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Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt

Fortsetzung von Bis(s) zum Ende der Nacht
von

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Bis in alle Ewigkeit

Disclaimer:

=> Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction.

=> Alle Charaktere die schon in den Twilight-Bänden ihren Auftritt hatten, gehören Stephenie Meyer. Alle Anderen, wie etwa Schüler, Lehrer und vor allem Renesmees und Jakes Kinder, habe ich selbst erfunden.
 

Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr

http://www.renesmee-und-jacob.de.vu
 

Playlist

Zu Jacobs und Nessies Ja-Wort empfehle ich folgendes Lied:

http://www.youtube.com/watch?v=FhjC45WeUas
 

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Kapitel 27:

Bis in alle Ewigkeit
 

Der Kuss war feurig, leidenschaftlich, aber alles was in mir brannte, war der Ekel.

Ich versuchte, mich zu wehren, ihn wegzuschieben. Normalerweise war das kein Problem, nicht aber, wenn man versuchte, einen Werwolf wegzuschieben. In dieser Situation wünschte ich mir die Stärke eines vollwertigen Vampirs, dann wäre ich ihm vielleicht zumindest ebenbürtig gewesen, so aber musste ich seine gierigen Küsse ertragen und hoffen, dass er irgendwann die Lust daran verlor. Also versuchte ich, dem Ganzen wenigstens im Geiste zu entkommen. Meine Gedanken schweiften ab zu meinen Kindern, die in diesem Moment hoffentlich aus dem Wald herausgefunden hatten. Es war mir in erster Linie nicht wichtig, dass sie Hilfe holten. Einzig, dass sie in Sicherheit waren, spielte eine Rolle. Wo mochte Jacob sein? Ob er spürte, dass etwas nicht stimme? Alice würde uns nicht sehen können, mein Vater war zu weit entfernt, um unsere Gedanken zu hören. Ich war allein. Allein im Wald. Zusammen mit einem nicht zurechnungsfähigen, fanatischen Verrückten. Als ich an ihn dachte, landete ich unweigerlich im Hier und Jetzt, spürte, wie er sich an mich drängte. Ich ging ein paar Schritte zurück und kam mit dem Rücken an einem Baumstamm zum Stehen. Da ich nicht weiter nach hinten konnte, presste ich mich mehr an die trockene Rinde und rutschte dann an ihr herab. Obwohl ich um meine Abneigung ihm gegenüber keinen Hehl machte, ließ er nicht von mir ab. Er schien es nicht mal zur Kenntnis zu nehmen. Als ich schließlich am Boden lag, zwang ich mich einen Moment dazu, die Augen zu öffnen und sah über mir das Abendrot, dass die hereinbrechende Nacht ankündigte.

David knöpfte inzwischen langsam mein Hemd auf. Er strich über meine Haut, begann erneut meinen Hals zu küssen. Jede einzelne Berührung war für mich wie ein kleines brennendes Eisen, so als ob er mich brandmarkte.

„Du bist so schön, Ren. Und du riechst so gut...“

Als er dies sagte, ließ er einen Moment von mir ab, nahm ein paar meiner Haare in seine Hand, ehe er daran roch. Ich sah ihn an, wusste aber selbst nicht, was für einen Ausdruck mein Gesicht wohl haben musste, so geschockt war ich, von dem was da gerade passierte.

„Die Anderen haben mir in der Nase gebrannt, aber du nicht. Das muss bedeuten, dass wir zusammen gehören.“

Was hätte ich ihm entgegnen sollen? Dass ich kein vollwertiger Vampir war und deswegen nicht deren süßlichen Geruch hatte? Dass ich zu Jacob gehörte und unsere drei Kinder der lebende Beweis dafür waren? Würde er mir wehtun, wenn ich etwas erwiderte, was ihm nicht gefiel?

Oder spielte das keine Rolle, weil er mir mit dem, was er da gerade tat, sowieso schon genug weh tat?

Um uns herum wurde es langsam dunkler. David schob eine Hand unter meinem Hinterkopf und hob ihn an, so dass ich ihn ansehen musste. Er lächelte einen Moment, dann küsste er mich plötzlich erneut. Ich kniff die Augen fester zusammen, doch er ließ wieder von mir ab. Als er mich am Arm nahm und auf die Beine zog, öffnete ich meine Augen wieder und sah ihn verwundert an. Sein Blick schweifte zum Himmel, daraufhin sah er mich wieder an.

„Es wird Zeit.“, sagte er entschlossen.

„Zeit? Für was?“, fragte ich zittrig.

„Zeit, zu gehen.“, antwortete er.

- „Was? Wohin?“

Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, da hatte er schon mein Gesicht in seine Hände genommen.

„Ab jetzt wird uns nichts mehr trennen, Ren.“, sagte er in voller Überzeugung. „Ich hab schon alles vorbereitet. Keiner wird uns vermissen. Ich hab mich in der Schule abgemeldet und allen erzählt, dass ich nach Russland auswandern werde. Ich habe das Land so lieb gewonnen, schließlich bin ich dort so lange gewesen. Jetzt werden wir zusammen dahin gehen. Wir können eine Familie gründen. Fort von allem hier.“

Meine Augen wurden mit jedem seiner Worte größer und mein Herz begann zu rasen.

„Ich HABE eine Familie.“, entgegnete ich, doch er ignorierte meinen Satz, nahm mich am Handgelenk, zog mich hinter sich her. Ich versuchte, mich loszureißen, doch er ging einfach weiter und zerrte mich quer durchs Unterholz.

„David!“, fuhr ich ihn an. „Lass mich gehen.“

„Das wird so wundervoll sein, Ren.“

Ich fragte mich, ob er schon immer so gewesen war oder ob ihn die Verwandlung erst so richtig krank gemacht hatte. Was ich bei unserem ersten Date noch als Schwärmerei abgetan hatte, war nun, ein Jahr später, zum Wahnsinn geworden.

