, verschluckte?
DAS war der passenste Satz ever. So schön! Den musst du in deine Liste einfügen. Einfach geil. :)

Ein Raunen aus Stöhnen, Freuderufe und Diskussionen ging durch die Klasse.
Ein Raunen aus Diskussionen?? Ôo...hört sich irgendwie komisch an, kann aber auch an mir liegen.

Indem du deine Kontoauszüge chronologisch abheftest, Kopien machst und die Abbuchungen nach Gruppen (Lebensmittel, Kleidung, etc.) verschiedenfarbig markierst. Nach demselben Muster sortierst du auch die Kassenbons und Rechnungen.
Hahaaa...plant da jemand Buchhalter zu werden, Ketch?

Also war ich zu einem Teil von dem anderen abhängig.
Bin mir nicht sicher, aber wird anderen hier nicht groß geschrieben`?

Laute Protestschreie brauchen aus.

Dieses Programm basiert auf dem gleichen System wie Tests zur Partnersuchen.
Also wenn das kein Hinweiß ist, dann weiß ich auch nicht mehr.

Das würde wieder nervenaufreibend werden. Informatiker hatten auch den Ruf ein Völkchen für sich zu sein, aber mit denen kam ich besser klar, als mit dem Typ Mensch aus dem ein Großteil meiner Marketingabteilung bestand.
Welcher Typ Mensch ist das denn?

Und das sollte etwas heißen. Wenn es Zusammenhänge gab, dann erkannte ich sie aus.


Alles in allem: wunderschönes Kapitel :D Freu mich schon auf's Nächste.

hdgggdl, Ashley
Von:  Currywurstbrot
2010-01-03T00:18:53+00:00 03.01.2010 01:18
Hallöchen xD
Mir gefällt deine FF auch sehr gut.
Dein Stil gefällt mir.
Bin gespannt wie's weiter geht =)
lg

Von:  JK_Kaiba
2009-12-29T12:32:40+00:00 29.12.2009 13:32
Hey^^
Find deine FF echt toll^^
War wieder ein tolles Kapitel^^
Bin schon gespannt wie es weiter geht^^


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