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In eine neue Welt

von

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Hass

Hass
 

Acht Stunden später wache ich in Clarks Bett auf. Langsam lasse ich meinen Kopf zur anderen Betthälfte sinken und öffne die Augen. Ich bin allein, Clark scheint schon aufgestanden zu sein. Schade, gerne hätte ich mich noch einmal an ihn gekuschelt, aber scheinbar hat er es vorgezogen, mich schlafen zu lassen. Seufzend kuschele ich mich noch einmal in die Decke. Mir geht der gestrige Tag durch den Kopf. War das wirklich alles geschehen, oder nur ein Traum? Nein, es muss passiert sein, sonst würde ich jetzt nicht hier aufwachen, sondern in der Scheune, oder in Chloes Wohnung, oder gar in Deutschland, in meiner alten Wohnung. Schließlich richte ich mich auf und blicke mich im Raum um. Warmes Licht scheint durch die Gardinen. Der Wecker zeigt 11.00 Uhr an. So spät schon? Mit Schwung schmeiße ich die Decke zur Seite und wälze mich aus dem Bett. Schnell ziehe ich mich an und verlasse das Zimmer. Im Bad hoffe ich Clark vorzufinden, doch dort ist er nicht. Also mache ich mich zügig fertig und gehe anschließend hinunter in die Küche. Verwundert sehe ich mich um, auch hier ist niemand zu sehen. Chloe müsste doch auch noch auf der Farm sein. Wo stecken die Beiden denn nur?

“Clark! Chloe!” rufe ich und lausche nach einer Antwort.

Doch niemand reagiert auf meine Rufe. In Ruhe sehe ich mich um, vielleicht hat Clark irgendwo eine Nachricht für mich hinterlassen. Es wäre möglich, dass er Chloe gerade nach Hause fährt. Aber Chloe hatte uns doch vorgeschlagen ein Frühstück zu machen. Ich werde stutzig und beginne mich zu sorgen. Keiner da, keine Nachricht, einfach nichts ist zu hören oder sehen. Merkwürdig! Ein seltsames Gefühl überkommt mich, eine Vorahnung, dass noch nicht alles überstanden ist. Angst breitet sich in mir aus. Was ist hier los?

Da höre ich plötzlich Clarks Stimme dumpf an mein Ohr dringen. Sie klingt geschwächt und scheint aus einiger Entfernung zu kommen:

“Chloe, warum tust du das?”

Ich sehe mich um, doch nirgendwo kann ich die Beiden entdecken. Meine Beine tragen mich automatisch auf die Veranda des Farmhauses. Ich überblicke den Hof und die nahe gelegenen Koppeln, doch weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Das Auto steht unberührt vor dem Haus. Also müssen Clark und Chloe noch hier sein. Mir wird klar, dass die Stimme tatsächlich von weit weg kommen musste. Vielleicht habe ich nun auch den selben Hörsinn wie Clark. Denn so muss es sich anhören, wenn etwas aus großer Entfernung dermaßen deutlich in die Ohren dringt. Ich versuche mich zu konzentrieren, um noch mehr Stimmen einzufangen, aber es herrscht nun eisige Stille. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, lässt mich unfreiwillig zittern. Ich rufe mir Clarks Satz wieder in Erinnerung. ’Chloe, warum tust du das?’ Es klang ein wenig panisch. Was wird hier nur gespielt? Sorgen erklimmen nun meinen Gedankenberg und lassen alles Andere unwichtig werden. Irgendetwas geht hier vor. Und ich kann spüren, dass es mehr als nur schlecht ist. Ich versuche die Furcht, die sich in meinen Gliedern eingenistet hat, abzuschütteln, und beschließe in die Scheune zu gehen, um dort nach meinen Freunden zu suchen.

Auf direktem Weg gehe ich auf das Scheunentor zu. Die Sonne, die heute die Luft unsäglich erhitzt, schafft es nicht die Gänsehaut auf meinem Körper zu vertreiben. Nachdem ich die halbe Strecke hinter mich gebracht habe, höre ich erneut eine Stimme. Diesmal ist es Chloe, sie ist deutlicher zu verstehen als Clark zuvor. Scheinbar hatte ich mit meiner Vermutung Recht, dass sich die Beiden in der Scheune befinden.

“Na, hast du Angst?“

Irritiert setze ich meinen Gang schneller fort. Was redet sie denn da? Angst? Warum sollte Clark Angst haben?

Mein zügiger Schritt wird zu einem Laufen. Nur noch ein paar Meter und ich habe den Eingang zur Scheune erreicht.

Warum hat mich eine solche Panik ergriffen? Was soll mich dort schon erwarten? Es sind doch nur Chloe und Clark, die dort sind. Jedenfalls habe ich nur ihre Stimmen gehört. Auch wenn es merkwürdig klingt, was sie reden, aber es kann doch gar nichts Schlimmes sein. Noch beim letzten Schritt, versuche ich mich zu beruhigen, doch was ich in der Scheune vorfinde, lässt mich mitten im Lauf erstarren. Ich muss einen schlechten Traum haben. Das kann unmöglich die Realität sein!

Sofort erfasse ich die Situation und mein Herz macht einen Aussetzer. Ich spüre, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht. Auf etwas derartiges bin ich nicht gefasst gewesen.

“Da bist du ja endlich,” ruft Chloe hasserfüllt zu mir herüber.

Sie steht mitten in der Scheune. Vor ihr liegt Clark, zusammengekrümmt und vor Schmerzen zitternd, auf dem Boden. Diese Haltung habe ich gestern erst an ihm gesehen, als Olli ihn dem Kryptonit ausgesetzt hatte.

“Clark!” rufe ich besorgt und werfe Chloe einen verwirrten Blick zu.

Was soll das? Warum wirkt sie so verhasst? Ist sie es, die das Clark antut?

Ich will an ihr vorbeilaufen, zu Clark, doch er versucht mich davon abzuhalten, nachdem ich die ersten Schritte getan habe.

“Nein, Sarah! Lauf weg!” stöhnt er und hebt, völlig geschwächt, abwehrend die Hand.

Jetzt erst sehe ich die Kryptonitsteine, die um ihn herum liegen. Angsterfüllt starre ich zwischen ihnen und Clark hin und her. Was soll ich nur tun? Ich weiß, dass sie sich auch schon auf mich auswirken, gestern konnte ich es deutlich spüren. Ich darf ihnen nicht zu nahe kommen, sonst würde ich wahrscheinlich wie Clark einfach zusammenbrechen. Aber wie kann ich ihm helfen?

“Zu spät,” lacht Chloe verbittert, als sie meine zögernde Reaktion bemerkt.

Kaum dass sie ausgesprochen hat, spüre ich, wie mich ein Schmerz durchfährt. Er breitet sich rasendschnell in mir aus. Meine Muskeln ziehen sich zusammen, sind zum Zerreißen gespannt. Ich presse meine Kiefer aufeinander, versuche einen Schritt zurück zu machen, doch es gelingt mir nicht. Dann überfällt mich eine vollkommene Schwäche, es ist, als wäre mein Körper restlos verkrampft. Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten und breche hilflos neben Chloe zusammen. Sie schmeißt einige Meteoritensteine neben mich. Unglaubliche Schmerzen erfüllen meinen Körper. Es wird immer unerträglicher. Nie zuvor habe ich solch ein Leiden verspürt, wie in diesem Augenblick. Es fällt mir schwer Luft zu holen. Mein kompletter Brustkorb ist zusammengezogen, als würde ich in einer unbarmherzig festen Umarmung stecken, aus der ich mich nicht lösen kann. Jetzt weiß ich, was Clark jedes Mal durchmachen muss, wenn er diesen grünen Steinen ausgesetzt ist.

“Nein,” höre ich ihn geschwächt rufen.

Mein Körper ist auf dem Rücken zu Fall gekommen, ich kann Clark nicht sehen, aber höre deutlich, dass sein Ruf mir galt.

Ich lasse meinen Kopf zur Seite fallen und blicke zu ihm hinüber. Zitternd sehe ich mit an, wie er all seine Kraft zusammen nimmt und versucht aufzustehen. Doch Chloe ist sofort bei ihm und drückt ihm einen Kryptonitstein direkt auf die Brust. Clark bricht vollends wehrlos zusammen, atmet hektisch und stöhnt vor Schmerz. Wie ich, liegt auch er nun auf dem Rücken. Chloe lässt das Kryptonit auf seiner nackten Haut, zwischen dem Hemdkragen, liegen.

“Lass ihn in Ruhe!” quäle ich das bisschen Luft, mit Worten erfüllt, aus meiner Lunge heraus und sehe Chloe dabei an.

Dann versuche ich mit aller Kraft auf die Beine zu kommen, aber es gelingt mir einfach nicht. Im Gegenteil, je mehr ich mich bewege, desto stärker wird der Schmerz. Meine Atmung wird immer flacher, ich bin nicht mehr in der Lage, stärker einzuatmen. Aber irgendwie muss ich erfahren, was Chloe vor hat. Ich habe keine andere Möglichkeit, als mit Worten auf sie einzureden. Zu etwas Anderem ist mein Körper nicht mehr fähig.

“Was soll das, Chloe?” versuche ich wispernd etwas heraus zu finden.

Entsetzt sieht mich Chloe an, als würde sie den Sinn meiner Frage nicht verstehen:

“Was das soll? Das fragst du nicht ernsthaft, oder? Du weißt genau was er mir bedeutet und hast nichts besseres zu tun, als ihn zu bezirzen während ich entführt wurde. Kannst du dir vorstellen, wie sehr das weh tut. Zu sehen wie er Einer absolut verfallen ist, die ich meine beste Freundin nenne. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas mit ansehen muss. Damals mit Lana, war es das Gleiche. Ihr wart jetzt zwar ehrlich zu mir, aber es tut genauso sehr weh, wie damals! Dafür werdet ihr jetzt büßen. Ich denke es wird dir nicht gefallen ihn leiden zu sehen, oder Sarah?”

Mein Herz rast, während ich Chloe, nach Luft ringend, ansehe. Was, um Gottes Willen, hat sie vor?

Plötzlich wendet sich Chloe von uns ab und geht zur Werkbank, die einige Schritte neben ihr steht. Sie öffnet eine Schublade und zieht ein Messer heraus.

“Chloe, das bist doch nicht du,” versuche ich sie zu beschwichtigen, als ich sehe, was sie aus der Schublade kramt. Chloe würde so etwas nie tun. Man muss ihr bei der Entführung irgendetwas angetan haben, dass wir nicht gemerkt haben.

“Vielleicht bin ich mehr Ich, denn je!” gibt sie mir ernst zur Antwort.

Sie geht zu Clark, der noch immer auf dem Rücken liegt, und setzt sich auf seine Beine. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er sie an. Chloe reißt sein Hemd auf und streicht mit einer Hand über seinen Oberkörper. Mit dem Zeigefinger gleitet sie sanft über seine angespannten Bauchmuskeln. Es sieht fast so aus, als wolle sie ihn verführen, würde Clark nicht absolut angespannt unter ihr liegen. Mitleidig blickt sie ihn an.

“Du hättest mir gehören sollen. Es ist wirklich eine Schande, dass ich deinen makellosen Körper jetzt so zurichten muss!” haucht sie hasserfüllt.

“Chloe, sieh mich an,” flüstert Clark gequält, “du würdest niemals so etwas tun!”

“Dann kennst du mich wohl doch nicht so gut, wie du dachtest,” stellt sie mit abschätzendem Blick fest.