Irgendwann sah ich in der Ferne eine Höhle, auf die er direkt zuzusteuern schien. Vor dem Eingang lagen ziemlich viele Knochenreste von getöteten Tieren, was das Ganze nicht unbedingt einladender machte. David ging direkt auf den Eingang zu. Hatte er hier drin etwa 'gelebt'? Wenn ja, dann musste es ein gutes Stück von unserem Anwesen fort sein oder es musste einen anderen Grund geben, weswegen meine Familie ihn nicht gefunden hatte. Vielleicht war hier aber auch nur in Wolfsgestalt gewesen. Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass er in einer solchen Behausung als Mensch leben würde. Als er mit mir die Höhle betrat, roch es ziemlich stark nach Bär. Was er wohl mit dem 'Vorbesitzer' angestellt hatte? Desto tiefer wir in die Höhle gingen, desto mehr vernahm ich nun auch den sonderbaren Geruch, den ich als Werwolfs-Geruch vermutete. Es roch anders als Jacob und die anderen Wölfe.

Tief im Innern der Höhle ließ David mein Handgelenk los und drückte mich an den Schultern nach unten, so dass ich mich, gegen die Höhlenwand gelehnt, setzen musste.

Er kniete sich vor mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass er heftiger atmete, aber ich nahm nicht an, dass das von unserem 'Spaziergang' war.

„Hör mir jetzt genau zu, Ren.“, sagte er stockend. „Zu Fuß brauchen wir zu lange. Als Wolf bin ich viel schneller, so ist es einfach zu Reisen. Wenn wir heute Nacht los reisen“, er stockte, schluckte kurz, „sind wir bald am Ozean. Dann kann uns nichts mehr aufhalten.“

Er strich mir mit seinen heißen Fingern über die Wange.

„Du d-darfst aber... keine Angst vor mir haben. I-ich tu dir nichts. Du wirst sehen.“

„David...“, begann ich dann ängstlich. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Wir sind natürliche Feinde. Außerdem kannst du dich nicht kontrollieren.“

„Oh doch.“, gab er zurück. „I-ich.. tu dir nichts. Versprochen.“

David nahm mein Gesicht wieder in seine Hände, beugte sich zu mir vor und küsste mich abermals gierig, bis er so stark zu zittern begann, dass er von mir ablassen musste.

Ich sah ihn erschrocken an, unfähig, mich zu bewegen.

Als er sich schreiend den Kopf hielt und auf die Knie sank, schlug ich mir die Hand vor den Mund. Er wand sich auf dem Boden, so als würde er Höllenqualen leiden, dann platzte der gigantische weiße Wolf aus ihm heraus, der als Erstes ein tiefes Knurren von sich gab und sich schüttelte. Er passte kaum in die Höhle.

Zunächst machte er noch einen recht verwirrten Eindruck, so als ob er vergessen hatte, was er mir kurz zuvor noch gesagt hatte. Ich beschloss kurzerhand, meine Chance zur Flucht zu nutzen und kroch vorsichtig von ihm weg. Der Höhlenboden fühlte sich kalt an. Immer wieder trat ich auf Splitter. Mal war es nur Holz, mal nahm ich an, dass es ein Knochen gewesen war. Das Knurren des Wolfes hinter mir hallte durch die ganze Höhle, so dass ich nicht sagen konnte, ob er mir folgte oder nicht. Als der Wolfsgestank weniger wurde und ich langsam das herein scheinende Licht sah, erwachte auch meine Hoffnung, hier heil herauszukommen, zu neuem Leben. Ich hatte kaum das Laub wieder unter meinen Füßen, da rannte ich wie von der Tarantel gestochen los. So schnell meine Beine mich trugen, rannte ich zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch.

Mein offenes Hemd flatterte im Luftzug, der durch meinen Sprint entstand, ebenso wie meine Haare. Aber ich hatte keine Zeit gehabt, es zuzuknöpfen. Ich wollte gerade nur eins: weg von ihm und zurück zu Jake.

Aus heiterem Himmel huschte irgendwas ziemlich schnell an mir vorbei. Ich blieb erschrocken stehen und sah um mich. Ich machte ein paar Schritte zurück und horchte, konnte aber nichts vernehmen. Leicht gebeugt ging ich weiter zurück, dann vernahm ich plötzlich ein tiefes Knurren, von dem ich jedoch nicht sagen konnte, woher es kam.

Was sollte ich jetzt tun?

Ich entschloss mich dazu, einfach weiter zu rennen und spurtete erneut los, doch ich kam nicht weit. Plötzlich spürte ich, wie etwas meine rechte Wade berührte. Anschließend überkam mich ein entsetzliches Gefühl von Schmerz. Ich fiel der Länge nach auf den Waldboden, war für einen Moment wie betäubt, jedoch kam der Schmerz wieder. Vielleicht lag es daran, dass ich Schmerzen nicht gewöhnt war. Nichts, es sei denn, ein Vampir oder eben ein Werwolf, konnte mir welchen zufügen. Und in diesem Fall war es Letzteres gewesen.

Ich stützte mich auf dem linken Ellbogen ab, drehte mich leicht auf dem Boden zur Seite und griff mit der rechten Hand nach meinem verletzten Bein. Ich strich kurz darüber. Als ich danach die Hand ansah, war sie voller dunkelrotem Blut.

Ich wandte meinen Blick wieder nach hinten, wo David in seiner Wolfsgestalt die Zähne bleckte. Ich nahm an, dass er mich mit seiner Pfote erwischt hatte, beim Versuch mich zu stoppen. Ein tiefes Knurren kam aus seiner Kehle, seine Nackenhaare waren auf gesträubt.

