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Schwarz/Weiß

von

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Ein Nachmittag im Park

War der Himmel schon immer so blau?

Ich sehe hinauf und werde von der grell leuchtenden Sonne geblendet.
 

Im Park, in dem ich spazieren gehe ist es ruhig. Bis auf ein paar kleine Kinder, die schreiend ihren Eltern auf die Nerven gehen. Ich muss grinsen und schlendere weiter mit meinen Händen in den Jackentaschen durch den Park.
 

Von Weitem sehe ich sie, die Bank, auf der ich so gerne sitze. Man hat einen wunderschönen Ausblick auf den liebevoll gestalteten See, der vor ihr liegt.

In diesem spiegeln sich die umstehenden Bäume und viele Enten und Schwäne ziehen leise und graziös auf der Wasseroberfläche ihre Bahnen.
 

Ein Vibrieren in meiner Hosentasche lässt mich kurz schmunzeln und ich ziehe mein Handy heraus.

Ein Blick auf das Display zeigt mir die Mitteilung, dass es ein unbekannter Anruf ist. Ich zögere nicht lange und drücke den Anruf weg.

Menschen, die ohne Nummer anrufen, haben meistens etwas zu verbergen oder wollen nichts, oder zumindest so wenig wie möglich von sich preisgeben.

Ich mag solche Menschen nicht.
 

Als ich aufstehe und näher an den See herantrete, sehe ich in dem leicht welligem Wasser mein Spiegelbild. Meine blonden Haare leuchten heute aufgrund der Sonne noch mehr als gewöhnlich.
 

Ich sollte mir eine neue Sonnenbrille kaufen.

Warum habe ich diese überhaupt noch? Wann ich habe ich sie gekauft und vorallem – warum?
 

Ein erneutes Vibrieren. Wieso rufen manche Menschen so hartnäckig an?

Man sagt ja immer, dass wenn es wichtig wäre, diese Personen nochmal anrufen würden. War dieser Anruf denn so wichtig?
 

Ich sehe den Schwänen zu und gehe auf dem Weg heraus aus dem Park zurück in die Stadt.

Während ich die Menschen in ihrem Einkaufswahn bemitleide, vibriert es erneut in meiner Hosentasche.

Ich bleibe stehen, ziehe das Handy heraus und gehe ran. Es scheint tatsächlich wichtig zu sein, oder jemand hat ein enormes Mitteilungsbedürfnis.
 

Als ich auflege, ist der Himmel schwarz.

Ich nehme meine Sonnenbrille ab und gehe zum Bus.

Da ich keine Fahrkarte habe, steige ich hinten ein und blicke aus dem Fenster.

Ein paar Leute sehen mich an und tuscheln.

Ich bin es gewohnt.
 

Als ich aussteige, weht mir ein kalter Wind ins Gesicht. Ich schaue mich um und sehe nichts.

Nur schwarz. Überall schwarz.

Dazwischen etwas rotes.

Ich blinzle und vergrabe meine Hände wieder tief in meinen Jackentaschen.
 

Als ich an der Tür ankomme und meinen Namen sage, werde ich schon erwartet.

Eine ältere Frau sitzt dort, die eine Brillev trägt.

Sie ist diese Art Frau, der man ansieht, wie sehr sie ihren Beruf hasst. Kurz gebundene Antworten, kein Ausdruck der Freude mehr in ihrem Gesicht. Purer Hass gegenüber allem.
 

Ihre Augen – schwarz.

Ein Nachmittag im Stau

Es läuft mal wieder nur Mist im Radio. Die üblichen Nachmittags-Dudeleien, die auf jedem Sender gleich sind.

Ich frage mich, wer immer und immer wieder für diese Songs stimmt oder es sogar kauft.

Ich wühle in meinen CDs herum, die lose auf dem Beifahrersitz liegen und entscheide mich für eine CD, die ich selbst zusammengestellt habe.

Solche Musik sollten sie mal im Radio spielen, nicht immer diesen Plastikmüll.
 

Als ich über den Lenker blicke, sehe ich noch immer den selben Heckaufkleber wie vor einer halben Stunde.

Wieso ist immer Stau auf den Straßen, auf denen ich gerade fahre.
 

Die Sonne ist heute unerträglich heiß und verwandelt mein Auto in einen Brutkasten.

Ich schwitze und da es seit einer halben Stunde nicht vorangeht, werde ich langsam aggressiv.
 

Ich fange an, alles und jeden zu verfluchen.

Diesen Pisser mit seinem scheiß „Elias an Bord“-Aufkleber an seiner Heckscheibe, die Tussi neben mir, die sich in ihrem Spiegel schminkt.

Sie kotzen mich alle an.
 

Als ich zu ihr herübersehe, guckt sie mich an und überlegt kurz, bis sie ein erstauntes Gesicht zieht.

Wie ich diesen Gesichtsausdruck hasse.

Ich blicke schnell in die andere Richtung, ehe sie mich anspricht und sehe mir wieder diesen Aufkleber an.
 

Wer klebt sich nur immer sowas an sein Auto? Wer zum Teufel will wissen, wie die Kinder irgendwelcher Hartz4-Assis heißen? Sind sie etwa stolz auf ihre Brut, die sie eh nur im Affekt gezeugt haben?

Ich schüttel den Kopf und drehe die Musik lauter.
 

Eine junge Nachwuchsband schreit laut „halt doch endlich mal die Fresse, ich hab die Schnauze voll!“ - es gibt doch noch Talent in Deutschland denke ich mir, grinse und fahre ganze 2 Meter weiter, ehe mein Wagen wieder zum Stehen kommt.
 

An der rechten Straßenseite steht ein überdimensionales Schild mit drei Jugendlichen darauf und einem Kreuz daneben. Es ist in schwarz-weiß gehalten mit einem dieser Sprüche, die einem ein schlechtes Gewissen machen sollen, ja nicht zu schnell zu fahren. Als hätte man selber diese komischen Teenies totgefahren.

Die sind wahrscheinlich nach einer Nacht voller Alkohol- und Drogenexszessen gegen einen Baum gefahren und ihre Eltern wollten daraus noch Profit schlagen, indem sie irgendwelche Bilder ihrer Kinder noch für solche Kampagnen verkauften.

Oder diese Kiddies leben noch und wir werden gründlich verarscht.
 

Vielleicht hätten sie Fotos von den Autowracks abbilden sollen. Vielleicht hätte das mehr Eindruck gemacht? Wer weiß das schon.

Mir ist es sowieso egal. Ich fahre immer so, wie ich es für richtig halte. Außer im Moment, da fahre ich überhaupt nicht. In den letzten anderthalb Stunden bin ich ca. 10 Meter gefahren.
 

Und die Sonne blendet mich. Dieses verdammtes weiß.
 

Ich ziehe meine Sonnenbrille auf, die Jan und ich uns vor sechs Jahren gekauft hatten.