Sie nimmt den Meteoritenstein von seinem Körper, legt ihn direkt neben seinen Kopf und setzt ihm das Messer auf die Brust. Voller Angst blickt er sie an.

“Nein,” rufe ich verzweifelt.

Das kann sie doch unmöglich tun! Das ist nicht meine Freundin, die da handelt. Niemals. Ungläubig sehe ich mit an, wie sie das Messer auf Clarks Körper fixiert.

Dann sticht sie zu! Nicht doll, nur so weit, dass das Messer oberflächlich in seine Haut dringt. Doch schließlich gibt sie ein bisschen mehr Druck. Clark schreit auf und presst dann seine Kiefer aufeinander, so dass seine Wangenmuskeln hervorstechen.

Hilflos liege ich einige Meter entfernt und kann nur zusehen. Tränen erfüllen meine Augen. Im Moment habe ich meinen eigenen Schmerz fast ausgeblendet. Viel mehr tut es mir weh, Clark so schrecklich leiden zu sehen.

Langsam ritzt Chloe Linien über seinen Körper. Es werden immer mehr. Blut läuft Clark die Brust hinunter. Er versucht sich unter ihr hinweg zu winden, doch er kann sich kaum rühren. Die Stille hier wird nur von seinem Schreien und Stöhnen gestört.

Ich liege verzweifelt da und kann den Blick nicht von ihm lassen, es ist, als ob mein Herz zerrissen würde. Immer wieder schreit Clark gequält auf.

Chloe sieht ihn unterdessen kalt an:

“Keine Sorge Clark, ich mache es so, dass du alles mitkriegst. Du wirst bei Bewusstsein bleiben! Du sollst genauso leiden wie ich! Nur nicht psychisch, sondern physisch!”

Dann wendet sie sich an mich:

“Na, Sarah, und du, wie ist das so? Zu sehen, wie man den Menschen, den man am meisten liebt, langsam verliert?”

Ihre Worte, und das Bild das sich mir bietet, rauben mir den Verstand, machen mich wahnsinnig vor Zorn und Verzweifelung.

“Hör auf, Chloe, du bringst ihn noch um,” wimmere ich leise. Am liebsten hätte ich es herausgeschrieen, aber meine Kraft lässt dies nicht mehr zu.

Chloe sieht mich gehässig an und lässt kurz mit dem Messer von meinem Freund ab. Ich sehe Clarks Blut an der Klinge schimmern.

“Ist das so? Vielleicht habe ich genau das vor,” giftet sie mich an.

“Nein! Er kann nichts dafür. Nimm mich und lass ihn in Ruhe!” bettele ich, den Gedanken nicht ertragend, ihn sterben sehen zu müssen.

Chloes Augen spiegeln blanken Hass wider und ein irres Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht:

“Er hat mir schon so oft wehgetan, dafür muss er nun büßen. Und wenn ich mit ihm fertig bin, bist du dran. Aber hab keine Angst, Sarah, mit dir mach ich es schnell, du leidest genug darunter mit anzusehen wie er sich quält.”

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wendet sie sich wieder Clark zu und setzt das Messer erneut an, um weitere Schnitte über seinen Körper zu ziehen.

Clark scheint mittlerweile so geschwächt, dass er sich nicht mal das kleinste Bisschen rühren kann. Nur noch ein leises Röcheln verlässt seinen Mund.

Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, die sie ihn quält.

Da lässt Clark seinen Kopf zur Seite fallen und sieht mich erschöpft an. Sein Gesicht spiegelt den Schmerz wieder, den er fühlt. Doch der schlimmste Anblick sind seine Augen. In ihnen kann ich pure Verzweifelung erkennen und, was noch viel schrecklicher ist, wie er langsam beginnt aufzugeben.

Nein, er darf nicht aufgeben. Er muss kämpfen. So darf es nicht enden, und schon gar nicht durch Chloe!

Diese hält schließlich mit dem Messer über seinem Herzen inne und sieht ihn abschätzend, durch zusammengekniffene Augen, an. Langsam bohrt sie sich tiefer in sein Fleisch. Clark wendet seinen Blick wieder von mir ab und schreit entsetzlich auf.

Seine Schreie machen mich wahnsinnig, dringen mir bis ins Mark. Es fühlt sich an, als würde Chloe auch mir ins Fleisch schneiden. Ich muss etwas tun, bevor es zu spät ist. Noch einmal nehme ich alle meine Kräfte zusammen. Ich versuche den unendlichen Schmerz auszublenden, der durch jede noch so kleine Bewegung verstärkt wird. Es gelingt mir nur kläglich. Doch ich bin die letzte Chance für Clark, er muss noch viel mehr Schmerzen aushalten als ich. Wenn ich jetzt nichts unternehme, ist alles zu spät, dann habe ich ihn für immer verloren. Hektisch atmend stütze ich mich vom Boden ab. Mit größter Konzentration versuche ich meinen Körper zu steuern, doch ich kann ihn kaum spüren, nur der Schmerz lässt mich wissen, dass ich mich bewege. Langsam richte ich mich auf. Mein Herz beginnt zu stechen, es scheint sich unter der Belastung zusammenzuziehen und zu verkrampfen. Gebeugt, die Hände auf Brust und Bauch gepresst, stolpere ich auf das Schreckensszenario zu.

Chloe ist ganz mit sich und Clark beschäftigt. Nur noch ein paar Schritte und ich würde sie erreichen. Da schieße ich versehentlich im Gehen einen Kryptonitstein mit dem Fuß zur Seite. Verdammt. Der Stein rollt weiter und stößt gegen Chloes Bein. Als sie bemerkt, dass ich sie fast erreicht habe, drückt sie das Messer mit einem Ruck, bis zum Schaft, in den Körper meines Freundes.

Ein dumpfes Stöhnen entringt sich Clarks Kehle. Mit einem letzten Aufbäumen hebt sich sein Oberkörper vom Boden, nur um dann wieder auf dem harten Untergrund aufzuschlagen. Blut beginnt aus seinem Mund zu sickern. Seine Augen sind weit aufgerissen, starren Hilfe suchend in die Luft.

“Nein!”

Ich schreie auf, stürze neben den Beiden hin. Im selben Moment bricht Chloe neben mir zusammen, doch dass registriere ich kaum. Alles ging viel zu schnell. Ich habe keine Zeit für Gefühlsausbrüche, sondern muss Clark retten, dass ist mein einziger Gedanke. Irgendwie muss ich ihn von dem Kryptonit weg kriegen.

Ich robbe zu ihm, versuche ihn wegzuziehen, doch meine Kraft verlässt mich erneut. Vorsichtig beuge ich mich über ihn. Seine Brust ist übersät mit Schnitten. Blut rinnt über seinen Körper. Mein eigener Schmerz ist völlig ausgeblendet, durch den Anblick, den er mir bietet. Ich spüre nur noch die Schwäche, die meinem Körper alle Kraft raubt. Einzig der Wille Clark zu retten, verhilft mir dazu, meine letzten Kräfte zu mobilisieren. Doch was soll ich tun? Ich schaffe es nicht ihn hier weg zu bringen. Das ist unmöglich. Durch einen Tränenschleier betrachte ich noch einmal seinen mit Blut benetzten Oberkörper. Ich muss ihm doch irgendwie helfen können. Mein Blick bleibt an dem Messerschaft hängen, der aus seinem Körper ragt. Entschlossen umgreife ich schließlich das Messer und ziehe es aus seiner Brust. Ein widerliches, schmatzendes Geräusch entsteht bei dieser Bewegung und ich muss einen Würgreiz unterdrücken. Blut spritzt mir entgegen. Schnell lasse ich das Messer neben ihm fallen. Ich halte meine Hand auf die tiefe Wunde, während ich mit der Anderen seinen Wange streichele.

“Du wirst mich nicht verlassen, oder? Alles wird gut, Clark!”

Es ist ein einziges Wimmern, das ich über meine bebenden Lippen bringe, ohne jegliche Überzeugung.

Clark sieht mich nur noch verkrampft an und versucht nach Luft zu ringen. Er wird sterben! Warum hilft mir denn keiner? Warum kann ich ihm nicht helfen?

Meine Tränen fallen auf sein Gesicht, vermischen sich mit dem Blut, dass aus seinem Mund läuft, und malen absurde Muster auf seine Haut. Zugleich spüre ich das warme Blut, das zwischen meinen Fingern auf seiner Brust hindurch läuft. Die Abstände, in denen es aus seiner Wunde pulsiert, werden immer größer. Sein Herz versagt langsam seinen Dienst.

Clark sieht mich benommen an. Ich spüre wie das Leben aus ihm weicht.

“Ich… liebe d...” wispert er, bevor seine Augen glasig werden und beginnen, durch mich hindurch zu schauen.

“Clark?” flüstere ich unsicher.

Ich sehe an seinem Körper hinunter. Kein Atemzug entringt sich ihm mehr. Er ist kreidebleich. Unter ihm schimmert eine Blutlache. Er ist tot.

Tot!

“Clark!?”

Mit letzter Verzweifelung versuche ich ihn wach zu rütteln und will nicht wahrhaben, was soeben geschehen ist. Doch schnell wird mir bewusst, dass ich ihn verloren habe.

“NEIN!!!”

Weinend breche ich über ihm zusammen. Wut, Zorn, Verzweifelung und unendliche Trauer durchfluten jeden Millimeter meines Körpers. Mein Kopf ruht auf seiner blutverschmierten Brust. Ich schaue hoch zu seinem Gesicht, selbst jetzt sieht es noch schmerzverzerrt aus. Sanft streiche ich ihm über die Wange. Wie konnte Chloe nur so etwas tun? Was hatte sie zu dieser schrecklichen Tat bewegt? Warum er? Wieso hat sie das nicht mir angetan? Dann müsste ich nun nicht diese furchtbare Trauer ertragen, diesen tiefen seelischen Schmerz, wie ich ihn nie zuvor durchlebt habe. Verzweifelt blicke ich mich um, doch der Schmerz lähmt mich. Mit letzter Kraft greife ich nach dem Messer, dass eben noch Clarks Herz durchbohrte, setze es mir an das linke Handgelenk und will zustechen, da bewegt sich plötzlich etwas unter mir. Ich blicke auf und nehme alles nur noch verschwommen wahr, als wäre ich Zuschauer meines eigenen Lebens. Als wäre es nicht Ich, die bei dem Ganzen eine Rolle spielt.
 

Oliver und AC sind da und ziehen Clark aus der Scheune. Plötzlich werde auch ich ergriffen. Ich lasse das Messer fallen. Bart und Viktor tragen mich ebenfalls ins Freie. Alles wirkt so unrealistisch, wie in einem Alptraum. Die Stimmen der Anderen hören sich dumpf an, wie in Trance.

“Schnell,” höre ich Oliver sagen. “Weg von den Meteoriten. Es ist noch nicht zu spät!”

Kaum dass wir wieder unter freiem Himmel sind, spüre ich meine Kraft zurückkehren, alles wird wieder klarer.