Ich sah ihn erschrocken an, wusste jedoch nicht, was ich tun sollte. Ob er sich wieder an das erinnerte, was er mir gesagt hatte?

Dave kam nun wieder langsam auf mich zu. Im ersten Moment machte er einen sehr sanftmütigen Eindruck auf mich, wie er sich mir behutsam näherte, doch dann packte er plötzlich nach meinem verletzten Bein. Seine Fangzähne bohrten sich in meine Wunde und ich glaubte für einen Moment, ich würde jetzt sterben, so sehr schmerzte es. Ich schrie laut auf und begann, ihn mit dem gesunden Bein gegen die Schnauze zu treten. Ich wand mich in alle Richtungen, versuchte, ihn wegzudrücken oder weg zukriechen, aber er hielt mich derart fest, dass es ausweglos war. Als er rückwärts ging und mich mit sich zog, konnte ich mich kaum noch rühren. Ich ließ mich mit dem Gesicht ins Laub fallen, krallte meine Hände in einige Blätter und etwas Erde, welche einfach mitgeschleift wurden. Ich war der Ohnmacht nahe.
 

Plötzlich... Wie aus heiterem Himmel... Waren die Zähne, die sich in mein Fleisch gebohrt hatten, verschwunden. Stattdessen spürte ich, wie zwei Hände von angenehmer Temperatur mich vorsichtig umdrehten. Dann fassten sie mich an beiden Oberarmen und zogen mich irgendwo hinauf. Als ich meine Augen benommen aufschlug, sah ich in das mir vertraute Gesicht von Jacob, das mich besorgt musterte und meine Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. „Nessie...“, sagte er sanft. Ich lag mit dem Oberkörper auf seinem Schoß. Er hatte einen Arm unter meinen Hals gelegt, wie bei einem Baby. Mit der freien Hand strich er über meine Gesicht.

„Jake...“, nuschelte ich dann, strengte mich an, die Augen offen zu lassen, um ihn anzusehen. Ich lächelte sanft. Alles drang gedämpft zu mir hindurch, selbst der Schmerz war jetzt nur noch eine Kleinigkeit. Ich sah, wie Jacob mich entsetzt musterte, wie sich der Ausdruck in seinem Blick veränderte, als er vorsichtig über meinen nackten Bauch strich.

„W-was...?“, fragte er geschockt. „Was hat er...?“

Doch er konnte den Satz nicht vollenden, denn im nächsten Moment kniete meine Mutter neben ihm. „Jacob, bring sie nach Hause zu Carlisle. Sie blutet. Die Wunde muss versorgt werden.“

Jacob warf einen Blick zu meiner Mutter und anschließend wieder auf mich, dann nickte er. Er stand vorsichtig auf und nahm mich auf den Arm, dann trug er mich zurück zur Villa.

Den Weg dorthin hatte ich kaum mitbekommen. Ich wachte erst in Carlisles Arbeitszimmer wieder auf.

„Sie wird doch wieder, oder?“, hörte ich Jacobs besorgte Stimme.

„Nicht ganz so schnell wie bei dir, aber ja, es wird heilen.“, bestätigte mein Großvater sanft.

"Und der Werwolfbiss?", hakte er weiter nach.

Ich hörte im Tonfall seiner Stimme, dass Großvater ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht hatte. "Das hatte keine Auswirkungen auf sie."

Langsam merkte ich, wie meine Sinne wieder zu mir zurückkamen, wie ich allmählich wach wurde. Ich lag in Carlisle Arbeitszimmer in einem Bett. Jemand hatte mich zugedeckt.

„Jake?“, sagte ich mit fragendem Ton. Sofort kam mein Verlobter angerannt und nahm meine Hand. „Ja, Nessie?“

Ich wollte mich aufsetzen, doch Jake drückte mich zurück in die Kissen. „Schön ausruhen.“

„Was ist passiert?“, fragte ich benommen. „Wo ist David? Was habt ihr mit ihm gemacht?!“

„David?“, fragte er perplex. Sein Gesichtsausdruck verriet mir kurz darauf, dass er begriffen hatte, ebenso Carlisles.

„Das wissen wir nicht so genau“, antwortete mein Großvater. „Es war erst einmal vorrangig, dir zu helfen. Die Anderen sind noch draußen im Wald.“

Wir vernahmen plötzlich einen Tumult im Erdgeschoss.

„Sie sind zurück.“, kommentierte Jacob.

„Ich will auch runter.“, sagte ich. Jacob biss sich auf die Unterlippe, dann nickte er und trug mich auf seinen Armen nach unten.

Im Wohnzimmer war der Geräuschpegel immer noch hoch. Emmett lief die Hände zu Fäusten geballt durchs Zimmer, Rosalie versuchte, ihn zu beruhigen. Jasper stand stumm in einer Ecke, offenbar bemüht, die Gefühle aller Anwesenden etwas in Zaum zu halten. Mein Vater strich sich mit der Handfläche durchs Gesicht. Als ich mit Jacob und Carlisle zu ihnen stieß, sah er auf.

„Renesmee“, sagte er und lächelte dabei ein bisschen.

Er sagte einen Moment nichts, studierte offenbar meine Gedanken.

„Nein...“, gab er als Antwort auf sie. „Er ist uns entwischt. Aber er ist verletzt.“

„Ich hätte ihn fast gehabt!“, schrie Emmett wütend.

„Wie sehr verletzt?“, wollte ich wissen.

„Ziemlich“, antwortete Alice. „Emmett hat ihn förmlich in die Mangel genommen.“

„Ja!“, zischte Emmett durch zusammengebissene Zähne, offensichtlich bemüht, nicht wieder rum zuschreien. „Aber DU wolltest ja, dass ich aufhöre. Und. Jetzt. Ist. Er. WEG!“

„Edward hat Recht, wir können nicht einfach so ein Leben auslöschen.“

„Ja genau, sind wir halt so tierfreundlich und lassen die Bestie springen, sie hat ja Rose nur fast umgebracht! Ganz zu schweigen von Jake und Nessie!“, gab er zurück.