Wir haben uns beide dieselben gekauft- ich in weißer Ausführung, er in Schwarzer.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie ihm gefallen hat, aber da sie mir gefiel, kaufte ich sie in doppelter Ausführung und er heuchelte mir gefallen vor.

Das mag ich so an ihm. Er ist ein guter Mensch.

Ich bin es nicht.

Ich bin wie die Sonne – ich blende Menschen.

Wie dieses verdammte weiß der Sonne.
 

Als ich nach gefühlten zehn Stunden zu Hause ankomme, bemerke ich, dass ich vergessen habe, noch etwas einzukaufen.

Unter Gefluche und dem dummen, verdutztem Blick meiner Nachbarin verlasse ich erneut das Haus.
 

Mein Handy ertönt lauthals, als ich auf den Zebrastreifen zugehe.

Unbekannter Teilnehmer.

Ich mag Menschen, die ihre Nummer nicht mitsenden, wenn sie jemanden anrufen.

Dann ist man immer irgendwie gespannt darauf, wer anruft und was er zu sagen hat.
 

Ein unwichtiger Anruf. Ich sage genervt „ciao“, lege auf und laufe weiter.

Ich mag mein neues Hintergundbild im Handy. Jan im weißen Anzug.

Ich hasse weiß.

Ihm jedoch steht es.
 

Als ich gedankenverloren das Bild ansehe und über den Zebrastreifen laufe passiert es dann.

Dieser Typ hat mich nicht gesehen.

Ich spüre tierische Schmerzen in meinen Beinen und am Kopf.

Auf dem Asphalt bildet sich eine Blutlache.

Ich spüre, wie meine Lunge kollabiert, ich kann nur sehr schwer atmen.

Den Fahrer sehe ich nur noch verschwommen, wie er wild gestikulierend vor mir rumrennt.

Dieses Arschloch.

Er gibt mir die Schuld, anstatt mir zu helfen.

Ich wünsche ihm den Tod.
 

Vor mir liegt mein Handy. Das Display zersplittert. Der Anzug noch da.

Irgendwer wird ihn schon anrufen...

Ehe ich ohnmächtig werde, sehe ich noch das blendende Weiß der Sonne.
 

Dieses verdammte Weiß.

Schwarz

Als ich in den Gang renne, sehe ich ihn.

Er liegt auf einer Trage und lächelt mich an.
 

Er sieht so friedlich aus. Ich habe Angst.
 

In seinem Mundwinkeln klebt Blut. Er lächelt mich an.

Seine Haare sind rot und Blut läuft noch immer etwas heraus, als die Notärztin ihn obligatorisch versorgt. Er lächelt mich an.
 

Ich gehe auf ihn zu und Tränen steigen mir in die Augen.

Ich spüre nichts außer Angst. Ich fühle mich schwarz, aber er lächelt mich an.
 

Als ich seine Hand nehme und ihn in die Augen sehe, läuft mir eine Träne der Wange herab.

Er lächelt leicht und sagt „schön, dass ich dich noch einmal seh...“

Ich sehe ihn voller Tränen an. Ich versuche, ein Lächeln hinzubekommen, scheitere aber.

Ich halte seine Hand noch fester.

Die Ärztin sieht mich traurig an und ich weiß, was ihr Blick bedeutet.

„...doch es ist besser, wenn ich geh.“
 

Sie unterbricht meinen innerlichen Tod und schreit mir schon fast ins Gesicht, dass ich ihn loslassen soll, sie müssten ihn den OP bringen.

Ich kann nicht.

Ich halte seine Hand. Ich weiß, dass ich sie nie wieder so spüren werde.

„Denk noch mal an mich.“, ich blicke Dirk flehend an, während er noch immer lächelnd und blutend auf der Trage vor mir liegt.
 

Die Ärztin zerrt an meinem Arm und schreit, dass ich ihn loslassen soll. Ich blicke ihm tief in die Augen und meine schwarzen Tränen bahnen sich unnachgiebig den Weg über Meine Wangen auf den schwarzen Boden. Sie vermischen sich dort zu einem Meer der Hoffnungslosigkeit.
 

Ich höre, wie Dirk mir leise „lass los..“ zuflüstert. Vielleicht bilde ich mir es auch nur ein.

Seine Hand rutscht langsam aus meiner und ich bin mir sicher, dass er seine letzte Kraft dafür aufgebracht hat, ein letztes Mal für mich zu lächeln.
 

Jetzt stehe ich hier schon seit zwei Stunden. Auf der selben Stelle, an der sie mir meinen Dirk weggenommen haben. Ich weine noch immer.
 

Irgendwann kommt die Ärztin wieder aus dem OP-Saal heraus. Ihr Blick zeigt mir, was ich bereits wusste.
 

Ich sehe zu Boden und sinke langsam in die Knie.
 

Meine Welt wird schwarz.

Weiß

Als ich aufwache, liege ich auf einer Trage. Ich muss wohl im Krankenhaus liegen.

Kahle Gänge, weiße Wände.

Alles ist so weiß.
 

Ich schmecke Blut in meinem Mund. Viel Blut.

Ich denke an Jan. Ob ihn jemand angerufen hat?
 

Eine hektische Ärztin macht irgendwas an meinem Hinterkopf. Ich spüre nur einen immensen Druck und stöhne leise auf.

Dann sehe ich ihn. Jan.
 

Er kommt auf mich zugerannt und eine Träne läuft seinen Wangen herab.

Ich lächle.

Mir ist nicht nach Lächeln. Ehrlich gesagt, würde ich lieber in Tränen ausbrechen.

Aber das kann ich nicht. Nicht vor ihm. Ich muss für uns beide stark sein-ein letztes Mal.
 

Ich strecke ihm meine Hand mit letzten Kräften entgegen und er nimmt sie schnell. Seine Hand ist kalt.

Sagen tut er nichts. Er mustert mich und seinem Blick zu urteilen sehe ich schlimm aus.

Ich lächle weiter.
 

Seine Tränen bringen mich um den Verstand.

Ich hasse es, ihn leiden zu sehen. Vorallem, wenn es meinetwegen ist.

Ich blicke ihn an und spreche leise zu ihm „schön, dass ich dich noch einmal seh...“, ich muss kurz Inne halten, ich bekomme schlecht Luft.

Er weint noch mehr. Ich halte es kaum aus.

Es ist unerträglich, nicht auch weinen zu können.

Ich bleibe stark, lächle weiter.

Er drückt meine Hand fester.
 

Ich hole unter Schmerzen Luft und sage weiter „doch es ist besser, wenn ich geh“.

Seinen Gesichtsausdruck werde ich niemals vergessen.

Aber es war richtig, ihm das zu sagen. Es war besser, wenn ich ginge.
 

Die Ärztin schreit ihn an, er solle mich doch loslassen.

Ich weiß, dass er es nicht kann.

Ich weiß, dass er es nicht will.

