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Bora, Stein der Winde

von

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Lord Korala

Wow!“, das war das einzige, was Justin raus brachte, als das Schiff im Hafen von Port Qualla anlegte. Er war schon in der einen oder anderen Hafenstadt gewesen, dafür hatte Frau Chang mit ihrer letzten Klassenfahrt gesorgt und er war auch schon ein paar mal in wirklich großen Hafenstädten gewesen, dafür hatte seine Mutter gesorgt, aber er war noch nie in solch einer Hafenstadt gewesen. Port Qualla war die größte Hafenstadt auf ganz Äquadorea und sie war wirklich riesig. An den Docks hatten sicherlich mehr als tausend riesige Schiffe platz, überall wurde auf- und abgeladen, es gab direkt am Meer einen riesigen Markt, auf dem die unterschiedlichsten Dinge feilgeboten wurden und die Stadt selbst erstreckte sich so weit, wie Justin schauen konnte, würde von beiden Seiten von Mauern eingefasst. Doch was ihm wohl am meisten faszinierte war wohl, das er sich fühlte, wie in den Geschichten von Tausend und einer Nacht. Die Elben, oder was auch immer sie waren, trugen weite Hosen, Turbane und lediglich eine Weste, die Frauen dazu noch ein weißes Tuch, das ihnen die Blöße nahm. Anders als in Polara schien es keinerlei blonde Elben zu geben, doch auch keine mit solch Nichtsfarbenem Haar, wie das Melodys.

„Beeindruckend, nicht wahr?“, fragte eben die und stellte sich neben ihn an die Reling.

„Mehr als das“, nickte Justin.

„Ich weiß. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich zum ersten Mal hier war. Kaum acht Winter war ich damals alt. Ich habe mich gefühlt, wie in eine der Geschichten, die Leilo mir früher immer erzählte“, antwortete sie.

„Leilo?“, fragte Justin.

„Ja, der Vorgänger von Jack. Bevor er in die Dienste meiner Vorgänger eintrat hatte er praktisch die ganze Welt bereist und hat mir abends sehr oft davon erzählt. Und am liebsten hat er von diesem Land erzählt, weil dies hier so viel anders ist, als die anderen. Hier regiert das Feuer und deswegen wird es niemals kalt. Nicht einmal im tiefsten Winter, aber dafür regnet es hier auch kaum. Wasser ist ein knappes und kostbares Gut“, erklärte Melody.

„Also wie in Afrika in meiner Welt“, murmelte Justin.

Melody zuckte mit den Achseln, zog den Rotschopf dann mit sich vom Schiff, wo sich die anderen drei schon gesammelt hatten.

„Okay, wo gehen wir nun am besten hin?“, erkundigte sich Moritz.

„Ins Schloss des Reichsherrn diesen Kontinentes. Dort werden wir die Nacht verbringen können und haben auch Zeit, uns mit entsprechenden Dingen, die wir benötigen werden, einzudecken“, antwortete Melody.

„Okay. Dann holen wir unsere Pferde und reiten los“, nickte Moritz und sie gingen ihre Tiere holen. Nur wenige Minuten später saßen sie auf dem Rücken ihrer Tiere und ritten durch die Stadt.

„Gibt es hier eigentlich keine blonden Elben?“, fragte Justin nach einer Weile, denn keiner der Elben, die ihnen bisher begegnet war, helleres Haar als Hellbraun. Jedoch auch keiner dunkleres als schwarzbraun. Von einer solchen Farbe wie das Melodys ganz zu Schweigen.

„Das sind keine Elben“, widersprach Melody.

„Was denn sonst?“, Justin schaute das schwarzhaarige Mädchen verwundert an.