Jacob sagte nichts dazu. Auch er biss sich auf die Unterlippe und ging mit mir zum Sofa, wo er mich drauflegte. Im Hintergrund begann meine Familie, sich wieder querfeldein zu bereden, aber Jacob sprach zu mir, während er mir durchs Haar strich.

„Nessie“, flüsterte er. „Hat er... ich meine... hat er dich... h-hast du mit ihm?“

Ich schüttelte den Kopf. Jacobs Körper entspannte sich. Er lächelte mich sanft an.

Ich entschloss mich dazu, ihm nicht zu sagen, dass ich panische Angst davor gehabt hatte und mir ziemlich sicher war, dass er wahrscheinlich weiter gegangen wäre, wenn die Sonne nicht untergegangen wäre.

„Mommyyyy!“, hörte ich plötzlich Mariella rufen. Im nächsten Augenblick kam sie auf Jacob und mich zu gerannt, krabbelte aufs Sofa und fiel mir um den Hals.

„Mariella, mein Schatz“, sagte ich zufrieden und strich ihr über den Kopf. Sie gab mir einen Schmatzer auf die Wange. Als Emmett wieder irgendwas herum brüllte, klammerte sie sich enger an mich.

„Spatz, du brauchst keine Angst zu haben.“, sagte ich sanft, aber sie reagierte da nicht wirklich drauf. Es war eine ungewohnte Situation für sie. Als es das letzte Mal Streitereien im Haus gab, war sie noch ein kleines Baby gewesen.

„Sie war heute sehr tapfer.“, sagte ihr Vater. Er strich Mariella durch das lange braune Haar. „Ohne sie und ihren Bruder wären wir nicht so schnell zur Hilfe gekommen.“

„Oh...“, antwortete ich. „Dann muss ich mich ja bei euch beiden bedanken.“

Mariella lächelte ganz sanft.

„Wo ist Ani denn?“, fragte ich Jacob. Er zuckte nur mit den Schultern.

„Ich weiß nur, dass Leah auf Will aufpasst.“

Jetzt sah sich auch Jacob nach unserem Jüngsten um. Wir konnten ihn beide im Raum nicht ausmachen. „Schaust du kurz, wo er steckt? Er hat vielleicht Angst bei dem Krach.“, bat ich Jake. Er nickte und stand auf. Ich blieb auf dem Sofa sitzen und strich Mariella durch ihre zarten Locken. „Mommy?“, fragte sie in niedlichem Ton. „Hat der böse Mann dir wehgetan?“

Ich sah sie einen Moment verwundert an, dann schüttelte ich den Kopf. „Nur ein Kratzer, das wird schon wieder.“

Mariellas kleiner Mund wurde zu einem leichten Lächeln, dann kuschelte sie sich wieder an mich. Jacob kam zurück und setzte sich auf den Sofarand.

„Ich kann ihn nicht finden.“

„Bist du sicher, dass du überall geschaut hast?“

Als er nickte, begann mein Herz wieder schneller zu pochen. Ich merkte auch Jake an, dass er sich Sorgen machte. Ich musste an heute Mittag denken. Der Kleine musste furchtbare Angst gehabt haben. Was wenn er nicht im Haus war? Was wenn er irgendwo allein im Wald saß und weinte? Oder schlimmer?! Nein.. daran durfte ich gar nicht denken.

„Ich sage wir gehen da raus und geben ihm den Rest!“, schrie Emmett wieder. Er zeigte zur Veranda hinaus. Mein Vater schüttelte den Kopf und strich sich durchs Haar, dann seufzte er.

Jacob stand nun auf und ging zu den Anderen.

„Hey“, sagte er ruhig. „Ich will eure zivilisierte Unterhaltung ja nicht unterbrechen, aber... hat jemand Anthony gesehen?“

Alle starrten ihn verwundert an. Man konnte ihnen förmlich im Gesicht ansehen, wie sie wahrscheinlich überlegten, wann sie ihn zuletzt gesehen hatten. Ihre Gesichter werde ich nie vergessen.

„Toll... großartig... Ihr zankt euch hier, während mein Kind weg ist!“, sagte Jacob nun wütend.

„Ist er vielleicht rausgegangen, als wir los sind, um Nessie zu holen? Wollte er vielleicht helfen?“, fragte Alice dann.

Ich beobachtete meine ratlose Familie und strich Mariella weiter durchs Haar. Sie hatte ihr Gesicht in meine Brust vergraben und ich spürte, wie mir langsam die Tränen in die Augen stiegen. Langsam traten sie hervor, bahnten sich ihren Weg über meine Wange. Letztlich landete eine salzige Träne auf Mariellas Stirn, die nun aufsah.

Sie legte ihre kleine Hand an meine Wange und strich mir die Tränen weg.

Ich versuchte zu lächeln. „Danke, mein Schatz.“

„Mommy...? Warum weinst du?“, fragte sie. Sie schien wirklich besorgt.

„Ach, weißt du, mein Spatz, das ist gerade alles ein bisschen viel für Mommy. Das mit dem Mann heute und jetzt ist dein Brüderchen auch noch weg...“

Als ich die Worte aussprach, musste ich mich zusammenreißen, nicht noch mehr zu weinen.

„Ani?“, fragte Mariella. Ich nickte, wieder wischte ich mir ein paar Tränen weg.

„Aber der ist doch da?“, fragte sie verwundert, so als ob es ganz unverständlich wäre, was ich eigentlich für ein Problem hätte.

