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Und die Zeit stand still...

Naruto X Sasuke
von

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Und die Zeit stand still...

~~I~~
 

„Maaaaami, was machen die daaaaa?“

„Sch, schau da nicht hin, komm weiter!“

„Also wirklich, so was...“

„Und auch noch in der Öffentlichkeit!“

„Die sollten sich was schämen, die jungen Leute heutzutage!“

„Aber Maaaaami...!“
 

Uzumaki Naruto spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Er konnte die Leute flüstern hören, wütend, entrüstet, konnte sie durch seine weit aufgerissenen Augen sehen, konnte ihre brennenden Blicke an seinem ganzen Körper spüren...

Dabei hatte er doch eigentlich gar nichts getan. Er war ganz normal, wie jeder andere auch, an einem Montagnachmittag die Straße entlanggelaufen mit nichts weiter im Sinn als dem Gedanken, dass er noch Zahnpasta kaufen musste, weil ihm seine heute Morgen ausgegangen war. Und dann... Dann, überlegte Naruto, war wohl alles schief gegangen; alles hatte sich gegen ihn gerichtet, die ganze Welt schien ihn leiden sehen zu wollen.

Zuerst einmal die Bananenschale. Wieso lag da eine Bananenschale mitten auf der Straße? Wieso hatte niemand dafür gesorgt, dass sie in dem zwei Meter entfernten Mülleimer verschwand? Wieso hatte ihn niemand gewarnt?!

Und dann natürlich Sasuke. Warum war Sasuke da? Warum stand er mitten im Weg? Warum war er nicht einfach einen Schritt zur Seite getreten, als Naruto auf der Bananenschale, die in erster Linie sowieso nicht da hätte liegen sollen, ausgerutscht war, als er wild mit den Armen rudernd auf den Uchiha zugesegelt war – als er mit dem Gesicht auf Sasukes Gesicht geprallt war, mit seinen Lippen Sasukes Lippen berührt hatte, mitten auf der dicht bevölkerten Hauptstraße Konohas?

Wieso war das Leben so unfair zu seinem armen, geschundenen, siebzehnjährigen Dasein?!
 

Einen Augenblick lang schien die Zeit stillzustehen.

Dann, so heftig, dass Sasuke einige Schritte zurückstolperte, packte Naruto ihn an den Schultern und stieß ihn von sich. Feuerrot im Gesicht und mit heftig schlagendem Herz blickte er sich um. Die Leute um ihn herum starrten ihn an, manche deuteten mit dem Finger auf sie. Das Hämmern in seiner Brust setzte kurz aus, als er glaubte, einen rosafarbenen Haarschopf in der Menge entdeckt zu haben. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Sakura oder irgendein anderer seiner Freunde ihn gesehen hätte! Sie würden sich nur noch mehr über ihn lustig machen als ohnehin schon, weil er immer noch der Unerfahrenste unter den Jungen war, weil er immer noch keine Freundin gehabt, immer noch kein Mädchen geküsst hatte...

Aber Sasuke hast du geküsst, sagte eine gemeine kleine Stimme in seinem Hinterkopf, sogar schon zweimal...

Naruto schüttelte den Kopf. Sasuke ist kein Mädchen, entgegnete er der Stimme, und war überrascht von seiner eigenen Antwort. Was wäre dann geschehen, wenn Sasuke ein Mädchen wäre? Und wieso schlug ihm sein Herz immer noch bis zum Hals?

Sasukes vernehmliches Räuspern ließ seinen Herzschlag erneut kurz aussetzen, nur um dann noch heftiger zu pochen als zuvor.

„Also wirklich, Vollidiot“, versuchte der Uchiha die Situation noch zu retten und blickte Konohas bekanntesten Unruhestifter mit einer Mischung aus Spott und herablassendem Mitleid an, „du hast wirklich zwei linke Füße.“

Naruto öffnete den Mund, um eine passende Antwort zu geben, eine schlagfertige Bemerkung oder eine Beleidigung vielleicht – doch seine Stimmbänder ließen ihn im Stich. Nur ein trauriges Krächzen brachte er hervor, wie jemand, der tagelang in der Wüste herumgeirrt ist und keinen Schluck Wasser getrunken hat, und dann starrte er Sasuke einfach nur an, den Mund weit offen, die Augen groß, die Wangen rot wie reife Tomaten, und wusste sich nicht zu helfen. Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren und in seinem Magen war mit einem Mal die Hölle los, als herrschte dort ein Hochbetrieb wie am vierundzwanzigsten Dezember in der Werkstatt des Weihnachtsmanns, wo alle Weihnachtselfen noch einmal überall herumwuseln und in ihrem Eifer alles durcheinander bringen.

