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The Mask

True Love never dies
von

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Prolog

The Mask

oder: True Love never dies

von Malou Ferfers
 


 

Prolog
 

Es ist jetzt zwei Monate her. Immer noch sitz ich hier allein, ohne irgendeinen Menschen der sich für mich interessieren könnte. Vor zwei Monaten gab es diesen Menschen, Christine Dáae, sie war der erste und mit Sicherheit der letzte Mensch der sich irgendwie für mich interessiert hat. Vor diesen zwei Monaten war sie hier bei mir, in meinem Reich der Finsternis. Ich liebte sie, nein, ich liebe sie immer noch. Ich flehte sie an hier bei mir zu bleiben, aber sie hatte nur diesen kleinen, schmierigen Grafen im Kopf. Doch sie hatte Mitleid mit mir.

Sie küsste mich.

Seid diesem Tag ist mein Leben vorbei. Mein Herz hat bekommen was es wollte und nun gibt es nichts mehr wofür es sich lohnt zu leben.

Jetzt sitze ich hier wieder allein an meinem See, an meiner Wohnung, in meinem Opernhaus. Neben mir liegt die Waffe des Grafen, die er dabei hatte als er hier herunter kam. Warum weiß ich nicht, aber ich beginne zu singen:
 

„Ich hab' damals gespürt,

wonach ich mich so lang gesehnt.

Du hast die Kraft bewegt,

die bisher meine Seel' gelähmt.

Jetzt bin ich frei, so schwerelos.

Ich steh' vor dir entblößt.

Die Sehnsucht hat mein Herz genährt,

sie hat ihr Ziel erreicht.

Was ist los? Was geht hier vor?

Ich fühl' mich plötzlich leer.

Versagt blieb mir,was mich verzehrt.

Die Kraft reicht nun nicht mehr.

Dieser Kuss hat mein Herz verbrannt.
 


 


 

Ich hätt' nie gedacht,

was ein Augenblick vermag.

Könnt ich nur bewahr'n,

was mir jetzt Erlösung gebracht.

Deine Liebe hat geschafft,

dass mein Herz sehen kann.

Was ist los? Ich fühl' mich leer.

Was ist mit mir gescheh'n?

Dieser Kuss hat mein Herz verbrannt.

Was geht hier vor?

Was ist mir gescheh'n?“
 

Ich blicke neben mich auf den Boden. Sie liegt immer noch da – warum sollte sie auch weg sein – die Waffe des Grafen. Eine schöne alte Pistole. Ich heb sie auf...Sie ist geladen.

Ich zieh den Hammer zurück. Meine Hände zittern - warum nur? -, dann hebe ich die Waffe mit der rechten Hand an meine rechte Schläfe.

Ich spüre die Angst, die sich in meinem Körper ausbreitet. Ich schließe die Augen.

Ein Geräusch! Die Sirenen. Jemand ist an meinem See. Egal.

Ich öffne die Augen nochmal kurz und sehe jemanden vor mir stehen...

1. Kapitel

*Buch 1*

aus der Sicht von :

Nicky - Nigel
 


 


 


 


 


 


 

1. Kapitel

Vor ca. 10 Minuten
 

Hey Neue, geh mal die Kulisse von Faust holen!“, schrie mich dieser dicke neue Operndirektor an. Nur weil ich hier neu bin, heißt das ja noch lange nicht, dass man mich so anschreien muss. Wer ich bin? Oh, entschuldigt, ich habe mich gar nicht vorgestellt.

Mein Name ist Nicky, ich bin vor zwei Wochen 16 Jahre alt geworden und arbeite zur Zeit hier im Opernhaus.
 

„ Ähm, klar, mach ich. Aber wo ist die denn?“

„ Die steht ganz unten im untersten Keller“
 

War ja klar, da unten schicken sie komischerweise immer nur die Neuen runter. Irgendwie haben alle Angst vor dem „untersten Keller“. Ich hab mal jemanden aus dem Orchester gefragt und der erzählte mir dort unten würde ein Geist leben, der vor zwei Monaten die Diva Christine und ihren Verlobten den Grafen de Chagny entführt habe.

Ich glaube nicht an Geistergeschichten. Aber interessieren würde es mich schon, wo die beiden abgeblieben waren. Der Kerl vom Orchester hatte auch gesagt, dass man in „die Wohnung des Phantoms“, so nennen die Leute hier diesen Geist, nur über irgendwelche Falltüren kommt und dass der unterste Keller gar nicht der unterste ist, sondern dass es noch einen tieferen gibt wo ein See und die Wohnung liegen.

Ich bin wirklich zu neugierig für so was. In meinen Pausen gehe ich immer runter in den Keller und suche nach irgendwelchen Eingängen die zum See führen könnten.
 

Naja, ich soll ja die Kulisse holen, also mache ich mich auf den Weg. Mittlerweile habe ich einige Falltüren gefunden, die mir den Weg in „den untersten Keller“ eindeutig erleichtern. So bin ich innerhalb von ca. 2 Minuten ungefähr 20 Meter unterhalb des Zuschauerraums. Die Kulisse steht direkt vor mir, dort wo sie alle alten Kulissen lagern. Vor etwa zweieinhalb Monaten hat man hier den Leichnam des erhängten Buquet gefunden. Ein komisches Gefühl an einem Ort zu sein wo ein Mensch starb. Natürlich war es das Phantom, das Buquet tötete, so sagen es die Leute zumindest.

Ich halte das, wie schon gesagt, für absoluten Blödsinn. Aber das ist mal wieder typisch für diese Künstler, vorallem die kleinen Mädchen im Ballett sind sehr abergläubisch.

Man hat jedoch das Seil, oder was auch immer, mit dem Buquet getötet wurde, nie gefunden.
 

Wo ich schon mal hier bin...

Da kann ich doch auch direkt mal nachsehen, ob es vielleicht hier eine Falltür oder einen Eingang zum See gibt.

Ich knie mich also auf den Boden und taste nach irgendetwas was ein Knopf oder eine Tür sein könnte. Ich taste mich immer weiter in Richtung der Kulissen vor, dann...
 

Plötzlich spüre ich unter meiner rechten Hand wie der Boden nachgibt. Ein Schalter oder Knopf oder etwas ähnliches. Ich warte ab, aber nicht passiert. Dannach merke ich nur noch wie der Boden unter mir nachgibt und ich falle.
 

Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich „endlich“ auf dem Boden aufkomme. Irgendetwas hat den Aufprall abgefangen, aber trotzdem spüre ich höllische Schmerzen in meiner linken Schulter. Ich trau mich nicht sie zu bewegen, hab Angst, dass sie gebrochen ist. Also bleibe ich gefühlte Stunden so da liegen, bis meine Neugier mich antreibt und ich aufstehe. Ich kann die Schulter bewegen, also ist nichts gebrochen und der Schmerz lässt auch nach – glaube ich.
 

Es ist stockduster hier unten, ich kann so gut wie gar nichts sehen. Das einzige was ich sehe ist, dass in einem Gang vor mir Licht scheint. Vielleicht gibt es diese Wohnung ja wirklich.
 

Plötzlich bleibe ich mit meinem Fuß in irgendwas hängen und falle voll auf die Nase. Schon wieder so ein dumpfer Schmerz. Ich dreh mich auf den Rücken, setze mich auf und sehe nach wo ich da hängen geblieben bin. Ein Seil, eine Art Lasso – würde ich sagen.

„Waaaaah!“, ich kann einen Aufschrei nicht unterdrücken und lasse das Seil fallen. Das muss der Strick sein mit dem Buquet getötet wurde. Panische Angst steigt in mir auf.

Es gibt dieses Phantom wirklich...

Nur wo soll ich jetzt hin?

Zurück? Geht nicht, das Loch ist erstens wieder zu und zweitens viel zu weit oben.

Weiter? Was bleibt mir anderes übrig!?
 

Ich gehe also weiter in Richtung des Lichts. Es ist ein merkwürdiges, gedämpft wirkendes Licht und als ich endlich sehe woher es stammt wird die Angst in mir noch größer.
 

Direkt vor mir befindet sich ein riesiger See an dessen Ufer ein kleines Boot anliegt, an diesem Boot befindet sich eine kleine Lampe – daher stammte also das Licht.

Aber...wenn es diesen See wirklich gibt...heißt das es gibt die Wohnung? Das Phantom?

Ich habe nun noch zwei Möglichkeiten:

Entweder ich geh zurück zu der Falltür, wo ich runter gefallen bin, und brüll wie ein Blöder um Hilfe.

Oder ich steige jetzt in dieses Boot und fahre dorthin wo vielleicht das andere Ufer mit der Wohnung und dem Phantom ist.
 

Da ich echt nicht der Typ Mädchen bin der wie ein Verrückter rumschreit und die Neugier mal wieder über meinen Verstand siegt, steige ich in dieses beschissene Boot, nehme mir den ungefähr drei Meter langen Stab, der direkt neben dem Boot steht und stoße mich mit dem Stab vom Ufer ab.

Erst als ich schätzungsweise 100 Meter zurückgelegt habe, fällt mir etwas auf:

Warum ist das Boot an diesem Ufer, wenn doch die Wohnung auf der anderen Seite ist?

Warum hat mich das Phantom nicht schon längst erwürgt, wenn es nicht bei seiner Wohnung ist?

Ist das alles eine Falle?

Sollte ich nur in dieses Boot steigen, damit ich in diesem See jämmerlich ertrinke?

Wieder diese panische Angst.

Ich will noch nicht sterben. Ich setze mich vorerst hin und versuche mich zu beruhigen. Tief Atmen, Nick, tief Atmen...
 

Plötzlich höre ich eine Stimme, eine weibliche Stimme. Sie singt, wunderschön. Es hört sich an wie die Sirenen, die immer in alten Seefahrer-Geschichten vorkommen.

Aber wenn es diese Sirenen sind, dann darf ich nicht darauf eingehen. Ich versuche diese Stimmen zu ignorieren und urplötzlich hören diese Stimmen auf. Es waren also wirklich diese Sirenen.

„Puuh, dieses Phantom hat sich echt einiges ausgedacht, aber warum kommt es nicht und tötet mich, wenn diese Sirenen, so was wie eine Alarmanlage sind?“

Ich stehe wieder auf und stoße mich weiter mit dem Stab vom Boden ab und fahre weiter in Richtung erahntes Ufer.

Wieder höre ich eine Stimme, aber diesmal eine männliche, eine weniger wunderschöne, oder besser gesagt wunderschön aber schmerzverzehrte.

Die Stimme kommt vom Ufer her.
 

Ist es das Phantom?
 

Okay, jetzt bin ich echt neugierig geworden. Es hat mich noch nicht getötet, also warum sollte es mich jetzt töten?

Ich fahre also weiter in Richtung Ufer. Die Stimme wird immer lauter, langsam versteh ich auch was die Stimme singt:

„Was ist los? Ich fühl' mich leer.

Was ist mit mir gescheh'n?

Dieser Kuss hat mein Herz verbrannt.

Was geht hier vor?

Was ist mir gescheh'n?“

Es muss das Phantom sein.

Wow, dieses Phantom hat eine wunderbare Stimme. Aber irgendwas stimmt nicht mit ihm. Er, ja ich schätze das Phantom ist ein Mann, klingt traurig und völlig verloren.

Aber er scheint mich nicht bemerkt zu haben.
 

Ich bin am Ufer angekommen und steige aus dem Boot. Jetzt sehe ich seine Silhouette. Eine, fast, vollkommen schwarze Gestalt. Nur das Gesicht ist bis zum Unterkiefer mit einer weißen Maske bedeckt. So viel kann ich erkennen. Was ich noch erkennen kann ist, dass die Getsalt an Waffe hat.

'Scheiße', ich kriege fast einen Herzinfakt. Doch dann sehe ich, dass er die Waffe an seine eigene Schläfe hält. Oh mein Gott, er will sich umbringen. Ich weiß nicht wieso, aber in mir steigt das Gefühl auf, das ich nicht will, dass dieser Mann stirbt.
 

„Halt! Das bringt doch nichts!“, ich schreie diese Getsalt an und sie sieht auf.

2. Kapitel

2. Kapitel
 

Er sieht mich an. Vorsichtig trete ich näher an ihn heran. Ich rede durchgehend auf ihn ein. „Lass das, das bringt doch nichts, kein Schmerz kann so schlimm sein, dass man sterben will, ...“ Und so weiter. Als ich nahe genug an ihm dran bin, sehe ich genau wie er aussieht:

Er hat schwarze, zurückgegelte Haar, bei denen nur zwei Strähnen abstehen. Sein Gesicht ist, bis auf den Mund, von einer weißen Maske bedeckt, bei der nur zwei Löcher für die stahlblauen Augen zu sehen sind. Er trägt einen schwarzen Mantel, ein weißes Hemd, eine schwarze, lässig um den Hals hängende Krawatte und eine schwarze Hose.

Ich sehe, dass in seinen Augen Tränen sind. Er sieht wirklich verbittert aus.

Trotzdem grinst er mich an, als ich näher komme. Es ist ein undefinierbares Grinsen. Ich kann nicht sagen, ob es Trauer, Freundlichkeit oder Feinseligkeit ist.
 

Erst jetzt sehe ich, dass er den Hammer der Waffe schon zurückgezogen hat. Sein Finger liegt am Abzug und ich stehe noch circa drei Meter von ihm entfernt. Ich will nicht, dass er stirbt, aber wie soll ich ihn jetzt noch aufhalten!?

Wieder sehe ich ihm ins Gesicht und merke jetzt, dass sein Lächeln freundlich gemeint ist – oder bilde ich mir das nur ein?. Wenn ich nicht bald was tue, bringt der Kerl sich um.

Panisch suche ich um mir herum nach irgendetwas was ihn aufhalten könnte.
 

Neben mir liegt ein Stein – die Lösung! Ich knie mich auf den Boden, hebe den Stein auf und stell mich zu einer guten Wurfposition hin. Normalerweise kann ich ganz gut treffen, also ziele ich auf seine rechte Hand mit der Waffe.
 

Genau in dem Moment in dem ihn der Stein trifft, drückt er ab. Zum Glück verzögert sich der Schuss um ein paar Millisekunden, sodass die Kugel knapp an seiner Stirn vorbeisaust.

Erst jetzt merke ich, dass der Stein nicht seine Hand sondern seinen Kopf getroffen hat und zwar mitten auf die Stirn. Der Stein den ich geworfen hatte ist echt nicht klein er ist circa faustgroß.

„Oh, Scheiße“, ich renne auf ihn zu. Er liegt jetzt auf dem Boden, die Waffe hat er fallengelassen und ... seine Maske liegt neben ihm auf dem Boden. Ich achte gar nicht auf das Gesicht, das unter Maske verborgen liegt. Ich sorge mich viel mehr darum, ob der Kerl noch lebt. Die Wunde an der Stirn, wo ihn der Stein getroffen hat, sieht echt fies aus, es blutet zwar nichts, aber man sieht jetzt schon ne dicke Beule.
 

Dummer Weise kann ich ein Lachen nicht unterdrücken. Dann fasse ich mich jedoch wieder und sehe nach ob der Kerl noch atmet und fühle seinen Puls.

Alles normal.

Ich atme erleichtert auf.

„Na toll, und was mach ich jetzt mit dir?“, ich setze mich neben ihn auf den Boden. Erst jetzt sehe ich in sein Gesicht. Sein Gesicht sieht aus als wäre ihm vor Jahrzehnten mal ein Rasenmäher drüber gefahren und nun seien die Wunden vernarbt. Also es sieht grauenvoll aus, alles, außer seinem Mund, ist verzehrt oder zerfetzt. Aber als ich in längere Zeit so ansehe wird der Anblick immer erträglicher. Die Maske kann er jetzt wohl erstmal nicht mehr tragen, bei der Beule. Ich muss grinsen, als ich daran denke.
 

Ich kann ihn doch nicht einfach hier liegen lassen. Der Kerl ist ohnmächtig und liegt auf eiskaltem Boden. Ich versuche ihn hochzuheben, aber er ist zu schwer. Also mache ich das beste draus und gucke mich erstmal in seiner Wohnung um, ob ich nicht vielleicht ein Bett oder etwas ähnliches finde.
 

Vom See aus geht es direkt in eine Art Salon. Er ist wunderbar gestaltet und golden verziert. Vom Salon gehen drei Türen ab. Die linke steht offen und ich sehe, dass es eine Art Gästezimmer sein muss, da das Bett unberührt aussieht. Die mittlere Tür ist geschlossen und die rechte ebenfalls. Ich gehe erst zur rechten. Keine Chance – sie ist abgeschlossen. Dann gehe ich zur mittleren. Ich drücke die Klinke runter und mache die Tür auf. Wieder ein großer Saal. Nicht so groß wie der Salon, aber auch nicht gerade klein. Die Wände sind mit schwarzem Samt behangen und auf dem Samt sind Notenlinien und Noten zu erkennen, es scheint eine ganze Oper an dieser Wand zu stehen.

In der Bett des Raumes steht ein Bett. Ein wunderschönes Bett. Es scheint aus geschwärztem Silber oder Kupfer zu sein. Es hat die Form von einem riesigen Schwan und innen drin liegen rote Kissen und Decken. An der linken Wand des Raumes steht noch eine Orgel ebenfalls wunder schön.

Überall auf dem Boden liegen Blätter mit Noten drauf. Auf wenigen der Blätter lassen sich kleine Blutspritzer erkennen. Hier müssen Christine und der Graf, mir fällt sein Name nicht mehr ein, gewesen sein. Aber wo sind sie hin?

Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern. Ich geh zurück zum See.
 

Er liegt immer noch bewusstlos da rum – naja, wo soll er auch hingegangen sein?. Ich gehe also zu ihm. Ich hocke mich wieder neben ihn. Er scheint noch lange nicht aufwachen zu wollen.

Dann fällt mein Blick auf die Waffe. Es ist wirklich eine wunderschöne alte Pistole. Ich hätte nicht gedacht, dass man so was im 21. Jahrhundert noch irgendwo finden kann. Aber ich habe zuviel Angst, was er damit noch anstellen könnte, also nehme ich die Waffe vorsichtig in die Hand und stelle wieder meine Wurfkünste auf die Probe. Doch diesmal treffe ich.

Die Waffe landet mitten im See.
 

Ich drehe mich wieder „dem Phantom“ zu. Da ich ihn nicht tragen kann, muss es anders gehen. Ich nehme vorsichtig seine Hände und hebe sie soweit an, dass sein Kopf nicht mehr über den Boden schleift.