Und ich kann es verstehen.
 

„denk noch mal an mich...“ ist alles, was ich ihm noch sage.

Dann werde ich in den OP gefahren. Ich sehe ihn noch dort stehen, in diesem weißen Flur.

Wie seine Hand noch immer in der Situation ausharrt, als hätte er meine noch in der Seinen.
 

Ich blicke in die OP-Lampe über mir. Sie blendet mich mit weißem Licht.

Ich überlege, ob mein Foto jetzt auch auf eines dieser überdimensionalen Schilder auf den Autobahnen kommt mit einem netten Kreuz daneben.

Dann höre ich die Stimme des Sängers, die schreit „halt doch endlich mal die Fresse“ - und das tue ich auch.
 

Ich lächle ein letztes Mal, schließe die Augen, schlafe ein

und versinke.
 

Im weißen Licht.

Denk noch mal an mich

Als ich aus dem Krankenhaus gehe, ist es noch immer schwarz draußen.

Ich blicke auf die Uhr und gehe langsam zur Haltestelle.
 

„Denk noch mal an mich“

Ich starre in die Leere der Nacht, die meine Gefühle reflektieren.
 

An der Haltestelle angekommen, setze ich mich auf die Bank.

Der Bus kommt, aber ich stehe nicht auf. Ich starre einfach vor mich hin und hoffe,

im Schwarz der Nacht einfach zu verschwinden.
 

Ich habe ihn verloren.

Er war mein Leben.

„Denk noch mal an mich.“
 

Wieder laufen mir Tränen über die Wange.

Als ich aufstehe, bemerke ich, dass es bereits hell geworden ist.

Es ist kühl und ich bin allein.

Ich denke an ihn.
 

Meine Füße laufen irgendwohin. Hauptsache weg. Weg von hier.

Will ich das überhaupt?

Er hat gelächelt. Es war nicht zum Lächeln. Er hat für mich gelächelt, obwohl er

Schmerzen hatte. Höllische Schmerzen.
 

„Denk noch mal an mich“

Ich dachte an ihn. Die ganze Zeit. Ich dachte an ihn, obwohl ich bereits wusste, dass er es

nicht schaffen wird. Ich dachte die ganze Zeit an ihn.

Es tat weh, aber ich lächelte. Es gab nichts zu lächeln, aber ich tat es für ihn.
 

Als die Ärztin aus dem OP kam, verflog mein Lächeln.

Sie sah mich an und meine Beine gaben nach. Ich wusste es, bevor sie kam.

Ich wusste es, als er in den OP geschoben wurde.

Und er wusste es auch.
 

„Denk noch mal an mich“

Mit wieviel Liebe er es zu mir sagte. Er lächelte.

Ich nicht. Ich sah ihn einfach nur an und... dachte an ihn.

An die Zeit mit ihm, als wir zusammen lächelten.
 

Meine Füße bleiben stehen. Ich blicke hoch und sehe erst jetzt, wo ich bin.

Ich bin am Unfallort.

Auf der Straßen liegen kleine Splitter.

Nicht von der Windschutzscheibe. Es sind die Splitter des Displays.

Alle anderen Spuren wurden bereits beseitigt.

Als hätte der Unfall nie stattgefunden.
 

Ich starre auf die Straße und weine.

Ich denke an ihn. Dirk.

Ich denke an den Mann, der ihn angefahren hat. Der ihn mir genommen hat.
 

„Es ist besser, wenn ich geh“

Ich weine, denn er ist gegangen.

Der Typ im Auto nicht. Ihm war es egal.

Hat die Schuld noch auf Dirk geschoben.

Ich hasse ihn. Er hat ihn mir genommen.
 

Ich drehe um und laufe. Laufe zum Park.

Meine Bank, die Enten, die Schwäne.

Ruhe und Frieden.
 

„Denk noch mal an mich“
 

Ich sehe die Bank von Weitem.

Erst heute fällt mir auf, wie schwarz sie ist.
 

Als ich mich setze, sehe ich ihn.

Er, mit seiner Familie. Mit seiner Frau und seinem Sohn.

Er sieht mich an und schaut weg. Er kennt mich nicht.

Er hat ihn mir genommen. Er hat kein Recht, glücklich zu sein.
 

Ich blicke auf den See und beobachte die Schwäne.

Es sind 7 Tiere.

Alle sind weiß, einer ist schwarz.
 

„Lass los.“

Ein Traum im Juli

Am nächsten Morgen wache ich früh auf.

Ich blicke an die Decke und denke über meinen Traum nach. Er war so real.

Wenn ich könnte, würde ich lächeln.

Ich kann es nicht. Es gibt nichts zu Lächeln.
 

Ein Bild auf dem kleinen Schrank lässt mich innerlich sterben.

Dirk und ich. Ich blicke weg, doch sehe erneut hin. Wieder stirbt etwas.

Ich muss was tun. Und ich weiß auch was.

Mein Traum weist mich, es so zu tun.

Mein Unterbewusstsein sagt mir, dass ich Dirk nicht einfach ungesühnt gehen lassen darf.

Ich muss ihn finden. Er, der so fröhlich mit seiner Familie im Park spazieren geht. Er, der lachen kann, während ich schon innerlich tot bin.

Ich muss ihn finden. Für Dirk.
 

Als ich mich angezogen habe, blicke ich in den Spiegel. Ich sehe aus, wie die Frau aus dem Krankenhaus. Keine Mimik, als würde ich alles um mich herum hassen.

Hasse ich alles? Ich weiß es nicht mehr.

Meine Augen sehen so trostlos aus. Schwarz. Tot.

Meine Kleidung passt sich meinen Augen an. Schwarz. Tot.

Wenn ich mich so ansehe, bekomme ich Mitleid.

Nicht mit mir, nein. Mit ihm. Ich weiß, was passieren wird. Er nicht. Er ahnt nicht das Geringste.

Er sitzt sicherlich gerade mit seiner Familie am Frühstückstisch, isst Eier und lacht.

Glücklich ist er. Glücklich wird er nie wieder sein.

Glücklich werde nur ich sein. Und Dirk.
 

„Denk noch mal an mich“
 

Als ich aus dem Haus gehe, scheint wieder einmal die Sonne. Sie scheint, als wäre nichts passiert.

An der Bushaltestelle angekommen, sehe ich viele Kinder. Sie sind glücklich.

So wie wir es waren. Nichts davon ist mehr übrig. Alles in einem Bruchteil von Sekunden zersprungen-wie ein Spiegel beim Aufprall auf harten Boden.

Scherben bringen Glück. Tun sie das? Ihm sicher nicht.

Ihm kann keiner mehr helfen.

Könnte ich noch lächeln, würde ich es jetzt tun. Schadenfroh würde ich lächeln.

Ich kann es nicht.

Ich denke an Dirk. Er konnte es. Ich nicht. Es gab nichts zu lächeln.
 