Uzumaki Naruto stand da, blickte Uchiha Sasuke an, wunderte sich dumpf über diesen äußerst weit hergeholten Vergleich und fragte sich:

Was in aller Welt passiert hier?
 


 

~~II~~
 

Uzumaki Naruto stöhnte.

Sechs Tage. Volle sechs Tage waren seit jenem verdammten Montag vergangen, an dem er eigentlich nur Zahnpasta hatte kaufen wollen. Sechs schlaflose Nächte, in denen er sich in seinem Bett gewälzt hatte, in denen es ihm vor dem nächsten Morgen gegraut hatte, an dem er jederzeit Sasuke über den Weg laufen konnte. Sechs Tage, in denen er kein Wort mit Sasuke gewechselt, ihn nicht angesehen hatte, ohne sich gleich an ihren „Zusammenstoß“ zu erinnern und mit immer schneller werdendem Herzschlag zu erröten.

Aber das war nicht der Grund, wieso Uzumaki Naruto stöhnte.

Der Grund war ein Mädchen mit langen, dunkelgrünen Haaren, das sein Bein in diesem Augenblick gegen Narutos Schritt presste und auch sonst ziemlich beschäftigt damit war, alle möglichen und unmöglichen Stellen seines Körpers zu berühren und wild mit ihm herumzuknutschen.

Sie war ziemlich hübsch, nahm Naruto an, auch wenn er nicht mehr in der Lage war, mehr als verschwommene Umrisse zu erkennen. Er war betrunken, vermutete der Teil seines Gehirns, der sich noch nicht vollkommen taub anfühlte, sturzbetrunken, und das Mädchen ebenso. Die Musik, die viel zu laut durch den vollgestopften Raum dröhnte, und die durch die vielen Menschen verursachte Hitze taten den Rest, um Naruto in einen Zustand jenseits von Gut und Böse zu versetzen.
 

Auch in Konoha gab es Diskotheken, oder gerade dort, weil ein Großteil der Bevölkerung Ninja waren – Ninja, die irgendeinen Ort brauchten, an dem sie sich zudröhnen konnten und an dem sie vergaßen, dass sie tödliche Killermaschinen waren und wie viele Menschen sie schon auf dem Gewissen hatten. Exakt diese Situation spiegelte sich auch an jenem Freitagabend wider: Die Musik dröhnte zu laut, der Alkohol floss zu reichlich, doch niemand dachte daran aufzuhören.

Es waren fast ausschließlich Jugendliche anwesend, Teenager, die ohnehin von einer Krise in die andere stolperten, seien es nun alltägliche Pickel- und Gewichtsprobleme oder die Suche nach dem Sinn des Lebens. Diejenigen, die noch dazu den Dienst eines Shinobi erfüllten, stürzten nicht selten in tiefe Depressionen, wälzten Fragen wie „Was ist überhaupt 'gut' und 'böse'?“ oder „Welches Recht hat ein Mensch, einen anderen zu töten?“ und schlugen sich mit Schuldgefühlen oder Trauer herum, wenn eine Mission wieder einmal furchtbar schief gegangen war. Ein Ort, an dem sie sich von all diesen Dingen befreien konnten – und sei es auch nur für einige Stunden oder eine Nacht – war für manche von ihnen lebensnotwendig.

Andere wiederum kamen nur her, um einen drauf zu machen oder ihre Freunde aufzumuntern – was bei Naruto der Fall gewesen war. Seine Freunde hatten ihn, weil er in den letzten Tagen so einen bedrückten Eindruck gemacht hatte, mitgeschleift – nicht ganz gegen seinen Willen, weil er noch nie an so einem Ort gewesen war. Kiba hatte ihm den ersten Drink spendiert, Ino den zweiten, und mit der Zeit war alles furchtbar lustig geworden; die Leute, die alle tanzten, wie es ihnen gefiel, die Drinks, die ja gar nicht so teuer waren und von denen man sich ruhig ein paar mehr leisten konnte, und schließlich das Mädchen, das irgendwann einfach so vor Naruto gestanden hatte. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, aber sie war betrunken, genau wie er, und so machte das auch keinen Unterschied mehr. Sie hatten angefangen zu tanzen, ganz nah bei einander, ihr Rücken an seinem Oberkörper und seine Hände an ihren Hüften, und plötzlich lehnte er an einer Wand und spürte ihre Zunge in seinem Mund.
 