So ziehe ich ihn bis in das schwarze Zimmer und lege ihn in das Schwanen Bett.
 

Ich gehe zurück zum See und hole seine Maske. Dann gehe ich wieder zu ihm zurück. Ich setze mich neben ihn in das Bett – es ist groß genug, sodass ich nicht mal annähernd in seiner Nähe bin. Lange sitze ich hier und schaue einfach nur seine Maske an. Irgendwie ist sie ... keine Ahnung ... ich weiß nicht wie ich es ausdrücke soll:

Wunderschön?

Mysteriös?

Angsteinflößend?

Irgendwie von jedem etwas.

Ich starre die ganze Zeit diese Maske an und merke gar nicht, dass der Kerl wach ist und MICH anstarrt.

„Waaaaaah“, ich zuck zurück und kriege wieder fast einen Herzinfakt.

„Bist du verrückt? Erschreck mich nicht so! Willst du, dass ich sterbe?“, ich schreie ihn dermaßen laut an, dass er die Augen ganz kurz erschrocken aufreißt, sich aber dann ganz schnell wieder fasst.
 

„Mich würde es nicht stören, wenn du stirbst“, sagt er und sieht mich gleichgültig an.

„Ich kenne dich ja noch nicht mal, also warum sollte es mich interessieren was mit dir passiert!? Mir wäre es allerdings lieber du würdest sterben, damit ich in Ruhe sterben kann ohne von einem kleinen nervigen Mädchen dabei aufgehalten zu werden.“

Ich muss dabei ziemlich dumm aussehen, weil ich die ganze Zeit, während er das ganz trocken zu mir sagt, den Mund aufstehen habe.

„Das ... war jetzt Spaß, ne?“, frag ich ihn einwenig panisch.

„Nein, ich mein das ernst. Außerdem hast mein Gesicht gesehen, das geht gar nicht klar.“

„Aber...warum? Ich mein es ist schlimm, aber ich hab kein Problem damit.“

„Das meinst du nicht ernst?!“, er starrt mich echt total perplex an.

„Ich mein das toternst.“
 

Was jetzt passiert kann ich irgendwie nicht ganz verstehen.

Er sieht mich an. Er lächelt und hat Tränen in den Augen.
 

„Hey, was ist denn jetzt los? Das war doch nicht böse gemeint.“

„So was hat bisher erst ein Mensch zu mir gesagt...Christine“, das „Christine“ hört sich traurig, verzweifelt und verträumt an.

„Aber außer ihr darf das keiner sagen!“, urplötzlich sieht er mich wutentbrannt an.

„Ähm...Tut mir leid...Wirklich“, ich weiche immer weiter zurück.

'Oh, verdammte Scheiße, was mach ich jetzt?'

„Du, ich...ähm...es tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht verletzen, auch das mit dem Stein war keine Absicht. Ich wollte dich nur davon abhalten, dich umzubringen.“

Er beruhigt sich so plötzlich wie er wütend wurde.

„Ist das dein Ernst?“

„J-j-j-j-j-ja“, ich weiß nicht ob das falsch war aber was soll ich sonst sagen?

Er steht auf und geht in Richtung Orgel – vorerst außer Gefahr. Ich sehe ihm nach, halte immer noch seine Maske in der Hand.

„Bitte geh“, sagt er ohne mich anzugucken.

„Wenn du mir versprichst dich nicht umzubringen, okay. Zeigst du mir den Weg?“

Er nickt und bringt mich zu einem geheimen Ausgang.

Ich gebe ihm ein kleines Küsschen auf die Wange, worauf er mich total verdattert anguckt und ich verschwinde mit seiner Maske.

3. Kapitel

3. Kapitel
 

Wieder oben angekommen, stopfe ich die Maske schnell in meine Westentasche und mache mich sofort auf den Weg die Kulisse zu holen, damit keiner Verdacht schöpft. Ich geh mit der Kulisse sofort zum Operndirektor. Er steht immer noch da, wo ich ihn stehengelassen habe.

„Wo warst du denn?“, schnaubt er mich an.

„Ich...öhm...hab mich verlaufen.“

„Hrm“, mehr sagt er nicht nur : „Hrm“. Was ein Glück.

„Kann ich sonst noch was tuen, Sir?“, frage ich ihn.

„Nein, du kannst nach Hause gehen, wenn du willst.“

„Danke, Sir, aber ich denke ich werde unten noch ein wenig aufräumen.“

„Gut, gut mach das. Wenn du willst kannst du auch Schlafsaal von den kleinen Balletttänzerinnen schlafen.“

„Gut, danke.“ Ich nicke ihm nochmal zu und verschwinde.
 

Da ich es ja selbst vorgeschlagen habe, muss ich wohl nicht wirklich aufräumen, also geh ich erstmal nach draußen. Das war echt heftig, vorhin im Keller, mit ... Mist, ich weiß gar nicht wie er heißt.

Naja, draußen angekommen atme ich erstmal tief durch.

Soll ich heute nochmal nach unten?

Darf ich überhaupt nochmal da runter?

Oder bringt er mich um wenn ich wieder komme?

Vielleicht hat er sich ja schon umgebracht??

Wieder steigt Panik in mir auf. Er darf nicht sterben.

Ich setze mich an einen See, der ungefähr hundert Meter von der Oper entfernt liegt. Ich greif in meine Westentasche und hol die Maske hervor. Er kann sie zur Zeit eh nicht tragen und wenn er sie wieder haben will, muss ich wohl oder übel wieder zu ihm runter.

Aber nicht heute...Ich sitze noch ein paar Stunden hier am Se und betrachte seine Maske, dann stehe ich auf und gehe zurück zur Oper. Ich kenn mich mittlerweile so gut hier aus, dass ich ohne große Umwege direkt zum Schlafsaal gehe.
 

„Hier ist nichts mehr frei“, keifen mich diese kleinen Tussen an, ohne dass ich irgendwas gefragt oder gesagt hätte.

„Schon gut, schon gut, wo ist denn noch ein Bett frei?“

„In der verfluchten Kabine“, sie grinsen sich an. Sie hoffen wohl ich hätte Angst – aber keine Chance.

„Die von Mademoiselle Dáae? Gut, danke.“

Wie verdattert sie mich anstarren, aber mir kommt das gerade recht. Der Raum in dem Christine verschwunden und nie wieder aufgetaucht ist. Wenn er was damit zu tuen hat, dann finde ich ihn dort am ehesten wieder, denn die Falltür bei den Kulissen hat er zugesperrt. Er will mich wohl sobald nicht wieder sehen. Na, da hat er wohl Pech gehabt, denn ich werde ihn wiedersehen!

Der Weg von dem Schlafsaal bis zur Garderobe der Diva ist recht kurz, innerhalb von fünf Minuten steh ich vor der Tür. Es ist nicht abgeschlossen und ich trete einfach ein. Ans Schlafen ist jetzt noch lange nicht zu denken, also geh ich wie eine Verrückte im Zimmer auf und ab. Ich warte gerade zu nur darauf, dass er sich irgendwie meldet. Aber nichts geschieht.

Hier in der Garderobe ist alles sehr kitschig, alles voller Rosen und Samt. Eigentlich ganz schön, aber ein bisschen zu übertrieben für meinen Geschmack.

Während ich so auf und ab gehe, merke ich, dass ich immer unruhiger werde. Ich glaube, dass es mit ihm zusammen hängt.
 

Erst jetzt bemerke ich den riesigen Spiegel, der an einer Seite der Wand steht.

„Engel!?“, eine Stimme – verzweifelt, flehend, nur ein Hauch.

„Engel!“, diesmal ist die Stimme klarer – sie kommt vom Spiegel.

„Wer ist da?“, ich gehe in Richtung des Spiegels.

„Mein Engel...Du bist zu mir zurück gekehrt. Komm zu mir, begleit mich in mein Reich!“

„Ich? Meinst du mich?“ Na, wen sonst? Ich bin allein hier drin.

„Natürlich mein ich dich, mein Engel.“

„Aber wie komm ich zu......“, die Frage klärt sich von selbst Der Spiegel, vor dem ich stehe, gleitet zur Seite und gibt den Weg frei.

Er steht jetzt direkt vor mir. Er wirkt ein wenig verändert, aber trägt immer noch keine Maske – wie auch? Ich hab ja seine Maske und die Beule ist auch noch deutlich zu sehen.

Er streckt mir seine Hand entgegen. Ohne groß nach zu denken nehme ich seine Hand und lasse mich von ihm führen.
 

Nach ein paar Minuten, in denen ich nichts sehen kann, kommen wir wieder an der Wohnung an. Er hält meine Hand immer noch ganz fest, aber jetzt dreht er sich wieder zu mir um und ich sehe wieder in dieses entstellte, auf mich nicht mehr so angsteinflößende, Gesicht. Er sieht mich an, als wäre ich seine Freundin und wir hätten uns seid zwölf Jahren nicht mehr gesehen. Ich starren ihn an, ich bewundere ihn sogar ein wenig.
 

„Darf ich fragen wie du heißt?“, er grinst mich schief an und lallt ein wenig.

„Ich heiße Nicky“, ich sehe ihn schief an und beobachte jede seiner Bewegungen.

„Du?“, frage ich ohne ihn aus den Augen zu lassen.

„Erik...Erik, das Phan...“, den Rest versteh ich nicht mehr, weil er es vor sich hin nuschelt.
 

Erik, also...Der Name passt zu ihm, finde ich.

Da passe ich einen Moment nicht auf und schon nimmt er meine andere Hand auch noch in seine Hand. So stehen wir mehrere Minuten da:

Händchenhaltend – oder besser, er hält meine Händchen – und starren uns an.

Er grinst die ganze Zeit und wankt ein wenig hin und her.
 

„Erik?“

„Hmhm!?“, wieder grinst er so blöde.

„Warum hast du mich zurück geholt?“

„Weil Erik dich wiedersehen wollte.“

'Oh mein Gott, jetzt redet er von sich in der dritten Person – Psycho.

„Darf Erik dir was zeigen?“

„Ähm...Na klar.“, ich bin ein wenig verdattert, stimmt aber zu.
 

Plötzlich legt er mir seinen rechten Arm um die Taille und nimmt meine linke Hand.

'Oh nein, er will tanzen.'

Er lächelt mich freundlich an und wirbelt, dann mit mir im Kreis herum.

„Mein Vertrau'n will ich zurück.

Entfessel ich hiermit mein Glück?

Lass es frei.

Keine Angst entführt mich mehr.

All der Schmerz, all die Qual,

soll vergessen sein.

Ich lass dich frei.

Alles was ich träum' ist...

Alles was ich lieb' ist...

Alles was ich will'

Bist du, Nicky.

Drum bitt ich dich:

Sing mit mir

Tanz mit mir

Lass uns gemeinsam leben.“

Erst jetzt bemerke ich es – er ist total betrunken, aber ich kann mich nicht wehren und irgendwie hab ich auch kein großes Problem damit.

„Fühl mit mir

Spür mit mir

Unser gemeinsames Leben.

Ein Leben voller Poesie,

voll himmlischer Symphonie.

Kein du, kein ich.

Nur bald die Einigkeit.

Ein Leben ohne Einsamkeit,

voll Liebesglut soll es hier sein.

Kein Leid,

Kein Pein,

für alle Ewigkeit.

Für alle Zeit.“

Jetzt ist er echt gruselig. Er tanzt mit mir im Salon umher, singt dabei und lächelt wie ein Verrückter. Ich kenn ihn seid zwei Stunden und er will sein Leben mit mir verbringen.

„Alles was ich träum' ist...

Alles was ich hoff' ist...

Alles ich will ist,

dass du nun singst.

Jetzt für mich.

Drum bitt ich dich:

Sing für mich,

sing mein Lied.

Lass deine Stimmt betören.

Sing für mich,

sing mein Lied

Lass deine Stimme beglücken.“

Jetzt dreht er völlig durch. Ich soll singen? Wir bleiben stehen und er hält wieder meine Hände und sieht mich an.

„ Es ist so schön,

wenn ich dich spür.

Wenn mein Lied dein Herz berührt.

Kein du, kein ich.

Nur Musik allein.

Vereint uns zwei!“

Ich weiß nicht wieso, aber ich habe den Drang für ihn zu singen. Also singe ich einfach ein „Ahaha“ in seiner Melodie. Es ist ein Drang, dem ich wirklich nicht wiederstehen kann und deshalb singen wir jetzt gemeinsam und tanzen wieder im Salon.

„Sing mit mir,

Tanz mit mir.

Lass uns gemeinsam leben.

Fühl mit mir,

Spür mit mir.

Liebe erhört unsre Stimmen.“

Wir tanzen noch eine weile im Salon, oder besser er wirbelt mich im Kreis. Aber ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr. Das letzte mal war ich so glücklich, als ich Nigel zum ersten Mal getroffen habe.

Ich fange an ein wenig zu kichern und er stimmt mit ein.

Erst jetzt bleiben wir wieder stehen und er hält wieder meine Hände. Er sieht mich überglücklich an, hat aber immer noch dieses „besoffene Grinsen“ im Gesicht.

Völlig unerwartet und ich weiß nicht wie es passiert, aber ich liege in seinem Arm und er beugt sich über mich.

Er kommt immer näher und an wehren ist hier echt nicht zu denken. Unsere Lippen berühren sich fast, als er plötzlich zurück weicht und ich auf den Boden krache.

Er hält seine Maske in der Hand und starrt mich von oben, böse funkelnd an.

4. Kapitel

4. Kapitel
 

Du hast Erik bestohlen!“, in seiner Stimme liegen Trauer und tiefe Abscheu. Ich bin völlig perplex und kann ihm überhaupt nicht antworten. Ich mein, er hätte mich beinahe geküsst.

„Du hast geschafft, dass Erik wieder wie vor zwei Monaten ist! Gefühlskalt und hasserfüllt.“ , er wendet sich von mir ab.

„Erik! Es tut mir Leid! Es war falsch was ich getan habe, aber deswegen musst du nicht wieder zu einem Eisblock mutieren.“, ich hab Tränen in den Augen.

„Warum hast du Eriks Maske gestohlen?“

„Weil, ...weil, ich finde, dass du sie nicht brauchst“, ich finde, er sollte sie schon tragen, aber eher weil ich die Maske gern mag, aber das muss er ja nicht unbedingt jetzt erfahren.

Er dreht sich wieder zu mir um, in seinem Blick liegt Hoffnung.

„Meinst du das ernst?“

„Ja, wirklich.“

Er kommt auf mich zu und hilft mir aufzustehen, dabei steckt er mir die Maske wieder in meine Westentasche.
 

„Gut, vergessen wir was vorhin passiert ist. Ich war betrunken. Ich wollte das nicht“, er lächelt mich an, ein freundliches Lächeln.

„Hmhm“, ich nicke.

„Hör mal, Erik, was ist eigentlich mit Christine und ....... Raoul passiert?“, es ist das einzige was mir gerade einfällt.

„Ich habe sie laufen lassen. Christine soll glücklich sein.“

„Aber dadurch wurdest du unglücklich. Das ist nicht fair.“

Er denkt kurz über das gesagt nach, dann sieht er mich wieder an und hat wieder dieses Funkeln in den Augen.

„Das stimmt, das ist nicht fair. Ich darf auch glücklich sein. Außerdem:

Was hat Raoul, was ich nicht hab?

Warum will sie nicht bei mir bleiben?

Und wenn sie mich nicht liebt, warum hat sie mich dann geküsst!?“

„Wie wärs, wenn wir sie fragen?“, ich versuche ihm nur zu helfen.

„Du willst mir helfen?“, er scheint verwundert zu sein.

„Natürlich, ich mein wir sind doch Freunde oder?“

„Freunde? Wir? Ja.“, er lächelt mich breit an.

„Gut“, ich lächele ebenfalls. „Dann werden wir sie suchen und finden!“

„Wir? Nein, wenn sie mich sieht, haut sie ab oder der Graf erschießt mich. Das geht nicht.“

„Dann such ich sie und bring sie her!“

Er lächelt mich nochmal an und umarmt mich.
 

„So und jetzt möchte ich alles sehen, was dir gehört. Die Wohnung, den See, einfach alles.“

„Gut“, er grinst mich an.
 

Als erstes zeigt er mir seine Wohnung erklärt mir alles was ich wissen will und erzählt von einer Oper die er selbst geschrieben hat. „Don Juan Triumphant“ nennt er sie. Er sagt er habe sie für Christine geschrieben, aber sie sei ja jetzt nicht mehr da.

Auf dem ganzen Rundgang findet er immer etwas was ihn an Christine erinnert. Ich weiß jetzt alles über die beiden:

Was Erik für sie empfindet.

Was sie für Erik empfindet.

Und was alles hier unten geschehen ist.
 

Wir sind jetzt beim See angekommen und Erik schaltet ein Licht ein, sodass ich den ganzen See und das nächste Ufer sehen kann.

„Als ich heute morgen über diesen See kam, habe ich Stimmen gehört...“

„Ah ja, die Sirenen, sie fangen immer an zu singen, wenn jemand auf dem See ist, normalerweise ist das mein Zeichen. Ich steige ihn den See, tauche bis zum Boot und ziehe die Eindringlinge unter Wasser und erwürge sie“, das erzählt er so staub-trocken, dass ich schlucke. Er scheint das zu bemerken und grinst.

„Dich habe ich nicht getötet, weil ich dachte, dass ich eher sterben würde, als du bei mir seist. Da hab ich mich wohl getäuscht.“

„Bereust du, dass du mich beziehungsweise dich nicht umgebracht hast?“

„Nein.“

Ich lächele ihn an. Er scheint glücklich zu sein.

Er erzählt mir wieder die Geschichten von Christine und Raoul, der über den See gekommen ist um Christine zu holen – bla bla. Langsam kann ich Christine nicht mehr hören.
 

Vom See aus, zeigt er mir den Rest der Katakomben. Ich find es ein wenig kalt, aber er scheint es zu lieben. Auf dem ganzen weiteren Weg erzählt immer wieder Christine-Geschichten.

Wir gehen zurück zur Wohnung. Ich finde, wenn er mich die ganze Zeit mit Christine nervt, kann ich ihm auch von Nigel erzählen.
 

„Erik? Teilweise wirkst du wie mein Freund“, das ist zwar fies, aber ich kann nicht anders.

„Dein Freund?“, wie empört er mich ansieht.