“Lasst mich los,” rufe ich verzweifelt

Ich will nur noch zu Clark, den AC und Olli, auf dem Rasen neben der Scheune, abgelegt haben. Sofort lassen mich Bart und Viktor herunter. Ich stürze zu meinem Freund und lasse mich neben ihm auf die Knie fallen. Clark ist bleich und sieht noch immer leblos aus. Er ist furchtbar zugerichtet, erst jetzt nehme ich wahr, wie schlimm Chloe an ihm ihren Hass ausgelebt hat. Dass er nicht schon früher bewusstlos geworden ist, grenzt an ein Wunder. Es wäre wohl besser für ihn gewesen, wäre es anders gewesen, dann hätte er wenigstens nicht diese grausamen Schmerzen erleiden müssen. Wie schrecklich musste das für ihn gewesen sein? Eine Träne nach der Anderen läuft meine Wangen hinab. Es war nicht fair, dass er so leiden musste. Er hatte sein Leben riskiert, um Chloe zu befreien und dann tat sie ihm das an. Ich nehme ihn erneut in die Arme und bette seinen Kopf auf meinem Schoß.

“Clark, ich liebe dich! Lass mich jetzt nicht allein,” flehe ich ihn an, als könnte er mich hören.

Aus meinem verzweifelten Schluchzen, wird ein Brüllen.

“Jetzt komm schon!” schüttele ich ihn schreiend an den Schultern.

Ich blicke in sein Gesicht, doch nichts rührt sich. Olli hatte Unecht. Es ist zu spät! Clark wird sich nicht mehr erholen. Er ist tot! Ich habe ihn für immer verloren. Laut weinend beuge ich mich hinab, drücke meine Wange an seine. Ich fühle mich unendlich allein und hilflos. Die Trauer zerfetzt mein Herz und ich würde alles darum geben, wieder den Schmerz, den das Kryptonit auslöst, zu spüren, als dieses unerträglich Leid. Selbstvorwürfe beginnen mich zu überwältigen. Es ist alles meine Schuld. Wäre ich nur nie hier her gekommen, dann wäre es nie so weit gekommen. Clark könnte noch leben!

“Da!” ruft Bart plötzlich und ich zucke erschrocken zusammen.

Ich blicke kurz zu ihm und sehe, dass er auf Clarks Brust deutet. Und tatsächlich, Clarks Wunden beginnen sich langsam zu schließen. Bald sind keine Schnitte mehr zu sehen. Auch die Stichwunde ist fast ausgeheilt. Nur das Blut bleibt auf seinem Körper zurück. Ein leises Stöhnen ist zu vernehmen. Ich blicke in sein Gesicht. Farbe kehrt auf seine Wangen zurück. Dann öffnet er die Augen und beginnt zu blinzeln. Erleichtert umarme ich ihn.

“Clark! Ich dachte ich hätte dich verloren!”

Fest drücke ich ihn an mich, überglücklich, ihn am Leben zu wissen. All die Traurigkeit und die Selbstvorwürfe, fallen mit einem Schlag von mir ab. Pures Glück und Hoffnung füllen die Lücken aus, die die davonschleichende Trauer hinterlassen hat.

Clark richtet sich auf, kniet vor mir und schließt mich in den Arm.

“Es tut mir leid,” flüstere ich entschuldigend in sein Ohr.

“Nein, du konntest nichts tun!” wehrt er sofort ab.

“Aber die Schmerzen die du ertragen musstest,...”

Ich schlucke und löse mich etwas aus der Umarmung, um ihm in die Augen sehen zu können.

Sanft blickt er mich an:

“Hey, jetzt ist alles wieder gut, ja?”

Zärtlich drückt er meinen Kopf an seine Brust und gibt mir einen Kuss auf das Haar.

Dann lässt er mich los und richtet seinen Blick grinsend auf Oliver:

“Ihr kommt auch immer auf den letzten Drücker!”

Oliver reicht Clark die Hand und zieht ihn hoch.

“Danke, Mann!”

Anerkennend schlägt Clark seinem Freund die Hand auf die Schulter. Woraufhin der ihn zu sich zieht und ihn erleichtert umarmt.

“Glaub mir, das war so nicht geplant,” sagt Oliver, während er Clark loslässt. “Eigentlich dachten wir, Chloe könnte uns weiter helfen, aber dass sie hier plötzlich Amok läuft, hätten wir nicht gedacht. Und Sarah,” wendet er sich an mich, “dass, was ich da eben noch gesehen habe, solltest du lassen. Niemand ist so etwas wert. Auch wenn es scheint, dass alles keinen Sinn mehr macht, okay?”

Oliver blickt mich prüfend an. Clark ist völlig irritiert und sieht fragend zu mir hinab.

“Was meint er damit?”

Ich rappele mich auf und stelle mich zu ihnen.

“Ich... Als ich gemerkt habe, dass ich dich verloren hab, da... Also...”

“Sie wollte sich das Leben nehmen,” schließt Oliver meine Erklärung, ohne mich ausreden zu lassen.

“Was!”

Entsetz starrt mich Clark an. Er greift mich hart an den Schultern und schaut mir tief in die Augen.

“Tu das nie! Hast du gehört? Nie!!!”

Ich nicke zaghaft und lasse den Blick beschämt zu Boden sinken.

“Versprich es mir,” fordert er noch einmal nachdrücklich.

Ich nicke erneut und stammele:

“Es war nur so... ich dachte ich hätte dich für immer verloren. Chloe ist tot. Wen hab ich denn dann noch? Ich hab einfach keinen Sinn mehr gesehen!”

Die Gefühle kommen wieder in mir hoch, Tränen laufen mir über die Wangen. Clark drückt mich, mit einfühlsamen Blick, an sich und flüstert:

“Es tut mir leid. Ich will nur nicht, dass du dir meinetwegen etwas antust!”

“Sarah,” mischt sich Viktor ein. “Chloe ist nicht tot! Oliver hat sie nur mit einem Pfeil betäubt. In ein paar Stunden wird sie wieder erwachen.”

Sanft entwinde ich mich Clarks Armen. Ich hatte Chloe nur beiläufig neben mir zusammenbrechen sehen und war zu dem Schluss gekommen, dass sie tot sein musste. Zu diesem Zeitpunkt war nur Platz für Clark in meinem Kopf, so dass ich mir über Chloes Schicksal keine weiteren Gedanken gemacht hatte. Aber nun lasse ich erleichtert Viktors Worte auf mich wirken, doch tiefe Zweifel breiten sich in mir aus.

“Wird sie dann noch immer so... so... komisch sein?” frage ich besorgt und sehe Clark an.

“Ich weiß es nicht,” meint Clark und wischt mir mit den Daumen die Tränen vom Gesicht.

“Wir müssen abwarten bis sie wach ist und dann herausfinden warum das passiert ist,” überlegt Oliver laut und fährt mit seinem Plan fort: “Also, ich würde sagen, wir gehen jetzt erst mal zurück in die Scheune und sammeln das Meteoritengestein weg, okay? Chloe werden wir vorsichtshalber bewachen bis sie aufwacht. Ach so, es kann sein das Lois hier bald auftaucht. Sie ist wieder fit und tödlich beleidigt, weil wir ihr berichtet haben was sie alles verpasst hat. Aber sie will bestimmt Chloe sehen. Euch Beiden schlage ich vor hier zu warten oder tut was auch immer euch einfällt. In die Scheune könnt ihr jedenfalls nicht mit.”

“Richtig,” nickt Clark zustimmend und lässt seinen Blick nachdenklich in die Ferne schweifen.

Die vier Freunde gehen in die Scheune und lassen uns zurück. Ich nutze den Moment den wir allein sind und betrachte noch einmal Clarks blutbeschmierten Körper. Erstaunlich, dass er nun vor mir steht als wäre nichts gewesen. Keine einzige Narbe ist auf seiner Haut zurückgeblieben und er scheint im Besitz seiner vollen Kräfte zu sein.

“Ich liebe dich,” wispere ich ihm zu und schaue in seine großen blaugrünen Augen, die nun das pure Leben widerspiegeln. Doch ich kann in ihnen auch erkennen, wie Clark die ganze Situation zusetzt, auch wenn er versucht es zu verbergen.

Er lächelt mich mild an und haucht mir einen sanften Kuss auf den Mund. Ich schmecke das Blut, dass noch immer an seinen Lippen haftet.

“Du musst dich waschen. Dein Blut... es ist noch überall,” stammele ich leise.

“Du dich auch,” entgegnet er prompt und sieht mich liebevoll an.

Fragend blicke ich zu ihm.

“Deine linke Wange, deine Hände, schau doch, du musst dich an mich gelehnt haben...”

Er hebt meine Hände hoch, um sie mir zu zeigen. Stimmt, ich hatte sie ihm auf seine Wunde gedrückt. Wieder habe ich vor Augen, wie sein Blut zwischen meinen Fingern hindurchfließt. Eine Gänsehaut läuft mir bei dem Gedanken über den Rücken.
 

Hand in Hand gehen wir ins Haus. Kurz darauf stehen wir gemeinsam unter der Dusche. Ich wasche Clark sachte das Blut vom Körper. Das Wasser, das an ihm herabfließt, färbt sich rot. Es sieht schaurig aus, als es wie ein kleiner, blutiger Strudel im Ablauf verschwindet. Sanft reibe ich mit meinen Fingern die letzten Blutreste von seiner Brust, während er einfach nur dasteht und mich musternd ansieht. Dann streicht er mir zärtlich über die Wange und wäscht sein Blut von meinem Gesicht. Ich genieße seine Berührungen, die mir jetzt noch intensiver als zuvor vorkommen. Wäre Olli auch nur eine Minute später gekommen, würden wir jetzt nicht hier stehen. Vermutlich wären wir Beide nicht mehr am Leben. Ich verdränge den Gedanken schnell, schmiege meinen Kopf an Clarks große Hand und schließe die Augen. Wir lassen das warme Wasser auf uns herabprasseln ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Clark scheint den Moment einfach nur genießen zu wollen, genau wie ich. Jedes noch so kleine Wort würde diesen Moment zerstören. Sanft zieht er mich an den Hüften zu sich, um anschließend in meine nassen Haare zu fassen und meinen Kopf zu seinem zu lenken. Langsam beugt er sich zu mir herab und senkt seine feuchten Lippen auf meine. Ich erwidere seinen zärtlichen Kuss, um ihn inniger werden zu lassen. In diesem Augenblick fällt all das Erlebte von mir ab. Seine Zärtlichkeiten lassen mich die schrecklichen Bilder von eben vergessen. Es gibt nur noch ihn und mich und das leise Rauschen des Wassers um uns herum. Ganz eng umschließt er mich mit seinen Armen und streicht mir sanft mit den Fingerspitzen über den Rücken, während wir unseren Kuss immer weiter ausleben.

Nach einer Weile kommt mir jedoch ein Gedanke, der sich immer mehr aufdrängt, und diesen intensiven Moment für mich unterbricht. Warum lassen sich Gedanken nicht einfach abschalten, wie ein nerviger Wecker, der Morgens viel zu früh klingelt?

Sanft löse ich mich aus der Umarmung und blicke meinem Freund tief in die Augen:

“Clark, zeig mir die Festung von Jor-El. Ich möchte deinen Vater kennen lernen. Und ich möchte wissen, ob er uns all das, was zwischen uns geschieht, erklären kann!”

Clark hält abrupt mit seinen Bewegungen inne. Seine Hände, die mich eben noch so wunderbar gestreichelt haben, ruhen fest auf meinen Oberarmen. Er schaut mich eindringlich an und presst seine Lippen aufeinander, so dass sein Gesicht sehr kantig wirkt. Was hat diese Reaktion zu bedeuten? Hat er Angst etwas zu erfahren, dass er nicht wissen will? Oder fürchtet er sich, wieder zu seinem Vater zu gehen?

Ich erkenne, wie es in ihm arbeitet. Schließlich holt er tief Luft und seine Gesichtszüge entspannen sich wieder ein wenig.