Theoretisch war es sein erster Kuss, zumindest sein erster mit einem Mädchen und auch sein erster, bei dem seine Zunge eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Sein betäubtes Gehirn bemerkte träge, dass es sich nicht gerade anfühlte wie der Himmel auf Erden, und Glocken oder Engelsgesang konnte er im Hintergrund auch nicht unbedingt hören, doch er schüttelte nur unwillig den Kopf und vergrub seine Hände in ihrem Haar, das seidenweich durch seine Finger glitt. Und auf einmal, völlig unvorbereitet, scheinbar ohne Zusammenhang traf ihn die Frage, ob Sasukes Haare sich wohl genauso anfühlen würden...

Am linken Rand seines völlig verschwommenen Blickfeldes tauchte plötzlich etwas auf, das ihn irritierte, ein unscharfes Gesicht, das ihm seltsam bekannt vorkam. Er blickte auf, versuchte sich auf den hellen Fleck zu konzentrieren – und erstarrte mit einem Mal zur Salzsäule, als er in einem lichten Moment glaubte... Aber nein, das war unmöglich, völlig ausgeschlossen. Naruto rieb sich rasch über die Augen, blinzelte und blickte erneut auf die Stelle – doch da war niemand. Natürlich nicht. Er sah schon Gespenster, hatte er doch einen Moment lang wirklich geglaubt, Sasuke erkannt zu haben!

Aber Sasuke würde niemals hierher kommen, nicht an so einen Ort. Sasuke würde sich nicht betrinken, würde nicht mit irgendeinem wildfremden Mädchen herumknutschen, würde sich nie im Leben auf so ein Niveau herablassen.

Plötzlich war Naruto schlecht. Er wollte nur noch hinaus aus diesem stickigen, lauten Raum, hinaus an die frische Luft, wo er das viel zu stark aufgetragene Parfum des Mädchens vor ihm nicht mehr riechen konnte. Hastig, fast schon panisch stieß er sie von sich, doch sie schien ihn kaum zu bemerken, geschweige denn zu vermissen, denn sie machte mit dem nächstbesten männlichen Wesen dort weiter, wo sie mit Naruto aufgehört hatte. Es kümmerte ihn nicht, er hatte nur noch den Ausgang vor Augen, drängte sich rücksichtslos durch die Menge, bis er endlich die Tür erreicht hatte und nach draußen stürzte.

Ein frischer Wind empfing ihn. Naruto holte tief Luft.

Und einen Moment lang schien die Zeit stillzustehen.

Dann wurde alles schwarz.
 

***
 

Als er von den Strahlen der Morgensonne geweckt wurde, war Naruto erleichtert darüber, sich in seinem eigenen Bett vorzufinden, und hatte zugleich das Gefühl, jemand würde ihm den Kopf mit einer Axt spalten. Überraschenderweise war Iruka bei ihm, wütend wie selten zuvor, und drohte ihm kontinuierlich damit, ihn – sollte sich so etwas noch einmal ereignen – nie wieder zu einer einzigen Schüssel Ramen einzuladen, während er gleichzeitig fürsorglich ein kaltes Tuch auf Narutos Stirn legte und einen Tee kochte, der angeblich gegen einen besonders schlimmen Kater helfen sollte.

„Sag mal“, murmelte Naruto, der sich erst gar nicht die Mühe machte, über seinen widersprüchlichen Lehrer nachzudenken, sondern etwas anderes im Kopf hatte, „wie bin ich eigentlich hierher gekommen? Du weißt schon, nachdem ich...“

Er wollte das Wort „Ohnmacht“ nicht aussprechen, schon gar nicht in diesem Zusammenhang. Es war einfach zu lächerlich.