„Ja , mein Freund, Nigel heißt er. Wir sind jetzt seid ungefähr einem Monat zusammen.“

„Hrmhrmrhmmmrhmm...“, er nuschelt wieder.

„Er ist sooo süß und der liebste und hübscheste“, ich werfe einen Seitenblick auf Erik, „Typ den ich kenne.“

„Das ist ja schön für ihn, dass er so perfekt ist und hrmhrmmmhmm“, der Rest ist wieder weggenuschelt.

„Wie bitte?“

„Ach nichts schon gut. Wie wäre es mit was zu essen, hm?“, und schon lächelt er wieder.

„Gern, aber wo...“

„In meiner Küche?“, er sieht mich an, als ob ich total bekloppt wäre.
 

Er hat wirklich eine Küche und der Kühlschrank ist randvoll gefüllt mit leckerem Zeug.

„Was magst du denn gern?“, fragt er mich fröhlich.

„Ähm...Ist mir eigentlich egal, mach irgendwas was du gut kannst.“

Langsam finde ich es komisch, dass ein Mensch der die ganze Zeit in einem Keller lebt und bisher nur Menschen getötet hat, so lieb und fröhlich sein kann. Anscheinend hat Christines Kuss ihn wirklich verändert.
 

Eine halbe Stunde später, in der wir die ganze Zeit gequasselt haben, steht vor mir und ihm ein riesen großer Topf mit Spaghetti Bolognese. Ich muss tierisch anfangen zu lachen.

„Was ist? Magst du keine Nudeln?“

„Nein, nein.“, ich kann vor lachen kaum reden. „Das erinnert mich nur an einen Kinderfilm, den ich kenne.“

„Ich hab noch nie einen Film gesehen.“

„Echt nicht? Dann gehen wir mal zusammen ins Kino.“

Diesmal lacht er. „Ins Kino? Ich? So wie ich aussehe?“

„Du kannst ja die Maske anziehen, außerdem ist es im Kino dunkel.“

„Na gut, wir gehen mal ins Kino.“
 

Glücklicherweise holt er noch zwei Teller aus einem kleinen Schränkchen. Wir fangen gleichzeitig an zu essen und jedes mal wenn wir uns ansehen, fangen wir an zu lachen.

Die Spaghetti schmecken echt gut und ich nehme mir noch drei Portionen nach.

'Bestimmt hält Erik mich für ne Fressmaschine.'

Aber nein, er nimmt sich fünf Portionen nach. Ich fang wieder an zu kichern.

„Richtig zu essen hast du auch nie gelernt oder?“

„Mhhm, wietho?“, er hat den Mund voller Nudeln und die Soße klebt über all in seinem Gesicht.

„Ach, nur so“, ich lache ihn an, nein, ich lache ihn aus.

„Hast du hier einen Spiegel?“, frage ich.

„Mhm, tha thrüben.“, er zeigt zu seinem Spiegel und sieht sich direkt selbst ins Gesicht.

„Oh“, macht er, steht auf und wäscht sich das Gesicht, während ich vor Lachen fast vom Stuhl kippe.
 

Als er wieder, für seine Verhältnisse, normal aussieht und ich mich wieder beruhigt habe, setzen wir uns an den See.

„Du, Erik?“

„Ja, was gibt’s?“

„Würde es dir eigentlich was ausmachen, wenn ich öfter vorbeischaue?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Schön, aber wie komme ich zu dir?“

„Du gehst durch den Spiegel und dann gibt es nur noch einen Weg. Das Licht wird an sein“

„Gut, danke“, ich umarme ihn freundschaftlich.

„Ich denke ich mach mich jetzt mal auf den Weg“, ich wollte ihn nicht weiter stören.

„Du kannst ruhig bleiben, wenn du willst. Du kannst ruhig hier übernachten, wenn du willst. In meinem Gästezimmer?“

„Wirklich?“, in mir steigt eine Freude auf, die ich noch nie gespürt habe.

„Wenn ich es doch sage.“Vollkommen unüberlegt lege ich meine Arme um seinen Hals und küsse ihn.

5. Kapitel

5. Kapitel
 

Er reißt erschrocken die Augen auf, wehrt sich aber nicht. Ich will erst zurück weichen, aber ich kann nicht. Er hat seine Arme um meinen Hals gelegt. Er erwidert den Kuss. Völlig perplex, starre ich ihn erst eine Zeit an, dann schließe ich die Augen und wir sitzen gefühlte Stunden einfach am See und küssen uns.

Er lässt mich los und wir sehen uns an, ich lächele, er lächelt.

„Du bist aber...stürmisch“, er kichert ein wenig. „Christine war ganz anders.“

'Nein, nicht Christine.' Ich drehe fast durch.

„Achso, Christine, war ja klar, alles an Christine ist wunderbar und sie ist wunderbar und alle anderen Menschen sollten sein wie Christine. Weißt du was? Ich sorg dafür, dass sie her kommt und dann hau ich ab“, ich stehe auf und wende mich von ihm ab – er soll nicht sehen, dass ich weine.

„Nicky! So war das nicht gemeint!“

„Weißt du was? Das ist mir egal! Wenn du es selber nicht merkst, dass du so in sie verschossen bist, dass du an niemand anderen denken kannst, soll es mir egal sein. Werde glücklich mit ihr oder allein. Das ist mir jetzt scheiß egal! Ich bin weg. Christine wird in ein paar Tagen, Wochen, ich hab keine Ahnung, bei dir sein und dann wirst du mich nie wiedersehen.“

„Nicky!“, er scheint gar nichts zu verstehen und kann nichts mehr sagen.

Ich geh den Weg zurück, den ich gekommen bin und hoffe tief in mir drin, dass er mir folgt, aber das tut er nicht. Ich komme am Spiegel an und schiebe ihn zur Seite. Ich werfe mich aufs Bett und weine bis ich einschlafe. 'So ein Arsch!'
 

In meinem Traum sehe ich Erik, wie er an meinem Bett steht und um Verzeihung bettelt, wie er weinend dort sitzt und mich anfleht. Doch dann steht er auf, geht wieder in Richtung Spiegel, er sieht aus, wie man sich das Phantom der Oper vorstellt, mit wehendem Umhang und einem Gesichtsausdruck in dem Trauer und Wut liegt.

War das alles vielleicht gar kein Traum?

Kann es sein, dass ich das alles im Halbschlaf mitbekommen habe?

Ich weiß es nicht.
 

Das erste was ich merke als ich aufwache ist die Maske, die noch in meiner Tasche steckt. Ich setze mich auf und hole die Maske hervor. Wie sooft sitze ich lange Zeit einfach nur da und betrachte die Maske, drehe und wende sie. Dann entschließe ich mich, mich ein wenig frisch zu machen und rauszugehen. Die Maske stecke ich wieder in meine Tasche. Als ich fertig bin, beschließe ich mich auf den Weg zu Nigel zu machen. Seine Wohnung ist zwar auf der anderen Seite der Stadt, aber das ist mir jetzt egal. Ich rufe ihn an.

„Hey Baby. Was gibt’s?“, seine Stimme zu hören tut echt gut.

„Hey Süßer. Mir geht’s grad richtig mies. Darf ich vorbeikommen?“

„Natürlich“, er klingt fast empört. „Du weißt, dass du immer vorbeikommen kannst, Schatzi.“

„Danke, bis gleich. Bussi“, ich lege auf.

Während ich in der Bahn sitze, schließe ich die Augen und stelle meinen Ipod an. Genau in dem Moment wo ich kurz meine Augen öffne, fahren wir aus einem Bahnhof. Ich sehe noch eine ganz in schwarz gekleidete Gestalt. Aus einer weißen Maske heraus starren mich blau-leuchtende Augen an. Ich drehe mich nach der Gestalt um, aber sie ist nicht mehr zu sehen.

'War das Erik?

Wenn ja, wo hat er die Maske her, seine hab ich doch!?

Verfolgt er mich jetzt etwa?

Will er mich töten?

Will er nur um Verzeihung bitten?

Bilde ich mir das alles nur ein?'

In meinem Kopf scheint sich alles zu drehen.
 

Die Bahn hält direkt vor Nigels Haus. Er steht schon am Bahnsteig um mich abzuholen, wie süß von ihm. Ich steige aus der Bahn und falle ihm direkt um den Hals. Das letzte mal haben wir uns vor drei Tagen gesehen, das ist eine lange Zeit für frisch verliebte.

Er umarmt mich fest und lacht ein wenig.

„Du bist aber stürmisch heute.“

Ich lege ihm einen Finger auf den Mund.

„Sag das bitte nicht.“

„Wieso?“

„Erklär ich dir später.“
 

Wir bummeln einwenig durch Paris' Innenstadt. Immer wieder kommt er darauf zu sprechen, warum es mir denn so schlecht gehe. Ich erzähle ihm von Erik, Christine und Raoul, einfach alles, nur den Kuss lasse ich weg, ich sage ihm einfach Erik hätte mich mit Christine genervt und da bin ich abgehauen.

„Ach so ist das also“, sagt er nachdenklich. „Und? Willst du was von ihm?“

„Nein! Du bist der einzige den ich liebe!“

Er umarmt mich. Ich sehe zu einem der höheren Dächer auf und sehe wieder diese Gestallt, die aussieht wie Erik. Ich scheine mich total zu versteifen, denn Nigel fragt mich:

„Was ist los, Süße?“

Wieder sehe ich hinauf zum Dach, er ist verschwunden.

„Ach nichts. Ich dachte ich hätte jemanden gesehen.“

„Wo denn? Wen?“ Er folgt meinem Blick und sieht zum Dach.

„Ich dachte ich hätte Erik dort oben gesehen, aber ich muss mich verguckt haben“, ich zucke mit den Schultern, als ob mir das egal wäre.

„Du? Nigel? Hast du eine Idee, wo ich Christine und Raoul finden könnte? Du weißt ich hab es Erik versprochen und ich halte meine Versprechen.“

„Keine Ahnung! Vielleicht sind sie ja noch hier in Paris und halten sich nur versteckt“, in ihm lebte wieder mal der Detektiv auf. Nigel ist auch erst 17 Jahre alt und verhält sich, wie ein kleiner Junge...manchmal. Dass er nicht direkt eine Lupe und einen Trenchcoat hervor zieht wundert mich ein wenig.

„Und wie soll ich sie finden, Mr. Holmes?“

„Haha, sehr lustig. Frag rum, vielleicht weiß in der Oper jemand was.“

„Gut, okay, aber nicht mehr heute.“

Die Nacht verbringe ich bei Nigel und mache mich früh morgens auf den Weg zur Arbeit. In der Bahn sehe ich wieder zwei oder drei mal Erik, oder ich meine ihn zu sehen. Entweder drehe ich jetzt völlig durch und kann auch bald in einem Keller leben oder der Typ verfolgt mich.

In der Oper frage ich jeden den ich sehe, ob er oder sie was von Christine und Raoul weiß und alle geben mir die gleiche Antwort: „Ich weiß nichts genaues, aber ich glaube das Phantom hat sie beide getötet.“

Mann, sind die alle abergläubisch und schwer von Begriff.

Den letzten den ich an diesem Tag frage ist Direktor Richard und er weiß glaube ich etwas.

Er erzählt mir etwas von einem Hotel kurz vor der Pariser Stadtgrenze und dass Christine und Raoul dort unter gekommen wären.

Was bleibt mir anderes übrig? Ich gehe also nach der Arbeit direkt bei diesem Hotel vorbei. Es ist ein riesen großes und extrem teures Hotel, aber wohl das einzig annehmbare Hotel für einen Grafen und seine nicht-adlige Freundin, die sozusagen auf der Flucht sind.
 

An der Rezeption fragen sie mich wie mein Name sei, zu wem ich wolle und ob sie irgendwas sagen sollen.

„Mein Name ist Nicky, ich würde gern mit Raoul de Chagny und Christine Dáae sprechen und sagen sie ihnen ich komme von Erik.“

Die Dame am Empfang ruft jemanden an.

„Ja, Monsieur, hier ist eine gewisse Madame Nicky?“, sie sieht mich fragend an. Ich nicke einfach. „Sie sagt sie käme von einem Monsieur Erik.“

Ich höre einen erstickten Aufschrei vom Telefon her.

„Gut, Monsieur, danke. Sie dürfen rauf gehen. Dritter Stock, Präsidenten Suite.“

„Oh, gut, danke.“

Der ganze Flur im dritten Stock ist rot-golden gestaltet.

Vor der Tür der Suite steht schon der Graf bereit. Er sieht wirklich so aus, wie ihn alle beschreiben. Ein wirklich gutaussehender Mann, nicht ganze mein Typ, aber nicht schlecht. Aber er wirkt ein wenig nervös, wenn nicht sogar panisch. Er geht vor der Tür auf und ab, bis er mich entdeckt, dann bleibt er stehen. Er starrt mich verwirrt an.
 

„Monsieur de Chagny“, ich lächele ihn freundlich an.

„Nicky? Richtig? Was willst du hier? Was will Erik jetzt noch?“

„Darf ich erstmal rein kommen? Ich möchte auch mit Christine sprechen.“

„Gut......gut“, er ist wirklich total panisch, die ganze Zeit sieht er sich um, als ob er verfolgt würde. Wir gehen gemeinsam in die Suite. Christine sitzt auf einer riesigen Couch, die ganze Suite ist riesig und ebenfalls rot-golden verziert. Christine wirkt wesentlich entspannter. Raoul scheint wirklich ein wenig verrückt.

„Was gibt’s? Was will Erik noch von uns? Und was hast du damit zu tuen?“, Christine redet freundlicher mit mir, als es Raoul getan hätte.

„Ich habe Erik kennengelernt, in dem Moment in dem er sich eine Waffe an die Schläfe hielt und sich umbringen wollte. Ich habe ihn davon abgehalten, denn er tat mir Leid. Ich weiß nicht wie er früher war, aber ich glaube, er hat sich verändert. Er war wirklich super nett und freundlich zu mir“, in dem Moment, in dem ich das sage, gucken sich die beiden ein wenig verwirrt an.

„Ja und wir haben uns angefreundet. Ja, wirklich. Und wir haben uns etwas versprochen. Er wird sich nicht umbringen und ich soll dich, Christine, zu ihm bringen. Er will dir nichts antuen. Er will nur mit dir reden. Er hat noch einige Fragen, die ihn quälen.“

„Ich weiß nicht genau“, Christine scheint unsicher, aber Raoul scheint wieder panisch.

„Ich habe einen festen Freund, aber ich glaube, ich habe mich ein wenig in Erik verliebt und wir ..... naja ..... wir haben uns geküsst, aber er hat nur dich im Kopf, Christine. Er kann an nichts anderes denken. Ich war tierisch sauer, weil er direkt nach dem Kuss von dir angefangen hat und jetzt sehe ich ihn überall. Entweder leide ich unter Verfolgungswahn“, ich sehe kurz zu Raoul, der sich immer noch panisch umsieht.

„oder er verfolgt mich wirklich.“

„Und woher weiß ich, dass du mir nicht nur irgendeinen scheiß erzählst? Woher weiß ich, dass du nicht von der Direktion kommst und mich nur zurück locken sollst?“

Ich fasse in meine Westentasche und hole die Maske hervor und reiche sie ihr. Sie betrachtet sie kurz, gibt sie mir wieder und nickt.

„Gut, ich komme mit. Raoul?“

„Ähm...Ja, wenn es sein muss.“

„Mein Freund kommt auch mit, Raoul, dann bist du nicht allein“, ich lächele ihm zu.
 

„Ähm, hört mal. Der Weg von hier zu Nigel, meinem Haus oder der Oper ist echt lang. Macht es euch was aus, wenn ich hier übernachte?“, ich frage eigentlich nur Christine, denn Raoul sieht nur noch ängstlich von mir zum Fenster.

„Natürlich. Ruf doch Nigel an, ich mein die Suite ist groß genug. Außerdem können wir dann einen Mädelsabend machen und die Män...Jungs können sich...anderweitig beschäftigen“, sie grinst mich fröhlich an. Ihr scheint das mit Erik nicht viel auszumachen.

„Ja, gute Idee“, ich renne zum Telefon und rufe Nigel an. Er kommt vorbei.

6. Kapitel

6. Kapitel
 

Christine und ich sitzen in ihrem Zimmer, während Raoul und Nigel im Wohnzimmer sitzen und Bier trinken. Wir kichern die ganze Zeit und erzählen uns eigentlich unwichtige Geschichten, weil sich keiner von uns traut über Erik zu sprechen. Die Jungs scheinen sich nicht wirklich zu amüsieren wir hören sie immer wieder motzen oder sich aufregen.

„Hör mal, jetzt erzähl doch mal was da mit Erik und dir lief“, endlich traut sich Christine davon anzufangen.

„Naja, die grobe Geschichte kennst du ja. Und die Sache mit dem Kuss. Wir saßen einfach nur so am See, haben uns unterhalten und ich habe ihn gefragt, ob ich ihn nicht öfter mal besuchen dürfte, weil ich ihn schon da irgendwie sehr lieb hatte. Er meinte das sei kein Problem und er fragte, ob ich nicht die Nacht in seinem Gästezimmer schlafen wolle. Ich habe mich so gefreut, weil ich nie damit gerechnet hätte, dass ich ihm um den Hals gefallen bin und ihn geküsst habe. Ich weiß nicht wie lange wir uns geküsst haben, aber es kam mir vor wie Stunden. Ich wollte nicht das es endet. Du kennst das Gefühl, denk ich?“

„Natürlich. Jetzt erzähl weiter. Das ist soooooo süß“, sie stupst mich an.

„Er hatte schon die ganze Zeit von dir geredet und dann sagte er, als er ein kleines Stückchen von mir abgerückt war, ich höre es noch genau in meinen Ohren: 'Du bist, aber stürmisch, Christine war da ganz anders'“

„Woahr, dieser.....“, sie spricht es nicht aus, aber ich kann es mir denken.

„Nichts gegen dich, du bist echt nett, aber ich bin total ausgerastet, ich habe ihn dermaßen angezickt, dass ihm nur noch der Mund offen stand. Dannach bin ich abgehauen. Ich habe gehofft er folgt mir, aber das tat er nicht, also habe ich solange geheult bis ich angeschlafen bin“, ich atme einmal tief durch, damit ich nicht wieder anfange zu heulen.