Das laute Geräusch des Busses reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich steige vorn ein und kaufe mir ein Ticket. Ich werde es mir rahmen lassen. Mit Verzierungen. Diesen Tag werde ich niemals vergessen.
 

Diesen schwarzen Tag im Juli.

Ein Besuch im Juli

Ich sehe das Polizei-Schild an der Hauswand schon von Weitem.

Dieses grelle Blau im Schwarz der Stadt.

Als ich die Stufen hochgehe, überkommt mich ein Deja-Vue. Mein Traum.

Genau so hat es begonnen.

Ich gehe langsam weiter und der Tür hinein. Dort steuere ich direkt auf einen alten Bekannten zu, der mit Dirk damals die Polizei-Ausbildung mitmachte und den ich daher noch kannte.

Als er mich sieht, blickt er mitfühlend zu Boden und kommt auf mich zu.

Er schenkt mir sein Mitleid, aber wirklich glauben tue ich ihm nicht. Er ist mir egal.

Ich brauche nur einige Informationen.
 

Sein Büro ist groß. Er scheint eine hohe Position zu haben. Er redet über irgendwas-über seine Ausbildungszeit und was er mit Dirk erlebt hat. Ich nicke ab und zu und heuchle ihm vor, dass ich ihm zuhöre.

Er bietet mir an, mich zu setzen, was ich sowieso getan hätte.

Nachdem ich kurz Inne hielt, sah ich ihm tief in die Augen und stellte ihm nur eine einzige Frage.

Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nichts zu ihm gesagt. Er war es, der die ganze Zeit redete.

Er wand sich um die Antwort herum, sagte, dass er es mir aufgrund Datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht sagen könne.

Es interessierte mich nicht.

Ich fragte noch einmal in einem anderen Ton und er schien zu verstehen, dass es mir Ernst war.

Ihm entfuhr ein tiefer Seufzer und er tippte irgend etwas in seinen Computer.

Ich nahm meinen Blick nicht von seinen Augen. Es schien, als mache ihn das nervös.

Ich hasste ihn. Er war so ein schmieriger Beamter, der immer alles piekfein hatte. Die Krawatte saß immer korrekt an seinem Platz, sein Anzug war immer gebügelt und glatt.

Seine Falten im Gesicht kamen wahrscheinlich von seinem Stress, den er hier hatte.

Kaffe trinken und Kuchen essen. Er erfüllte das komplette Klischee.

Als ich ihn so musterte, fiel mir auf, wie sehr er schwitzte.

Es war nicht heiß in seinem Büro. Er hatte eine Klimaanlage.

Ehe ich mich fragen konnte, ob er womöglich wegen mir schwitzte, sah er mich an und sagte mir mit eingehender Stimme, dass er dies eigentlich nicht tun dürfe. Ich nickte.

Meine Mimik war hasserfüllt und meine Augen waren tot.

Vielleicht schwitzte er deshalb.
 

Er gab mir einen Ausdruck dessen, was er in den Computer getippt hatte.

Mein Blick flog kurz darüber. Ich hatte bekommen, was ich wollte.

Ich sah ihn an und nickte. Kein Wort, keine Mimik.
 

Als ich aufstand, bat er mich noch einmal, niemandem etwas davon zu sagen, dass er mir dieses Blatt gegeben hatte. Er wäre sonst sicher seinen Job los.

Ich nickte und öffnete die Tür.

Als ich zum Ausgang lief, hörte ich ihn noch einmal tief atmen, als wäre er erleichtert.

Ich hasste ihn. Aber ich bekam, was ich wollte.
 

„Denk noch mal an mich“

Das Bild Dirks zuckte kurz vor meinen Augen, als ich die Polziei verließ.

Ich dachte an ihn. Immer. Überall.
 

Er würde sicher nicht mehr an ihn denken. Für ihn war er nur ein Typ, der eine Delle in sein schönes Auto gebracht hatte und einen Kratzer auf seinem Lack hinterließ.

Ich hasste ihn. Und ihm war es egal.

Er löschte ein Leben aus und es war ihm egal. Er fluchte sogar noch, als Dirk auf der Straße lag und blutete.

Ich hasste ihn. So sehr.
 

Als ich zu Hause ankam, war es bereits Nachmittag, 17Uhr.

Um 20Uhr wollte ich meine Wohnung wieder verlassen.

Drei Stunden, in denen ich plante, hasste und mich insgeheim freute.

Ich ging noch einmal unter die Dusche. Die kalten Fliesen an der Wand kühlten meine heiße Stirn.

Könnte ich nur lächeln. So wie er es tat.
 

„Lass los.“
 

Ich packte meine Sachen in den Rucksack, welchen ich normalerweise auf Reisen mitnehme.

Vielleicht könnte man dieses heute auch als Reise bezeichnen. Vielleicht sogar als meine Schönste bisher.

Ich sah mich noch einmal im Spiegel an. Nichts hatte sich verändert zu dem Mann, der heute früh in diesen Spiegel blickte und sich für hasserfüllt und innerlich tot erklärte.

Nur eines änderte sich: der Gesichtsausdruck war etwas anders.

Es war eine Mischung aus Hass, Abscheu und Vorfreude. Eine bizarre Mischung, die verheerende Folgen haben könnte...
 

Ich nahm den Zettel und verließ meine Wohnung.
 

Da ich mich sehr gut in dieser Stadt auskenne, kannte ich die Adresse, die auf diesem Zettel stand.

Ich lief zu Fuß. Es war erst halb acht und ich hatte Zeit. War sogar noch vor meinem eigentlichen Zeitraum aus dem Haus gegangen.

Es war mild.

Ich trug meine Sonnenbrille. Ich mochte sie nicht. Ich mochte sie nie.

Dirk hatte sie mir geschenkt, darum trug ich sie und trage sie heute.

Ich werde sie mir auch an die Wand hängen, wenn ich diesen Tag, oder besser diesen Abend rumbekommen hatte. Gleich neben das Busticket.

Es sollte einen schönen Platz neben dem Bild von Dirk und mir erhalten.

Ja, das wäre passend.
 

„Denk noch mal an mich“

Ich hörte seine Worte im lauen Wind. Ich ballte meine Fäuste und ging schneller, zielsicherer auf das Haus am Ende der Sraße zu.

Hass. Kein Mitleid. Purer Hass.
 

Der Name auf dem Briefkasten stimmte mit dem auf meinem Zettel überein.

Langsam ging ich auf die Haustür zu. Drinnen brannte Licht. Es war jetzt 21Uhr abends und er würde sicher vor dem Fernseher sitzen mit seiner Familie.

Ich hörte ihn lachen. Ich hasste ihn.
 

Die Klingel leutete lang und es fing an, mich aggressiv zu machen.

Die Tür wurde lachend aufgeschwungen. Da stand er. Er stand da und lachte.

Er kannte mich nicht. Ich kannte ihn. Ich hasste ihn.
 