„Elben und Elfen gibt es nur auf Polara. Hier gibt es Fya, die, die hier überall herumlaufen, die sind so etwas wie Elben, wie du sie kennst, nur haben sie in der Regel braunes Haar, wie die Elben blondes. Und das, was bei uns die Elfen sind, das sind hier die Flova. Sie bringen die wenigen Pflanzen zum wachsen, die es in der Wüste gibt und vor allem sind sie die Wächter der Oasen. Ohne sie wäre das Land kaum bewohnbar. Und auf dem südlichen Kontinent, da sind die Woola die, die man als Elbenähnlich bezeichnen kann. Und die Pflanzenschützer sind die Roosea“, erklärte Melody.

„Und so was wie Chito?“, hakte Timo nach, „gibt es die auch hier in der Gegend, oder zumindest etwas ähnliches?“

„Ja, die Chito haben immer schon die ganze Welt bevölkert, man trifft sie hier ebenso, wie auf jedem anderen Land der Welt, auch wenn sie überall nur vereinzelt kommen“, erklärte Shadow.

„Und die Fabelwesen? Also, Drachen, Einhörner, Minotauren…?“, löcherte Justin weiter.

„Die gibt es hier auch. Es gibt die verschiedenen Fabelwesen überall auf der Welt, nur vereinzelte Wesen kommen nur in einem bestimmten Kontinent vor“, antwortete diesmal Moritz.

„Welche denn zum Beispiel?“, Justins Augen glänzten vor Begeisterung.

„Nun, die Phönixe zu Beispiel können nur hier leben, da sie Feuervögel sind. Dafür könnten hier nie die Greifen leben, dazu bedarf es nämlich ein Land voll von Wind. Auf dem südlichen Kontinent dagegen sind die Zyklopen zu Hause“, antwortete Moritz.

„Es gibt Zyklopen hier?“, rief Justin begeistert.

„Ja, natürlich. Du wirst in keinem Buch von einem Volk lesen können, das du hier nicht finden kannst“, erklärte Moritz.

„Kann man hier auch Engel finden?“, wollte Timo nachdenklich wissen, „ich meine, so richtige Engel, diese biblischen Wesen!“

„Wenn ich sage alle, dann meine ich auch alle“, war Moritz’ Antwort.

„Toll“, meinte Justin selig.

Den restlichen Weg folgten sie Melody schweigend, doch Shadow, Justin und Timo konnten sich nicht satt sehen, an dieser so fremden Stadt.

Dann kamen sie an, auf dem Hof des Schlosses. Ein Elb, diesmal ein wirklicher Elb, mit hellblondem Haar trat ihnen entgegen.

„Seid gegrüßt, ihr Fremden. Was führt euch hierher?“, fragte er höflich und hielt Melodys Pferd an den Zügeln.

„Guten Tag, mein Herr. Wir sind reisende und erbitten eine Audienz bei den Herren diesen Reiches. Sagt ihm, Melody, die Herrin des Nördlichen Elbenreiches ist eine von ihnen, dann wird er uns empfangen“, erklärte das Mädchen.

„Melody? Bist du wirklich die kleine Melody?“, fragte der Elb verblüfft und schaute hinauf zu ihr.

„Ja. Kennen sie mich?“, wollte die Elbe wissen.

„Aber natürlich! Erkennst du mich nicht? Ich bin es, Leilo!“, rief der Elb aus.

„Leilo? Leilo?!“, rief Melody, rutschte aus dem Sattel direkt in die Arme des Elben.

Shadow, Timo und Justin warfen sich einen fragenden Blick zu, Jerry, der ihnen aus der Luft gefolgt war, landete auf Justins Schulter.

„Oh, Leilo, haben wir uns lange nicht gesehen!“, Melody strahlte den Elben an, als könnte sie sich nichts schöneres vorstellen, als ihn zu treffen und dieser Blick versetzte Justin einen scharfen Stich im Herzen, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, was ihm auch erstaunlich gut gelang, denn keiner machte eine Bemerkung, keiner außer Jerry.

»Tut weh, sie so zu sehen, nicht wahr? Aber mach dir nichts draus, sie hat keinerlei Interesse an ihm. Für sie ist er wahrscheinlich so etwas, wie ihr Vater«, meinte er.