“Ich weiß nicht, ob ich...” er spricht den Satz nicht zu Ende, sondern stockt kurz und fragt dann: “Jetzt?”

Sanft nicke ich ihm zu, während ich eine Hand auf seiner Brust ruhen lasse.

“Ich habe Chloe und dich vorhin in der Scheune gehört, als ich noch im Haus war. Ich glaube, ich bekomme jetzt auch deinen Hörsinn. Leider konnte ich es nicht lange steuern, aber für kurze Zeit war es als wärt ihr direkt neben mir. Clark, ich möchte einfach nur wissen, woran das alles liegt. Vielleicht hilft uns das auch mit Chloe weiter!”

Eindringlich sehe ich ihn an, um die Wichtigkeit meiner Worte zu verstärken.

Nachdenklich betrachtet Clark mein Gesicht, dann nickt er zögerlich.

“Okay. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit bis Chloe aufwacht. Dann lass und beeilen!”

Ich spüre genau, dass er es nur mir zu Liebe tut und eigentlich gar nicht in die Festung will. Warum kostet es ihm nur so viel Überwindung? Doch ich beherrsche mich ihn danach zu fragen, die Entscheidung ist auch so gefallen.

Er dreht das Wasser ab und steigt aus der Wanne. Schnell trocknen wir uns ab, ziehen uns frische Kleidung an und gehen hinaus.

“Ähm, Clark? Wie genau kommen wir dorthin,” frage ich ihn, als wir vor dem Haus stehen.

“Wir müssen fliegen,” antwortet er, als wäre es das Normalste der Welt.

Wie stellt er sich das denn vor? Verwirrt sehe ich ihn an:

“Aber ich kann nicht...”

“Aber ich kann,” fällt er mir ins Wort.

Und ehe ich mich versehe, nimmt er mich in den Arm, drückt mich fest an sich und fordert knapp:

“Halt dich fest!”

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und schon schweben wir über dem Boden. Innerhalb von Sekunden beschleunigt er dermaßen, dass die Welt unter uns nur noch so vorbei rast. Mit wird ein wenig kalt und der Wind lässt meine Augen Tränen. Ich drücke meinen Kopf fest an Clarks Brust, denn so ganz geheuer ist mir dieser Flug nicht. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann und er mich niemals fallen lassen würde und dennoch, es liegt einfach nicht in meiner Natur zu fliegen. Und doch muss ich immer wieder nach unten schauen, denn die Welt sieht von hier oben einfach fantastisch aus.

Einige Minuten später kommen wir in einer Eislandschaft an. Clark bricht nun das Schweigen, dass herrscht, seitdem wir den festen Boden unter unseren Füßen verloren haben:

“Da! Kannst du sie schon sehen?”

“Was?” rufe ich gegen den Wind an und blicke suchend nach vorne.

Ich sehe nur schneebedeckte Berge und weißen Grund, wo auch immer ich hinblicke.

“Die Festung! Direkt vor uns!”

Ich konzentriere mich, kneife meine Augen ein wenig zusammen… und tatsächlich... ein Einpalast, wie aus tausenden, großen Eiskristallen erschaffen, ragt vor uns aus dem Boden. Es sieht gigantisch aus.
 

Kurz darauf landen wir direkt vor dem Eingang dieser Höhle. Sie ist mächtiger als jedes Bauwerk das ich je gesehen habe.

“Frierst du nicht,” fragt mich Clark besorgt und sieht an mir herab.

Es ist mir gar nicht aufgefallen, aber ich empfinde plötzlich keine Kälte mehr. Obwohl wir eben aus der großen Hitze Kansas’, und mit kurzen Klamotten, hier her gekommen sind und ich während des Fluges, mich noch leicht zitternd, an Clark geklammert habe. Nun empfinde ich weder Hitze noch Kälte.

“Nein,” entgegne ich verwundert und zucke mit den Schultern.

“Dann hast du wieder eine neue Fähigkeit,” nickt er nachdenklich und fordert sofort: “Komm, wir gehen rein!”

Er nimmt mich bei der Hand und führt mich durch lange Gänge, ins Herz der Festung. Im Inneren sieht sie genauso aus wie von außen. Riesige Eissäulen und Kristalle ragen aus Boden und Decke, überkreuzen sich und steigen weit in die Höhe.

“Hier ist es!” betont Clark und bleibt stehen.

Ich sehe mich um, doch kann Niemanden entdecken. Wo ist Jor-El?

“Ich sehe Niemanden,” wende ich skeptisch ein.

Clark sieht mich mit einem sanften Lächeln an, dann erklärt er:

“Jor-El lebt nicht mehr. Es ist nur noch sein Geist, der zur mir spricht. Ich war lange nicht mehr hier, ich weiß nicht ob...”

“Kal-El!”

Eine tiefe Stimme lässt die Höhle beben und unterbricht Clark.

Der Ton fährt mir bis ins innerste Mark und lässt mich in eine Starre fallen. Angespannt lausche ich und traue mich nicht mehr, mich zu rühren.

“Warum kommst du nach so langer Zeit noch zu mir? Du hast dich doch gegen dein Schicksal entschieden.”

Eine leise Furcht überkommt mich. Diese Stimme klingt so unglaublich mächtig. Ist das sein Vater? Wer ist Kal-El? Soll das Clarks kryptonischer Name sein?

“Ich bin gekommen um Antworten zu finden,” ruft Clark in die Höhle und dreht sich dabei um sich selbst.

“Antworten? Worauf?” donnert die Stimme durch die Luft.

Clark schlingt ohne Vorwarnung seinen Arm um meine Hüfte und drückt mich seitlich an sich, dass ich vor Schreck gegen ihn stolpere.

“Das hier ist Sarah. Sie kommt aus Deutschland. Ich liebe sie. Und sie bekommt nach und nach die selben Fähigkeiten wie ich. Wieso?”

“Das ist nicht Sarah aus Deutschland,” antwortete Jor-El prompt.

Verblüfft sehe ich Clark an. Was soll das heißen?

“Was meint er damit?” flüstere ich Clark zu.

Auch er sieht verwundert aus und ruft widersprechend:

“Doch! Sie ist eine Freundin von Chloe!”

“Das ist Zara vom Krypton!”

Die Stimme sagt das mit einer solchen Sicherheit, die mich zusammenzucken lässt. Ängstlich blicke ich Clark an. Was soll das bedeuten? Zara vom Krypton? Ich ernte ein nervöses Schulterzucken und einen fragwürdigen Blick von Clark. Scheinbar weiß er auch nicht um die Bedeutung dieses Satzes.

“Das kann nicht sein,” ergreife ich nun energisch das Wort.

Meine Stimme hallt dabei von den Wänden wieder.

“Dein Name ist Zara und du wurdest, genau wie Kal-El, hier her gesandt!” prescht die Stimme dominant durch die Halle.

Eine Welt bricht für mich zusammen. Soll das wirklich stimmen? Ist mein ganzes Leben bisher auf Lügen aufgebaut? Warum habe ich nichts davon gemerkt? Tausend Fragen surren durch meinen Kopf. Das kann unmöglich wahr sein. Ich hätte davon doch etwas merken müssen. Ungläubig starre ich Clark an, der meinen Blick ebenso verdutzt erwidert. Dann lauschen wir Zor-Els Stimme:

“Du willst Antworten, Zara? Nun, ich gebe sie dir! Dein Vater Zor war mein treuster Gefährte im Kampf gegen Zod. Bis zum letzten Tag hat er an meiner Seite gestanden. Er bekam eine wundervolle Tochter, kurz nachdem mir ein Sohn geschenkt wurde. Wir wussten, dass diese beiden Kinder eines Tages füreinander bestimmt sein würden. Doch Krypton stand kurz vor der Zerstörung und wir mussten euch in Sicherheit bringen. Als ich Kal-El wegschickte, einen anderen Planeten zu erobern, sandte Zor dich ebenfalls auf diesen Planeten. Doch während ich plante, dass ihr zusammen die Erde erobern würdet, widerstrebte Zor mein Verlangen nach Eroberung. Er wollte, dass du aufwächst wie die Wesen auf diesem Planeten. Denn Zor wollte nicht eine andere Welt zerstören, wie Krypton zerstört wurde. Du solltest ein normales Leben führen. Nur wenn du einem anderen Kryptonier begegnen würdest, den du lieben könntest, solltest du dein wahres Wesen offenbaren. Denn Zor wusste, dass du nur Kal-El deine wahre Liebe schenken würdest. Und nur wenn sich Kal-El gegen sein Schicksal stellen würde, hättet ihr euch finden können. Und so ist es geschehen. Sonst hätte Kal-El die gesamte Menschheit bereits unterworfen und du wärst vielleicht gar nicht mehr am leben. Eure Liebe hätte keine Chance gehabt. Dein Vater Zor hat diesen kleinen Kampf zwischen uns Beiden gewonnen. Den Kampf zwischen Liebe und Macht. Ihr habt zueinander gefunden, weil sich Kal-El gegen mich entschieden hat. Du bist eine Kryptonierin, Zara!”

Seine Worte hallen in meinem Kopf nach. Das ist zu viel für mich. Eine Schwäche ergreift mich, die meinen gesamten Körper einnimmt. Meine Beine versagen unter mir und ich breche zitternd zusammen. Clark fängt mich auf und setzt sich mit mir auf den Boden, auch er ist sichtlich geschockt.

Mein ganzes bisheriges Leben ist eine einzige Lüge. Meine Eltern müssen mich ebenso adoptiert haben, wie es auch Clarks Eltern mit ihm taten. Warum haben sie mir nie davon erzählt? Ich kann noch nicht ganz glauben, was ich gerade erfahren habe. Auch wenn ich mir eigentlich sicher bin, dass es die Wahrheit ist.

“Komm zu dem Stein, lege dich darauf, ich will dir zeigen, woher du kommst,” fährt die Stimme plötzlich fort. Sie scheint mir nun sanfter geworden zu sein.

Es fällt ein Lichtschein, von der Decke der Festung, auf einen großen Kristallblock. Zögerlich löse ich mich von Clark, meine Beine scheinen mich nun wie von selbst zu dem Stein zu tragen. Ich lege mich mit dem Rücken auf den Block, als wüsste ich genau, was ich tun müsse. Plötzlich verfärbt sich der Lichtschein, der auf den Steinblock fällt, in die verschiedensten Farben und schließt mich komplett ein. Ich werde müde, eine Wärme durchflutet meine Glieder und ich schließe vertrauensvoll die Augen. Ich weiß, dass Clark bei mir ist und mir nichts passieren kann. Dann beginne ich zu träumen. Zumindest fühlt es sich wie ein Traum an.
 

Vor meinen Augen erscheint ein Bild. Ich sehe eine Mann, der ein Neugeborenes auf dem Arm hält. Er steht neben einem Bett. In diesem liegt eine Frau, die furchtbar geschwächt aussieht. Ohne darüber nachdenken zu müssen, weiß ich, dass dies meine Eltern sind, und das Baby, bin ich. Meine Mutter ist nach meiner Geburt gestorben. Mit den Bildern scheint mir direkt das Wissen darum mitgeteilt zu werden.

Die Szene wechselt. Ein anderer Mann, ebenfalls mit Baby auf dem Arm, ist zu sehen. Neben ihm steht eine Frau, mit langen blonden Haaren. Die Beiden legen das Kind in ein Raumschiff. Daneben befindet sich ein weiteres kleines Raumschiff und mein Vater kommt mit mir auf dem Arm zum Vorschein. Er legt mich in das zweite Schiff.