„Und jetzt sehe ich ihn überall. Einmal in meinem Traum und sonst überall wo ich bin. Meinst du ich bilde mir das nur ein? Oder verfolgt er mich?“

„Nein, wenn er dich geküsst hat, dann wird er dich wohl wirklich verfolgen. Er hat sich vielleicht verändert, aber in solchen Sachen ist er bestimmt noch wie vorher.“

Irgendwie freut mich das total.
 

Ich erzähle ihr noch von allem anderem was geschehen ist. Von dem Vorfall mit dem Stein, bis hin zu der Nummer mit der Soße. Christine erzählt mir dafür alles was ihr damals mit ihm passiert ist. Von der körperlosen Stimme, bis hin zu dem Kuss. Es ist gut auch mal zu erfahren wir Erik früher war und trotzdem möchte ich es nicht glauben, dass er Menschen getötet und sich wie ein Tier verhalten hat.
 

„Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn er mit dir gesprochen hat.“

„Das musst du dann schon selbst rauskriegen.“
 

Wir reden und kichern noch eine ganze Zeit, bis Christine sich um umdreht und einschläft. Ich kann noch nicht, also drehe ich mich auf die andere Seite und rufe leise in die Nacht hinein:

„Erik, wenn du mich hörst, komm her. Bitte.“
 

Währenddessen im Wohnzimmer:
 

Dieser Graf, Raoul heißt er glaube ich, scheint total nervös zu sein. Eigentlich sitzen wir eine ganze Zeit nur da und trinken Bier. Keiner sagt ein Wort, aber mir ist das jetzt zu blöde, also fange ich an:

„Hör mal, Raoul, nicht wahr? Wer ist dieser Erik eigentlich?“

„Erik? WO?“

„Nirgendwo... Wer ist das?“

„Achso, er ist das Phantom der Oper“, er erzählt mir seine und Christines ganze Geschichte und ich erzähle ihm, was Nicky mir erzählt hat.

„Also hat sie dir nichts von dem Kuss erzählt?, fragt er.

„Was für ein Kuss?“, ich bin total verdattert.

„Naja, sie hat Erik doch geküsst. Hat sie uns erzählt.“

„Ich wusste es. Ich wusste es. Verdammt! Dieser Kerl macht alles kaputt. Was hat er ihr angetan, warum ist sie so traurig?“

„Er ... keine Ahnung. Wirklich nicht. Ich denke er hat sie verarscht oder so.“

„Dieser Typ, macht alles kaputt. Ich meine, ich wollte Nicky in den nächsten Tagen fragen, ob sie mich heiraten will“, ich lächele ein wenig.

„Wirklich? Das wäre toll. Aber Erik zerstört, mal wieder, alles.“

Wieder erzählt er mir genau was zwischen ihnen und Erik passiert ist und wir regen uns immer weiter auf. Wir schwören uns, dass wenn Erik Christine oder Nicky irgendwie wehtut, wir ihn umbringen.
 

Wieder im Zimmer der Mädels:
 

Immer wieder flehe ich leise, dass Erik doch herkommen solle. Die Jungs sind mittlerweile schon schlafen gegangen und Christine ist auch eingeschlafen.

Und plötzlich sehe ich eine Gestalt vor mir stehen.

„Erik?“, ich habe Tränen in den Augen.

„Ja, Nicky ich bins“, auch Eriks Stimme zittert vor Tränen.

„Erik! Du bist so ein Arsch, aber ich ... ich liebe dich.“

„Nicky, es tut mir Leid, was geschehen ist. Ich steh in letzter Zeit voll neben der Spur. Ich schwöre dir, wenn ich mit Christine gesprochen habe, werde ich nicht mehr an sie denken, geschweige denn von ihr reden“, er kniet jetzt vor meiner Bettkante und ergreift meine Hände. Er trägt wieder seine, neue, Maske.

„Du schwörst es?“, wir reden leise, damit Christine, neben mir, nicht aufwacht.

„Ja“, mehr bringt er nicht raus. Dafür küsst er mich. Er küsst mich! Und wie er mich küsst...
 

Ich vergrabe meine Hände in seinen Haaren und er hält mich ganz fest. Der, sagen wir, einfache Kuss verwandelt sich in einen der zärtlichsten Zungenküsse, die ich je erlebt habe. Mittlerweile liegt Erik neben mir im Bett. Wir müssen echt aufpassen, dass Christine nichts bemerkt. Als ich ihm die Maske abziehen will, löst er sich von mir.

„Nein, lieber nicht“, er sieht mich glühend an.

„Wieso nicht?“

„Ich will nicht, dass meine Fratze wieder alles zerstört.“

„Aber die Maske nervt total. Außerdem habe ich nichts gegen dein Gesicht.“

„Das ist lieb von dir, aber ich lass sie lieber an.“
 

'Dann eben nicht', wieder vergrabe ich meine Hände in seinem Haar. Wieder so ein glühender Zungenkuss, doch diesmal liegt Erik nicht neben mir. Er liegt auf mir. Mich stört das nicht, solange das hier nicht zu weit geht. Diesmal habe ich extra vorher auf meinen Wecker gesehen. Ich will nicht das es endet, aber irgendwann wird es uns beiden zu viel, denn atmen kann man während SO einem Kusses nicht wirklich. Genau 21 Minuten und 46 Sekunden haben wir so dagelegen und uns geküsst. Gut, nur so dagelegen haben wir auch nicht, denn sogar Christine ist aufgewacht, aber es ist stockduster und Erik liegt, von Christine aus gesehen, hinter mir, sodass sie ihn nicht sieht.

„Was ist los, Nicky?“

„Nichts“, ich keuche noch ein wenig, da ich immer noch ein wenig außer Atem bin.

„Das hört sich aber anders an“, sie schaltet das Licht ein.

'Oh, scheiße.'

„Na, wer ist denn da?“, sie wirkt nicht gerade erschrocken.

„Christine?“, er macht große Augen. Er scheint gar nicht gewusst zu haben, dass sie direkt neben mir liegt.

„Hallo, Erik.“

„Ich...ähm...Hallo.“

Ich fühle mich ein wenig ausgeschlossen, will es aber nicht zeigen, also sage ich nichts.

„Du wolltest doch mit mir reden? Wie wäre es mit morgen Abend, so gegen neun, bei dir?“

„G-gut“, er steht auf. Sein Gesicht ist hochrot angelaufen, aber nicht vor Scham. Ich grinse ein wenig, weil ich bestimmt genauso aussehe.

Ich bekomme noch ein Küsschen auf die Wange, dann verschwindet er durchs Fenster.
 

„Hehehehehe“,Christine lacht mich vielsagend an.

„Jaja, lach du nur.“

Und plötzlich steht Erik wieder vor dem Fenster, er scheint wieder reingeklettert zu sein.

„Was ist noch, Äffchen?“

Er beugt sich über mich und flüstert mir etwas ins Ohr:

„Christines Küsse sind anders...“, ich will schon wieder sagen, da legt er mir sanft eine Finger auf den Mund.

„Lass mich aussprechen! ...und zwar langweiliger und kein bisschen berauschend. Deine Küsse sind...ich kann es nicht beschreiben...Leidenschaftlich?“

Ich kichere leise.

„Danke“, wieder küsse ich ihn und wieder dauert es bestimmt zehn Minuten, dass Christine uns lächelnd beobachtet ist uns egal.

Zehn Minuten später lösen wir uns wieder voneinander, grinsen uns mit hochroten Köpfen an, noch drei, vier kleine Küsschen und er verschwindet für diesen Abend wirklich. Vorher haucht er mir noch ein „Ich liebe dich“ ins Ohr.

Ich sehe Christine grinsend an. Wieder grinst sie vielsagend. Ich drehe mich immer noch grinsend um und brauche circa zwei Stunden bis ich einschlafe.

7. Kapitel

7. Kapitel
 

Am nächsten Abend machen wir uns schon gegen sieben Uhr auf den Weg. Christine und ich sind die ganze Zeit am tuscheln und die Jungs scheinen ein wenig nervös und genervt zu sein. Von letzter Nacht weiß keiner der beiden etwas, was wahrscheinlich auch gut ist, denn Nigel würde bestimmt durchdrehen, aber ich fühle mich so schuldig, dass ich ihm nichts gesagt habe, weder von dem Kuss noch von gestern. Während wir in der Bahn sitzen, ziehe ich Nigel mit mir mit in einen etwas leereren Teil des Wagons.

„Nigel? Ich muss dir was sagen“, ich sehe die ganze Zeit auf den Boden. Mir ist das so unangenehm.

„Das mit Erik und dir? Raoul hat mir gestern davon erzählt“, ich sehe ihn wieder an, er scheint gar nicht sauer zu sein.

„Aber warum hast du nicht mit mir gesprochen, wenn du es doch weißt?“

„Ich wollte wissen, wann und ob du es mir erzählt hättest“, diesmal sieht er ein wenig traurig aus.

„Gut, hör mal, Nigel, ich will nicht, dass du das falsch verstehst...“

„Ich kann es mir schon denken: Du hast dich in den Typen verknallt, aber ich weiß, was du sagen willst. Du liebst mich trotzdem und das weiß ich!“

Wie ich ihn anstarre. Er weiß wirklich genau, was in mir vorgeht und er hält trotzallem zu mir. Er ist wirklich der Beste.

„Und ich liebe dich auch, Nicky. Ich will dich nie verlieren und für mich ist das wichtigste, dass du glücklich bist. Also, wenn du mit diesem Erik zusammenleben möchtest, bitte, mach das, aber du musst wissen, dass ich immer für dich da sein werde und immer auf dich warten werde.“

„Nigel, Nigel, ich will mit dir zusammenleben. Ich will...mit euch beiden zusammenleben. Verstehst du mich?“

„Ich verstehe es. Klar. Und ich bin glücklich, dass du das sagst und ich habe wirklich kein Problem damit, also mit Erik. Wenn du weiterhin bei mir bleiben willst. Oder wir uns zumindest öfter mal sehen.“

„Ich werde bei dir bleiben!“

Er lächelt mich an, dann fügt er hinzu:

„Aber glaube mir, wenn der Typ dir wehtut, dann bring ich ihn um!“
 

Nigel ist wirklich der Beste.
 

Um viertel vor Neun kommen wir dann vorm Opernhaus an. Christine geht voraus, doch sie benutzt einen Weg, den ich nicht kenne. Wir kommen in einem Raum an, in dem nur ein Eisengestell steht, dass wie ein Baum aussieht. Die Wände bestehen komplett aus Spiegeln, dadurch wirkt es, als ob man in einem eisernen Wald steht.

Erst jetzt bemerke ich, dass Raoul einen heftigen Panikanfall hat.

„Raoul, es ist alles okay. Er wird dich nicht wieder hier einsperren“, Christine redet mit Raoul, wie mit einem verängstigten Kind. Dann sagt sie zu uns:

„Nicky, ich weiß nicht, ob Erik dir diesen Raum gezeigt hat, aber es ist seine Folterkammer. Vor zwei Monaten, hat Raoul hier mehrere Tage verbracht und ich weiß nicht was genau hier drin passiert, aber die Menschen hier drin, werden veranlasst sich selbst umzubringen, wenn sie nicht irgendwann hier raus kommen. Raoul will nicht darüber sprechen, aber es muss wirklich schlimm sein.“

Sie wendet sich in eine Richtung und stellt sich dicht vor einen der Spiegel.

„Erik? Wir sind es. Lass uns rein.“

Kurz darauf öffnet sich der Spiegel, wie eine Tür und Erik steht vor uns. Ich riskiere einen kurzen Blick zu Nigel, aber er scheint nicht wütend oder zornig, er mustert Erik, wie einen unglaubwürdigen Rivalen. Jetzt sehe ich Erik genau ins Gesicht. Er trägt immer noch die Maske, er wird sie wahrscheinlich auch nicht wieder ablegen. Ich grinse ihn an und er grinst zurück, sobald er mich erblickt.

„Hallo alle zusammen. Christine“, er lächelt ihr zur und nickt ihr grüßend zu.

„Raoul“, er nickt auch ihm freundlich zu.

„Nicky“, er grinst mich vielsagend an.

„Und Monsieur...“ „Nigel, einfach Nigel. Ich bin Nickys Freund“, Nigel ist verblüffend freundlich zu Erik. Er scheint wirklich nur zu wollen, dass ich glücklich bin.

„Ah, ja, Nigel. Willkommen. Ich habe schon viel von dir gehört.“

„Erik, er weiß bescheid“, ich will nicht, dass Erik so tut, als ob nichts geschehen wäre.

„Oh, gut gut. Habt ihr etwas dagegen, wenn ich allein mit Christine rede? Die Tür lasse ich unabgeschlossen, sodass ihr im Notfall raus könnt.“

„Ich hab nichts dagegen. Nicky? Raoul?“, Christine scheint Erik mittlerweile zu vertrauen. Nachdem was sie gestern Abend mitbekommen hat ist das auch wenig verwunderlich.

„Kein Problem“, antworte ich schnell, obwohl ich doch ein wenig eifersüchtig bin.

„Christine, du weißt nicht was er vorhat“, Raoul scheint in Eriks Gegenwart seinen Beschützerinstinkt entdeckt zu haben und starrt Erik misstrauisch an.
 

Die beiden verlassen gemeinsam den Raum und Erik schließt die Tür, aber man hört kein Klicken eines Schlosses, was bedeutet, dass er uns wirklich nicht eingesperrt hat.

„Ich hasse so was“, ich setze mich ein wenig beleidigt auf den Boden.

„Ich hasse es, wenn Christine bei diesem Monster ist.“

„Erik ist kein Monster!“

Die beiden anderen setzen sich jetzt auch auf den Boden. Raoul scheint sich hier drin wirklich nicht wohl zufühlen, aber nach einiger Zeit beruhigt er sich.
 

Immer wieder höre ich wie Erik eine Frage stellt, was genau versteh ich nicht. Christine antwortet immer, aber meist nur sehr knapp.

Nach einer, wieder sehr kurzen, Antwort Christines höre ich wie Erik lauter wird, aber hier drin versteht man nichts. Die Antwort scheint ihn irgendwie aufgebracht zu haben. Raoul springt auf, will schon zur Tür rennen. Da hören wir, dass er wieder ruhiger wird und sich vermutlich bei Christine entschuldigt. Jetzt bin ich echt zu neugierig geworden. Ich setze mich direkt vor die Tür uns lausche.

„Entschuldige, ich hab nicht beherrscht. Nun, Christine, liebst du mich?“

„Nein, Erik. Und das weißt du auch.“

„Darf ich ein letztes mal mit dir zusammen singen?“

„Ich weiß nicht.“
 

Ich verstehe die beiden ganz gut, was bedeuten muss, dass sie sich im Salon aufhalten. Denn ich glaube, dass die Folterkammer, der verschlossene Raum ist, den ich nicht gesehen habe.

Ich höre, wie Erik zu singen beginnt.
 

„Alles was ich träum' ist...

Alles was ich lieb' ist...

Alles was ich will'

Bist du, Christine.

Drum bitt ich dich:

Sing' mit mir

Tanz mit mir

Lass uns gemeinsam leben.“

'Nein...nein...nein...Das ist mein Lied!', dieser Gedanke geht mir in dem Moment durch den Kopf. Ich weiß, dass er es gesungen hat, als er total betrunken war, aber irgendwie habe ich das Gefühl, das es mein Lied ist.

Ich springe auf und reiße die Tür auf. Ich stürme in den Salon und schmeiße die Tür so fest zu, dass sie ins Schloss fällt. Ich habe Nigel und Raoul eingesperrt, aber das interessiert mich grad nicht.

Ich sehe wie Erik auf Christine zu geht, während er singt, aber Christine weicht immer weiter zurück.

„ERIK!“

Erst jetzt sieht er zu mir. In ihm scheint etwas erwacht zu sein, dass vor Monaten gestorben ist. Wieder wurde er von Christine abgewiesen. Ich renne auf Erik zu. Ich habe den Drang ihm wieder etwas ins Gesicht zu werfen. Also hebe ich im Rennen einen der Steine und laufe weiter.

„Du hast gesagt, dass du mich liebst. Du hast dieses Lied für mich gesungen. Es ist mein Lied. Du hast gesagt, dass du dein Leben mit mir verbringen willst und jetzt wo Christine wieder einmal hier ist. Hast du wieder nur Augen für sie.“

Ich stehe jetzt vor ihm und sehe ihm in die Augen. Meine Augen sind voller Tränen. Seine sind trocken und dazu noch hasserfüllt. Er hat wieder diesen Blick, den ich in meinem Traum gesehen habe. In diesem Blick sieht man seinen ganzen, vielleicht wahren, Charakter. Die Mordlust, die Trauer wieder abgewiesen worden zu sein, das Verlangen und den Hass auf die gesamte Menschheit.

Mit diesem Blick im Gesicht hebt er seine rechte Hand und lässt sie auf mein Gesicht niedersausen. Ich kann nicht schnell genug reagieren, sodass mich seine Hand mit voller Wucht trifft und ich durch den halben Raum fliege und an Ort und Stelle liegen bleibe. Ich kann mich kaum bewegen, alles schmerzt, vorallem aber mein Herz.

8. Kapitel

8. Kapitel
 

Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn an. Er starrt mich kurz mit diesem hasserfüllten Blick an, dann wendet er sich wieder Christine zu. Er geht auf sie zu und zerrt sie mit sich in sein Schlafzimmer. Danach kommt er wieder heraus und packt mich im Nacken und zerrt mich ebenfalls in das Zimmer.

Christine steht verängstigt ganz hinten im Zimmer. Mich lässt er an der Tür liegen und wendet sich von uns beiden ab. In ihm scheint ein Konflikt entstanden zu sein.

Gut gegen Böse. Liebe gegen Hass. Feuer gegen Eis.

In den paar Minten in denen er da steht, murmelt er vor sich hin. Jetzt dreht er sich um und geht auf Christine zu. Ich kann nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschen, aber das Böse scheint wieder gesiegt zu haben. Er steht jetzt vor Christine und beginnt wieder zu singen, diesmal aber nicht liebevoll oder traurig, sondern einfach nur voller Hass.

„Du hast mich verpönt – Christines!

Mich und meine Liebe verhöhnt – Christine!

Den Teufel in mir neu erweckt.

Jetzt schreit er laut um sein Recht.

Du bist kein Engel der Not – Christine!

Auf Verrat steht der Tod – Christine!“

Er wendet sich von Christine ab und steht jetzt zwischen uns. Er blickt immer wieder zwischen mir und Christine hin und her. Doch dann schaut er mich wieder voller Hass an und singt weiter.

„Drum musst du sterben – sterben für mich.