»Das mag wohl sein, Jerry«, antwortete Justin in seinen Gedanken, »Und doch ändert das nichts an dem Schmerz im Herzen.«

„Was machst du denn hier, Melody“, fragte Leilo.

„Was soll ich hier tun? Reisen natürlich!“, rief Melody lachend.

„Das ist mir schon klar, aber wieso? Und wer sind deine Begleiter?“, wollte Leilo wissen.

„Nun ja, die Geschichte ist ein wenig länger, aber meine Begleiter, das sind einmal Moritz, der schwarze Ritter, wie man ihn nennt, im hohen Norden, dann Shadow, die Tochter Darks und die Herrin der Schatten, Timo, der Sohn Moon und Nights und Justin, der Weltenretter selbst“, erklärte Melody.

„Melody…“, knurrte Justin.

„Von mir aus, dann eben nicht der Weltenretter. Aber jemand, der dem Weltenretter sehr nahe stehen wird“, korrigierte die Elbe lachend.

„Oh, oh! Hoher Besuch also!“, rief Leilo aus.

„Ja, so mehr oder weniger, genau“, nickte Melody lachend.

„Das wird Lord Korala sehr interessieren!“, meinte Leilo und Melody nickte zustimmend.

„In der Tat, das wird es. Ich denke, wir sollten gleich zu ihm gehen oder nicht?“, sie schaute den Elben fragend an.

„Ja, ich werde ihm bescheid geben, wartet bitte in der Eingangshalle“, sagte der und verschwand durch das Tor.

Auch die anderen kletterten aus den Sätteln und ein paar Jungen eilten herbei und nahmen die Zügel entgegen. Einzig Justin gab Thunders Zügel nicht aus der Hand, denn er wusste nur zu genau, dass keiner der Jungen mit dem Hengst fertig werden konnte.

„Willst du auch in den Stall?“, fragte er den Rappen.

»Nein, ich möchte dieses Land sehen. Die Wolken erzählten mir zwar, wie es hier aussehen würde, doch selbst gesehen habe ich es noch nicht. Nimm mir einfach die Trense ab, ich werde kommen, wenn du mich rufst, und mich ansonsten umsehen, hier, an diesem seltsamen Ort«, erklärte der Hengst und mit einem nicken streifte Justin den Riemen über die Ohren, nahm das Gebiss entgegen und zog den Rest über das Horn. Mit einem freudigen wiehern schüttelte Thunder seine schwarze Mähne, breitete seine mächtigen Schwingen aus und galoppierte über den Hof, bevor er einen mächtigen Satz machte und über den Himmel davon flog. Auch Jerry stieß sich ab, von Justins Schulter und flog gen Himmel.

»Ich bin bald wieder zurück!«, rief er Justin noch zu, wohin er wollte oder warum, das sagte er nicht.

Justin schaute ihm noch einen Augenblick lang nach, nahm dann von Moritz einen der beiden Feuervögel entgegen, wegen dem sie überhaupt hier waren und setzte sich den auf die Schulter, folgte dann den anderen in das Gebäude hinein.

»Bald sind wir wieder daheim, nicht wahr? «, fragte der Phönix.

„Ja, es wird nicht mehr lange dauern“, nickte Justin.

Kaum hatte er die paar Worte gesprochen, als auch schon Leilo zurückkehrte.

„Lord Korala möchte euch sehen, euch alle, folgt mir bitte“, sagte er förmlich und führte sie durch einige Gänge hin zu einer großen Tür. Ohne anzuklopfen stieß er diese auf und ließ die Gruppe hindurch treten, er selbst kam als letzter herein, schloss die Tür hinter sich. Sie standen in einer Bibliothek, über und über voll gestopft mit Büchern. Auf halber Höhe des Saals erhob sich eine Galerie, auf der ebenfalls nur Regale mit Büchern waren. Selbst unter dem Fenster und über der Tür befanden sich Regale. Und vor einem dieser Fenster stand ein Mann, dem man so deutlich ansah, das er der Lord Korala war, als hätte ihm das jemand mit einem grellen neopink auf die Stirn tätowiert. Der Lord drehte sich um, als er hörte, wie sich die Tür schloss, lächelte dabei freundlich, väterlich.