Erneut wechselt das Bild. Ich sehe einen Planeten, es muss Krypton sein. Der Planet explodiert und zwei kleine Raumschiffe werden in letzter Sekunde davon geschleudert. Dann wird das Bild schwarz.
 

Ich wache auf und öffne blinzelnd die Augen. Clark beugt sich über mich und sieht mich besorgt an. Noch immer liege ich auf dem Eisstein, doch der Lichtstrahl ist verschwunden.

“Alles in Ordnung?” fragt er fürsorglich.

“Ich habe unsere Eltern gesehen!” platzt es aus mir heraus, während ich meinen Oberkörper aufrichte.

Die eben gesehenen Bilder und die Wahrheit meiner Herkunft setzen mir ziemlich zu. Tränen erfüllen meine Augen und rollen mir über die Wangen. Unglaublich, dass ich mein ganzes Leben lang nichts davon bemerkt habe. Wieso haben meine Eltern mir nie gesagt, dass ich nicht ihr eigenes Kind bin? Mein ganzes Leben basiert auf einer einzigen Lüge. Ich bin unfassbar betroffen und enttäuscht. Wie soll es jetzt weiter gehen? Mein ganzes bisheriges Dasein scheint wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Eine tiefe Leere und Unsicherheit hält in meinem Körper Einzug. Ich bin kein Mensch, aber ich fühle mich auch nicht wie ein Kryptonier. Wer oder was bin ich?

Clark schließt mich in seine Arme. Ich spüre wie sehr auch ihn dieses Schicksal mitnimmt. Er hält mich einfach nur fest und drückt seine Wange auf meine Haare.

Gedanken fließen derweil wie ganze Sturzbäche durch meinen Kopf. Ich, vom Krypton? Bis vor zwei Tagen hatte ich von diesem Planeten noch nicht einmal etwas gehört. Geschweige denn überhaupt an Aliens geglaubt. Dann hat sich mir Clark offenbart und… ja… und was, eigentlich? Ich habe es alles so einfach hingenommen, als wäre es ganz normal. Es war gar nicht unglaubwürdig für mich. Warum ist mir das nicht schon vorher aufgefallen? Ich habe ihm sofort alles geglaubt und mich einfach nur zu ihm hingezogen gefühlt, vom ersten Augenblick an. Das muss das sein, was Jor-El erklärt hat, Bestimmung! Wir sind füreinander bestimmt, daher auch diese tiefen Gefühle. Alles macht auf einmal einen Sinn. Und wir sind die letzten Überlebenden Kryptons? Die Letzten! Das ganze Schicksal dieser Rasse liegt einzig und allein in unseren Händen? Nein, ich kann doch nicht für so etwas unglaublich Wichtiges die Verantwortung übernehmen! Schluchzend sehe ich Clark an:

“Wir sind die letzten Kryptonier, Clark. Weißt du was das bedeutet?”

Clark nickt zögerlich, sieht mir tief in die Augen und flüstert:

“Alle Hoffnung steckt in uns!”

Nun verstehe ich, wieso Clark immer so wirkte, als würde er eine unendliche Last mit sich herum tragen, genau dieses Gefühl macht sich nun auch in mir breit.

Mit einem schwachen Lächeln streckt mir Clark seine Hand entgegen und hilft mir von dem Steinblock herunter.

Schweigend gehen wir aus der Höhle und auch als wir zurückfliegen reden wir kaum miteinander. Jeder macht sich seine Gedanken. Nun ist klar, warum wir uns von Anfang an so vertraut vorkamen. Diese tiefe Zuneigung, wie ich sie nie zuvor gespürt habe und das Verlangen nach seinem Körper, alles ist vorherbestimmt gewesen. Alles ist jetzt so klar geworden und zugleich liegt nun diese Last auf unseren Schultern, wie sie schwerer nicht sein könnte. Wir sind die letzte Hoffnung eines ganzen Volkes! Für Clark muss es eine Erleichterung sein, sein Schicksal nun teilen zu können. Er dachte immer, er wäre der einzige Überlebende Kryptons. Vielleicht würden wir darüber irgendwann reden, wenn wir Beide diese Situation ein wenig verarbeitet haben. Doch im Moment muss ich selbst erst einmal diese neue Erkenntnis sacken lassen.
 

Kurze Zeit später kommen wir wieder auf der Farm an. Auf dem Hof vor der Scheune schließe ich Clark in die Arme. Auch wenn ich noch nicht viel Zeit hatte, um über alles nachzudenken, so weiß ich doch Eines ganz genau: Ich liebe Clark, egal was auch immer kommen mag.

“Du bist nun nicht mehr allein. Zusammen werden wir alles durchstehen, egal was auch kommt,” flüstere ich ihm ins Ohr und versuche mich selbst mit diesen Worten aufzubauen. Ich schiebe ihn etwas von mir, um ihm ins Gesicht blicken zu können.

Ganz plötzlich laufen Clark Tränen über die Wangen. Ich bin mir sicher, dass es Tränen der Erleichterung sind. Er versucht zu lächeln. Ich wische ihm die Tränen sanft vom Gesicht und erwidere sein Lächeln.

“Ich liebe dich, Clark. Du lässt mich vergessen, dass mein bisheriges Leben eine Lüge war. Und auch wenn ich jetzt die Wahrheit kenne, bereue ich nichts, denn ich habe dich. Und ich will dich nie mehr verlieren!”

Ich blicke ihm tief in die Augen, damit er merkt das ich es auch vom ganzen Herzen so meine, wie ich es sage.

Clark strahlt mich freudig an:

“Ich bin so froh, dass du das sagst. Ich hatte Angst, du würdest mich dafür hassen, dass du die Wahrheit erfahren hast. Ich könnte es nicht ertragen, noch Jemanden unglücklich zu machen, den ich liebe!”

Seine Worte irritieren mich. Wie kann er denn nur so denken? Ich ergreife seine Hand und sehe ihn aufrichtig an:

“Ich könnte dich nie hassen. Außerdem kannst du nichts für unser Schicksal. Dafür sind allein unsere Väter verantwortlich.”

“Ich bin froh, dass ich mich gegen den Plan meines Vaters entschieden habe. Vielleicht wären wir uns sonst nie begegnet” lächelt er liebevoll.

Dann streicht er mir sanft mit der Hand über die Wange, beugt sich leicht zu mir herunter und senkt seine weichen Lippen auf meine, um mir einen innigen Kuss zu geben.
 

“Na typisch,” höre ich plötzlich eine schnippische Stimme neben uns.

Widerwillig entziehe ich mich Clarks sinnlichem Kuss und blicke in die Richtung, aus der die Stimme kommt.

Es ist Lois. Erbost fährt sie fort:

“Ich bange hier um Chloes Leben und ihr habt nichts besseres zu tun als rumzuknutschen!”

Sie stemmt ihre Arme in die Hüften und sieht reichlich verärgert aus.

Diese dumme Kuh! Wenn sie wüsste was hier wirklich alles passiert ist, würde sie sich jetzt nicht so aufspielen. Ich finde sie nach wie vor einfach nur unausstehlich. Aber schließlich sehe ich ein, dass sie, aus ihrer Sicht betrachtet, Recht hat. Schließlich weiß sie ja nicht, um was es hier noch alles geht. Und für sie muss es wirklich egoistisch aussehen, dass wir hier so stehen, während Chloe noch immer nicht die Alte ist.

Schnell trenne ich mich von Clark und halte ein wenig Abstand von ihm, damit Lois keinen Grund hat weiterhin beleidigt zu sein. Er sieht mich zunächst verwundert an, scheint dann aber meine Reaktion zu verstehen.

“Lois, wie geht’s Chloe denn?” fragt Clark ohne weiter auf ihren Spruch einzugehen.

Lois seufzt, dann meint sie:

“Sie schläft. Ollis Pfeil hat sie ziemlich umgehauen. Ich verstehe nicht warum er so etwas tun musste, nur weil sie dich mit einem Messer bedroht hat.”

Lois schüttelt nachdenklich den Kopf.

Clark zieht die Augenbrauen hoch und blickt mich erwartungsvoll an. Na toll, ihm fehlen die Worte und ich muss mir jetzt was zusammenreimen. Wer weiß, was Oliver ihr erzählt hat? Nicht, dass ich ihm widerspreche. Scheinbar hat er Lois bisher berichtet, dass Chloe Clark bedroht hat. Na gut, was hätte er auch mehr sagen sollen? Schließlich ist Clark jetzt wieder vollkommen unverletzt und Lois darf sein Geheimnis nicht erfahren. Die Gedanken schlagen Purzelbäume in meinem Kopf. Was sag ich bloß?

“Da seid ihr ja wieder!”

Oliver kommt aus der Scheune, genau im richtigen Augenblick, so kann ich mich wenigstens nicht verplappern. Erleichtert sehe ich zu ihm hinüber.

“Lois, ich hatte die Beiden weggeschickt, damit sie nicht in Chloes Nähe sind, wenn sie aufwacht. Hab ich dir doch gesagt! Ich will nicht die Gefahr eingehen, dass Chloe wieder auf sie losgeht,” erklärt Olli besänftigend.

“Das ist kein Grund, dass die Beiden hier einen auf Softporno machen,” mault Lois ihren Ex bissig an und schaut dann mit tödlichem Blick zu mir.

Eine Wut keimt in mir auf, die dazu führt, dass ich mich nicht mehr im Griff habe. Was ist sie nur für eine schreckliche Person? Diese Frau macht mich Wahnsinnig. Was ist eigentlich ihr Problem? Was soll dieses übertriebene Getue? Ist es etwa Eifersucht, die sie zu einem solchen Verhalten treibt? Ich kann mich nicht mehr zurückhalten. Ohne nachzudenken reagiere ich auf ihren überflüssigen Kommentar.

“Jetzt ist aber gut hier!” gifte ich sie lauthals an. “Hättest du auch nur annähernd eine Ahnung, was hier wirklich gespielt wird, würdest du uns dankend zu Füßen liegen!”

Wutentbrannt sehe ich sie an. Mein Herz rast vor Zorn, als wolle es mir aus der Brust springen. Ich bemerke ihren skeptischen Blick und sehe, wie Clark mich eindringlich ansieht.

Okay, das war zu viel des Guten. Jetzt habe ich mich dermaßen reingeritten, da kann ich mich doch nie mehr heile rausreden. Hilfesuchend sehe ich Clark und Oliver an.

“Ähm, ich...” stammele ich leise.

Mir fehlen die Worte. Verdammt!

“Was meinst du mit ‘wirklich gespielt’,” fragt Lois abschätzend, mit zusammengekniffenen Augen. “Mir kommt das alles schon die ganze Zeit so verdächtig vor. Was stimmt hier nicht? Los, sag schon,” fordert sie stichelnd.

“Ach.... Nichts!” Mir fällt absolut nichts mehr ein.

Wieso habe ich mich nur so provozieren lassen? Am liebsten würde ich wegen meiner eigenen Dummheit laut los schreien. Sie war es nun wirklich nicht wert, dass unser Geheimnis auffliegt.

“Olli, was wird hier gespielt,” wendet sich Lois nun an Oliver.

Dieser presst die Lippen zusammen und schaut Clark und mich kopfschüttelnd an.

Um Hilfe flehend nicke ich ihm zu.

“Ähm, weißt du... Also... Clark und Sarah haben uns bei der Befreiung von Chloe geholfen. Um genau zu sein, ohne sie wäre Chloe jetzt nicht hier!”