Sei mein Opfer – für all die Qual, die ich durchlitt.

Dein Licht muss erlöschen – damit meines scheint.

Denn ich will leben – leben mit dir – Christine.

Keiner soll's mir nehmen, ein Leben mit dir – Christine.

Alles muss sterben, was mein Leben nicht will.

Alles verblühen, was meinem Glück widerspricht.“

Langsam bekomme ich Angst vor Erik, aber ich will ihn nicht verlieren, weder dass er stirbt, noch dass er mich hasst. Ich kann mir denken, dass ich Erik jetzt nur erreichen kann, wenn ich auch singe, also:

„Vergiss nicht was du mir einst versprachst.

Mit meinem Leben kannst du dein Glück nicht bezahl'n.“

Er sieht mich wutentbrannt an und singt:

„Was willst du von mir – Nicky!“

Jetzt singe ich wieder :

„Dein Leben verdankst du mir – Erik!“

Ihn scheint das nicht zu interessieren und er singt wieder:

„Deine Liebe gabst du mir,

doch will ich ihre hier.

Jetzt will ich lieben – Nicky!

Und du stehst mir im Weg!“

Ich bin ein wenig erstaunt über diese Aussage, aber ich singe wieder:
 

„Ich hab dich gerettet und geliebt,

und so dankst du es mir?

Wir waren Freunde- warum?

Du kannst nicht erzwingen – was dir nicht gehört!

Wie ein Gott willst du lenken – du bist doch gestört!“

Ich versuche ihn vielleicht umzustimmen, indem ich ihn beschimpfe, aber ihn scheint das nicht zu beeindrucken und er singt:
 

„Alles muss sterben, was mein Leben nicht will -

Will den Teufel beerben – er zeigt mir das Ziel -“

Erst jetzt hat Christine sich wieder gefasst und singt nun:

„Lass sie bitte leben – brich mit dem Teufel in Dir – Erik!“

Jetzt singen Christine und ich gemeinsam, wie aus einem Munde:

„Wenn das Böse regiert – Stirbt die Liebe in dir!“

Erik singt ein letztes Mal :

„Ob du willst oder nicht – Jetzt gibt es nur noch dich und mich!“

Das Letzte was ich mitkriege ist, dass Erik auf mich zu tritt und etwas schweres auf meinen Kopf fallen lässt – einen Stein? -, danach falle ich in Ohnmacht.

9. Kapitel

9.Kapitel
 

In der zwischen Zeit in der Folterkammer:Ich stehe an der Tür und klopfe wie ein wilder dagegen.„Nicky! Nicky! Nicky! Erik, lass uns raus!“„Vergiss es, Nigel, die Kammer ist schalldicht.“

Langsam bekomme ich hier drin richtig Panik, wenn ich nicht die ganze Zeit an der Tür wäre, wüsste ich längst nicht mehr, was wahr und was Trugbild ist.

„Und was machen wir jetzt? Wir können doch nicht warten, bis er ihnen etwas antut.“

„Ich saß schon mal hier drin fest und du hast keine Chance hier rauszukommen. Ich bin auch nur noch am Leben, weil Christine mich befreit hat.“
 

Ich setze mich mit dem Rücken an die Tür und schließe die Augen. Raoul soll nicht sehen, dass ich weine. Außerdem versuche ich nachzudenken wie wir hier rauskommen könnten. Ich spüre, dass dieser Ort etwas ... magisches hat. In mir steigt ein Drang auf. Der Drang von dem Nicky mir schon erzählt hat, der Drang zu singen. Da ich Nicky nicht mehr hören kann – er hat sie wahrscheinlich irgendwohin verschleppt – gebe ich diesem Drang einfach nach.

„Nicky ist in Gefahr.

Ein Albtraum wurde wahr.

Ich lieb sie,

Ich lieb sie.

Mein Gott.“

Auch Raoul scheint diesen Drang zu spüren, denn auch er beginnt zu singen und so wird aus dem Lied ein trauriges, verzweifeltes Duett:

„Man lässt uns hier allein.

Sie glaubten uns kein Wort.

Was soll das?

Was soll das?

Sag's mir.

Ich kenn den Mann genau.

Gerissen und sehr schlau.

Der Fuchs fühlt sich zu sicher in dem Bau.“

Ja, wir hatten die beiden gewarnt, da hat er recht und die Sachen die Erik betreffen stimmen bestimmt auch. Ich singe weiter, während Raoul die Tür untersucht:

„Ich habe es gespürt.

Ich hatte es geahnt.

Das Scheusal hat durchkreuzt was mir geplant.“

Ich wollte Nicky doch fragen, ob sie mich heiraten will. Doch jetzt...Diesmal stimmt Raoul wieder mit ein und wir singen gemeinsam, ohne nachzudenken, die Musik kommt sozusagen einfach aus uns heraus:
 

„Gott zeig' uns den Weg,

den wir nicht finden.

Schick' uns dein Licht,

damit die Dunkelheit das Glück nicht zerbricht.

Gib' uns die Kraft,

die uns stark macht.

Führ' uns zu ihnen.

Ohne deine Hilfe sind wir verloren.“

Diesmal wende ich mich ab. Ich hab Tränen in den Augen und meine Stimme zittert. Ich muss mich erstmal beruhigen, doch Raoul singt weiter:

„Der Mann hat kein Gewissen,

Das hat er oft bewiesen.

Einst Böse, dann spielte er gut.

Was soll's?

Ich kenne sein Gehabe.

Ich kenne seine Tricks.

Einst Freund,

heut hilft uns das nicht.

Ihn zu stoppen,

ist jetzt Pflicht,

wenn er sein Wort mir bricht,

doch ohne ihn da oben geht das nicht.“

Jetzt habe ich mich wieder beruhigt. Raoul merkt das und überlässt mir das Wort:

„Ich gesteh' mir gerne ein,

ohne dich hier, allein,

würde ich Nicky verlier'n an diesen Mann

Wieder breche ich ab, aber nur um Raoul zu zeigen, dass er wieder mitsingen kann. Das alles habe ich nie gelernt, geschweige denn überhaupt mal erlebt, aber wir singe, ohne Sinn und Verstand:

„Gott gib' uns dein Zeichen,

wenn du siehst.

Führe uns hier.

Es gilt ihn aufzuhalten,

bevor noch mehr geschieht.“

Dann höre ich urplötzlich eine Stimme, sie scheint von der Decke zu kommen. Eine wunderbare, tiefe, männliche Tenorstimme. Ihr Klang ist berauschend. Und Raoul und ich starren beide in diese Richtung, während sie uns zu antworten scheint.

„Ich zeig' euch den Weg,

den ihr nicht findet.

Schick' euch mein Licht,

damit die Dunkelheit das Glück nicht zerbricht.“

Dann verstummt die Stimme wieder. Wir starren uns ein wenig perplex an. Ich glaube wir denken dasselbe:

War das wirklich Gott?

War das nur unsere Einbildung?

Oder...war das Erik?

Mein Gefühl sagt mir, dass die letzte Möglichkeit unlogisch ist, warum weiß ich selber nicht, aber vielleicht gaukelt mir mein Gefühl das nur vor, vielleicht liegt das an diesem merkwürdigen Ort. Aber ich kann nicht weiter darüber nachdenken, mein Kopf sagt mir einfach: 'Es war Gott!', aber das liegt mit Sicherheit an diesem Ort.

Aber wir singen noch ein letztes Mal, gemeinsam:

„Gott gib' uns die Kraft,

die uns stark macht.

Schick' uns dein Licht,

damit die Dunkelheit das Glück nicht zerbricht.

Das Glück nicht zerbricht.“

10. Kapitel

10. Kapitel
 

Als ich aufwache spüre ich nur meinen dröhnenden Kopf. Die Schmerzen sind unerträglich. Am liebsten würde ich schreien und heulen vor Schmerz, aber irgendwie geht das nicht. Ich kann noch nicht mal meinen Kopf anheben. Ich schlage die Augen auf und sehe in Nigels Gesicht. Er hält mich im Arm. Er sieht abgekämpft und müde aus.

„Hey Süße, wie geht’s dir?“, er lächelt müde.

„Hrmm. Derbst scheiße. Mein Kopf...ahh“, er schließt mich fester in seine Arme. Das gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Nach dem was vorhin geschehen ist, zeigt er mir das ich doch noch irgendwo willkommen bin.

„Es ist alles gut, das mit deinem Kopf wird schon wieder. Ich bin froh, dass du wach bist. Ich hatte schon Angst, dass du...“ er bricht ab. Er will den Gedanken wohl nicht zu ende führen.

„Was? Wieso? Was ist passiert? Wie lange war ich weg?“

„Wie lange wissen wir nicht genau, hier drin ist leider keine Uhr“, erst jetzt merke ich, dass wir in der Folterkammer sind. „Aber ich schätze mal so zwei Tage. Erik hat uns vorhin was zu trinken gebracht, nicht viel, aber erstmal muss das wohl reichen. Und was passiert ist, weiß ich nicht genau, das musst du mir schon sagen. Ich weiß nur soviel, dass Erik vor zwei Tagen mit dir in den Armen hier reingekommen ist. Er sah traurig, verbittert, aus. Er ist direkt auf mich zugekommen. Hat sich zu mir runter gebeugt – ich saß auf dem Boden – und hat dich mir in die Arme gelegt, dann hat er mir noch 'Pass auf sie auf' zugeflüstert. Er hat sich erhoben, sich vor mir aufgebaut und sein Gesichtsausdruck hat sich drastisch verändert. Von Trauer auf Hass. Wahren Hass. Ohne jeden Grund hat er mir eine geballert und ist rausgegangen seitdem sitzen wir hier drin und haben nix zu essen, nur vorhin das bisschen Wasser.“

„Oh...Verdammt! Wo ist Christine?“

„Erik scheint die gefangen zu halten.“

„Wir müssen sie da raus holen! Du weißt nicht wie Erik sein kann, wenn er so drauf ist. Ich bin durch den halben Raum geflogen, weil er sauer war. Er hat eine ungeheure Kraft.“

„Ja, okay, aber wie kommen wir hier raus?“

„Vergesst es! Ich habe hier schoneinmal Tage drin verbracht und keinen Ausweg gefunden“, Raoul tritt aus einer der hinteren Ecken hervor.

„Tjaha, du kennst Erik aber auch nicht. Einige seiner Mechanismen kenne ich bereits. Nigel? Welcher der Spiegel ist die Tür?“

„Der da“, er zeigt auf den Spiegel direkt vor uns.

Ich versuche aufzustehen um den Spiegel zu untersuchen, aber ich bemerke, dass sich mein Kopf so schwer anfühlt, dass ich mich nicht erheben kann. Ich kann man meinen Kopf aber ein kleines Stückchen drehen und in den Spiegel sehen.
 

An meiner Stirn befindet sich eine riesige Platzwunde. Der Stein hat mich wirklich genau an der Stirn getroffen. 'Erik, du....Ganz nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir.'

Aber Erik hatte damals seine Maske auf. Ich hatte keine Maske, also habe ich die volle Wucht des Gewichts des Steins abbekommen. Ich drehe meinen Kopf wieder vorsichtig zu Nigel, dabei spüre ich höllische Schmerzen, die sich von meiner Stirn bis zu meinem Nacken ziehen.
 

Er sieht mich besorgt an.

„Ist alles klar bei dir?“

„Nicht wirklich. Ich...ahh...mein Kopf tut höllisch weh.“

„So sieht das auch aus. Vor ein paar Stunden hat es noch geblutet. Ich hatte Angst, dass du verblutest.“

„Naja, jetzt ist ja alles in ...argh...Ordnung. Kannst du mal zu dem Spiegel gehen? Ich kann nicht aufstehen, aber ich glaub ich weiß, wie wir ihn öffnen können.“

„Nein! Ich bleibe jetzt lieber hier, bei dir. Das würde jetzt eh nichts bringen. Soll ich gegen Erik kämpfen, während ich dich im Arm halte? Dann bringt er uns noch beide um!“

„Na gut...“
 

Also liege ich noch bestimmt sechs Stunden einfach in Nigels Armen. Irgendwann setzt sich Raoul zu uns und es vergehen weitere Stunden bis ich mich entschließe aufzustehen. Mein Kopf brummt noch ein wenig, aber es geht mir eigentlich ganz gut. Ich suche in der linken unteren Ecke des Spiegels nach einem Schalter und...

...ich finde ihn.

Es rattert kurz, dann bewegt sich der Spiegel, wahrscheinlich durch einen Seilzug, nach oben. Ich grinse zu den Jungs rüber. Raoul sieht mich verdattert an.

„Wärest du doch vor zwei Monaten schon hiergewesen...“, flüstert er, mehr zu sich selbst.

„Bravo, Schatz“ Nigel stürmt auf mich zu und hebt mich hoch, wirbelt einmal mit mir im Kreis, küsst mich flüchtig auf die Stirn und setzt mich wieder ab.

Ich kichere ein wenig, dann werde ich aber wieder ernst, denn wir müssen ja noch Christine suchen und befreien.
 

Ich kann mir denken, wo er sie hingebracht oder, besser gesagt, wo er sie gelassen hat. In seinem Schlafzimmer waren wir vorhin, also warum sollten sie woanders sein?

„Ihr müsst jetzt echt leise sein. Ich kümmere mich um Erik und ihr bringt Christine hier weg. Ihr geht den Weg zurück, den wir gekommen sind. Ich komme dann nach“, ich flüstere, damit wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, wenn wir ins Schlafzimmer stürmen.

„Gut.“

„Gut“, die beiden antworten wie aus einem Munde.

Langsam und leise schleichen wir uns zur Tür des Schlafzimmers, ich voran und die beiden Jungs hinterher. Ich lege mein rechtes Ohr an die Tür und lausche.

„Christine! Wie lange willst du Erik noch leiden lassen? Erik muss alle umbringen, wenn du diesmal wieder ablehnst“, seine Stimmt klingt als würde er mit einem kleinen Kind reden, aber in seinem Unterton hört man die fürchterliche Wut.

Leise öffne ich die Tür und sehe, dass Erik mit dem Rücken zu uns steht. Er scheint uns also nicht gehört zu haben. Ich gebe Christine, die uns entdeckt hat, ein Zeichen uns nicht zu verraten und sie wendet den Blick ab.

Ich zeige den Jungs, dass sie um das Bett herum zu Christine schleichen sollen.

Langsam schleiche ich mich näher an Erik heran, bis ich ihn mit einem einzigen Sprung erreichen könnte und genau diesen Sprung wage ich.

Ich stoße mich vom Boden ab und fliege auf ihn zu. Er bemerkt immer noch nichts. Erst als meine Arme schon seinen Hals umklammern und er bäuchlings auf dem Boden liegt, bemerkt er, dass wir hier sind.

„Was zum...“, flucht er noch, bevor er sich mit einer schnellen, unerwarteten Bewegung umdreht und mir genau ins Gesicht schaut, sein Blick ist dermaßen verdattert, dass ich leicht grinsen muss.

„Los, nehmt Christine und haut ab!“, schreie ich Nigel zu, schaue zu ihnen rüber und sie tuen was ich sage. Wenige Sekunden später bin ich allein mit Erik.

Ich drehe mich wieder zu Erik, habe aber nicht erwartet, dass er den Kopf gehoben hat und sein Gesicht jetzt ganz nah an meinem ist. Ohne es zu wollen küsse ich ihn. Einfach weil ich meinen Kopf zu ihm gedreht habe.

Wie oft haben wir uns jetzt schon geküsst? Erst zweimal richtig, denk ich. Dieser Kuss ist anders als alle zuvor. Die ganze Wut und Trauer, die in mir ist, der Schmerz, alles verpufft in diesem Moment. Es ist einfach wieder unglaublich schön ihn bei mir zu haben. Zu spüren, dass ich ihm doch nicht egal bin, dass er mich doch nicht hasst. Ich sehe ihm in die Augen und er scheint genauso glücklich zu sein wie ich. Seine wunderschönen blauen Augen leuchten wie nie zuvor und Tränen steigen in ihnen auf. Ich schließe die Augen und setze all das Gefühl in den Kuss, das ich ihm schon längst hätte zeigen sollen.
 

Ich bin so in den Kuss vertieft, dass ich kaum wahrnehme, wie Erik sich versteift. Seine starken Hände packen mich an den Schultern und wieder fliege ich durch den halben Raum. Doch diesmal lande ich mit dem Kopf zuerst und spüre den stechenden, unerträglich Schmerz in meinem Nacken.

„Ahhhhh...“, diesen Schrei kann ich bei bestem Willen nicht unterdrücken und höre wie schmerzverzehrt er klingt. Ich bewege vorsichtig meinen Kopf, aber es funktioniert noch alles und der Schmerz lässt so schnell wieder nach, wie er gekommen ist. Ich stehe auf und sehe zu Erik. Er steht da und grinst. Er grinst.

„Bist du jetzt total durchgedreht? Ich hätte gegen irgendeinen Stein knallen können und tot sein! Tot! Verstehst du? T-O-T“, er grinst immer noch und macht mich damit nur noch wütender.

„Hör endlich auf so scheiße zu grinsen! Das ist nicht lustig! ERIK!! Was ist denn jetzt wieder los mit dir? Vergiss SIE endlich! Sie wird niemals was mit dir anfangen! Nie! Der einzige Mensch der jemals zu dir halten würde, wäre ich, aber ich glaube das war eine falsche Entscheidung!“

„Nie sagst du? Das glaubst auch nur du“, er lacht eines dieser Bösewichte-Lachen. „Christine ist mein und das weiß dieser Graf und wenn Erik sie beanspruchen würde, dann würde er ganz schnell das Feld räumen. Und was dich betrifft“, mit nur wenigen Schritten kommt er auf mich zu. „Vielleicht würdest du zu Erik halten, vielleicht, aber das kann Erik dir ja nicht verübeln. Erik weiß, dass man sich einfach nur in ihn verlieben kann. Aber Erik will dich nicht! Erik hasst dich!“, diesmal steht er ganz dicht vor mir.

„Aber...“, mehr kann ich nicht erwidern, denn wieder hebt Erik die rechte Hand und lässt sie schnell – so schnell, dass ich nicht reagieren kann – gegen meine Wange sausen. Doch diesmal ist der Schmerz stärker als zuvor, durch die Verletzung an meiner Stirn und in meinem Nacken.