„Denk noch mal an mich.“

Familienabend

Ich sah ihn an, lächelte aber nicht. Ich konnte es nicht. Es gab nichts zu lächeln.

Langsam holte ich aus meiner Jackentasche meine Waffe, die Dirk und ich schon Jahre zu Hause liegen hatten. Dirk hatte sie nach dem Abbruch der Ausbildung niemals an die Polizei zurückgegeben. Sie fragten auch nie danach.
 

Ich lud den Lauf durch und richtete die Waffe genau auf sein Herz.

Er lächelte nicht mehr. Er sah mir voller Angst in meine schwarzen, toten Augen.

Ich hasste ihn.
 

Ich drängte ihn ins Innere des Hauses, als ich im Augenwinkel seine Frau und seinen Sohn auf dem Sofa sitzen sah. Sie lachten. Sie widerten mich an. Ich hasste sie.

Er sagte etwas davon, dass ich alles haben könne, was ich wollte, ich aber seiner Frau und seinem Sohn nichts tun sollte.

Ich sah ihn angewidert und verabscheuend an. Ich hasste ihn.

Ich blickte zu seiner Frau, die mich wie versteinert ansah und ihren Sohn fest in den Armen hielt.

Sie lachten nicht mehr.
 

Ich atmete tief durch und zeigte ihm an, sich zu seiner Familie auf das Sofa zu setzen.

Er stoplerte über den Teppichrand. Ich schüttelte leicht den Kopf. Ein Vollidiot dachte ich mir.

Es passte zu ihm. Und ich hasste ihn noch mehr.
 

Als er bei seiner Familie saß empfand ich Genugtuung. Zwar noch nicht genug, aber ihre Angst in ihren Blicken machte mich glücklich. Ich hasste sie.
 

Ich befahl der Mutter zu mir zu kommen. Die anderen beiden sollten sich nicht rühren.

Er jammerte rum, dass ich ihn anstatt seiner Frau nehmen sollte. Ich lachte innerlich bei dem Gedanken daran, dass er auch noch an die Reihe kommen würde.

Sie weinte. Es war mir egal. Ich hasste sie. Sie war der Abschaum der Nation. Hatte den Abschaum der Nation als Mann und ihre Brut war das Resultat aus ihnen.

Ich hasste sie.
 

Ich zerrte sie am Arm zu mir und befahl ihm und seinem Sohn dort sitzen zu bleiben, ansonsten würde ich Maßnahmen ergreifen, die ihnen nicht gefallen würden. Sie wurden still.
 

Ich zog sie in die Küche und gab ihr ein Messer in die Hand. Sie starrte mich fassungslos an. Sie sah so dumm aus. Ich sagte zu ihr, dass sie mich in den Arm schneiden solle. Nicht tief, nur gerade so, dass es blutete. Ich weiß, dass sie mich für verrückt hielt. Wer würde das in dieser Situation nicht tun. Ich war nicht verrückt. Ich wusste genau, was ich tat.

Ich hasste sie.
 

Sie tat, was ich ihr sagte. Blut rann meinem Arm herunter.

Ich zog sie wieder zurück ins Wohnzimmer zu ihrer Familie. Die saßen noch immer voller Angst auf dem Sofa und starrten in mein hasserfülltes Gesicht.

Sie erschracken, als sie meinen Arm sahen. Vielleicht dachten sie auch nur, dass es das Blut ihrer Frau, bzw. ihrer Mutter wäre. War es nicht. Es war mein Blut, welches gerade ihren Teppich versaute.

Ich sah ihm in die Augen. In seine angsterfüllten Augen.

Ich sah ihn an und sagte ihm, dass seine Frau gerade meinen „Lack“ zerkratzt hatte.

Augenblicklich verstand er es. Wollte schon losjammern, dass das alles ganz anders war oder sowas.

Ich schüttelte den Kopf und fragte ihn, was ich jetzt wohl tun soll.

Sie hätte einen tiefen Kratzer in meinem Lack hinterlassen sagte ich ihm.

Er geriet in Panik, als er in meine toten, schwarzen Augen sah und plötzlich ganz genau wusste, wer ich war.

Ich hasste ihn. Er hasste mich nicht. Er hatte Angst.
 

Seine Frau jedoch wurde immer unruhiger. Ich hielt sie im Arm und sah ihr in die Augen.

Als sie in meine blickte, erschrack sie.

Ich ging näher an ihr Ohr und flüsterte leise

„denk noch mal an mich“

und drückte ab.

Direkt in ihr Herz.

Sie hatte meinen Lack beschädigt und musste sterben. So wie Dirk.

Ich hasste sie.
 

Sie sank auf den Teppich.Er schrie. Sein Sohn schrie. Ich blieb ruhig.

Ich ging auf ihn zu und packte ihn am Hals.

Er röchelte und flehte mich an, seinem Sohn nichts zu tun.

Ich sah ihm tief in die Augen und sein Sohn rannte weg. Er rannte einfach weg.

Weit kam er nicht. Ein weiterer Schuss. Ich ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Ich war ein guter Schütze und wusste, dass ich den Jungen traf. Ich sah ihm die ganze Zeit tief in die Augen, während ich seinem Sohn in den Rücken schoss, als er davonlief.

Ich hasste ihn.
 

Er brach in Tränen aus.

Meine Vergeltung war fast perfekt.
 

„Lass los...“

Tränen, Blut, Vergeltung

Beinah brach er vor mir zusammen. Es freute mich. Es freut mich so sehr, ihn leiden zu sehen.

Ich hasste ihn.
 

Als ich ihn in die Küche zerrte, wimmerte er nur noch.

Ich schleuderte ihn gegen den Schrank und sah ihn an. Erschrocken blickte er in mein hasserfülltes Gesicht. Ich zielte mit der Waffe genau auf sein Herz. Ich würde treffen, wenn ich wollte. Er wäre sofort tot. Ich will es nicht.

Ich will, dass er leidet. Ich hasse ihn.
 

Ich blicke ihn an und sage ihm, dass er mir gefälligst in die Augen sehen soll.

Er sieht hin. Ich blicke ihn an. Sein verheultes Gesicht. Ich hasse ihn.
 

Ich frage ihn, wie es sich anfühlt, seine Familie verloren zu haben. Er bricht noch mehr in Tränen aus und stammelt immer wieder irgendwas von wegen es tue ihm leid, was passiert wäre.

Ich gehe einen Schritt näher auf ihn zu und frage noch einmal, wie es sich anfühlt, seine scheiß Familie verloren zu haben. Er sieht mich an. Er hat Angst. Panische Angst. Es erfreut mich. Ich hasse ihn.
 

Ich sage nichts mehr, blicke ihn nur an.
 

„denk noch mal an mich“.

Ich denke an Dirk und mein Hass steigt wieder. Ich gehe noch einen Schritt näher, sodass meine Waffe genau auf seinem Herz liegt.