„Wie? Was meinst du, Spatz?“

Mariella sah einen Moment zurück zu den Anderen, dann rutschte sie von mir und dem Sofa herunter. Ich stand ebenfalls auf, setzte mich zunächst auf den Rand des Sofas und berührte vorsichtig mit beiden Füßen den Boden. Mein verletzter Fuß schmerzte beim Auftreten, also zog ich es vor, ihn so wenig wie möglich zu belasten und humpelte meiner Tochter hinterher.

Als Mariella mit mir humpelnden Etwas auftauchte, verstummten alle. Jacob kam sofort zu mir, um mich zu stützen. Gespannt beobachtete ich mein Kind, wie es an die hintere Zimmerwand lief. Abgesehen von einem kleinen Beistelltisch und einem Schrank war da nichts, außer der weißen kahlen Wand. Sie kniete sich aber dorthin. Ich verstand nicht, was das sollte.

„Anthony!“, rief meine Mutter auf einmal freudig aus, die bis dato hinter meinem Vater gestanden hatte. Jetzt starrten wir sie alle verwundert an. Mein Blick wanderte zwischen ihr und Mariella hin und her.

„Liebste?“, fragte mein Vater.

„Was?“, antwortete sie.

„Da… Da ist nichts.“, erklärte mein Vater.

Meine Mutter hob eine Augenbraue.

Sie sah sich verwundert um und war wahrscheinlich erstaunt darüber, so viele unverständliche Blicke zu ernten. Selbst Jacob und ich sahen sie so an.

„Moment.“, sagte sie. Sie schloss die Augen für einen Augenblick, dann schlug sie sie wieder auf. „Erstaunlich…“, hauchte sie.

„Was?“, fragte ich neugierig. „Was ist los Mom?“

„Ich habe mein Schutzschild weggemacht“, erklärte sie. „Jetzt sehe ich ihn auch nicht mehr.“

Mein Blick huschte erneut zwischen meiner Mutter und meiner Tochter hin und her. Langsam begann ich, zu verstehen. Mit der neuen Erkenntnis ausgerüstet, war Mariellas Verhalten auch weniger seltsam. Die Art wie sie da saß, so als ob da noch jemand wäre, wirkte nicht mehr so grotesk. Ich ging ein paar Schritte vor und gestikulierte Jacob, dass es Okay war. Er ließ mich allein gehen. Langsam ging ich auf meine Tochter zu und kniete mich vorsichtig etwas weiter rechts von ihr hin. Wenn ich es richtig begriffen hatte, musste ich jetzt genau vor Anthony sitzen.

Ich hielt die Arme leicht auf. „Ani? Mommy ist da... Es ist alles in Ordnung... Komm‘ zu Mommy, mein Schatz…“, flüsterte ich sanft. Was dann kam, war für mich zur gleichen Zeit faszinierend und unheimlich. Ich spürte, wie er zu mir kam, spürte wie er in meinem Arm lag und sein Gesicht an meine Brust drückte. Ich spürte seine Hände. Ich wusste, dass er da war. Aber ich konnte ihn nicht sehen. Ich legte meine Wange an sein schwarzes Haar und umschloss ihn mit meinen Armen, dann stand ich mit ihm im Arm wieder auf. Für die Anderen, die mich so sahen, musste es aber mindestens genauso seltsam sein wie für mich. Doch dann setzte mein Sohn dem Ganzen ein Ende, in dem er wieder für alle sichtbar wurde.

Es hatte seine Zeit gebraucht, aber nun wussten wir, warum mein Vater damals nur zwei Babys in meinem Bauch gehört hatte. Anthony besaß die Gabe, sich körperlich und geistig unsichtbar zu machen. Man konnte ihn dann weder sehen, noch mit Gaben erfassen, die auf seinen Geist zugriffen. Diese Unsichtbarkeit fand allerdings nur auf geistiger Ebene statt. Er machte dem Gehirn vor, er sei nicht da und man übersah ihn einfach. Es war so, als wenn man seinen Autoschlüssel sucht, obwohl er direkt vor einem liegt. Man übersieht ihn im Eifer des Suchens. Nur meine Mutter war immun gegen diese Täuschung, so wie sie gegen alle Gaben immun war, die auf ihren Geist zugriffen. Mariella konnte ihren Bruder ebenfalls sehen, allerdings schien dies anders zu funktionieren, als bei meiner Mutter, denn mein Vater konnte ihre Gedanken immer hören. Vielleicht würde sie uns dieses Phänomen erklären, wenn sie älter war. Für den Moment führten wir es einfach auf die außergewöhnliche Verbindung von Drillingen oder Zwillingen zurück. Ob Anthony seine Gabe in diesem Alter bewusst steuern konnte, oder ob er nur dann verschwand, wenn er Angst hatte, wussten wir ebenso wenig.

Wenn er es nicht steuern konnte, würde er es mit Sicherheit bald lernen.
 

Nachdem wir also mehr oder weniger durch Zufall die Gabe unseres Jüngsten erkannt hatten, widmeten wir uns wieder der aktuellen Situation. Was sollten wir mit David tun, der in diesem Moment verletzt und als riesiger, aggressiver, weißer Werwolf durch den Wald irrte?
 

Wir beredeten uns lange, doch letztlich blieb nur eine Möglichkeit...

Ich bat sie darum es noch vor Morgengrauen zu tun. Ich wollte David nicht in Menschengestalt sterben sehen. David war für mich in dem Moment gestorben, als er in Sibirien auf den Werwolf gestoßen war. Ich hatte ihn das letzte Mal vor den Sommerferien gesehen. Das was in diesen Minuten dort draußen war, war nur eine leere Hülle. Jedoch eine, die gefährlich war.