„Seid gegrüßt, meine Gäste!“, rief er und kam mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu, „Und vor allem dich begrüße ich herzlich, Lady Melody! Lange schon hoffte ich, zu sehen, was in all den Jahren aus euch geworden ist, und warum um alles in der Welt Auris so vernarrt ist, in euch!“

Melody nickte und lächelte Korala freundlich an.

„Auch euch einen schönen Gruß, Mylord“, war ihre Antwort.

Der Lord schien nicht einmal bemerkt zu haben, da sie etwas gesagt hat, er betrachtete sie von oben bis unten und nickte dann zufrieden.

„Wahrlich, eine wunderschöne junge Elbe seid ihr geworden! Ich verstehe, was Auris an euch findet, wäre ich nicht so alt, das ich euer Vater sein könnte, ich würde euch sofort einen Antrag machen, meine liebe“, selbstzufrieden seufzte er.

„Und ihr würdet damit ebenso wenig erfolg haben, wie Lord Auris, denn mein Herz gehört schon einem anderen“, antwortete Melody.

Der Lord lachte: „Das gefällt mir! Sucht euch euren Gatten ruhig selber aus und hört dabei auf nichts anderes, als auf euer Herz. Denn Zufriedenheit kann nicht alles Gold und alle Macht der Welt einem bringen!“

„Das müsst ihr mir nicht sagen, das weiß ich zu genüge“, nickte Melody.

Auch der Lord nickte selbstzufrieden, wandte sich dann den anderen zu.

„Der schwarze Ritter“, wandte er sich als nächstes an Moritz, „ich hörte von euch. Sowohl gutes, als auch schlechtes. Was davon ist wahr?“

„Nun, ich weiß nicht, was ihr hörtet, drum sage ich mal, das alles Gute wahr ist, und alles Schlechte lediglich Gerüchte sind“, meinte Moritz und wieder lachte der Lord.

„Nicht nur geschickt mit dem Schwert, sondern auch mit der Zunge, gefällt mir. Ist das Schwert, das ihr da tragt, Drachenwind?“

Moritz nickte und zog die Klinge, hielt sie dem Lord hin: „Ja, kein geringeres Schwert, als die Klinge der Winde. Jedoch bewahre ich sie nur auf, bis der, dem sie rechtmäßig gehört, auch bereit ist, sie zu tragen.“

„Aha“, machte Korala und nahm das Schwert entgegen fachmännisch musterte er es, machte einen Schlag in die Luft und gab es Moritz wieder zurück.

„Ein wahrlich wundervolles Schwert. Hätte ich die Möglichkeit, mit dieser Klinge einmal zu Kämpfen, ich würde euch sofort mein Reich überlassen“, sagte er.

Moritz nickte, sagte aber nichts mehr und sofort wandte sich der Lord dem nächsten zu, Shadow.

„Ihr seid dann wohl die Tochter Darks?“, fragte er und Shadow nickte.

„Interessant, dass ein Mann in einer solchen Stellung wie Dark ein Mädchen als sein erstgeborenes Kind anerkennt. Interessant, aber bei ihm nicht verwunderlich. Nicht viele Wesen auf Erden sind so Charakterstark, wie er es war“, überlegte der Lord und musterte Shadow dabei eingehend.

„Ja, mein Vater war nie so wie andere ihn haben wollten. Er blieb, was er war, ohne darauf zu achten, was andere davon hielten. Aber ich glaube weniger, das ich sagen kann, das er mein Vater war, weil es ihn nicht gestört hat, das ich ein Mädchen bin, als vielmehr, weil er seine Verbindung zu meiner Mutter nicht leugnen wollte und diese mir nichts hätte antun können. Keine Mutter der Welt kann ihrem Kind etwas antun, zumindest nicht, wenn sie schon eine Ewigkeit auf eben dieses Kind warten musste“, antwortete die Chito und zuckte dabei nervös mit ihren Ohren.