Ich blicke Oliver erleichtert an und forme ein lautloses ‘Danke’ mit den Lippen. Allerdings habe ich in diesem Augenblick noch nicht darüber nachgedacht, dass Lois weitere Fragen stellen könnte.

“Ich dachte ihr hättet alleine... Aber.... Wieso habt ihr mich nicht auch mitgenommen?” Lois schaut Oliver beleidigt an.

Ihre Enttäuschung ist ihr anzusehen, auch wenn sie versucht es zu verbergen.

“Ihr nehmt die Beiden mit und mich betäubt ihr erst mal stundenlang? Warum?” Sie redet nun auffallend ruhig.

“Wir wollten dich nicht in Gefahr bringen, Lois,” mischt sich nun Clark ein.

“In Gefahr bringen? Ihr Zwei seid die größten Landeier überhaupt! Ich habe von meinem Dad eine Menge gelernt, Kampftechniken und den ganzen Kram. Im Gegensatz zu euch, weiß ich mich zu verteidigen und jetzt versucht ihr mir zu erzählen, ihr wolltet mich beschützen? Das kann doch nicht stimmen. Was ist euer Geheimnis?”

“Wir haben kein Geheimnis! Wir wollten wirklich nur, dass dir nichts geschieht,” stimme ich Clark nachdrücklich zu.

“Du brauchst hier überhaupt nichts mehr zu sagen, du Miststück! Dir glaube ich nicht das Geringste!” Lois sieht mich an, als wolle sie mir gleich an den Hals gehen, während sich ihre Stimme nun vor Wut fast überschlägt.

Ich bin dermaßen geschockt, dass ich kein Wort mehr heraus kriege. Hat sie tatsächlich ‘Miststück’ zu mir gesagt? Was bildet sie sich eigentlich ein? Ich spüre wieder, wie sich mein Herz einen Weg aus meinem Brustkorb sucht. Mein ganzer Körper steht nun unter Spannung. Noch ein falsches Wort von ihr, und ich kann für nichts mehr garantieren. Ich spüre, wie sich meine Hände unwillkürlich zu Fäusten ballen. Das Blut pulsiert in mir, dass ich es in meinen Ohren rauschen hören kann.

Clark scheint zu bemerken, dass die Situation gleich eskalieren wird. Er geht einen Schritt auf Lois zu, so dass er zwischen uns steht, und sieht sie drohend an. Es liegt eine unglaubliche Spannung in der Luft. Clarks Stimme ist deutlich zu entnehmen, wie schwer es ihm fällt, sich selbst unter Kontrolle zu halten:

“Lois, pass auf was du sagst. Sarah war genau so um dein Wohl besorgt, wie wir auch.”

“Pah! Clark, merkst du eigentlich nicht, dass sie dich ruck zuck um den Finger gewickelt hat? Mit ihr stimmt doch etwas nicht. Ich weiß, dass du naiv bist und immer an das gute im Menschen glaubst, aber diese Scheinheiligkeit müsste selbst dir auffallen! Sie steckt bestimmt mit den Entführern unter einer Decke!”

“Lois,” mischt sich Oliver wieder ein und sieht sie eindringlich an. “Du gehst zu weit!”

Lois nickt kurz und blickt missmutig zwischen den beiden Männern hin und her. Ich kann mir denken, wie gerne sie jetzt mit mir alleine hier wäre.

“Alles klar!” Sie hebt die Hände abwehrend vor sich und geht zwei Schritte zurück. “Geht ihr ihr nur alle auf den Leim. Ich tu es nicht. Erst schließt sie Freundschaft mit Chloe, um sich Informationen für die Entführer zu verschaffen. Und dann macht sie sich an Chloes Freunde ran, um auch noch deren Vertrauen zu gewinnen. Wer weiß wer von euch als nächstes entführt wird!? Von euch weiß sie ja jetzt bestimmt auch genug. Aber ich falle nicht darauf rein. Ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt. Sagt mir bescheid wenn Chloe wach ist, dann werde ich sie zu mir holen. Hier bleib ich jedenfalls nicht mehr. Und ich warne euch, wenn ihr mir nicht bescheid gebt, jage ich euch die ganze Armee auf den Hals!”

Lois geht erhobenen Hauptes davon, steigt in ihr Auto und verlässt die Farm. Schweigend blicken wir dem Auto hinterher.

Das ist dann wohl eine offensichtliche Kriegserklärung mir gegenüber gewesen. Wenn sie es so will, soll sie es haben. Trotzdem bin ich ein wenig verwirrt. Wie kann Lois nur so unausstehlich sein, wo doch ihre Cousine so liebenswürdig ist?

“Was war denn hier los?” fragt AC, der gerade mit den anderen beiden Jungs aus der Scheune kommt. “Ihr ward eben nicht zu überhören!”

“Lois! Sie weiß, dass Sarah und Clark bei Chloes Befreiung dabei waren und hat eine Szene gemacht,” erklärt Oliver sachlich.

“Szene ist gut! Sie hält mich für die Ausgeburt des Teufels,” ergänze ich verbittert.

Meinetwegen braucht Lois hier nicht wieder aufzutauchen. Soll sie doch beleidigt abdampfen. Es ist besser so! Noch ein weiteres Wort und ich wäre komplett ausgerastet. Mich dermaßen in Rage zu bringen, hat bisher noch niemand geschafft. Noch immer stehe ich absolut angespannt, mit verbissenem Blick da, als Clark seinen Arm um meine Taille legt.

“Aber das, was sie sagt, erscheint logisch, wenn man davon ausgeht wie wenig sie eigentlich weiß. Sie ist misstrauisch und das zurecht,” versucht er mir schonend beizubringen.

“Allerdings,” stimmt Oliver zu und sieht mich sanftmutig an. “Es ist wirklich merkwürdig, wie das alles so gekommen ist. Ich habe mich auch schon einige Male gewundert, dass du so schnell Clark für dich gewonnen hast. Und seitdem du auch noch die gleichen Kräfte wie er bekommst, wird alles noch absurder!”

“Aber wir wissen jetzt warum,” erklärt Clark, kaum das Oliver ausgesprochen hat. “Lasst uns in die Scheune gehen, wir erzählen euch alles. Wir waren gerade bei Jor-El!”

Clark greift meine Hand und geht zur Scheune, die Anderen folgen uns.
 

Eine viertel Stunde später haben wir alles berichtet. Gemütlich sitzen wir in Clarks Loft in der Scheune um einen Heuballen herum. Chloe liegt ein paar Meter neben uns im Stroh. Sie schläft noch immer.

“Dann haben wir jetzt also zwei Kryptonier vor uns sitzen,” stellt Bart beeindruckt fest.

Clark und ich nicken zustimmend. Es fühlt sich komisch an, das nun, zum ersten Mal, aus dem Mund eines Anderen zu hören. Langsam wiederhole ich das Wort in Gedanken. Kryptonier…

“Und euer Job ist es, jetzt ganz viele Nachkommen zu zeugen,” grinst Bart neckisch und holt mich damit sofort aus meinen Gedanken zurück.

Ich spüre wie mir das Blut in den Kopf schießt und ich rot anlaufe, soweit habe ich bisher noch nicht gedacht. Aber damit hat er wahrscheinlich Recht. Doch es ist noch viel zu früh über so etwas zu sprechen. Wir stehen gerade mal am Anfang unserer Beziehung und es gibt noch so viele unbeantwortete Fragen.

“Naja, ich weiß nicht ob es Sinn macht, ein Volk zu retten, das sich selbst zerstört hat,” murmelt Clark, der scheinbar, im Gegensatz zu mir, schon darüber nachgedacht hat Nachkommen zu zeugen.

“Hey, wenn alle so werden wie ihr, dann lohnt es sich allemal,” beteuert Viktor mit einem ernsten Blick.

“Das ist lieb von dir,” lächele ich Viktor an. “Leider ist nicht jeder dieser Meinung! Wenn ich da an Lios denke…”

Mein Blick wird traurig, obwohl ich gar nicht weiß warum. Es ist mir eigentlich egal, was Lois von mir hält und doch trifft es mich nun ein bisschen. Vielleicht weil ich ihr nicht erklären kann, wieso das alles geschieht. Würde ich zu ihr ehrlich sein können, dann wäre alles einfacher. Vielleicht wäre sie dann gar nicht so ein Biest.

Oliver scheint meine Gedanken erraten zu können.

“Ach, mach dir wegen Lois keinen Kopf. Sie ist von Natur aus misstrauisch. Wenn mit Chloe wieder alles in Ordnung ist, wird sie sich wieder beruhigen. Ihr müsst ja keine Freundinnen werden!”

Er sagt das sehr eindringlich, als wäre er sich bereits sicher, dass alles wieder in Ordnung kommen würde.

“Müsste Chloe nicht endlich mal aufwachen?” wirft Clark plötzlich ein und sieht besorgt zu seiner Freundin hinüber.

“Eigentlich schon. Ich vermute mal, durch ihre lange Betäubung in der Röhre, hat mein Pfeil noch etwas stärker gewirkt. Aber ihre Körperfunktionen sind alle normal, also kein Grund zur Sorge,” versucht Oliver Clark zu beruhigen.

Kein Grund zur Sorge? Vielleicht nicht deswegen, dass es ihr körperlich nicht gut geht, aber ihr Verhalten macht mir doch sehr große Sorgen. Was war nur in sie gefahren, als sie auf uns losgegangen ist?

“Ich wäre trotzdem froh, so schnell wie möglich herauszufinden, warum Chloe das getan hat,” mische ich mich mit zitternder Stimme ein.

Als ich wieder an diese schrecklichen Szenen in der Scheune denken muss, läuft es mir eiskalt den Rücken runter.

“Mit Chloe müssen furchtbare Dinge gemacht wurden sein, dass sie zu so etwas im Stande war,” sage ich besorgt.

Die Jungs nicken zustimmend und eine beunruhigende Stille kehrt ein. Jeder scheint sich Gedanken zu machen, was mit Chloe geschehen sein könnte.

“Wie sieht es aus? Hat jemand Hunger?” fragt Clark, um das Schweigen zu brechen.

“Allerdings,” meint AC wild nickend.

“Okay, ich mach uns schnell ein paar Sandwichs, bin gleich zurück!”

Schnell düst Clark davon und ist eine Minute später wieder zurück. Er stellt einen Teller mit etlichen Sandwichs vor uns ab, ist dann wieder verschwunden und kommt mit Gläsern und Saft zurück. Alle langen ordentlich zu. Mit vollen Mündern unterhalten wir uns nun angeregt über alles mögliche. Es fallen sogar einige Scherze, als würden durch das Essen alle Sorgen aus unseren Körpern herausgeschwemmt werden. Es tut gut, mal wieder zu lachen.

Doch ganz plötzlich, breitet sich ein schnell zunehmender Schmerz in mir aus. Was ist nun los? Verkrampft sehe ich Clark an. Auch er verzieht sein Gesicht. Oh nein, ich kenne diesen Schmerz. Erst vor zwei Stunden war ich ihm ausgesetzt gewesen. Er lässt meinen Brustkorb zusammen ziehen, so dass ich nach Luft ringen muss. Rasendschnell hat er meinen gesamten Körper eingenommen und eine unglaubliche Schwäche überkommt mich, die mich kraftlos zusammensacken lässt. Es tut so schrecklich weh! Ich kann mich nicht mehr halten und falle, vom Heuballen, auf den Boden. Keine Sekunde später liegt auch Clark am Boden. Alles geht unglaublich schnell. Ich blicke auf und sehe Chloe, wie sie, mit einem Gewehr auf mich gerichtet, einige Meter von uns entfernt steht. Sie muss sich die Waffe aus dem Haus geholt haben, ebenso wie das Kryptonit, dass sie neben uns geworfen hat. Wie konnten wir das nur nicht mitkriegen?