Ich bat außerdem darum, dass Jacob sich nicht daran beteiligte. Ich wollte, dass er starb um die Sicherheit der Menschen hier zu gewährleisten. Wenn Jacob ihn tötete, kam es mir so vor, als sei es ein Kampf um mich gewesen und das wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht in dem Glauben sterben sehen, dass ich für seinen Tod verantwortlich war... Ich würde immer tief im Innern die Schuld bei mir selbst suchen, dessen war ich mir wohl bewusst, aber ich wollte mein Gewissen wenigstens damit beruhigen, dass er auch eine Gefahr darstellte, so wie alle echten Werwölfe.

Ich versuchte meine Gedanken an den blonden Jungen, den ich vor über einem Jahr in der Schule kennengelernt hatte, auszuschalten, als ich die Stufen der Veranda herunterlief und mich auf die Wiese vor unsere Villa stellte. Leah, Seth, Esme und Jacob waren bei meinen Kindern. Ich wusste, wo sich meine Eltern, Emmett, Jasper, Rose und Alice aufhielten, aber für jeden, der dies nicht wusste, sah es nun so aus, als ob ich allein dort stand. Auch der weiße Wolf, der offenbar wegen mir hierher gekommen war, schien es so zu sehen. Vielleicht war er aber auch derartig verwirrt, dass er die süßlichen Gerüche nicht mehr wahrnahm oder gar wahrnehmen wollte. Langsam humpelte das große Wesen auf mich zu, bis er nur noch einen Meter vor mir stand. Ich blieb felsenfest da stehen, wo ich stand, sah ihn an.

Ich ballte die Hände zu Fäusten, begann, kaum merklich zu zittern, spürte erneut die Tränen, hielt sie aber noch zurück.

Und dann ging alles ganz schnell. Emmett und mein Vater packten ihn von hinten, so dass Jasper ihn beißen konnte. Im selben Moment kam meine Mutter, in deren Brust ich mich vergraben konnte und die mich stützte, damit ich mit meinem kaputten Bein nicht umfiel.

Sie hielt mir außerdem die Ohren zu, damit ich so wenig wie möglich mitbekam. Als sie mich losließ und ich auf die Wiese blickte, war niemand mehr da, abgesehen von uns beiden.

„Komm.“, sagte sie ruhig. „Lass uns reingehen, mein Schatz.“

Ich sah noch einen Moment auf die Stelle, wo er zuvor gestanden hatte, nickte und ging mit ihr zurück in die Villa...
 

***
 

Es war ein seltsames Gefühl hier auf der obersten Stufe unserer Treppe zu sitzen, zu wissen, dass meine Familie gerade im Wohnzimmer umher wuselte um etwas für mich vorzubereiten und sie trotz meines geschickten Gehörs nicht wahrzunehmen.

Wir hatten inzwischen Juli und einige Monate vollkommener Ruhe lagen hinter mir. Das nächste Ereignis war allerdings bereits für morgen geplant: meine Hochzeit.

Ich hatte mein langes Haar zu einem Zopf zusammen gebunden, trug ein weißes einfarbiges Shirt und eine schlichte Jeans, als ich hier saß und wartete.

Die Hochzeitsvorbereitungen waren schon seit Wochen in Gang und wie meine Mutter vor mir, hatte ich sie in Alice verantwortungsvolle Obhut gegeben – und ihr damit die größte Freude bereitet. Sie war mit einer unglaublichen Begeisterung heran gegangen. Im Gegensatz zu meiner Mutter, war mir die ganze Sache jedoch nicht so gleichgültig. Meine Mutter hatte mir erzählt, es sei ein tolles Erlebnis gewesen, soweit sie sich erinnern konnte, denn die Erinnerung an ihr menschliches Leben verblasste stetig, aber im großen und ganzen sei ihr das alles weniger wichtig gewesen. Sie wollte es nur hinter sich bringen und war froh gewesen, dies einigermaßen geschafft zu haben. Ich hingegen freute mich auf meine Hochzeit und es war mir nicht gleichgültig wie sie stattfand, ebenso wenig wo. Ich ließ Alice also nicht immer freie Hand. Mein Kleid hatte ich mir auch schon selbst ausgesucht.

Ich wollte diesen Tag unvergesslich machen.Denn ich würde mich mein Leben lang an diesen Tag erinnern und ich wollte es tun, so als wäre es gestern gewesen, egal wie viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte dazwischen lagen und wenn ich es tat, dann wollte ich mich an etwas Wunderbares erinnern.
 

Und nun saß ich also hier. Wartend. Darauf, das irgendwas passierte. Zum Beispiel, das mich irgendjemand vom Warten erlöste. Ich saß inzwischen seit einer halben Stunde hier herum und langsam ertappte ich mich dabei, wie meine Gedanken zu Jacob abschweiften und das, obwohl man mir strikt gesagt hatte, das dies mein Abend war. Mein Einziger, mein Erster und Letzter, ohne Jacob Black. Denn dies war der Abend meines Junggesellinnenabschieds. Und während mein Noch-Verlobter fernab von mir, seinen Junggesellenabschied feierte, war ich hier Zuhause. Ich hatte keine engen Freunde, die ich unbedingt dabei haben wollte, daher war die Gästeliste sehr kurz. Nur alle meine weiblichen Verwandten waren hier, während deren Männer im Wald herum streiften und zur Feier des Tages irgendwelche Pumas oder Grizzlys jagten.

Auch meine Kinder waren nicht hier. Die hatte Großmutter direkt bereitwillig an sich genommen und war damit die Einzige, die fehlte. Ich fand das schade, aber Alice war der Meinung gewesen, das ich diesen Abend wirklich einmal nicht an meine Familie denken und mir womöglich auch noch Sorgen um sie machen sollte. Und da dieses Leben ein voraussichtlich verdammt Langes werden würde und ich dies wahrscheinlich noch häufiger tun würde, hatte ich eingewilligt.
 

Jemand schnippte neben meinem Gesicht und schreckte mich so, aus meinen Gedanken.

„Hey Nessie, hab ich dir denn nicht gesagt, du sollst nicht an sie denken?“, mahnte meine liebe Tante und sah mich mürrisch an.