„Das sehe ich anders. Ich hatte ja das Vergnügen ihn ein oder zweimal zu treffen, er war ja gut befreundet, mit Night, auch wenn diese Freundschaft leider in die Brüche ging. Aber damals, vor eurer Geburt muss das gewesen sein, da hat er nicht auf mich den Eindruck gemacht, als würde es ihn in irgendeiner weise stören, was andere von ihm denken. Nein, ich glaube, selbst wenn eure Mutter euch hätte ertränken wollen, hätte er sie daran gehindert. Schade, das er so früh schon dahin scheiden musste. Die wahrlich Guten trifft es leider immer als erste“, seufzte der Lord und Shadow nickte. Als nächstes wandte er sich Timo zu.

„Da du der zweite Chito bist, musst du der Sohn Moons und Nights sein, nicht wahr?“, fragte er und Timo nickte: „Ja, genau der bin ich.“

„Auch hier finde ich es ein Jammer, das deine Eltern so früh hatten sterben müssen“, meinte der Lord weiter.

„Oh nein, meine Eltern sind noch am leben. Erst vor kurzem verabschiedeten wir uns von meiner Mutter, während wir hierher segelten brachte sie nämlich einen Freud zurück zu seiner Mutter, da er noch ein wenig zu jung war, um mit uns hierher zu kommen“, erklärte Timo.

„Moon und Night sind nicht Tod? Die Geschichte müsst ihr mir genauer erzählen! Wo sind sie und wie geht es ihnen?“, fragte Korala sogleich.

„Nun, diese Geschichte gehört zu unserer großen Geschichte dazu und ich denke, die werden wir nachher zum Besten geben“, mischte sich Moritz ein.

Der Lord schaute ihn nachdenklich an, nickte dann aber und wandte sich letztendlich Justin zu.

„Leilo sagte, das ein enger Vertrauter des Weltenretters zu dieser Gruppe gehören soll und da ihr als einziger übrig seid, nehme ich an, das ihr es seid“, sagte er dann nach einigen Sekunden des Schweigens ehrfurchtsvoll. Hatte er sich bei den anderen noch fröhlich angehört, sprach er nun mit solch einem Ernst, als würde er an dem Grab eines Wesens stehen, das ihm ebenso viel bedeutet, wie sein Leben. Justin antwortet darauf nicht, sondern schaute dem Lord stumm in den Augen, las in ihnen, was Korala dachte, was er fühlte, was er tun würde, was für ein Mensch ihm gegenüber stand und anders als die meisten Wesen wandte der Lord seinen Blick nicht ab, versucht nicht unbewusst Justin daran zu hindern, zu lesen, was auch immer man in den Augen lesen konnte, sondern erwiderte den Blick blinzelte nicht einmal, obwohl sie mehrer Minuten stumm so dastanden.

„Man sagt, die Augen sind der Spiegel der Seele“, sagte Justin dann endlich, „und eure Augen sind anders, als die der meisten Wesen, mir Macht. Die meisten haben kalte Augen, das einzige, was sie interessiert ist, das es ihnen selbst gut geht, das sie immer mehr und mehr Reichtümer haben und immer mehr Land besitzen können. Ihr seid anders, Lord Korala. Eure Augen strahlen vor Lebenslust, sie sind warm, zeigen Mitgefühl für andere, denen es nicht so gut geht, wie euch. Ihr seid in der Lage, Mitgefühl zu empfinden. Mitgefühl und Zuneigung und das sind zwei wichtige Eigenschaften, um ein Reich zu führen, wenn nicht sogar genau die wichtigsten. Ich fühle mich geehrt, euch kennen lernen zu dürfen.“ Justin neigte den Kopf und zeigte damit mehr als deutlich, dass er jedes gesagte Wort ernst meinte.

„Das aus eurem Munde zu hören ist mehr, als jemand wie ich es sich in seinen kühnsten Träumen hätte erträumen können und dafür danke ich euch, Sire“, antwortete der Lord.