Es wäre nur ein Schuss. Vergeltung. Erleichterung. Hass.
 

„Lass los.“
 

Er sieht mich an, sagt aber nichts. Er weiß, dass er keine Chance hat und er weiß, dass er hier nicht lebend rauskommt.

Ich frage ihn, ob er einen Job hat und er verneint. Hätte Schulden und ist arbeitslos seit ein paar Jahren.

Könnte ich lächeln, würde ich es tun. Ich kann es nicht.

Sein erbärmliches Leben erfreut mich. Er hat nichts zu verlieren. Alles, was er hatte, liegt im Wohnzimmer auf dem Boden und versaut den Teppich mit Blut.
 

Ich frage ihn erneut, wie es sich anfühlt, alles verloren zu haben, was er liebte.

Er schluckt und schaut mir in die Augen. Es wäre furchtbar sagt er mir. Und dass er so nicht weiterleben kann. Ohne sie.

Ich hebe eine Augenbraue und sage ihm, dass dies das erste richtige wäre, was er an diesem Abend gesagt hat.

An diesem schwarzen Abend im Juli.
 

Ich sage ihm, dass ich ihm helfen könne. Ich wusste, dass er ein gläubiger Mensch war.

Ich sagte ihm, dass es nur eine Möglichkeit gäbe, sich von seinen Sünden zu befreien und diesen ganzen Quatsch. Christen sind naiv. Sie glauben an sowas. Also erzählt man ihnen, was sie hören wollen.

Er sieht mich an. Ich blicke ausdruckslos zurück. Er weiß, was ich damit sagen will.

Er schaut auf meine Waffe, die ich noch immer auf sein Herz gerichtet habe.

Falls er eines besitzen sollte.
 

Er nickt leicht und ich hasse ihn.

Mehr als je zuvor. Er wird es tun. Er muss es tun.

Wie verabscheuungswürdig er ist.

Ich hasse ihn.
 

Ich sage ihm, dass wenn ich ihm die Waffe jetzt gebe, es keinen Zweck hätte, auf mich zu schießen.

Er nickt und weint. Ich hasse ihn.
 

„Denk noch mal an mich“
 

Ein Schub durchfährt meinen Körper als der Schuss fällt.

Er sackt zu Boden. Ich sehe ihn an, wie er da in seinem Blut liegt und die wunderschöne Küche versaut.

Ich sehe ihn mir noch lange an. Sein Lack wird nicht zu ersetzen sein.

Ich hasse ihn noch immer.

Und lächle.

Lächle über dieses jämmerliche Bild, was er abgibt. Wie er hier liegt.

In seinem eigenen Blut.

Ich lege ihm die Waffe wieder in die Hand. Sie ist ihm beim Abdrücken aus der Hand gefallen.

Dieser Vollidiot, denke ich.

Es befinden sich nur seine Fingerabdrücke auf der Waffe.

Durch meine Handschuhe stehe ich auf der sicheren Seite.
 

Langsam spüre ich den Schmerz in meinem Arm und sehe, dass ich noch immer etwas blute.

Ich verbinde meine Wunde grob und gehe zur Tür.

Ich blicke noch einmal auf seine Frau und seinen Sohn, der nur einen halben Meter neben ihr liegt.

Ich lobe mich, weil ich so gut getroffen habe. Ich bin ein guter Schütze.
 

Als ich die Tür öffne, blicke ich mich noch einmal im Haus um.

Der Fernseher ist noch immer an. Kein Lachen mehr. Keine Familie.

Alles ist schwarz.
 

Als ich vom Haus weggehe, sehe ich das Auto von ihm. Er hat so einen lächerlichen

Aufkleber an der Heckscheibe. Und ich weiß jetzt, wie sein Sohn hieß.

Ich schüttel den Gedanken an ihn ab und lächle.
 

Ich konnte es wieder. Ich lächelte.

Es gab wieder etwas, wofür es sich lohnte.
 

„Denk noch mal an mich.“

Designermöbel

Ich packte meine Handschuhe in den Rucksack und machte mich auf den Weg.

Ich musste noch etwas erledigen an diesem schwarzen Abend im Juli.
 

Die milde Luft ist wunderschön. Sie erinnert mich an Dirk.

Ich lächle und genieße es.
 

Als der Bus kommt, kaufe ich mir wieder ein Ticket, stecke es zu dem anderen.

Eine weiße Verzierung wäre sicher schön. Dirk mochte weiß.

Es blieb mir immer ein Rätsel.

Ich mochte ihn dafür. Weiß passte zu ihm.

Er war lebensfroh, fluchte selten und hatte viel zu oft gute Laune.
 

„Lass los.“
 

Mein Lächeln erstickte, als ich das Haus sah.

Ich stieg aus und steuerte geradewegs auf das Haus des Bullen zu. Woher wusste eigentlich wo dieser Typ wohnt?

Egal. Ich hasste ihn.
 

Als ich klingle, dauert es eine Weile, bis er öffnet. Er sieht mich verdutzt an. Ich sage nichts und er bittet mich herein.

Als ich in seinem Wohnzimmer stehe, sehe ich mich um. Überall nur Designermöbel. Scheint wirklich eine hohe Position zu haben.

Ich drehe mich zu ihm um, sehe ihm in die Augen. Er wirkt ängstlich.

Ich bin ruhig.
 

Als ich mich auf einen seiner Sessel setze, kommt er näher zu mir und nimmt mir gegenüber Platz.

Nach längerem Schweigen fragt er vorsichtig, was denn loswäre.

Ich sage ihm in ruhigem, normalem Ton, dass ich ihn und seine Familie umgebracht habe.

Gerade eben.

Er sieht mich geschockt an und schreit irgend etwas. Es interessiert mich nicht und ich höre nicht zu.

Ich öffne meinen Rucksack und ziehe etwas heraus. Ein Klemmbrett mit einem Zettel daran.

Ich unterbreche sein Rumgetöse mit einem einzigen Wort. Seinem Namen.

Er sieht mich fragend an und setzt sich wieder auf seinen Sessel, von dem er aufgebracht hochgesprungen ist, nachdem ich ihm das mit der Abschaum-Familie erzählt habe.
 

Ich sage ihm, dass ich sie mit einer Polizeiwaffe umgebracht habe und von ihm diesen Zettel mit den vertraulichen Daten habe. Er wäre ein Hauptverdächtiger, wenn ich etwas erzählen würde.

Er wurde blass. Ich lachte innerlich.
 

Er war ruhig, er blickte ins Nichts. Ich sah ihn an.

Ich hielt ihm mein Klemmbrett hin mit dem Zettel, auf dem sein Geständnis stand, dass er die Familie umgebracht habe.

Er hätte Dirk nie vergessen können und wollte ihn rächen. Hatte den Vater dazu gebracht, seine Frau und Kind umzubringen sich danach danach selbst zu erschießen.