„Ja, hast du“, antwortete ich etwas verdattert. „'Tschuldige.“

Manchmal glaubte ich, sie könne Gedankenlesen, wie mein Vater.

„Schon okay“, sagte Alice nun wieder gewohnt hoch und freudig. „Es ist dein Abend, Renesmee Carlie Cullen.“ Ich fragte mich, wie oft sie heute meinen vollen Namen noch aussprechen würde, damit ich ihn ja nicht vergaß, wenn ich erst mal einen Neuen haben würde.

Dann nahm sie mich auch schon am Handgelenk und zog mich mit sich. Das Wohnzimmer hatte sie in meiner Lieblingsfarbe dekoriert: Türkis. Überall standen türkisfarbene Kerzen, es gab farblich abgestimmte Blumendekors, Vorhänge und Kissen. Ich sah eigentlich nur noch weiß und türkis und obwohl es doch extrem viel war, kam es mir seltsamerweise kein Stück überladen vor. Etwas kitschig vielleicht, aber das durfte es auch sein.

„Wow“, sagte ich leise.

Alice lachte. „Wenn dich das schon begeistert, dann warte mal ab, was morgen kommt.“

Ich schloss meinen Mund wieder. „Werde ich.“
 

Und ich genoss auch den Abend in vollen Zügen. Wir konnten zwar die meisten Dinge, die man an solchen Abenden machte, nicht tun, doch wir hatten trotzdem jede Menge Spaß. Dazu brauchten wir weder Alkohol, bei dem wahrscheinlich hinterher nur ich angetrunken sein würde, noch einen Stripper, der mich nicht interessierte, weil ich morgen den schönsten Menschen (oder Werwolf?) auf der Welt heiraten würde.

Meine Mutter hatte mir ein wunderbares Essen zubereitet, das ich zufrieden aß, während wir uns alle angeregt am Tisch unterhielten. Größtenteils erzählten sie Geschichten aus meiner kurzen, jedoch schönen Kindheit. Zum Beispiel, wie sie alle geschaut hatten, als ich zum aller ersten Mal aufgestanden und elegant wie eh und je durch den Raum gelaufen war oder wie wissbegierig ich war und wie gern ich las, wie Alice es geliebt hatte, meine Kleider jeden Tag aufs Neue zusammenzustellen und andauernd dafür shoppen gehen zu können.

Es war ein durch und durch lustiger Abend und mich überkam ein seltsames Gefühl, eines, das ich nur sehr selten hatte: das Gefühl ein Mensch zu sein.

Keine Vampire, kein Töten, kein Blut, keine Geheimnisse, keine Volturi. Einfach nur ein normales Mädchen, das hier mit seinen engsten Freundinnen saß und den Abend genoss. Dieses Gefühl allein, würde den Vorabend meiner Trauung schon unvergesslich machen.

Denn wer wusste schon, was die Zukunft brachte?

Ganz so, als ob Alice plötzlich schon wieder die Gabe meines Vaters übernommen hatte, vollzog sie einen Themenwechsel und kramte einen Stapel Karten hervor.

„Nachdem wir ja fast den ganzen Abend über die Vergangenheit geredet haben“, begann sie zu erklären. „Dachte ich mir, das du vielleicht gerne etwas über deine Zukunft erfahren würdest. So als Abschluss des Abends. Und da ich bei dir und einigen anderen Familienmitgliedern, leider nur Schweizerkäse in meinem Kopf habe, wenn es darum geht, eure Zukunft zu sehen, muss ich eben auf 'handelsübliche' Utensilien zurückgreifen.“

Sie fächerte demonstrativ die Karten auf. Es waren Tarotkarten. So wie die Leute ohne Alice Gabe die Zukunft zu deuten versuchten.

„Also... ich kenne mich da ja nicht so sonderlich aus. Ich hab es im Vorfeld aber ein bisschen studiert“, verkündete Alice freudig und strahlte. „Und ich denke für ein einfaches Legesystem reicht mein Crashkurs.“

Ich nickte einfach nur und sah gebannt zu, wie sie das Deck zurecht rückte und Platz auf dem Tisch schaffte. Anschließend schob sie mir das Deck zu. „Zieh eine“, sagte sie.

Ich nahm also eine Karte und legte sie zugedeckt auf die Stelle am Tisch, die Alice dafür vorgesehen hatte. Das tat ich dann noch zwei weitere Male, bis schließlich drei verdeckte Karten auf dem Tisch lagen.

„Es ist eigentlich ziemlich einfach“, meinte Alice als Antwort auf die fragenden Gesichter um sie herum. „Die erste Karte hier“, sie zeigte auf sie, „erzählt etwas über deine Vergangenheit.

Und die in der goldenen Mitte, über deine Gegenwart.“

„Und die Letzte zeigt die Zukunft?“, ergänzte ich.

Meine Tante nickte. „Sollen wir anfangen?“

- „Ja, gerne.“

Mit einer langsamen, jedoch geschmeidigen Bewegung, deckte Alice die Vergangenheit-Karte auf. Auf ihr abgebildet war eine Art Sonne, in deren Innern eine Mondsichel mit Gesicht war. Der Himmel in dem das Gebilde schien, war strahlend Blau. Links und Rechts ragten zwei silberne Säulen in die Höhe, in deren Mitte sich eine Bergkette in der Ferne erstreckte. Im Vordergrund des Bildes standen einige Hunde, die den Mond anzubellen schienen.

„Der Mond“, sagte Alice. „Er steht dafür seinen Gefühlen zu vertrauen und einen festen Pfad zu gehen. Er steht außerdem dafür, das Gefühle in einem Erwachen und man einen Wandel vollzieht.“

„Das passt doch ziemlich“, antwortete Rose darauf.