“Keiner rührt sich, oder sie ist tot,” sagt Chloe ruhig.

Langsam geht sie auf mich zu, das Gewehr auf meinen Kopf gerichtet.

Alle starren sie entsetzt an. Was hat sie vor? Will sie mich umbringen? Todesängste machen sich in mir breit. Voller Furcht sehe ich zu ihr hoch.

Doch plötzlich liegt Chloe am Boden, das Gewehr landet weit hinter ihr. Meine Kraft kehrt augenblicklich zurück, ebenso auch bei Clark, der sich wieder aufrappelt. Verwirrt sehe ich mich um. Das Kryptonit ist verschwunden. Der Schmerz ist so ebenso schnell fort, wie er kam. Sofort erkenne ich, was geschehen ist.

Bart hat Chloe umgestoßen und die Steine hinaus geworfen. Sie hatte nicht den Hauch einer Chance so schnell abzudrücken.

Sofort ist Clark bei ihr und hält sie fest.

“Chloe, was ist los mit dir,” fragt Clark unruhig. “Was haben sie mit dir gemacht?”

“Niemand hat etwas mit mir gemacht, Clark. Ich zeige nur meine wahren Gefühle. Ich hasse dich! Und deine Freundin hasse ich noch viel mehr!”

Sie spuckt mir vor die Füße und versucht sich zappelnd aus Clarks Griff zu entwinden.

Verzweifelt versuche ich sie zum Nachdenken zu animieren:

“Selbst wenn du uns noch so hasst, du würdest niemals jemanden töten, Chloe! Überleg doch mal, willst du wegen Rachegelüsten selbst ins Gefängnis kommen? Nein, dafür bist du doch viel zu klug. Denk nach, was haben sie mit dir gemacht?”

Da kommt mir selbst eine Idee. Sofort spreche ich sie aus:

“Clark, du hast doch mal gesagt, dass silbernes Kryptonit dich wahnsinnig macht, wie Paranoia. Könnte es etwas damit zu tun haben? Vielleicht wirkt es ja nicht nur bei dir so!”

Clark sieht mich nachdenklich an.

“Haltet sie mal,” bittet er dann AC und Viktor. Die Beiden sind sofort bei ihm und nehmen ihm Chloe ab, die sich noch immer wild wehrt. An beiden Armen halten sie sie fest. Clark stellt sich ihr gegenüber und sieht sie prüfend an. Scheinbar hält er meinen Einfall für möglich, denn es sieht ganz so aus, als wenn er unsere Freundin mit dem Röntgenblick durchleuchtet.

“Ich kann nichts erkennen,” sagt er enttäuscht.

Chloe lacht lauthals auf. Sie klingt dabei wie Eine, die der Irrenanstalt entflohen ist. Da fällt mir etwas auf. In ihrem Mund kann ich etwas aufblitzen sehen. Ich gehe zu ihr und halte ihre Kiefer auseinander. Sie versucht sich zu weigern, aber durch meine Kräfte hat sie keine Chance sich irgendwie zu entwinden. Sie beginnt durch die Nase zu schnaufen und sieht mich mit weit aufgerissenen Augen auf. Doch ich lasse mich nicht davon beirren.

“Siehst du die Krone da hinten, auf ihrem Zahn. Die ist mir vorher nie aufgefallen, sie ist silbern,” mache ich Clark aufmerksam.

“Ja, ich dachte es wäre eine normale Krone, so sieht es jedenfalls aus. Aber du hast Recht, ich hab sie schon öfter mit dem Röntgenblick durchsucht, so was hatte sie beim letzten Mal noch nicht. Warte!”

Clark greift ihr vorsichtig in den Mund und löst die Krone von ihrem Zahn. In diesem Moment scheint alle Kraft aus ihr zu weichen und sie sackt in sich zusammen. Clark schmeißt die Krone aus dem Fenster, nimmt Chloe AC und Viktor ab und legt sie behutsam in das Stroh. Langsam öffnet sie ihre Augen und sieht uns fragend an.

“Wo bin ich?” haucht sie verwirrt.

“In meiner Scheune. Jetzt wird alles wieder gut, Chloe,” sagt Clark beruhigend und streicht ihr sanft über den Arm.
 

Eine Stunde später sitzen wir mit Chloe in der Küche. Oliver und seine Jungs haben sich auf den Weg zu Lois gemacht, um sie in Kenntnis darüber zu setzten, dass ihre Cousine erwacht ist.

Chloe berichtet nun von ihrer Entführung, denn sie kann sich wieder an alles erinnern.

“Die Wissenschaftler dort haben eine Methode mit dem silbernen Kryptonit entwickelt, die dafür sorgt, dass man nur noch seine böse Seite auslebt und das ohne jeglichen Skrupel. Sie haben den Leuten falsche Erinnerungen im Hirn eingespeist und sie dann mit dem Kryptonit infiziert. Daraufhin gehen die Leute auf wildfremde Menschen los um sich zu rächen und sie umzubringen, nur weil sie meinen sie zu kennen, was aber gar nicht stimmt. Mir haben sie zum Glück noch keine falschen Erinnerungen eingeflößt, wer weiß wen ich sonst hätte umbringen wollen. Ihr müsst wissen, ich habe euch damals im Park gesehen. Von meiner Abteilung aus habe ich freien Blick in den Park. Ich habe gesehen wie ihr euch geküsst habt und bin furchtbar enttäuscht gewesen, deswegen bin ich durch das Kryptonit wohl auf euch losgegangen,” schließt Chloe ihre Erzählung.

“Aber, wir haben uns nicht geküsst,” dementiere ich sofort.

“Ich habe gesehen wie ihr kurz davor wart, dann habe ich weggeblickt, dass musste ich mir nicht antun,” erklärt Chloe niedergeschlagen.

Mit ihren Worten wird mir bewusst, wie sehr wir Chloe damit wehtun, dass wir zusammen sind. Sie tut mir so leid und ich wünschte, alles wäre anders gekommen. Doch es lässt sich nun mal nichts rückgängig machen.

“Chloe, heute Nacht hast du gesagt es wäre okay für dich, dass wir zusammen sind,” meint Clark leicht fragend.

Chloe steigen Tränen in die Augen.

“Heute Nacht war ich nicht ich selbst,” wispert sie leise.

Betrübt blicke ich zu Clark. Das Einzige, womit ich sie vielleicht etwas trösten kann, ist, ihr zu sagen, dass sie nie hätte Clarks Herz erobern können. Das würde sie bestimmt ein bisschen erleichtern und alles einfacher für sie machen.

“Chloe, wir müssen dir etwas sagen!”

Und dann berichte ich ihr die ganze Wahrheit, die uns Jor-El offenbart hat. Ich hoffe Chloe damit ihre Enttäuschung zu nehmen. Sie hatte nie eine Chance bei Clark. Selbst mit Lana wäre Clark nie dauerhaft zusammen gekommen, weil ihm einfach etwas Anderes bestimmt ist.

Tatsächlich heitert sich Chloes Miene etwas auf, als sie erfährt, dass sie niemals mehr als eine gute Freundin hätte werden können. Das auch ich vom Krypton bin, stört sie überhaupt nicht. Sie hat schon so viel erlebt, dass sie nichts mehr zu überraschen scheint.

Ich bin erleichtert, dass sie alles so gut aufnimmt. Ihre Reaktion hätte auch anders ausfallen können.

Doch plötzlich schaut sie uns stockend an, als wäre ihr gerade etwas unerwartetes in den Sinn gekommen.

“Moment mal. Die Typen im Labor haben meine Gedanken gelesen. Vielleicht wussten sie auf wen ich losgehen würde. Wenn das so ist, brauchten sie mir keine falschen Erinnerungen einflößen. Und da Lex hinter der ganzen Sache steckt, hat er sich bestimmt gedacht, dass ich mehr von dir weiß, Clark.” Entsetzt hält sie sich die Hand vor den Mund. “Oh mein Gott, vielleicht weiß Lex schon längst alles von dir!” Panisch blickt sie uns an. “Lex hat wahrscheinlich gehofft, dass ich auch Fähigkeiten besitze um dich umzubringen, so wie die anderen Freaks, die er mit mir dort gefangen hielt. So müsste er sich nicht selbst die Finger schmutzig machen. Irgendwie habe ich sogar eine Fähigkeit dich zu bezwingen, denn ich weiß was dich schwächt. Und wenn die Forscher das tatsächlich durch meine Gedanken raus bekommen haben, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis Lex....”

Chloe schafft es nicht zu Ende zu sprechen. Sie sieht uns mit tränenerfüllten Augen an und schluckt.

“Es tut mir so leid,” wimmert sie aufgelöst.

Ich nehme meine Freundin in den Arm. Auch wenn sie mit ihrer Vermutung Recht hat, sie braucht nun Trost. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich ihre Vermutung nun selbst in Angst und Rage versetzt. Wenn es stimmt was sie sagt, weiß Lex nun alles über Clark. Seine Stärken, seine Schwäche, seine gesamte Identität. Clark wäre nicht mehr sicher vor ihm. Bemüht diesen Gedanken schleunigst zu verdrängen, rede ich Chloe gut zu:

“Chloe, noch wissen wir nicht ob deine Theorie stimmt. Und selbst wenn, du kannst doch überhaupt nichts dafür. Du konntest dich nicht wehren. Bitte gib nicht dir die Schuld daran!”

Fest an mich gedrückt wiege ich sie in meinen Armen. Sie tut mir so unendlich leid. Was muss sie nur alles ertragen, weil sie mit uns befreundet ist. Während ich Chloe weiterhin umarme sehe ich Clark an. Er starrt gedankenverloren in die Luft. Sein Gesicht offenbart nicht, was er denkt. Was mag wohl gerade in ihm vorgehen? Fragend sehe ich ihn an. Schließlich fällt sein Blick auf mich und er guckt mich nervös an.

“Ich muss zu Lex,” meint er verbittert und ist direkt darauf verschwunden.

“Nein, Clark!” rufe ich ihm hinterher und lasse von Chloe ab.

“Sarah, du musst ihn aufhalten. Wenn er jetzt zu Lex geht, geht er ihm in die Falle,” meint Chloe aufgeregt.

Flehend sieht sie mich an.

Wie stellt sie sich das vor? Ich kann Clark nicht stoppen. Ich bin mit meinen Fähigkeiten längst noch nicht so weit wie er.

“Aber wie? So schnell bin ich nicht, Chloe. Ich habe keine Chance ihn einzuholen,” entgegne ich verzweifelt und lasse meinen Blick zur Tür schwenken, aus der Clark gerade verschwunden ist.

“Du musst es versuchen. Halte ihn auf, sein Leben hängt vielleicht davon ab,” versucht Chloe mich zu motivieren.