Er schluckte. Ich tat nichts. Ich saß nur da und...hasste ihn.
 

Ich sah, wie er eifrig überlegte, wie er aus der Sache wieder heil rauskommen könnte.

Ich ergriff das Wort erneut und sagte ihm, dass mein Blut am Tatort wäre. Keine Fingerabdrücke, nur mein Blut. Wenn er dieses vertuschen könne, würde nie jemand sein Geständnis zu Gesicht bekommen. Er nickte. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, als zu nicken.

Er hatte keine Frau. Jeder würde glauben, dass er schwul wäre.

Es war ein leichtes Spiel. Ich hatte ihn in der Hand.

Er hasste mich.

Ich lächelte.
 

„Denk noch mal an mich.“

Wohnungsbesichtigung

Am nächsten Tag klingelte es an meiner Tür. Ich wusste, wer dort stand und was sie wollten.

Ich lächelte.

Als ich die Tür öffne, stehen zwei Typen im Anzug vor mir. Zeigen mir ihren Dienstausweis und fragen, ob sie hereinkommen könnten.

Ich trat einen Schritt zur Seite und bat sie mit freundlicher Stimme herein. Sie ahnten nichts.

Einer der beiden Typen war der Bulle, bei dem ich gestern Abend war. Er schien ziemlich nervös zu sein und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Als er mir in die Augen sah, spürte ich seine Angst. Ich lächelte.
 

Wir setzten uns an den Tisch und der Ältere von beiden ergriff das Wort.

Fragte, wann ich Dirk das letzte Mal gesehen hätte, wie wir zueinander standen und solche Dinge.

Ich antwortete im ruhigen Ton und ließ den Bullen nicht aus den Augen.

Der Ältere blickte auf meinen Rahmen, indem die zwei Bustickets von gestern neben dem Bild von Dirk und mir hingen. Ich hatte es mir heute morgen noch rahmen lassen.

Über dem weißen Rand hing meine schwarze Sonnenbrille.
 

Ehe er fragte, fiel ich ihm schon in sein nicht ausgesprochenes Wort. Sagte ihm, dass es als Andenken wäre. Für Dirks letzten Tag.

Wäre er schlau gewesen, hätte er mich gefragt, warum ich so spät noch Bus fuhr und wohin.

Natürlich war er es nicht. Er schenkte dieser Kleinigkeit keinerlei Beachtung. Er hasste Schwule.

Ich hasste ihn auch. Wir schenkten uns nichts.
 

Als sie wieder gingen, sah mich der ältere Bulle noch einmal an. Er schaute in unsere Wohnung. Keine Ahnung, ob er nach etwas Verdächtigem suchte. Ob ich Handschuhe irgendwo liegen hätte oder Mordpläne auf einem Zettel an der Pinwand hängen hatte. Vielleicht betrachtete er auch nur noch einmal unsere Wohnung, weil er uns verachtete. Ich lächelte.
 

Ich schloss die Tür und hörte sie flüstern. Sie philosophierten darüber wie abartig es doch sei, einen Mann zu lieben und dass ich nicht so aussehen würde, als wäre ich ein Mörder.

Ich war fein raus. Dachte ich zumindest.
 

Später am Abend rief mich der Bulle von gestern Abend an. Jammerte mich voll, dass er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, dass ich es tat und er es wusste.

Ich lächelte bei der Vorstellung daran, wie erbärmlich er gerade aussehen musste.

Als er endlich aufhörte zu reden, nein, fast zu heulen ergriff ich das Wort.

Ich fragte ihn, ob er reden wolle. Wir könnten uns treffen und er könnte mir alles sagen, was ihn bedrückte. Ich lächelte, musste fast lachen, als ich mir selber dabei zuhörte. Spielte meine Rolle aber weiterhin perfekt und redete weiter im ernsten Ton.

Er fiel wie erwartet darauf herein.

Morgen Abend um 21Uhr also. Ich lächelte.
 

Ich würde einen größeren Rahmen brauchen.

Moderne Kunst

Als ich aus dem Bus aussteige, stecke ich das Ticket sicher weg.

In seiner Wohnung brennt Licht.

Ich lächle.
 

Es dauert keine 10 Sekunden, nachdem ich geklingelt hatte, bis er mir öffnet.

Anzug und Krawatte. Piekfein wie immer. Ich frage mich, ob das noch seine Arbeitskleidung ist, oder ob er sich noch mal umgezogen hat. Als ob es eine festliche Angelegenheit wäre, mich vollzujammern und zu heulen.
 

Ich gehe in sein Wohzimmer. Alles noch so wie vor 2 Tagen. Nichts hat sich verändert, außer ihm.

Er wirkt nervös, verängstigt und extrem unruhig. Ich bin die Ruhe in Person, setze mich auf seinen schwarzen Designersessel, er sich auf den weißen mir gegenüber. So wie vor 2 Tagen.

Ich lächle kalt.
 

Er fragt mich, ob ich etwas zu trinken haben möchte, springt nervös von seinem Sessel auf und holt eine flasche Wodka aus dem Schrank. Ich verneine mit den Worten, keinen Alkohol zu trinken.

Er lacht auf. Fast verächtlich.

Ich lächle.
 

Als er sich wieder mir gegenüber hinsetzt, stellt er sein Glas auf dem Designertisch ab und schaut an mir vorbei. Kann mir wohl nicht in die Augen blicken. Er spielt an seinem Ring herum, den er an seinem rechten Mittelfinger trägt. Ein großer, schwerer, hässlicher Ring. Er passt zu seinem Charakter und seinem Aussehen.

Ich stütze meinen Kopf auf meinen Arm, der auf der Lehne seines Designersessels ruht.

Frage ihn, was er nun mit mir bereden will. Ich bin die Ruhe in Person. Er das komplette Gegenteil.

Wären wir Schachfiguren, wäre ich der König und er der Bauer. Schwarz gegen weiß.
 

Langsam fängt er an, loszustottern. Ich schalte mein Gehirn sofort ab und betrachte ein Bild hinter ihm.

Es ist so etwas wie moderne Kunst. Obwohl es eine Beleidigung an wirklicher Kunst gewesen wäre.

Manche Bilder sehen aus, als wären sie von Kindern gezeichnet worden. Oder noch mehr einem Primaten.

Wobei sich diese nicht stark unterscheiden.

Das Bild erinnert mich an den Sohn von ihm. Wie er so dalag und den Teppich mit seinem Blut versaute. Seine Pose war beeindruckend. Ich war wirklich ein guter Schütze.
 

Es kehrte ruhe ein. Anscheind war er fertig mit erzählen. Er weinte. Ich empfand nur Abscheu und Mitleid. Mitleid für seine Armseligkeit. Er war Bulle. Er sollte hart sein. Er heulte wie ein Baby.

Ich lächelte.
 

Als er mich fragend ansah, blickte ich ihn an. Das Bild hinter ihm war interessanter als er, jedoch schien er eine Antwort von mir zu erwarten. Ich fragte ihn, was er nun vorhabe.