„Nein, bitte keine Höflichkeiten. Sie bilden nur eine Kluft zwischen Wesen, die eigentlich miteinander umgehen sollten, wie Geschwister, denn wir alle Leben und jedes Leben ist gleich, kein Wesen ist besser, als ein anderes. Nennt mich Justin, wie alle anderen auch“, bat der Rotschopf.

„Wenn ihr… wenn du es so möchtest, möchte ich dir diesen Wunsch gerne erfüllen“, nickte der Lord. Dann zauberte er wieder ein herzliches Lächeln auf seine Züge.

„Nun, dann hören wir auf, mit diesen Höflichkeiten, lasst uns in das Kaminzimmer gehen und dort erzählt ihr eure Geschichte, einverstanden?“, fragte er und die anderen nickten. So gingen sie in einen anderen Raum und erzählten ein weiteres mal ihre Geschichte, jedoch diesmal ausführlich. Es war ein wenig, als würden sie einem Kind eine Geschichte erzählen, nicht dieses schnelle Aufzählen von Tatsachen, wie es sonst immer war und sowohl Leilo als auch Lord Korala hingen an den Lippen desjenigen, der gerade erzählte. So verbrachten sie den ganzen Abend und auch die folgende Nacht und als der Morgen dämmerte, da herrschte ein nachdenkliches Schweigen im Raum.

„Eine wahrlich wundervolle Geschichte“, sagte dann der Lord.

„Nein“, widersprach Justin.

„Und wieso nicht?“, wollte Leilo prompt wissen.

„Wundervoll wird sie erst dann sein, wenn die ein glückliches Ende hat, doch das wird sie nicht haben. Keine Geschichte, die das Leben selbst erzählt hatte je ein glückliches Ende, denn es endet nichts. Nicht wirklich. Selbst der Tod ist nicht das Ende, wenn man den zahlreichen Glaubensrichtungen der verschiedenen Völker, die jemals lebten oder im Moment noch existieren, glauben schenken darf. In praktisch jeder Kultur wird von Wiedergeburt oder von einem Leben in einer anderen Welt nach dem Tod gesprochen. Selbst hier. Und es muss etwas wahres dran sein, denn es ist nicht möglich, das hunderte Völker unabhängig voneinander auf ein und die selbe Idee kommen, ohne das sie einen wahren Kern hat“, erklärte Justin.

„Stimmt, aber der Teil, der bisher geschah, ist schon eine kleine Geschichte für sich und die ist durchaus wundervoll. Sie ist eben so, wie die Geschichten, die man sich gerne erzählt, wenn man abends im Winter beisammen sitz, vor einem prasselnden Kaminfeuer. Es fehlt doch nur noch ein schönes Ende. Und egal, wie die Geschichte nun wirklich enden mag oder ob sie jemals ganz endet, man wird sie sich erzählen, wie man sich jedes Geschichte erzählt, die sich um den Weltenretter ranken und um jene, die ihm nahe stehen und egal, wie das Ende auch aussehen mag, in den Geschichten wird es immer ein Gutes sein“, meinte Leilo.

„Ja, das kann gut sein“, antwortete Justin, stand auf und ging an eines der Fenster. Ein Falke war auf dem Fensterbrett gelandet, ein Tier mit rostrotem Gefieder.

„Und? Wie war dein Rundflug, Bruderherz?“, fragte er und ließ das Tier auf seinen Arm springen.

Jerry antwortete nicht, sondern begann damit, sein Gefieder zu säubern und neu zu ordnen.

„Oh nein!“, rief der Lord auf einmal.

„Was ist Herr?“, wollte Leilo sogleich alarmiert wissen.

„Ihr hattet eine solch anstrengende Reise hinter euch und jetzt musstet ihr auch noch die ganze Geschichte erzählen, nur weil ich so neugierig war! Ich bin wahrlich der schlechteste Gastgeber, den man sich nur wünschen kann! Leilo, zeige ihnen doch bitte die Gästezimmer“, bat der Lord und beruhigt nickte der Elb und deutete ihnen, dass sie mitkommen sollten.