Ich sinke auf dem Boden zusammen und merke, wie mir dicke Tränen über die Wangen laufen. Ich sehe zu Erik auf und kann beobachten wie sich seine Mimik verändert. Wieder scheint das böse in ihn besiegt und der wahre Erik kommt wieder zum Vorschein.

„Oh, Nicky“, er hockt vor mir und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Nicky, er tut mir so leid. Ich hatte keine Kontrolle über mich. Ich weiß nicht wie das passieren konnte. Es tut mir sooo leid. Bitte verzeih mir. Sobald ich Christine sehe habe ich keine Kontrolle über meine Gesten, beziehungsweise einfach über mich selbst. Ich kann nicht steuern was ich sage oder tue. Aber jetzt weiß ich, wie ich die Kontrolle behalten kann. Wirklich! Ich muss einfach nur an dich denken. Christine ist mir völlig egal. Sie ist einfach eine gute Sängerin, sonst nichts. Ich habe keinerlei Gefühle mehr für sie. Ich liebe dich! Nur dich! Bitte verzeih mir. Ich...“, ich lege Erik einen Finger auf den Mund. Immer noch laufen mir die Tränen über die Wangen.

„Schscht. Erik sei mal bitte kurz ruhig“, er nickt. „Ich verzeih dir, aber ich glaube nicht, dass du dich unter Kontrolle hast. Ich hatte es gehofft, aber ich weiß jetzt, dass es nicht so ist. Du wirst dich nie unter Kontrolle haben.

Aber glaub mir, es fällt mir schwer, dich loszulassen. Ich liebe dich! Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, aber du kannst Christine einfach nicht vergessen und sobald sie in deiner Nähe ist, drehst du durch. Ich kann das einfach nicht. Es tut mir so weh zu gehen, aber ich muss....“, diesmal unterbricht er mich.

„Nicky, sag sowas nicht! Bitte...Du kannst nicht gehen. Du bist mein Leben“, er unterbricht sich selbst. Er kann einfach nichts mehr sagen. Er bricht zusammen, er sinkt auf die Knie und weint, das Gesicht in die Hände vergraben.

„Nicky, ich liebe dich. Ich will dich nie verlieren. Ich will nur dich!“

Immer wieder werden seine Worte durch ein Schluchzen verstärkt. Auch ich beginne wieder zu weinen, aber ich weiß einfach, dass es nicht glatt gehen würde.
 

„Erik, ich liebe dich und das werde ich immer tuen, aber ich gehe jetzt!“

Er sieht zu mir auf. Er nimmt die Maske ab.

„Ich kann und will dich nicht zwingen zu bleiben, aber wie wäre es mit einem allerletzen Kuss?“

„Nein, lieber nicht. Ich weiß, dass ich dann nicht gehen kann.“

„G-g-g-g-g-gut“, er schluchzt wieder, aber scheint wirklich nicht zu wollen, dass ich gehe, aber will mich wohl auch nicht unnötig überreden.

Ich streiche ihm übers Gesicht, vorsichtig, aber ich bin froh, dass er die Maske abgenommen hat, denn so wirkt er für mich mehr wie ein verletzlicher Mensch und er wirkt auf mich wie Erik, nicht wie das Phantom.
 

Ich stehe auf, streiche ihm solange wie möglich über das Gesicht, dann gehe ich.

Für immer?

Ich höre, Erik noch singen:

„Du hast Licht in meine Welt gebracht.

So stirbt mein Lied und

die Musik der Nacht!“

Ich höre einen der Spiegel zerbrechen. Will aber nicht zurückgehen umnachzusehen ob er noch lebt, weil ich sonst nie wieder gehen könnte.

11. Kapitel

*Buch 2*

aus der Sicht von :

Nicky - Erik
 


 


 


 


 


 


 

11. Kapitel

Genau 1 Jahr später
 


 

Heute Abend haben Chrissy und ich unsere große Premiere. Wir sind jetzt beide am Opernhaus in New York engagiert und haben jetzt seid etwa einem halben Jahr geprobt und sollen heute Abend in der Uraufführung die Hauptrollen übernehmen. Achso, Chrissy ist natürlich Christine. Wir beide sind wirklich gute Freunde geworden.
 

Im letzten Jahr ist viel passiert. Zu viel. Zum Glück hatte ich die Proben hier am Opernhaus, sonst wäre ich wahrscheinlich jetzt in der Klapse. Seid dem Abend in Eriks Wohnung hat sich mein Leben strikt verändert.

Damals bin ich nachdem ich dieses Klirren gehört habe schnellstmöglich zu den anderen gegangen. Christine ging es gut, wir kamen noch rechtzeitig es war nichts passiert.

Aber ich habe, außer Chrissy, nie jemandem erzählt, was damals zwischen Erik und mir geschehen ist. Christine hat mich solange gelöchert, bis ich ihr alles unter Tränen erzählt habe. Aber sie hat mich verstanden und mir geschworen Nigel nichts davon zu erzählen. Ich wollte Erik einfach vergessen. Wollte wieder ein normales Leben führen, wollte nie wieder an ihn denken. Doch das ging einfach nicht. Immer wieder sehe ich das letzte Bild was ich von ihm habe, wie er auf dem Boden sitzt, ohne Maske, mit Tränen die ihm über Wangen rinnen, und mich anstarren, vor mir. Es ist abscheulich nur dieses eine Bild zu sehen. Aber wenn ich mich doch einmal dazu entschließe an ihn zu denken, weil es einfach nicht anders geht, sehe ich die schönen Sachen, die lustigen, die wir erlebt haben.

Doch dann muss ich immer anfangen zu heulen. Ich dachte ich könnte ihn vergessen, bei allem was er mir in den wenigen Tagen angetan hat.

Nigel und ich sind immer noch zusammen und er ist wahrscheinlich der einzige Mensch, der mich daran hindert mich umzubringen. Ich liebe ihn, mittlerweile umso mehr. Chrissy ist natürlich auch immer für mich da, aber sie ist eben einfach nur eine Freundin.

Vor sieben Monaten habe ich zu meinem Geburtstag ein Geschenk von „du-weißt-schon-wer“ bekommen, aber ich weiß heute noch nicht von wem es kommt. Keiner meiner alten Freunde, geschweige denn Erik, wissen wo wir wohnen.

Das Geschenk war wohl das beste was ich je bekommen habe.

Die kleine Luna.

Luna ist eine kleine Wölfin. Pechschwarz, mit einer weißen Zeichnung um die Augen. Ich war mit ihr bei einem Spezialisten und er sagte mir sie sei eine Zwergwölfin. Das ist wohl eine dermaßen seltene Tierart, dass man bisher nur zwei Tiere dieser Art kennt. Die kleine Luna und noch irgendeinen. Zwergwölfe sind eigentlich ganz normale Wölfe, die aber immer in Welpengröße bleiben.

An meinem Geburtstag kam ein Mann zu unserer Wohnung, klingelt, Nigel machte die Tür und erzählte mir, dass der Kerl ihm die kleine in die Hand gedrückt hat und ihm einen Zettel dazu gegeben hat. Dieser Typ hatte eine Kapuze getragen, sodass Nigel sein Gesicht nicht sehen konnte.

Auf dem Zettel stand folgendes:

„Die kleine hier heißt Luna. Ich schenke sie dir zu deinem 17. Geburtstag. Ich hoffe sie wird meinen Platz an deiner Seite einnehmen. Ich kann ja nicht mehr bei dir sein und irgendwie hat mich die kleine an mich selbst erinnert *lächel*. Bitte vergiss mich nie!

Du-weißt-schon-wer“.

Wie gesagt, ich weiß bis heute nicht von wem dies kam.

Naja, Luna hat auf jedenfall einen wichtigen Platz in meinem Leben eingenommen. Nigel kann Luna nicht leiden. Er behauptet immer, dass ich sie mehr liebe als ihn, aber das ist totaler Schwachsinn, glaube ich. Vielleicht interpretiere ich auch einfach zu viel darein, denn sie erinnert mich wirklich an jemanden.

Mittlerweile verbinde ich Luna mit Erik und sie hat seinen Platz eingenommen. Vielleicht kam sie ja wirklich von Erik.

War es Erik, der an der Tür stand?

Mein Herz beginnt zu rasen, wenn ich nur daran denke, dass er vielleicht hier gewesen war.

Seid ein paar Wochen schreibe ich immer wieder Briefe, die ich an Erik adressiere auch wenn ich nicht weiß wo er ist. Das war eine Idee von Chrissy und es hilft wirklich.

In den meisten der Briefe steht bestimmt tausendmal „Ich liebe dich und es tut mir leid, ich will dich wieder haben“, aber jeden dieser Briefe beende ich mit :

„P.S.:Ich liebe dich.“
 

Ich wüsste jetzt gern, was Erik macht und wo er ist, aber das werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Vielleicht ist es besser so.

Jetzt muss ich mich, aber auf meinen Auftritt konzentrieren. In wenigen Minuten geht es los und ich habe mir geschworen zu singen, wie ich es noch nie getan habe und, das weiß zwar keiner, aber ich werde für Erik singen. Zum aufwären singe ich ein Lied, das mir einfach grad so einfällt, so wie es immer bei Erik war. Ihm sind auch immer Lieder eingefallen, die es eigentlich gar nicht gibt.

Ich bin allein in meiner Garderobe, in der es wie in der Pariser Oper einen riesigen Spiegel gibt, der mich an mein zweites Treffen mit Erik erinnert, also singe ich einfach:

„Ich schau' in den Spiegel.

In meinen Augen glänzt ein Teil von dir.

Hab dir grad noch geschrieben:

'Ich wünschte, du wärst jetzt hier bei mir.'

Du bist in jedem Atemzug,

in jedem Herzschlag,

in jedem Tropfen Blut.

Bist wie eintätowiert.

Ein Teil von mir.

Ich wollt' dich nie verlier'n.

Und ich sing für dich,

denn du bist für mich.

Wie ein Stück Unendlichkeit.

Du bist was für immer bleibt.

Wir hab'n uns gefunden.

Zwei Sterne auf dergleichen Umlaufbahn.

Jede Angst war verschwunden.

War schwerelos, sobald du mich umarmtest.

Du bist in jedem Atemzug,

in jedem Herzschlag,

in jedem Tropfen Blut.

Bist wie eintätowiert.

Ein Teil von mir.

Ich wollt' dich nie verlier'n.

Und ich sing für dich,

denn du bist für mich.

Wie ein Stück Unendlichkeit.

Du bist was für immer bleibt.“

Wieder laufen mir die Tränen übers Gesicht. Es klopft. Schnell wische ich mir die Tränen mit dem Ärmel meines Kleides, das ich schon für die Aufführung gleich trage, weg.

Es ist Christine. Sie kommt rein und sieht mir sofort an, dass ich geweint habe.

„Hey Süße, was ist los?“, sie legt mir einen Arm um die Schulter.

„Das, was mich in letzter Zeit immer zum heulen bringt“, ich versuche zu lächeln.

„Erik? Ich hätte nie gedacht, dass ihn jemand wirklich lieben könnte, aber zu dir war er anders als zu mir. Ich kannte ihn gar nicht richtig. Ihr beide würdet so gut zusammen passen. Es tut mir so leid. Aber ich schwöre dir, du wirst ihn wiedersehen!“

Sie redet mir immer gut zu, wenn ich traurig bin. Sie ist in letzter Zeit überglücklich. Sie und Raoul sind verlobt, sie ist Erik los und kann als Operndiva arbeiten.

Ich bin nicht so glücklich. Natürlich, ich habe Nigel, aber wie gesagt Erik geht mir einfach nicht aus dem Kopf.

„Ich hoffe ich sehe ihn wieder.“

„Na komm, wir müssen raus.“

12. Kapitel

12. Kapitel

Währenddessen in den Kellergewölben der New Yorker Oper:
 


 

Es ist jetzt genau ein Jahr her, dass Nicky mich verlassen hat. Ich glaube, ich werde nie darüber hinwegkommen, aber das letzte was ich damals und auch heute noch will ist, dass ich sie zu irgendetwas zwingen muss. Trotzdem ist es mein größter Traum sie wieder bei mir zu haben, auch wenn das ziemlich unmöglich ist.

Ich lebe mittlerweile in New York, im Manhattan Opera House. Nicky ist wahrscheinlich immer noch in Paris oder sonst wo. Nur ich konnte nicht mehr dort bleiben, alles hat mich an sie erinnert, also bin ich vor acht Monaten hierher gezogen.
 

Es war ein wenig komisch, denn als ich angekommen war hatte ich mir eigentlich vorgenommen ein paar Jahre daran zu arbeiten und mir eine richtig schöne große Wohnung in den Kellergewölben der New Yorker Oper zu bauen. Doch als ich ankam, befand sich hier schon eine Wohnung mit zwei Stockwerken. Genau so wie ich sie auch gebaut hätte. Es gibt hier ebenfalls einen See und als ich herkam dachte ich, ich wäre mit dem Schiff wieder nach Paris gebracht worden und wieder in meinem alten „Keller“.
 

Genau wie in Paris kommt man durch Falltüren oder durch einen Spiegel herrunter. Von da aus, muss man durch einige Tunnel und Gänge, bis man den See erreicht. Auch hier gibt es die Sirenen, die mich warnen, wenn jemand meine Gewölbe betritt. Ich kann es nämlich immer noch nicht leiden, hier unerwünschten Besuch zu haben.

Naja, vom See aus geht es dann direkt in den Salon mit einer großen Treppe in den zweiten Stock. Im unteren Stock gibt es eine große Küche mit einem Esszimmer und einer Art „Kuschelraum“, dort ist der gesamte Boden mit Kissen und Decken bedeckt. Im oberen Stock befinden sich mein Schlafzimmer, zwei Badezimmer - wofür zwei? Es wird mich eh nie wieder ein Mädchen besuchen -, eine Art Büroraum und ein Zimmer mit einem Sofa und Bücherregalen voller Bücher. In jedem der Zimmer ist nur das beste des Besten, keine kleine Dusche, nein ein riesiger Whirlpool. Kein kleines Bettchen, nein ein riesiges Bett in Form eines Schwans, dass wahrscheinlich für fünf Personen reichen würde. Genauso auch in allen anderen Räumen. Das einzige was mir fehlt ist............Nicky.

Ich vermisse sie so sehr. Immer wenn wir uns geküsst haben stand mein Herz still.

Sie war für mich das wichtigste auf der Welt, auch wenn wir uns gar nicht lange gekannt haben. Bestimmt hat sie mich schon vergessen.

Aber ich habe alles kaputt gemacht damals. Es war nur meine Schuld.

Das Tier, das in mir die Oberhand gewonnen hatte, ist nun endgültig weggesperrt.

Ich will jetzt bis an mein Ende einfach nur noch hier unten leben und mir Opern ansehen und mein restliches, einsames Leben lang singen.
 

Als ich hier herrunter kam, war das erste was ich hört ein Geräusch von etwas das gegen eine Wand oder ähnliches kracht. Ich bin dann in die Wohnung gegangen und hab nachgesehen, habe aber außer einem Zettel zuerst nichts gefunden.

„Lieber Erik,

du weißt nicht wer ich bin und woher ich dich kenne und vielleicht ist das auch gut so.

Aufjedenfall kenne ich dich besser als du ahnst.

Ich habe schon vor Jahren diese Wohnung für dich eingerichtet und gebaut.

Ich wusste immer, dass du irgendwann hier herkommen würdest.

Wenn du diesen Zettel liest, werde ich wohl auch bald erfahren, dass du da bist.

Ich freue mich so, dass du hier bist.
 

P.S.:Bitte sieh nach ob das Haustier, das für dich bestimmt ist, noch da ist. Ich hoffe, denn ich weiß nicht, wann du hierher kommst. Er...wird...nicht schwer zu überhören sein.

Übrigens, der kleine heißt Moony.“
 

Ich weiß bis heute nicht von wem der Zettel kommt. Ich habe aber ziemlich schnell rausgefunden wer Moony ist.

Ein Katzenbär – oder Kleiner Panda -, der mir mittlerweile nicht mehr von der Seite weicht. Der kleine macht nur Ärger. Er macht so ziemlich alles kaputt und sitzt mir den ganzen Tag auf dem Kopf. Für seine Größe – die glaube ich ganz normal ist – ist er recht leicht. Er ist etwas ganz besonderes, nicht nur für mich, der Kleine hat nämlich zwei schwarze, fedrige Flügel auf dem Rücken. Überaus ungewöhnlich, aber egal.

Aber er hat einen wichtigen Platz in meinem Leben eingenommen. So wie es hoffentlich auch mein Geschenk für Nicky vor einigen Monaten getan hat.
 

Ich habe auch wieder Briefe an die Direktion geschrieben und sie haben sofort alles eingewilligt. Ich habe nun wieder meine eigene Loge, bekomme dreißigtausend Dollar Monatsgehalt, kann so ziemlich alles was mit Musik zu tuen hat bestimmen - der Direktor vertraut auf mein Urteil - und mich stört hier unten keiner. Ich würde nur gerne wissen von wem dieser Brief kam.

Ich habe vor zwei Jahren begonnen eine eigene Oper zu schreiben. Ich habe sie dann nochmal überarbeitet. Sie gibt eigentlich genau mein Leben wieder – natürlich mit ein paar Abwandlungen.

Es geht um einen Mann, „Das Phantom“, der in einem Wald in einer Höhle lebt. Er trägt eine Maske, weil sein Gesicht darunter fürchterlich entstellt ist und er ist besessen davon Frauen in seine Höhle zu bringen und sie zu zerstückeln. Irgendwann entführt er wieder eine Frau, diesmal ein junges Mädchen. Sie heißt Cassy und ist wohl eine Anspielung auf Christine. Das Phantom verliebt sich in die junge blonde Sängerin. Sie leben eine Zeit lang in seiner Höhle bis der Ehemann von Cassy, Pierre, kommt und versucht seine Frau zu retten, doch die junge Sängerin erschießt ihren Gatten und opfert sich ganz dem Phantom. Ende erster Akt.