Iruka, am Herd vor dem kochenden Wasser stehend, wandte den Kopf zu ihm und betrachtete ihn einen Augenblick lang, ganz so, als ob er sich nicht sicher war, ob Naruto nach alldem überhaupt eine Antwort verdient hatte. Doch dann erbarmte er sich und erwiderte knapp:

„Sasuke hat dich hergebracht.“

„Sasuke?!“ Naruto setzte sich abrupt auf, bereute es aber im selben Moment, als ein gleißender Schmerz seinen Kopf durchzuckte. Stöhnend ließ er sich wieder auf sein Kissen sinken und wartete, bis die weißen Flecken vor seinen Augen aufgehört hatten zu tanzen. „Warum denn Sasuke?“

„Anscheinend war er in der Nähe und hat gesehen, wie du in Ohnmacht-“ Iruka betonte das Wort absichtlich und Naruto verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse, „-gefallen bist. Zumindest hat er mir das erzählt, als er mir Bescheid gesagt hat, dass du eventuell Hilfe benötigen könntest. Du solltest dich wirklich bei ihm bedanken.“

Nun drehte sich Iruka vollends herum und bedachte Naruto mit einem ernsten Blick.

„Ich weiß, dass du das gar nicht gerne hören wirst, Naruto, aber ich bin der Meinung, du solltest dir wirklich einmal ein Beispiel an Sasuke nehmen! Er geht nicht auf irgendwelche Parties und besäuft sich, er steckt nicht ständig in Schwierigkeiten, er verhält sich verantwortungsvoll und-“

Aber Naruto hörte schon längst nicht mehr zu. Seit dem Zeitpunkt, an dem Iruka Sasukes Namen erwähnt hatte, rasten die Gedanken mit Höchstgeschwindigkeit durch seinen Kopf. Es war keine Halluzination gewesen, ausgelöst durch den Alkohol und die Hitze. Sasuke war wirklich da gewesen! Und er hatte Naruto gesehen...

Da war es wieder, das Kribbeln in seinem Bauch, das ihn seit dem unbeabsichtigten Kuss einfach nicht in Frieden ließ und für das er keine bessere Beschreibung fand als den dämlichen Vergleich mit den Weihnachtselfen – denn eher würde er freiwillig ein ganzes Jahr lang auf Ramen verzichten, als den Ausdruck „Schmetterlinge im Bauch“ in den Mund zu nehmen!

Doch als er so in seinem Bett lag, sein Kopf und sein Magen gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen, und Irukas Moralpredigt über sich ergehen ließ, da kam ihm plötzlich die Erkenntnis, dass es kein bisschen gekribbelt hatte, als er letzte Nacht zum ersten Mal ein Mädchen geküsst hatte...
 


 

~~III~~
 

Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel und Uzumaki Naruto seufzte erleichtert auf, als er endlich den kühlen Schatten eines Baumes erreichte und sich dort auf die Erde sinken ließ. Direkt vor ihm lag der Trainingsplatz mit den drei Holzpfosten, auf dem Sakura, Sasuke und er einst Genin geworden waren – damals, als alles noch völlig unkompliziert gewesen war...

Vier Tage waren seit Narutos katastrophaler Bekanntschaft mit einem richtig schlimmen Kater vergangen, und heute war Team Sieben zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gemeinsam zur Missionsvergabe gegangen – nur um zu erfahren, dass es weder C- noch B-Rang-Missionen gab, von Aufträgen vom A- oder S-Rang ganz zu schweigen. Und so waren sie kurzerhand mit einem Haufen D-Missionen überladen worden, darunter Unkraut jäten, alten Omas die Einkäufe nach Hause tragen, Babysitten, und natürlich der Klassiker: die Katze Tora suchen, die einmal mehr aus den Fängen ihrer korpulenten Besitzerin entkommen war.

Sie hatten diese Aufgaben unter sich aufgeteilt – Naruto hatte sich von Anfang an geweigert, die Suche nach der streunenden Katze zu übernehmen und am Ende war es doch an ihm hängen geblieben –, um schneller fertig zu werden und sich dann wieder am Trainingsplatz zu treffen.

Wie es aussah, war Naruto der Erste, der alles erledigt hatte, unbeschadet bis auf ein paar Kratzer von dem verfluchten Katzenvieh. Allerdings dauerte es nicht lange, bis das nächste Mitglied des Teams eintraf, lautlos und unbemerkt wie ein echter Ninja. Naruto blickte auf und prompt verkrampfte sich sein Magen, als sich Uchiha Sasuke neben ihn in den Schatten sinken ließ. Rasch senkte er den Blick, starrte interessiert auf das vertrocknete Gras zu seinen Füßen und murmelte:

„Hey.“

„Hn.“

Es war keine besonders lange Antwort, aber das war zu erwarten. Sasuke war kein Mann vieler Worte.