„Tut mir leid, aber der Lord bekommt hier nur sehr selten Besucht, weswegen es nicht genug Gästezimmer geben wird, für euch alle. Nur einer wird ein Zimmer alleine bewohnen können“, erklärte er als er die fünf durch die Gänge führte.

„Ich bezweifle, dass das irgendwem stören wird, im Gegenteil“, meinte Moritz.

Irritiert schaute Leilo über die Schulter zurück zu ihm, sagte aber nichts. Er hielt vor einer Tür und machte eine auffordernde Geste.

„Wenn ich ein Pärchen bitten dürfte, das ist eines der Zimmer. Die Betten sind weiß Gott groß genug, das auch zwei in ihnen schlafen können, ohne sich zu nahe zu kommen. Mein Vorschlag wäre, das…“, weiter kam Leilo nicht, den Justin hatte die Tür aufgestoßen und eine einladende Geste in den Raum hinein gemacht und zu Leilos maßlosem Erstaunen trat Melody herein. Justin schloss die Tür wieder und Leilo blieb mit offenem Mund vor der Tür stehen.

„Hat“, rang er sich dann durch und schaute Moritz an, „das gerade eine besondere Bedeutung?“

„Nein, sicherlich nicht“, antwortete der sarkastisch, „es hat ja auch nie eine Bedeutung, wenn ein junger Mann eine junge Frau auffordert, ihn auf sein Zimmer zu begleiten.“

Shadow und Timo lachten laut auf, als sie Leilos irritierten Blick sahen, doch der Elb sagte nichts weiter, sondern führte auch die anderen zu ihren Räumen. Justin und Melody unterdessen warfen die Decken auf die Erde, wussten sie doch beide, das der Tag heiß werden würde und an Schlaf mit Decken gar nicht zu denken war. Ohne die Klamotten erst umständlich ausgezogen zu haben, warfen sie sich aufs Bett. Eine ganze Weile lagen sie so nebeneinander da und versuchten zu schlafen, doch obwohl beide müde waren, wollte der Schlaf einfach nicht kommen.

„Justin?“, fragte Melody nach einander Weile, „bist du auch noch wach?“

„Ja. Ja, ich bin wach. Mehr als wach“, brummte der und gähnte dabei herzhaft, was Melody einen kleinen Lacher entlockte.

„Schön, das ich nicht die einzige bin, die sich zwar unglaublich müde fühlt, dann aber nicht schlafen kann“, meinte sie und rutschte näher zu Justin. Während sie ihren Kopf auf seiner Brust bettete, legte er seinen Arm um sie.

„Sag mal…“, meinte er nach einer Weile.

„Hm?“, machte Melody.

„Warum ist Leilo eigentlich weggegangen? Hatte das einen besonderen Grund?“, fragte er.

„Ja, aber ich will nicht darüber sprechen. Es erinnert mich an Dinge, die ich vergessen will und es sagt meinem Verstand, dass es mit uns nichts werden kann“, antwortete Melody.

Justin lachte leise und humorlos: „Das wird es sowieso nicht, Melody.“

„Und wieso nicht? Warum sollen wir denn nicht ewig zusammen leben können?“

„Ganz einfach, weil wir aus verschiedenen Welten kommen. Melody, wenn du genau darüber nachdenkst, dann wird auch dir klar werden, das es nicht geht, nicht gehen kann! Du könntest deine Welt nie aufgeben und ich meine nicht. Und etwas dazwischen kann es nicht geben.“

Melody sagte nichts dazu, sie schmiegte sich nur noch mehr an Justin heran.

„Ich will dich nicht verlieren, nicht jetzt, und nicht in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten oder wie viel Zeit auch immer uns noch bleiben mag…“, murmelte sie. Sie wartete, das Justin ihr darauf antworten würde, doch der war eingeschlafen, hatte das Glück, eine Weile nur noch von seinen Träumen gequält zu werden.



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