Im zweiten Akt schließt das Phantom, das Pierre in der Nähe der Höhle vergraben hat, einen Pakt mit dem Teufel. Gegen einen Preis – Pierre wird wiederbelebt – bekommt das Phantom das schönste Gesicht der Welt. Cassy hat nun keinerlei Interesse mehr an dem Phantom und flieht bei der nächstbesten Gelegenheit mit ihrem Gatten. Auf der Flucht stirbt Pierre, weil er von einem Polizisten versehentlich für den Frauen-Killer gehalten wird. Dadurch bricht der Bann und das Phantom sieht wieder aus wie zuvor. Cassy ist schon längst über alle Berge und so versucht das Phantom sich vor lauter Trauer umzubringen. Dabei sieht ihn ein anderes junges Mädchen. Er trägt seine Maske nicht, aber sie stört es nicht. Sie verliebt sich in ihn und hält ihn davon ab sich umzubringen. Sein ganzes Wesen ändert sich durch sie. Er wird lammfromm und ist so verliebt in sie, dass er alles für sie tuen würde. Die Oper endet, dann mit einem wunderschönen Duett, „ Mehr will ich nicht von dir“, zwischen dem Phantom und dem zweiten Mädchen, Nelly.

Das zweite Mädchen bezieht sich natürlich auf meine Nicky...
 

Ich habe sogar den Direktor überredet mich die Hauptrolle übernehmen zu lassen. Ich war nie bei einer Probe. Aber ich kann so wie ich bin auftreten. Keinem wird es auffallen, dass ich eine Maske trage und unerträglich hässlich bin. Es gehört eben zu meiner Rolle.

Das einzige Problem ist, dass ich die Castliste gesehen habe.

„Phantom – Mister Butler (ich habe den Direktor gebeten mich Gerry Butler zu nennen)

Cassy – Miss Dáae (verdammt!)

Pierre – Mister Tonaer

Nelly – Miss Hastings“
 

Christine!

Nein! Warum gerade sie?!

Was ist wenn dadurch wieder das Tier die Oberhand in mir gewinnt!?

Verdammt!

Aber ich werde mich zusammenreißen.

Vielleicht können wir ja sogar sowas wie Freunde werden?

Wir müssen jetzt schließlich eine Zeit lang zumindest ein vorerst glückliches Pärchen spielen. Sie wird mich erkennen.

Aber ich werde nicht ausrasten!

Sie interessiert mich nicht mehr!

Wenn es Nicky wäre...

Ich werde mich einfach verhalten wie jeder andere Schauspieler auch!
 

Ich liebe den Gesang und in letzter Zeit habe ich selbst viel gesungen. Natürlich habe ich auch für die Premiere heute Abend geprobt, aber vorallem kann ich mich so am besten ausdrücken. Ich habe einfach den Drang das was ich fühle in einem Lied wiederzugeben.

Auch jetzt habe ich wieder dieses Gefühl und singe:

„Jede Nacht träum' ich von dir.

Jede Nacht ist es nur ein Schein.

Wünscht du wärst jetzt hier bei mir.

Lass die Träume wieder wahr sein.

Lass und von vorn beginnen.

Lass die Liebe wieder gewinnen.

Jede Nacht bin ich einsam.

13. Kapitel

13. Kapitel
 

Endlich Pause. Endlich kann ich mal eine Zeit mit Chrissy reden. Ich habe tierisches Lampenfieber. Das ist mein erster Auftritt auf einer öffentlichen Bühne. Meiner erste Rolle in einer Oper. Chrissy hat ihre Sache bisher echt gut gemacht und dieser andere unbekannte Opernsänger – Mr. Butler – WOW! Er hat eine wahnsinnige Stimme...

Da ist sie ja.

„Chrissy!“, ich renn auf sie zu, aber sie starrt in die Leere.

„Hey, Nicky“, sagt sie tonlos.

„Chrissy?! Was ist los?!“, ich starre sie entsetzt an.

„Mr. Butler-...“

„Er hat eine umwerfende Stimme. Findest du nicht auch? Wie sieht er a-...“, unterbreche ich sie, dann unterbricht sie mich.

„Nicky! Hör zu! Dieser Butler ist unser Erik! ERIK! Verstehst du?!“

Ich stehe wie erstarrt da. Ich kann mich nicht bewegen. Erik? Mein Erik? Das kann nicht sein! Er ist doch in Paris, oder? Erik... Ich fange wieder an zu weinen.

„Wo...wo...wo ist...er?“, ich bekomme die Worte vor lauter Schluchzen kaum heraus.

„Ich weiß nicht, Süße. Er ist sofort von der Bühne abgehauen und war weg“, sie nimmt mich in den Arm und ich stehe immer noch erstarrt rum.

„Ich..ähm...ich muss ihn finden“, sage ich tonlos. Ich kann kaum noch richtig denken. Erik...der einzige Gedanke in meinem Kopf. Ich winde mich aus ihrer Umarmung und laufe wie eine Verrückte hinter der Bühne umher. Ich kenne mich hier nun so gut aus, dass ich weiß wo er sich verstecken könnte.
 

Nirgends ist er zu finden. Nirgends! In keinem Zwischenraum oder sonst irgendwo. Also muss ich wohl doch bis zu meinem Auftritt warten. Hoffentlich kriege ich überhaupt einen Ton raus, wenn ich ihn sehe. Vielleicht erkennt er mich ja gar nicht. Er weiß bestimmt gar nicht, dass ich hier bin. Er kennt ja meinen Nachnamen nicht, woher soll er also wissen, dass ich Miss Hastings bin!? Außerdem sehe ich in diesem Kleid und mit der Perücke ganz anders aus.
 

„Nichts. Ich hab ihn nirgends gefunden. Muss ich wohl noch was warten“, ich stehe wieder vor Chrissy. Sie scheint sich gefangen zu haben und wirkt wieder ganz ruhig.

„Eben. Gleich siehst du ihn ja. Weißt du was ich glaube? Jetzt wo Erik ja auch hier ist... Bestimmt hat er diese Oper geschrieben. Ich mein es ist fast wie seine Geschichte, oder?“

„Chrissy? Wie hat Erik reagiert als er dich gesehen hat?“

„Er kam kurz auf mich zu und flüsterte mir zu: 'Das Tier ist tot', was wahrscheinlich so viel heißen sollte, wie : 'Ich habe mich nun unter Kontrolle'.“

„Meinst du er erkennt mich wieder? Meinst du er interessiert sich noch für mich, nach allem was ich ihm angetan hab?!“

„Bestimmt, Süße, bestimmt.“
 

Die Pause ist vorbei und Chrissy hat noch ein paar Nummern zu singen bevor ich auf die Bühne muss. Diesmal stelle ich mich an die Seite der Bühne und sehe den Dreien zu. Eigentlich beobachte ich nur Erik. Ich erkenne auch von weitem, dass er es ist. Die schwarzen Haare mit den abstehenden Strähnen, die weiße Maske, der schwarze Mantel, das weiße Hemd mit der schwarzen Krawatte und die schwarze Hose. Er sieht aus wie immer. Aber er spielt sich ja auch einfach selber. Es ist irgendwie komisch ihn singen zu hören ohne das dabei das Gefühl rüber kommt, das immer bei den Liedern die er für mich gesungen hat rübergekommen ist. Es ist ein bisschen traurig, dass andere Menschen niemals dieses wunderbare Gefühl erleben werden. Irgendwie ist es aber auch schön, dass er das nur für mich getan hat.
 

Ich weiß jetzt genau, dass ich ihn immer noch liebe.
 

Ich muss jetzt gleich auf die Bühne. Christine singt gerade ihre letzte Nummer, dann muss Erik noch ein Lied singen und dann bin ich dran. Oh mein Gott, ob ich es schaffe? Mein Herz flattert wie verrückt. Ich kann so nicht singen. Ah, da kommt Christine.

„Wie ist es?“, frage ich sie aufgeregt.

„Es ist alles gut, Süße. Er scheint wirklich gut drauf zu sein. Sing einfach deine Nummer. Du packst das“, sie legt mir ermutigend eine Hand auf die Schulter. Ich fühle mich gleich ein wenig besser. Chrissy kann mich immer ermutigen.

Ich atme ein paar mal tief durch und schaue wieder zur Bühne, damit ich meinen Einsatz nicht verpasse. Erik singt gerade die letzte Strophe und führt langsam die Pistole an seine Schläfe. Ich weiß das sie nicht echt ist, aber seine Verzweiflung sieht so echt aus, dass ich wieder das Gefühl bekomme ihn beschützen zu müssen. Wie an dem Abend als ich ihn zum ersten mal gesehen habe.

Ich gehe langsam auf die Bühne. 'Sieh ihn nicht an, sieh ihn nicht an', muss ich mir immer wieder sagen, denn ich soll es nicht sofort bemerken, dass er dort sitzt. Ich drehe mich zu ihm um, genau in dem Moment als er den Song beendet. Ich sehe ihn „erschrocken“ an und renne auf ihn zu. So haben wir es geprobt, ohne Erik. Als ich vor ihm stehe, zittern meine Hände wie verrückt, doch ich schlage ihm die Waffe aus der Hand.
 

Wir spielen und singen eine Szene – aus unserer gemeinsamen Zeit – nach und ich werde immer lockerer und glücklicher. Es ist ein überwältigendes Gefühl nach einem Monat wieder hier mit ihm zu stehen, zu singen, Applaus zu bekommen und alles was wir erlebt haben nochmal zu durchleben. Eigentlich lächele ich ihn die ganze Zeit über an und er lächelt zurück, aber scheint mich nicht erkannt zu haben. In einer de Pausen in denen wir nicht singen, sondern uns nur ansehen, flüstert er mir leise zu:

„Sie singen wunderschön, Mademoiselle.“

„Danke, Erik“, antworte ich und er sieht mich kurz verdutzt an und setzt wieder seine Maskerade auf – also, er „spielt“ wieder seine Rolle.

Langsam bewegen wir uns auf die Schlußszene zu und die endet mit einem Kuss. Doch vor dem Kuss singen wir noch unser Duett. Wie ich dieses Lied liebe. Diesmal beginnt er den Song:

„Nun bist du geborgen

Die Nacht erreicht dich nicht

Denn ich will dich bewahren

Vor Ängsten und Gefahren

Folg mir in den Morgen

Ich geh mit dir ins Licht

Und ich will für dich da sein

Für alle Zeit dir nah sein.“

Ich lächele Erik an und er lächelt zurück, aber ich merke das sein Lächeln nicht mir sondern meiner Rolle gilt. Er hat mich wirklich nicht erkannt. Naja, ich sehe auch total anders aus als sonst und meine Gesangsstimme ist auch ganz anders als meine Sprechstimme, aber vielleicht erkennt er ja trotzdem meinen Gesang. Voller Vorfreude auf die Erkenntnis die er jetzt vielleicht bekommen könnte, beginne ich nun zu singen:

„Lehr mich, wieder ohne Angst zu leben

Rette mich aus meiner Einsamkeit

Gib mir Wärme, um mir Mut zu geben

Und versprich, dass ich dich nie verlier'

Mehr will ich nicht von dir“

Ich kann ein leichtes Grinsen einfach nicht unterdrücken. Es ist einfach so wunderschön ihn endlich wieder singen zu hören und jetzt wo ich weiß, dass die Oper wahrscheinlich von ihm stammt, kommt es mir so vor als würde er für mich singen, auch wenn er mich nicht erkannt hat. Er hat unsere Geschichte zum Happy End seiner Oper gemacht. Das muss doch was bedeuten.

Er beginnt wieder mit seiner wunderschönen Stimme zu singen:

„Lass was war vorbei sein

Schenk mir dein Vertrau'n

Dann wird niemand dich finden

Die Träume werden schwinden“

Er nimmt mich bei der Hand und führt mich zu einer der Kulissen, die eine Art geflügeltes, steinernes Pferd dastellen soll, denn die Szene in der wir uns befinden spielt auf dem Dach der Pariser Oper und dort stehen exakt diese Figuren. Während er mich führt singe ich:

„Lass mich wieder frei sein

Beschütz mich vor dem Grauen

Nur du kannst mich bewahren

Vor Ängsten und Gefahren“

In dem Moment wo wir an der Statue ankommen nimmt Erik mich in den Arm und wir drehen uns in Richtung Publikum. Mein Herz rast wie verrückt und ich kann kaum mehr atmen. Er scheint das nicht zu merken und fährt fort:

„Ich will dir helfen, ohne Angst zu leben

Ich führ dich aus deiner Einsamkeit

Meine Liebe wird dir Wärme geben

Geh von heut' an jeden Weg mit mir

Mehr nicht

Mehr will ich nicht von dir“

Ich drehe mich aus seiner Umarmung und sehe ihn an. Ich muss ein wenig hoch gucken, denn er ist ungefähr einen Kopf größer als ich. Ich stehe so nah vor ihm, dass ich den Kopf richtig in den Nacken legen muss um ihm in die Augen zu sehen. Er bemerkt das und kniet sich vor mich. Das war eigentlich nicht abgesprochen, aber ich finde es sehr süß von ihm. So kann ich auch wieder singen:

„Gib mir Liebe, um mir Kraft zu geben

Wenn es dunkel wird, bleib' hier bei mir“

Nun stellt er sich wieder hin, geht aber ein wenig in die Hocke um nicht ganz so groß zu sein. Jetzt stimmt er in meinen Part ein und den Rest singen wir gemeinsam:

„Gib mir Liebe

Teil mein ganzes Leben

Bleib für immer (Nicky)

Ich bleib bei dir (Erik)

Lieb mich, mehr will ich nicht von dir

Geh von heut' an jeden Weg mit mir

Lieb mich, mehr will ich nicht von dir“

Wieder beginnt mein Herz zu rasen. Diesmal schneller und heftiger als zuvor. Ich kann kaum atmen und fürchte in Ohnmacht zu fallen, aber ich will diesen Moment, auch wenn er nur gespielt ist, nicht ruinieren.

Er nimmt mich wieder in seine Arme, hebt mich hoch und küsst mich. Der Kuss ist anders als alle anderen vor einem Jahr, nicht so leidenschaftlich. Eher schüchtern und zurückhaltend, ja, vielleicht sogar abweisend. Er hat mich wirklich nicht erkannt. Er wirbelt mit mir um die eigene Achse und setzt mich nach drei, schwindelerregender Runden ab und beendet den Kuss.

Der Vorhang fällt zu und ich lächele ihn mit hochrotem Kopf an. Er grinst zurück.

„Vielen Dank, Mademoiselle. Es war wunderbar mit ihnen zu singen.“

„Danke, Erik. Danke für alles.“

Wieder sieht er mich verdutzt an und öffnet den Mund um etwas zu sagen, da geht der Vorhang schon wieder hoch. Er schließt den Mund wieder, packt mich bei der Hand und zieht mich vor zum Bühnenrand. Das erinnert mich irgendwie an den Abend wo er mich aus der Garderobe geholt hat. Damals wirkte er auch wie ein kleiner Junge der seiner besten Freundin irgendetwas cooles zeigen will, das er gefunden hat.

Wir stehen vorne, verbeugen uns und winken. Aufeinmal macht er einen Schritt zu Seite und lässt mich verdattert stehen. Ich verstehe nicht was das soll, bis er die Hände hebt und auf mich weist. 'Ach so...Er will mich nur...wie sagt man...“vorstellen“?!'

Es bricht ein riesen Beifall aus. Kein Wunder, ich hatte neben Erik die größte Rolle, auch wenn ich nicht von Anfang an dabei war, aber der zweite Akt sehr viel länger als der erste. Außerdem habe ich meine Rolle wahrscheinlich extrem gut „gespielt“. Ich verbeuge mich kurz und weise dann auf Erik. Ein noch größerer Beifall. Ich freue mich so für ihn. Wie er strahlt. Das erste mal seit einem Jahr, dass ich ihn so glücklich sehe.

14. Kapitel

14. Kapitel
 

Was für ein Gefühl. Die ganzen Menschen, die für mich aufstehen und mir applaudieren. Ich muss grinsen. Es geht einfach nicht anders. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Standing Ovations. Wow! Ich fühle mich ungefähr wie damals als Nicky mich das erste mal geküsst hat. Sie war der erste Mensch, der das uneingenommen und freiwillig getan hat und ich war ähnlich glücklich wie jetzt. Doch jetzt wo sie nicht mehr da ist, habe ich wenigstens noch das hier.

Dieses Mädchen, das meine Nicky spielt, ist wirklich gut und dazu auch noch überaus hübsch. Sie war die ganze Zeit total überdreht und rot wie ein Hummer. Vorallem nach dem Kuss, der mich irgendwie an Nicky erinnerte. Logisch. Es geht ja in dem Stück um uns beide. Ich habe mich extra zurückgehalten um die Kleine nicht zu verunsichern. Doch etwas ist komisch. Sie kennt meinen Namen. Sie hat mir gedankt. Sie sagte:

„Danke, Erik. Danke für alles.“

Woher kennt sie meinen Namen?

Der Vorhang fällt wieder zu. Ich hab keine Lust auf das blöde Gequatsche mit meinen Kollegen und verziehe mich. Ich möchte auch den Zuschauern nicht erklären müssen, warum alle sich umgezogen haben und nur ich noch mit meinem „Kostüm“ rumlaufe.

Ich gehe zum Eingang meiner Wohnung, der diesmal noch besser versteckt ist.

'Danke, Erik.' Woher kennt sie meinen Namen? Das kann doch nicht sein.

Ich habe den Direktor gebeten mich als Gerry Butler einzutragen und vorzustellen. Sie kann mich nicht kennen. Es sei denn...nein...das kann doch nicht.
 

Aber natürlich!! Christine ist hier. Die beiden haben sich bestimmt angefreundet! Sie muss auch hier sein. Was ist wenn auch sie hier singt? Was ist wenn sie meine Nicky gespielt hat? Das würde erklären, warum sie meinen Namen kennt. Es würde erklären, warum sie die ganze Zeit so gelächelt hat, warum sie mich die ganze Zeit angestarrt hat. Es würde alles erklären!

Meine Nicky. Wenn sie es doch nur wäre.

Ich denke zurück an den Kuss von vorhin und bleibe abrupt stehen.

Sie war es, hundertprozentig.

Ich habe genau das gefühlt, wie ich es immer bei ihr gefühlt hab.

Mein Herz begann zu rasen, zu stolpern, es setzte kurzzeitig aus und ich fühlte mich als ob ich schwebe, als ob ich mit ihr überall hin könnte, als ob und nichts im Wege stehe.
 

Es muss meine Nicky gewesen sein. Sie scheint mich erkannt zu haben, aber warum habe ich sie nicht erkannt? Ich dachte, sie hätten einfach meine Vorstellungen gut umgesetzt. Sie war wunderschön. In diesem Kleid und mit den langen Haaren. Wow!

Jetzt wo ich zurück denke, wird alles offensichtlich.