Eine Weile herrschte Stille, dann brach Naruto das Schweigen, das ihm langsam unangenehm wurde.

„Auch schon fertig mit den Missionen?“

„Offensichtlich“, erwiderte Sasuke kurz angebunden.

Wieder war es eine Antwort, die zu erwarten gewesen war, und normalerweise hätte sich Naruto nicht im Geringsten daran gestört, doch etwas in der Stimme des Uchiha ließ ihn aufhorchen. Es klang fast so, als sei Sasuke eingeschnappt. Aber Naruto wagte es nicht, den Blick zu heben und nachzufragen, und so legte sich erneut ein tiefes Schweigen über die zwei Ninja im Schatten des Baumes.
 

„Wie geht’s deiner Freundin?“

Diesmal war es Sasuke, der die Stille unterbrach, und wieder hatte Naruto das Gefühl, dass er eingeschnappt klang. Das verwirrte ihn, doch noch mehr verwirrte ihn die Frage an sich.

„Meine... was?“

„Deine Freundin. Du weißt schon-“, Sasuke machte eine wage Handbewegung in Richtung Dorf, „-die von Sonntagnacht.“

„Sonntagnacht...?“ Dann fiel es Naruto wie Schuppen von den Augen. „Ach die!“

Und dann fügte er ein wenig heftiger hinzu als er eigentlich wollte:

„Die ist doch nicht meine Freundin!“

„Sah aber ganz anders aus.“

Diesmal war sich Naruto hundertprozentig sicher: Sasuke war eingeschnappt! Aber warum? Weil Naruto ein Mädchen geküsst hatte? Weil Naruto jemand anderen als Sasuke geküsst hatte? Das war doch lächerlich!

Trotzdem beeilte er sich zu erklären:

„Ich kenn die gar nicht! Die war auf einmal da, total besoffen!“ Und mit roten Wangen fügte er etwas leiser hinzu:

„War ich übrigens auch. Ziemlich voll, mein ich.“

„Aha“, war Sasukes einziger Kommentar dazu, und er hörte sich kein bisschen versöhnlicher gestimmt an, als er eine Weile später fragte:

„Also machst du mit jedem, der dir über den Weg läuft, rum, wenn du einen über den Durst getrunken hast?“

Nun lief Narutos ganzer Kopf feuerrot an.

„So'n Quatsch! Das... Das war 'ne Ausnahme!Ich... Ich war da nicht... Ich mein, ich küss doch nicht jeden, der mir über den Weg läuft! Egal, ob besoffen oder nicht!“

Sasukes Stimme war ernst und leise, als er erwiderte:

„Und wen küsst du dann?“

Naruto sah auf. Er musste einfach, er konnte Sasuke nicht länger zuhören und gleichzeitig so tun, als würde es ihn nicht verwirren und erstaunen – und seine Neugierde wecken. Vor allem seine Neugierde. Verwirrung und Erstaunen waren nebensächlich, ja wurden fast verdrängt durch Hunderte von neugierigen Fragen, die Naruto durch den Kopf schwirrten.

Doch als er in die schwarzen Augen des Uchiha blickte, schien sein Kopf plötzlich wie leer geblasen. Alle neugierigen Fragen hatten sich mit einem Mal verflüchtigt, Verwirrung und Erstaunen im Gepäck. Nur noch Sasukes Augen blieben übrig und seine Nase, seine Wangen, seine Lippen, seine Augenbrauen, seine helle Haut, sein Gesicht.

„Wen ich küsse?“

Es war mehr ein Krächzen als eine Frage. Sein Blick blieb an den Wimpern hängen und auf einmal kam ihm in den Sinn, dass sie Sasukes Gesicht einen leicht femininen Ausdruck verliehen. Fast wie in Trance hob er die Hand und berührte eine blasse Wange mit den Fingerspitzen, lehnte sich vor und legte seine eigenen rauen ganz leicht auf Sasukes schmale Lippen.
 