Er schüttelte den Kopf und sagte, dass er es nicht wüsste. Ich verdrehte die Augen und stand auf.
 

Schwarz gegen weiß.
 

Ich schlenderte durch seine Wohnung, ließ ihn aber nicht aus den Augen.

Als ich einmal quer durch sein piekfeines Wohnzimmer gelaufen war, stand ich hinter ihm.

Ich blickte auf ihn herab und stellte ihn mir vor, wie er auf dem Teppich eine gute Pose abgeben würde. Ich lächelte.
 

Ich ging um ihn herum und stellte mich hinter meinen schwarzen Sessel, beugte mich vor und lehte meine Arme darauf. Ich war nun in seiner Sichthöhe. Er blickte mich fragend an.

Ich seufze und sehe ihm in seine Augen. Sie sind tot. Schwarz.

Ich lächle.
 

Es ist still im Raum. Ich höre seine Nervosität bis hier. Ich kann seinen Angstschweiß riechen.

Er weiß, dass ich nicht zulassen kann, dass er mich verrät. Ich schmecke seine Angst förmlich.

Er durchbricht meinen Gedankengang, indem er mir sagt, dass er mich nicht verraten wird. Als ob er Gedanken lesen könne.

Aber er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Ich hätte schließlich eine komplette Familie getötet.

Ja, das hatte ich. Sie hatten es verdient. Und niemand würde sie vermissen. Sie waren unbedeutend. Für mich. Das reichte mir.
 

Ich setzte mich wieder in den Sessel und betrachtete ihn eine Weile. Eigentlich war er ein Nichtsnutz. War ein Bulle, der nur im Büro saß. Zu nichts zu gebrauchen. Er war ein Bauer.

Ich war der König.
 

Er blickte bedrückt zu Boden. Ich stand auf, lief noch einmal im Wohnzimmer herum, bis ich wieder hinter ihm stand. Er sah noch immer zu Boden.

Plötzlich erschrack er, als er kaltes Stahl auf seiner Schläfe spürte. Er fing wieder an zu jammern und weinte. Ich lächelte.

Er flehte mich an, es nicht zu tun. Bot mir Geld und was weiß ich. Ich schüttelte den Kopf und lächelte.
 

Seine Haare waren schwarz. So wie Dirk's. Ich schluckte, presste die Waffe noch härter gegen seine Schläfe.

Ich hockte mich neben ihn und sah in sein Profil. Seine Falten waren durch seine Angst noch mehr hervorgetreten als eh schon. Seine Augen waren weit aufgerissen. Schweiß lief an seiner Stirn herunter.

Wäre er ein guter Bulle gewesen, hätte er bemerkt, dass ich seine Dienstwaffe aus seiner Tasche genommen hatte, als ich das erste Mal in seinem Wohnzimmer herum lief. Natürlich war er es nicht. Er war ein Bauer. Ich war der König.
 

Ich sagte ihm, dass ich ihm nicht trauen könnte. Dass man Bullen im Allgemeinen nicht trauen könnte. Er fing an zu Stottern. Er wiederte mich an. Er war einfach nur verabscheuungswürdig.
 

Ich ging näher an sein Gesicht und flüsterte in sein Ohr

„Denk noch mal an mich“.
 

Ein Schuss löste sich.

Schwarz hatte gewonnen. Der Bauer fiel.
 

Ich lächelte.
 

Die Waffe reinigte ich sorgfältig und legte sie ihm in die Hand. Übersäte sie mit seinen Fingerabdrücken.

Ich blickte noch einmal zu ihm herunter. Sein Kopf, oder das, was davon übrig geblieben war, sah aus wie moderne Kunst.

Ich lächelte und verließ seine Wohnung.
 

Es war vorbei. Schwarz siegte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  Toozmar
2009-04-02T16:55:25+00:00 02.04.2009 18:55
einfach klasse... wieviel kommt denn noch?
Von: abgemeldet
2009-03-30T20:19:59+00:00 30.03.2009 22:19
He, ich mag die Story auch.
Hab ich dir ja gesagt, aber ich machs auch noch mal offiziell.
Der Schreibstil gefällt mir und auch Farins Art ist sehr...ich sag mal interessant ;)
Schreib schnell weiter, es ist nämlich spannend.


Von:  Toozmar
2009-03-30T18:31:39+00:00 30.03.2009 20:31
immer noch wow. Ich find die Story so klasse und so ein "blutrünstiger" Farin gefällt mir irgendwie o.O

(warum bin ich eigentlich die einzigste die hier kommis schreibt?)
Von:  Toozmar
2009-03-27T13:41:05+00:00 27.03.2009 14:41
immer noch wow O.O

die Story ist echt klasse...
Von:  Toozmar
2009-03-26T13:23:04+00:00 26.03.2009 14:23
wow O.O
Von:  Toozmar
2009-03-25T10:33:24+00:00 25.03.2009 11:33
wow... einfach geil und jetzt bin ich gespannt, ob Farin das wirklich durchzieht.
Von:  Toozmar
2009-03-22T16:59:30+00:00 22.03.2009 17:59
jetzt wein ich. so traurig...
ich versteh gar nicht, warum hier so wenige Kommis sind, die Story ist der Hammer *wieder hinsetz und wart*
Von:  Toozmar
2009-03-21T14:06:19+00:00 21.03.2009 15:06
richtig geil... super geschrieben und super spannend...
*an den Fingernägeln knabber und auf neues Kapitel wart*

Von:  Kelandria13
2009-03-20T16:40:45+00:00 20.03.2009 17:40
Ich kenn dich einfach zu gut... ich weiß ziemlich genau was jetzt kommt... und ich hasse dich dafür *heul*
(naja nicht wirklich, aber das weißt du ja)

Es ist wirklich toll geschrieben, ich konnte mir alles ziemlich gut vorstellen und wusste von anfang an wer "ich" bin. Sehr detailliert und ausgeschmückt. Es wirkt aber trotzdem nicht zu überladen, und das muss man erstmal hinbekommen :)

Ich freu mich schon aufs nächste Kapitel (auch wenn ich ein bisschen angst davor habe)

Schön, dass du wieder schreibst :)
Love ya, Baby *gg*
Von:  Mebell
2009-03-20T15:51:33+00:00 20.03.2009 16:51
Wow..
Das gefällt mir richtig gut, vor allem die Perspektive und wie du alles so detailliert beschreibst. Ich kann jeden Gedanken nachvollziehn und bin echt neugierig,wer diese Frau ist.
Ach und:

"Menschen, die ohne Nummer anrufen, haben meistens etwas zu verbergen oder wollen nichts, oder zumindest so wenig wie möglich von sich preisgeben.
Ich mag solche Menschen nicht."

*Unterschreib*
(Haben wir nicht selber ne anonyme Nu... Egal *hust*)


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