Ihr Gesicht, ihre Größe, ihr leidenschaftlicher Blick, die Liebe, die sich in ihren Augen spiegelt, die Freude, die Trauer und die Schuld. Alles was ich mit gewünscht hatte bei ihr zu sehen, habe ich bei ihr gesehen. Es war kein Schauspiel. Das war echt und ich habe sie nicht erkannt. Was bin ich nur für ein dämlicher Schwachkopf. Ich muss sie finden. Muss mit ihr reden. Muss sie fragen, ob sie noch in mich verliebt ist.

Ich drehe mich und gehe in die andere Richtung. Weg vom Eingang meiner Wohnung. In Richtung Bühne und Foyer. Sie muss doch noch irgendwo hier sein. Sie wird ihren Ruhm genießen wollen. Das steht ihr allemal zu. Sie hat eine wunderbare Stimme. Engelsgleich. Schöner als die Christines.
 

Wir gern würde ich Nicky wieder in den Arm nehmen...
 

Ich erinner mich, dass der Direktor sagt, wir hätten einen Gast, der nur heute Abend und dann nie wieder bei uns singen würde. Was ist wenn er Nicky meinte? Was ist wenn sie schon weg ist? Was wenn sie schon auf dem Weg nach Paris oder sonst wohin ist? Nein! Ich kann sie nicht noch einmal verlieren! ICH LIEBE SIE! Hätte ich doch nur früher bemerkt, dass sie es ist. Wäre sie geblieben? Bestimmt nicht... Aber vielleicht! Das wäre meine Chance gewesen.

Ich merke, wie mir leise Tränen über die Wange rinnen und bin ein wenig erleichtert, dass man das wahrscheinlich, auf Grund meiner Maske, nicht sehen kann. Es ist das das erste mal seid einem Jahr, dass ich weine. Wenn ich daran denke, dass ich Nicky vielleicht schon wieder verloren habe, dann zeiht sich mein ganzer Magen zusammen. Ich kann kaum atmen und beginne zu rennen um sie vielleicht noch zu erreichen.
 

Schnell erreiche ich das Foyer, wo eine einzige riesige Menschenmasse den ganzen Raum einnimmt. Wie soll ich sie hier nur finden?

Ich gehe durch die Reihen, werde immer wieder aufgehalten und mit Glückwünschen und Lob überschüttet. Doch jetzt interessiert mich das alles nicht. Ich will nur meinen Engel finden. Doch sie ist nirgends zu sehen. Ich sehe Christine ein paar Meter von mir entfernt, aber Nicky ist nicht bei ihr. Ich gehe auf Christine zu, vielleicht weiß sie wo Nicky ist.

„Christine...Christine...Wo ist sie? Wo...ist meine Nicky?“, ich bin ziemlich außer Atem und kann durch das Schluchzen hindurch kaum sprechen.

„Erik? Ist alles in Ordnung?“, sie nimmt mein Gesicht vorsichtig in ihre Hände und sieht mich fragend an.

„Nein, nichts...ist in Ordnung. Wo ist Nicky?“, wieder fange ich an zu schluchzen.

„Oh, Nicky. Mhm...Ich glaube sie ist schon wieder nach Hause“, sie lässt mein Gesicht los und sieht mich mitleidig an.

„G-gut...Nein, nicht gut. VERDAMMT!“, ich drehe mich um verzieh mich wieder. Mittlerweile haben uns eh alle anderen im Raum angesehen und bestimmt gemerkt, dass ich heule.
 

Ich renne durch das gesamte Opernhaus. Ohne jegliches Ziel. Einfach weg von allem. In der nächstbesten Nische, lehne mich an die Wand und lasse mich einfach sinken. Ich vergrabe mein Gesicht, meine Maske, in meinen Händen und beginne wieder ,wie ein kleines Kind, zu heulen. Immer wieder geht mir 'Ich habe sie wieder verloren' durch den Kopf. Sie ist schon wieder auf dem Weg nach Paris. Ich werde sie nie wieder sehen. VERDAMMT!

„Aaaaaaaaaaaaaaah“, ein lauter, schmerzerfüllter, zerreißender Schrei entfährt mir. Danach wird das Schluchzen nur noch schlimmer. Am liebsten würde ich einfach aufs Dach steigen und mich hinunterstürzen. Doch ich weiß, dass Nicky das nicht wollen würde. Ich sehe sie regelrecht vor mir. Wie sie auf mich zu kommt und mich festhält, mich von dem Sprung abhält. Aber sie wird nicht auftauchen... Sie wird nicht da sein um mich davon abzuhalten. Sie würde nicht da sein um mich zu umarmen, mich festzuhalten und mich zu beruhigen. Sie würde sich nicht drum scheren.

Vielleicht ist das die beste Möglichkeit. Vielleicht sollte ich mich wirklich einfach da runter stürzen. Es würde alles nur erleichtern. Nein! Ich habe es ihr versprochen.

Wieder sehe ich ihr Gesicht vor mir und beginne wieder zu schluchzen. Ich ertrage es einfach nicht.

Langsam raffe ich mich wieder auf und schleppe mich zur Falltür, die zu meiner Wohnung führt. Der Eingang ist für ein ungeübtes Auge schwer zu finden, doch ich kenne mich hier aus und weiß genau wo ich was finde. Es gibt für mich nur das Leben in meiner Wohnung und auf der Bühne. Es gibt niemanden sonst der sich für mich interessiert. Nicky ist jetzt wieder in Paris, Christine interessiert sich nur für Raoul und mein einziger – menschlicher – Freund, der Direktor, ist zu beschäftigt um mich zu treffen.

Natürlich habe ich noch meinen kleinen Moony, aber er ist nun mal – nur – ein Tier.
 

Der Eingang, der mir am nächsten ist, führt mich direkt vor den unterirdischen See.

Zwar muss ich dann noch ein ganzes Stück laufen und noch mit dem Boot über den See, aber ich möchte nicht weiter irgendwelchen Leuten über den Weg laufen. Jeder sieht für mich aus wie Nicky. Ich kann gar nicht mehr erkennen wer sie wirklich sind. Jedes mal wenn ich mich umdrehe sehe ich sie und ich immer wieder denke ich sie legt mir wieder liebevoll eine Hand auf die Schulter, doch jedes mal wenn ich nachsehe ist nichts dort.

Ich öffne die Falltür und lasse mich herunterfallen und fange mit Beinen und Füßen den Sturz ab. Und wieder rollen mir die Tränen über die Wangen und ich fange an zu schluchzen – wie erbärmlich. Doch ich kann nicht dagegen tuen. Was sollte ich auch tuen?

Der Weg zum See ist recht dunkel, nur die, von mir angebrachten, Leuchter erhellen die Tunnel einwenig. Ich hasse diesen Weg. Er erinnert mich an Nicky. Verdammt, alles erinnert mich an Nicky. Ich mochte sie doch einfach nur wieder in den Arm nehmen können. Und wenn ich sie nur noch einmal sehen könnte würde mir das schon reichen.
 

Ich erreiche den See und steige in das Boot, das Boot mit dem Drachenkopf, den Nicky so „süß“ fand. Verdammt, schon wieder. Wenn das so weitergeht bringe ich mich wirklich um. Ich hab keine Lust mehr. Ich möchte nicht mehr allein in Erinnerungen schwelgen und mir vorstellen wie es hätte sein können. Niemals werde ich sie vergessen können. Sie, den ersten und einzigen Menschen in meinem Leben, der für mich da gewesen war und mich geliebt hatte. Den ganzen Weg zur Wohnung weine ich. Ich kann nicht anders. Ich bin es selber schuld, also muss ich jetzt auch damit klarkommen.
 

Es sind nur noch ein paar Meter bis zu meiner Wohnung und ich halte an. Habe ich das Licht angelassen? Dort drüben scheint Licht. Könnte es Ni...NEIN! Wie sollte sie hier runter gekommen sein? Und wieso sollte sie? Es muss ein Eindringling sein.

Ich ziehe eins der Punjab-Seile aus der Innentasche meiner Jacke und bereite mich darauf vor zu töten. Mir ist grad alles egal, also kann ich meine Wut und Trauer auch am nächstbesten, dahergelaufenen Mistkerl auslasse

15. Kapitel

15. Kapitel
 

Ich lege an dem kleinen Steg an der Vorderseite meiner Wohnung an und steige aus dem Boot heraus, den Punjab fest in den Händen und bereit. Langsam und leise bewege ich mich auf den Raum zu, aus dem das Licht scheint. Ich schiebe die Tür einen Spalt weit auf und sehe hinein. Der Mistkerl sitzt mit dem Rücken zu mir. Moment! Das ist ein Mädchen. Sie trägt ein Kleid. Sie trägt das Kleid von Nicky aus meiner Oper...

Ist sie es wirklich?

„N-n-n-n-ni-nicky?“, ich gehe langsam auf sie zu. Immer noch hört man das Schluchzen in meiner Stimme.

Sie dreht sich um und lächelt mich an. Dann sieht sie auf das Seil in meinen Händen und grinst breit. Ich merke wie mir der Mund offen steht, kann aber nichts daran ändern. Ich hab nichts mehr unter Kontrolle. Das Schluchzen wird schlimmer und die Tränen fließen mir jetzt wie in einem einzigen Strom die Wangen hinunter. Ich stehe direkt vor ihr und sie hat sich zu mir umgedreht. Sie lächelt immer noch aber jetzt ist es ein glücklicheres Lächeln. Freut sie sich mich zu sehen? Oder freut sie sich einfach nur, dass ich leide?

Meine Knie werden weich und ich breche vor ihr zusammen. Ich nehme eine ihrer Hände in meine und lege meine Stirn an ihre Hand. Das Schluchzen hört einfach nicht auf. Ich spüre wie sie mit ihrer anderen Hand mein Haar streichelt. Ich höre wie auch sie leise weint. Langsam hebe ich meinen Kopf und schaue ihr tief in die Augen.

„N-n-nicky, es tu...“, bevor ich zu Ende sprechen kann legt sie mir einen Finger auf den Mund und macht leise 'Schscht'. Vorsichtig nehme ich ihre Hand von meinem Mund.

„Nein, Nicky, ich möchte es dir erklären. Ich will mich entschuldigen“, meine Stimme wird wieder fester und das Schluchzen hört auf, aber weinen tue ich immer noch. Ich halte weiterhin ihre Hand fest und beginne jetzt – weil ich mich so einfach am besten ausdrücken kann – zu singen:

„Ich hab dich losgelassen

Mädchen, ich weiß was für ein Idiot ich war

Bin auf die Versuchung eingegangen

Es sollte mich nicht so cool gelassen haben

Die Situation geriet außer Kontrolle

Ich hoffe du verstehst

Es könnte jedem passieren

Jedem den du kennst

Jeder kann fallen

Jeder kann jemanden den er liebt verletzten

Herzen werden zerbrechen

Weil ich einen dummen Fehler gemacht hab

Jeder von uns, sag dass du mir vergibst

Jeder kann versagen

Sag dass du mir glaubst

Ich komm damit nicht klar, mein Herz wird brechen
 

Weil ich einen dummen Fehler gemacht hab

Einen dummen Fehler

Sie war irgendwie aufregend

Ein bisschen verrückt, ich hätte es wissen müssen

Sie muss meine Sinne vernebelt haben

Weil sie für mich dagewesen war

Die Situation geriet außer Kontrolle

Ich hoffe du verstehst

Ein dummer Fehler

Sie bedeutet mir nichts

Ich schwöre, dass jedes Wort wahr ist

Ich will dich nicht nochmal verlieren“

Angespannt betrachte ich sie und hoffe inständig, dass sie mir vergibt. Wenn sie jetzt wieder sagen würde, dass das nicht geht, würde ich mich hier auf der Stelle umbringen. Erst jetzt bemerke ich, dass mein kleiner Moony und Luna, der kleine Wolf den ich Nicky geschenkt habe, neben ihr sitzen und mich mit leuchtenden Augen anstarren. Ich sehe Nicky wahrscheinlich mit demselben Blick an.
 

Sie dreht den Kopf von mir weg und setzt diesen es-tut-mir-so-leid-Blick auf.

„Nein, nein, bitte sag es nicht!“, vorsichtig nehme ich ihr Gesicht in meine Hände und schaue ihr tief in die Augen.

„Sag es nicht noch einmal! Das würde ich nicht überstehen“, sie sieht mich und lächelt traurig.

„Erik! Ich will nicht länger von dir fern bleiben. Ich kann das nicht! Wie könnte ich auch, nach dieser wundervollen Entschuldigung?“, sie grinst. „Es tut mir leid, Erik! Ich hab einen Fehler gemacht. Ich hätte dich nie verlassen dürfen. Wir kannten uns zwar nur ein paar Tage, aber ich glaube – und du scheinst genauso zu denken – dass wir nicht mehr ohne einander leben können, richtig!? Also ich kann das nicht. Und ich will es auch nicht. Und...“, sie beginnt leise zu schluchzen. Ich bin nicht gut in so was – wie auch? - aber ich nehme sie vorsichtig in den Arm.

„Du hast keine Schuld an allem, was passiert ist. Mach dir bitte keine Vorwürfe, ja? Ich möchte nur mit dir zusammen sein. Ich sehe das auch so. Ich kann nicht ohne dich leben. Wirklich!“, vorsichtig schiebe ich sie ein Stück zurück, halte sie aber weiterhin an den Schultern fest und sehe ihr wieder tief in die Augen. Ich selbst weine, streiche ihr aber vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht.

„Bleib bei mir, ja?“, in meiner Stimme liegt ein flehender Unterton. Ich habe noch für jemanden so etwas gefühlt wie für Nicky.

„Ich bleib bei dir. Lieb mich, mehr will ich nicht von dir“, zitiert sie aus meiner Oper und grinst mich glücklich an. Ich grinse zurück.
 

Mein Herz beginnt zu rasen und ich spüre wie mich ein unsichtbares Band näher zu ihr zieht. Ich spüre wie ich rot werde, während ich mich ihr näher, aber das interessiert mich nicht – sie sieht es ja auch nicht. Als sich zwischen unseren Gesichtern nur noch Millimeter befinden, sehe ich wie sie ihre Augen schließt und ich tue es ihr nach. Wir nähern uns immer weiter an, langsam, keiner von uns will etwas überstürzen oder den anderen zu etwas zwingen. Immer näher, immer näher – mein Herz rast und stolpert und ich vergesse zu atmen. Plötzlich packt mich etwas an den Haaren und zieht mich nach hinten – weg von Nicky.

„Auuu...HEY! Was zum...“, geschickt drehe ich mich um, mein Herz rast weiter, diesmal jedoch vor Wut und Scham. In dem Moment in dem ich mich komplett umgedreht habe, schaue ich in die großen schwarzen Augen von Moony. Er sieht mich mit böse funkelnden Augen an und schwebt genau vor meinem Gesicht.

Hinter mir höre ich ein lautes Lachen. Ich drehe mich genervt um.

„So lustig?“

Nicky lacht mich aus vollem Herzen aus. Sie hat sogar schon die Tränen in den Augen vor Lachen. Auf ihrem Schoß sitzt Luna und sieht mich ebenso böse an wie Moony. Verärgert greife ich mit einer Hand hinter mein Rücken und ziehe Moony am Nackenfell auf meinen Schoß. Ich grummel leise vor mich hin. Das alles ist mir extrem peinlich. Endlich ist sie wieder bei mir, aber irgendwie scheinen Luna und Moony extrem eifersüchtig zu sein.

„Diese kleinen...Nicky?“, ich sehe sie vorsichtig an.

„Ja?“, fragt sie verwundert. Vielleicht habe ich mich ein bisschen zu verletzt angehört.

„Ich...ähm...Ich liebe dich!“, es ist schwierig für mich so etwas zu sagen. Ich hatte noch nie solche Gefühle, aber ich denke es ist wichtig es zu sagen. Immer und immer wieder.

Nicky beginnt zu schluchzen, lächelt aber. Also lächele ich auch.

„Ich...dich auch, oh...Erik!“

Und damit setzt sie Luna grob beiseite und fällt mir um den Hals. Ebenso setze ich Moony beiseite. Mein Herz rast wieder und ich spüre das Blut in meinen Kopf strömen – wie sehr eine Maske doch hilfreich sein kann. Immer wieder setzt mein Herz aus und stolpert nur noch.

Nicky scheint das zu merken und löst sich von mir und sieht mir vorsichtig in die Augen. Ich weiß genau wie sehr meine Augen leuchten und lächele breit. Ich lege meine Arme schnell um ihren Hals – bevor unsere kleinen Freunde wieder dazwischen gehen könne – und ziehe Nicky vorsichtig an mich. Zärtlich küsse ich sie und mein Herz stolpert weiter. Vom zärtlichsten Kuss der Menschheit geht es fließend zum leidenschaftlichsten Zungenkuss der Menschheit über. Ich merke langsam, dass mir schwindelig wird, beachte es aber nicht weiter. Mittlerweile sitzen wir nicht auf der Kiste vor meinem Bett – wie vorher – sondern liegen schon auf dem großen Bett dahinter.

Ich öffne vorsichtig die Augen und sehe sie an. Sie ist so wunderschön.

Ich streiche ihr durchs Haar und muss innerlich lächeln. Sie wirkt schüchtern und lieb, aber so wie wir hier jetzt liegen kann ich da nicht zustimmen.

Immer wieder drehen wir uns von einer zur anderen Seite.
 

Plötzlich spüre ich, dass unter mir etwas fehlt – das Bett. Verdammt! Ich lasse Nicky noch rechtzeitig los, bevor ich auf den Boden krache. Natürlich knalle ich vorher noch mit dem Kopf gegen einen der Nachttischschränke.

„Auuu...“

„HAAAHAAAA“, lacht Nicky.

Und wieder lacht sie mich aus, aber ich muss grinsen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2009-05-29T15:51:05+00:00 29.05.2009 17:51
Muss schon sagen, die ff gefällt mir sehr^^
Ich hoffe du ladest viel mehr Kapitel hoch
hast echt einen Witzigen schreib-stil
nicht nach dem nur-noch-1-kapitel-lesen-styl
sondern eher die geschichte die man gerne ließt^-^

weitterrr soooo
*durch knuddel*


Von:  Mad-Dental-Nurse
2009-04-18T17:44:01+00:00 18.04.2009 19:44
Hmmmm, das klingt spannend. Bahnt sich da was an?
Von:  Mad-Dental-Nurse
2009-04-18T12:34:15+00:00 18.04.2009 14:34
Wow...armer Eric *ihn am liebsten knuddel will*
Gefäält mir. *smile*


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