Es war ein Gefühl jenseits von allem, was Naruto jemals gespürt hatte. Das merkwürdige Kribbeln, das sich bisher ausschließlich in seinem Bauch aufgehalten hatte, durchströmte plötzlich seinen ganzen Körper bis in die Finger- und Zehenspitzen. Die Härchen an seinen Armen stellten sich auf und ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken, während jedes seiner Körperteile prickelte, als stünde es ganz schwach unter Strom.

Das Gefühl wurde um ein Vielfaches intensiver, als Sasuke den Mund öffnete und Naruto seine Zunge spüren konnte. Er ließ seine Fingerspitzen ganz leicht über den Körper des Uchiha gleiten, von den Wangen über den Hals die Arme hinunter und wieder zurück.

Und die Zeit stand still...
 


 

Erst die laute Stimme von Haruno Sakura, die immer näher kam, holte Sasuke und Naruto aus ihrer eigenen kleinen Welt in die Wirklichkeit zurück. Sie kam gemeinsam mit ihrem Sensei Hatake Kakashi zum verabredeten Treffpunkt und beschwerte sich lautstark über eben diesen; so, wie es sich anhörte, hatte er lieber eines seiner Lieblingsbücher, Icha Icha Tactics, gelesen, anstatt sich um die ihm aufgetragenen Missionen zu kümmern...

Mit roten Wangen löste sich Naruto von Sasuke, der ebenfalls rosa angelaufen war, und beide starrten hastig zu Boden. Kakashi, inzwischen im Schatten des Baumes angekommen, vergaß sofort seinen Verzeihung heischenden Gesichtsausdruck und blickte den männlichen Rest seines Teams stattdessen neugierig an.

„Was ist denn hier passiert? Ihr seid ja ganz rot im Gesicht...“

„Es ist heiß“, erwiderte Sasuke etwas zu schnell und zu hitzig, um als lässig durchzugehen. „Manche Leute schwitzen, wenn es heiß ist, und werden dann rot. Schon mal daran gedacht?“

„Aber Sasuke-kun“, warf Sakura ein und deutete gen Himmel, „es ist gar nicht mehr heiß. Die Sonne ist schon längst verschwunden.“

Sie hatte natürlich Recht, es war wirklich nicht mehr besonders heiß. Stattdessen war die Luft unangenehm drückend wie vor einem Gewitter, und wie zur Bestätigung hatten sich dunkle Wolken vor die Sonne geschoben. Regen war so sicher wie das Amen in der Kirche.

„Wow, guck mal, Sasuke, Sakura-chan hat Recht!“, bemerkte nun auch Naruto erstaunt. „Die Sonne ist echt weg! Das ist uns gar nicht aufgefallen!“

Sakura und Kakashi warfen ihm einen seltsamen Blick zu.

Sasuke schlug sich nur mit der Hand gegen die Stirn.
 

***
 

Natürlich überraschte der Regen sie mitten auf dem Heimweg. Als sie schließlich die Kreuzung erreichten, an der sie sich immer trennten, waren sie bereits bis auf die Haut durchnässt. Sakura verabschiedete sich rasch und hastete dann in Richtung ihres Hauses davon. Kakashi zog den Kopf ein und tat dasselbe. Naruto, dessen Wohnung am weitesten entfernt lag, wollte ebenfalls aufbrechen, als Sasuke ihn am Arm berührte.

„Willst du noch mit zu mir kommen und das Gewitter abwarten? Sonst holst du dir vielleicht noch eine Erkältung.“

Beiden war vollkommen klar, dass das nur eine Ausrede war, noch dazu eine ziemlich billige, denn erstens war Narutos Nachhauseweg nun doch nicht so weit, zweitens war er ohnehin schon klatschnass und drittens wurde er dank seines unfreiwilligen Untermieters so gut wie nie krank. Doch trotzdem zuckte Naruto nur mit den Schultern und nickte dann.

„Kann nicht schaden, so schnell wie möglich ins Trockene zu kommen.“

Und so brachen sie in Richtung Sasukes Haus auf, beide heimlich voller Erwartung, was dort passieren würde, und voller Vorstellungen, was dort passieren könnte.
 