Panik ergreift mich. Ich kann noch nicht so schnell laufen wie Clark, diese Fähigkeit habe ich noch nicht. Aber Chloe hat Recht, ich muss es versuchen. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn er nun in sein Verderben läuft. Nicht nach all dem, was wir in den letzten Tagen durch gestanden haben. Ich werfe meiner Freundin ein knappes Nicken zu, dann laufe ich schnell los. Aus der Tür hinaus, über die Veranda, durch den Vorgarten, über den Hof und an der Scheune vorbei. Wo das Schloss liegt, weiß ich. Auf dem Weg nach Metropolis sind wir daran vorbei gekommen. Ich lasse Clarks Auto stehen, denn ich weiß, dass ich damit auf jeden Fall zu spät komme. So schnell wie möglich tragen mich meine Beine den Weg von der Farm fort. Schon jetzt bin ich außer Atem, doch ich hoffe, dass das Superspeed einfach irgendwie einsetzt. Aber nichts geschieht. Auf der Straße vor der Kentfarm überlege ich gerade, ob ich nicht doch umkehren und das Auto nehmen soll, als die Bäume plötzlich nur so an mir vorbeirasen. Ich habe es geschafft, ich bin unglaublich schnell! Es ist, als könnte ich die Zeit verlangsamen und mich selbst normal weiterbewegen. Autos kommen mir entgegen, doch sie scheinen fast still zu stehen. Es ist ein überwältigendes Gefühl und auch die Anstrengung die ich eben noch spürte ist nun verebbt.
 

Innerhalb von ein paar Sekunden bin ich vor dem Schloss der Luthors angekommen. Dort steht Clark vor dem Tor. Ich sehe, wie er noch zögert. Es scheint, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er das richtige tut. Sofort bin ich bei ihm. Er sieht mich verwundert an. Damit, dass ich hier so schnell auftauche, hat er offensichtlich nicht gerechnet.

“Jetzt bist du so schnell wie ich,” bemerkt er trocken, dreht sich dann um und will das Tor passieren.

Das ist alles? Eine kurze Bemerkung und dann weiter im Plan? Nein, so lasse ich ihn nicht davonkommen. Er neigt scheinbar immer noch dazu, mich zu unterschätzen.

Ich greife nach seinem Arm und drehe ihn kraftvoll zu mir.

“Clark, du darfst nicht zu Lex gehen. Wenn er von deiner Schwäche weiß, dann wird er vorbereitet sein,” versuche ich ihm eindringlich zu erklären.

Clark will sich meinem Griff entziehen, und reißt seinen Arm los.

“Ich muss wissen, was er alles weiß,” meint er verbissen und dreht sich wieder dem Schloss zu.

Schnell stelle ich mich vor ihn und blicke ihm tief in die Augen. Wie kann er denn nur so naiv sein?

“Vielleicht weiß Lex aber von nichts. Dann machst du ihn noch neugieriger und er wird so lange weiter forschen bis er dich bezwungen hat!”

Clark schüttelt den Kopf, geht an mir vorbei und meint sachlich:

“Das Risiko muss ich eingehen!”

Das kann doch nicht sein Ernst sein? Entsetzt sehe ich ihm zu, wie er einige Schritte auf das Anwesen zugeht. Ich werde nicht zulassen, dass er in sein Unglück rennt. Schnell blicke ich mich um, ob wir beobachtet werden. Ich kann Niemanden sehen und auch die Kameras sind nicht auf uns gerichtet. Schnell packe ich Clark an den Schultern und schleudere ihn von dem Tor weg. Die Kraft die ich dabei freisetze, lässt mich selbst erschrecken. Clark landet einige Meter entfernt an einem Baum. Sofort rappelt er sich auf und steht im Nu wieder vor mir. Seine Gesichtzüge sprechen nun Bände. Noch nie habe ich ihn so wütend gesehen. Instinktiv weiche ich einen Schritt zurück. Er schreit mich entrüstet an:

“Was soll das? Es ist meine Entscheidung was ich tue.”

Ich zucke ein wenig zusammen, als er mich so anfährt. Meine Lippen zittern. Wie kann ich ihn nur davon abbringen ins Schloss zu gehen? Verzweifelung macht sich in mir breit und spiegelt sich auch in meinem Blick wieder.

“Lass mich durch! Ich will dir nicht weh tun,” sagt er nun in besänftigendem Ton.

“Dann lass es,” wimmere ich mit flehendem Blick. Mir fällt nur noch eine Sache ein, die ihn vielleicht von seinem Vorhaben abbringen könnte:

“Was meinst du wie lange es dauern wird, bis Lex es auch auf mich absieht, wenn er erst mal um dein Geheimnis weiß, oder dich sogar besiegt hat. Er wird versuchen mir etwas anzutun, nur um dir eins auszuwischen. Er wird wollen, dass du mich verlierst, so wie er Lana verloren hat. Willst du das?”

Clark sieht mich mit aufgerissenen Augen an. Ich spüre wie die Gedanken in ihm rasen. Ich habe seinen wunden Punkt getroffen. Er würde nie wollen, dass andere Leute wegen seinem Verhalten leiden müssten. Das könnte er nicht ertragen. Nachdenklich, fast innerlich zerrissen, wirkt er nun. Nach langem Zögern meint er leise:

“Aber ich kann nicht zulassen, dass Lex unser Geheimnis erfährt.”

Will er mich nicht verstehen? Wieso nur, ist er so verbissen und stur? Da wird mir klar was Clark vor hat. Er will Lex töten. Ihn umbringen, damit Lex nie wieder irgendwelche Leben bedrohen kann. Aber das ist doch nicht Clark! Kenne ich ihn doch erst so wenig? Bei allem was mir Chloe über ihn berichtet hatte, müsste Clark nun ganz anders reagieren. Ich dachte immer, er würde an das gute im Menschen glauben, es ist doch fast wie eine Philosophie für ihn. Was bewegt ihn jetzt dazu, Lex umbringen zu wollen? Geschockt sehe ich ihn an, während sein Blick auf dem Schloss ruht.

“Clark, sei vernünftig. Wenn du jetzt da rein gehst, bist du ihm in die Falle gegangen. Wir können Lex so nicht besiegen. Außerdem lässt du dich so auf sein Niveau herab, das ist es doch nicht wert. Sieh mich an!” fordere ich ihn mit fester Stimme auf.

Er folgt meiner Aufforderung, blickt mich an und ich lege meine Hand auf seine Wange.

“Ich liebe dich! Weil du so bist wie du bist,” hauche ich mit zittriger Stimme. “Jetzt Lex zu töten, wäre der größte Fehler den du machen kannst. Davon abgesehen, ist er wahrscheinlich auf dich vorbereitet. Und wenn nicht, weiß er noch nicht von deinem Geheimnis. Dann hättest du ihn auf dem Gewissen und würdest dir ewig Vorwürfe machen. Wir müssen jetzt einfach abwarten wie es weitergeht.”

“Damit er in Ruhe einen Plan schmieden kann, wie er uns am besten besiegt,” fragt Clark höhnisch und nimmt meine Hand von seiner Wange.

“Nein, um mit Oliver und seinen Jungs das Projekt 33.1 lahm zu legen. Und um alle Informationen, die er von Chloe hat, zu vernichten. Das wird Lex zurückwerfen,” erkläre ich sachlich.

Fragend blicke ich ihn an, darauf wartend, wie er reagiert. Ich kann seine Wut fühlen. Er atmet schwer aus und lässt den Blick zu Boden sinken.

“Du hast Recht. Ich würde zu viel riskieren. Wir werden erst mal mit Oliver darüber sprechen,” lenkt er endlich ruhig ein.

Erleichtert ergreife ich seine Hände. Die Angespanntheit, die in den letzten Augenblicken meinen Körper fast zersprengt hatte, verschwindet.

“Gut! Ich hatte wirklich Angst, dass ich dich jetzt, nach all dem, verliere!”

Ich hebe seine linke Hand hoch und gebe ihr einen Kuss. Daraufhin stellt er sich dicht an mich, schiebt seine Hand sachte unter mein Kinn und hebt meinen Kopf an, so dass ich ihm in die Augen blicke.

“Ich würde es nicht ertragen, wenn Lex dir etwas antun würde,“ meint er liebevoll und beugt sich immer weiter zu mir herab.

Nur einige Zentimeter trennen unsere Gesichter und ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Haut. Sanft greife ich ihm in den Nacken und wir lassen unsere Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss verschmelzen.

Ich liebe es seine weichen Lippen auf meinen zu spüren. Sie lassen mich alles Schlechte vergessen und spenden mir Geborgenheit, Wärme und unendliche Liebe. Eine Liebe, die nach mehr verlangt.

Plötzlich spüre ich ein Brennen in meinen Augen. Sie sind geschlossen und ohne jeden Grund beginnen sie mitten im Kuss zu schmerzen. Was hat das zu bedeuten? Wieso muss dieser wunderbare Augenblick so jäh unterbrochen werden?

Mit einem leisen Stöhnen, muss ich Clark zurückschieben, um mir die Augen reiben zu können.

Doch als ich sie öffne, steht kurz darauf Clarks T-Shirt in Flammen. Fuchtelnd haut er mit seinen Händen auf seiner Brust herum, um das Feuer auszuklopfen.

“Schnell, mach die Augen zu!“ fordert er hektisch. “Das ist der Hitzeblick. Du musst kurz warten, bis das Brennen vorbei ist, sonst steht hier gleich alles in Flammen!”

Ich schließe sofort die Augen und höre deutlich, wie Clark in sich hinein lacht.

“Was ist so lustig daran?” frage ich ihn mit zusammengekniffenen Augen.

Ein verbrannter Geruch steigt mir in die Nase. Wieso muss diese Fähigkeit ausgerechnet jetzt einsetzen?

“Ach, nichts!”

Grinsend steht er mir gegenüber, als ich die Augen wieder öffnen kann.

“Warum grinst du so,” frage ich verärgert.

Seine Reaktion macht mich wahnsinnig. Kann er nicht sagen, was er denkt?

“Naja…“ murmelt er sichtlich belustigt. “Mein Hitzeblick kam, als ich an Sex dachte. Aber keine Sorge, ich hatte ihn schnell im Griff. Du wirst das auch schaffen!”

Sex? Ach du liebe Güte! Soll das heißen, ich darf nun nicht mehr an diese Sache denken? Kein Kuss und nichts?

“Das hoffe ich doch,” sage ich verlegen.

Ich betrachte mein Werk an ihm und muss nun selbst Grinsen.

Durch das verkohlte T-Shirt schimmert Clarks durchtrainierte Brust und sofort spüre ich wieder dieses Brennen. Schnell kneife ich die Augen zusammen und halte mir vorsichtshalber noch die Hände davor. Nebenbei bitte ich ihn:

“Könntest du dir bitte irgendwie was überziehen!”

Ich spüre förmlich wie er sich zusammenreißen muss, um nicht laut loszulachen.

“Wieso denn?”

“Clark, bitte, es ist nicht lustig,” sage ich schnippisch, genervt davon, die Sache noch nicht unter Kontrolle zu haben.

“Nicht?”

Ich versuche mit geschlossenen Augen nach ihm zu hauen, aber treffe ihn nicht. Es scheint ihn Spaß zu machen, mich damit zu ärgern.

“Ist ja gut. Ich lauf schon mal zurück, bis gleich!”

Durch einen Lufthauch spüre ich, dass er weg ist. Na super, jetzt lässt er mich hier auch noch allein stehen. Das Brennen verschwindet augenblicklich und ich öffne vorsichtig meine Augen. Alles scheint wieder in Ordnung zu sein. Ich blicke mich um, niemand hat etwas sehen können, zum Glück.

Ein Gutes hatte es ja doch, dass der Hitzeblick nun gekommen ist, das Thema Lex, hat sich somit für diesen Moment erledigt.



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