Doch erstmal geschah gar nichts, zumindest nicht in der Beziehung, die beiden Jungen vorschwebte. Sie holten sich frische Kleidung aus dem Uchiha'schen Kleiderschrank und trockneten sich schweigend im Badezimmer ab. Erst als Sasuke sein nasses T-Shirt auf den Boden klatschte und Naruto, der hinter ihm stand, plötzlich begann, die dunklen Haare des Uchiha mit einem Handtuch trocken zu rubbeln, kam Bewegung in die Sache. Sasuke hob langsam seine Hände über den Kopf, legte sie auf Narutos und bedeutete ihm damit aufzuhören. Eine Weile herrschte Schweigen, während beide in ihrer Position verharrten, ohne einen Muskel zu bewegen. Irgendwann fragte Sasuke leise:

„Wirst du dich auch in Zukunft wieder betrinken und irgendwelche Mädchen küssen?“

Über die Antwort auf diese Frage musste Naruto nicht lange nachdenken.

„Das muss ich jetzt nicht mehr.“

„Warum nicht?“, fragte Sasuke überrascht.

Naruto lächelte und küsste seinen Nacken.

„Weil ich jetzt dich habe, du Trottel.“
 


 

~~IV~~
 

„Maaaaami, was machen die daaaaa?“

„Sch, schau da nicht hin, komm weiter!“

„Also wirklich, so was...“

„Und auch noch in der Öffentlichkeit!“

„Die sollten sich was schämen, die jungen Leute heutzutage!“

„Aber Maaaaami...!“
 

Uzumaki Naruto grinste. Er konnte es sich nicht verkneifen, es kam einfach so, schlich sich auf sein Gesicht und verhinderte die Fortsetzung des intensiven Kusses, in den er gerade eben noch mitten auf der Hauptstraße Konohas verwickelt gewesen war.

Sein Mittäter, ärgerlich darüber, dass der Kuss unterbrochen wurde, sah ihn vorwurfsvoll an.

„Was ist so lustig?“

Naruto grinste nur noch breiter und strich sanft über die Backe seines Freundes.

„Ach, nichts, es ist nur... Genau so eine Situation haben wir vor drei Wochen schon einmal erlebt, du weißt schon-“, er machte eine wage Handbewegung, „-die Sache mit der Bananenschale. Damals hab ich gedacht, ich müsste vor Scham sterben. Jetzt denke ich, dass es nichts Witzigeres auf der Welt gibt als all diese Leute, die dumm gucken. Das ist alles.“

Uchiha Sasuke verzog unwillig den Mund.

„Und dafür unterbrichst du unseren Kuss? Ich war gerade so gut dabei!“

Naruto hob abwehrend die Hände und lachte.

„Okay, okay, es tut mir Leid, ich bitte vielmals um Vergebung. Ich werde alles tun, um das wieder gut zu machen.“

Und das tat er auch, nahm Sasukes Gesicht in seine Hände, schenkte der Runde starrender Leute einen letzten, frechen Blick und lehnte sich nach vorne.

Und einmal mehr schien die Zeit stillzustehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Maren-san
2017-09-03T23:52:33+00:00 04.09.2017 01:52
So ein Süßes Kapitel *herz dahin schmilzt*
Von:  Jenhamat
2009-11-09T17:18:06+00:00 09.11.2009 18:18
Ich liebe es *.*
das ist puuuuuuurer zucker,soooooo süüüüüüüüüüüüß
und ich hab mich immer gekringelt vor lachen
Von:  WordlessPoet
2009-07-05T16:12:33+00:00 05.07.2009 18:12
Eine wirklich süße Geschichte, die einen garantiert zum Lächeln bringt^^
Besonders Sasuke mal eifersüchtig zu erleben...
...richtig niedlich XD
Gelungen finde ich auch, dass das letzte Kapitel so beginnt, wie das erste.(Nur diesmal mit Absicht ;) )
Hat Spass gemacht zu lesen.

Lg WordlessPoet
Von:  Spielzeugkaiser
2009-06-22T19:21:58+00:00 22.06.2009 21:21
Wow!
Ich bin die Erste... Was mir persönlich unverständlich ist.
Ich liebe es *~*
Der One Shot ist wirklich klasse!
Er ist süß, hat Humor und ein bisschen Spannung ist auch mit drin.
Wirklich niedlich die beiden xD
Ansonsten: Rechtschreib oder Grammatikfehler hab ich nicht gefunden. Hab aber auch nicht danach gekuckt^^
Alles in allem ein super OS!
Mach weiter so!
LG, *knuddlez*


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