„Ja, tatsächlich“, sagte ich begeistert. Zumindest die erste Karte passte wie die Faust aufs Auge. Die freundschaftlichen Gefühle, die ich für Jacob gehabt hatte, hatten sich gewandelt und ich hatte ihnen nachgegeben. Konnten die Karten mir wirklich zum ersten Mal meine Zukunft sagen? Bisher war mir das ja immer versagt geblieben, weil Alice bei mir nichts sehen konnte. Im Gegenteil, ich hatte ihr zu Anfang ganz schöne Kopfschmerzen bereitet.

„Alles klar, dann jetzt Nummer Zwei“, sagte Alice und deckte die Karte in der Mitte auf.

Wieder musterte ich die nun aufgedeckte Karte aufmerksam. Hier war nun eine Frau abgebildet. Sie trug keine Kleidung, um ihren Körper war jedoch ein lilafarbenes Tuch gewickelt. Sie hatte kurzes rötliches gelocktes Haar und schien in einer Art blauem Himmel zu schweben. In ihren beiden Händen hielt sie jeweils einen Stab und in den vier Ecken der Karten waren vier Köpfe abgebildet, die jeweils von einer Art Wolke umschlossen waren: links oben der Kopf eines blonden Mannes, rechts oben der eines Adlers, links unten befand sich ein Stier und rechts unten ein Löwe.

„Wow“, sagte Alice nach einer kurzen Pause.

„Was?“, wollte ich wissen. „Was ist?“

„Das ist wohl eine der besten Karten. Sie nennt sich 'die Welt.'“

„Die Welt?“

„Was bedeutet die Karte?“, fragte meine Mutter. Offenbar war ich nicht die Einzige, die vor Neugier fast platzte.

„Sie ist die Erfüllung. Das Ziel. Sie zeigt, dass Renesmee ihrem Pfad gefolgt und nun am richtigen Punkt angekommen ist. Du bist genau da, wo du sein solltest und genau deswegen, bist du jetzt so zufrieden. Du bist im Einklang mit dir selbst – und damit auch mit...“, sie hob die Karte hoch und zeigte sie mir, „der Welt.“

Eigentlich war das für mich keine neue Erkenntnis. Ich hatte immer gewusst, das es richtig gewesen war. Spätestens seit der Geburt unserer Kinder, wusste ich, das ich wirklich dort war, wo ich hingehörte, wo ich sein sollte. Trotzdem, die Bestätigung durch diese kleine Karte aus Papier, machte mich noch glücklicher, als ich es ohnehin schon war.

Beide Karten hatten bis jetzt richtig gelegen. Umso neugieriger war ich nun auf die Spannendste von allen, die, die meine ferne Zukunft voraussagen sollte. Die mir sagen würde, was noch kam. Gebannt starrten wir alle auf den Tisch und Alice, wohl wissend, das wir sehnsüchtig das Bild auf der Karte sehen wollten, ließ sich diesmal ordentlich Zeit damit, sie umzudrehen. Als sie endlich aufgedeckt auf dem Tisch lag, starrte ich sofort auf das Bild – und erschrak. Alice brauchte mir nicht wirklich erklären, was diese Karte bedeutete. Zumindest die Grundbotschaft, war mehr als eindeutig...

Im Gegensatz zu den beiden anderen Karten, war diese hier nicht in Blau gehalten, sondern in reinem dunklem, alles aufsaugenden tiefen Schwarz. Das Dominanteste auf dem Bild, war die große Gestalt in der Mitte: ein Teufel, halb tierisch, halb menschlich, mit Hörnern und Flügeln und auf einem Block sitzend. Der Block diente als Halterung für zwei Ketten, an denen zwei nackte Menschen angebunden waren. Es war links eine Frau und rechts ein Mann. Auch sie hatten rote Haare und wie der Teufel, einige tierische Aspekte, wie Hörner und Schweife.

Was mich am meisten verwunderte, war aber, das sie sich nicht gegen die Ketten wehrten. Sie standen einfach nur da. Sie wirkten auch nicht traurig oder wütend, sondern ziemlich gleichgültig. So als ob ihnen ihr Schicksal ganz egal wäre.

Es war nur ein Bild, bedruckt mit Farbe auf ein Stück Papier, aber es machte mir Angst.

„Was bedeutet das?“, fragte ich zögerlich und durchbrach damit die Stille.

Alice schluckte kurz. „Nun.. das ist... na ja...“

„Ja?“

Alice Gesichtsausdruck erinnerte mich an den, den Jasper auf älteren Fotos hatte, wenn Menschen in der Nähe waren: leidend.

„Diese Karte ist sehr schwer zu deuten... sie zeigt, das etwas Negatives auf dich zu kommt. Man kann aber nicht sagen, was genau es ist. Es kann sehr schleichend sein, ohne, das du irgendwas davon merkst. Es muss auch nicht Krankheit oder Tod bedeuten.“

Traurig sah ich den Teufel an, wie er da auf seinem Steinblock saß, der das Pärchen festhielt.

„Lass dir von der Karte bitte nicht deine Hochzeit vermiesen, Nessie“, bat meine Mutter.

„Ja“, bestätigte Alice. „Das solltest du auf keinen Fall tun. Im Tarot gibt es keine negativen Karten. Jede Karte hat ihren Sinn und ist wichtig. Du solltest den Teufel als Warnung verstehen und auf der Hut sein, das bedeutet aber nicht, das du deswegen darauf warten sollst, dass das eintritt, wovor er warnt. Wir haben die Karte mit der Bitte um Antworten für deine Zukunft gestellt. Deine Zukunft ist extrem breit gefächert. Es kann Jahrhunderte dauern, bevor das passiert und da du vorher die Welt bekommen hast, kannst du dir sicher sein, das du alles richtig gemacht hast. Es liegt also nicht an dir.“

„Ich weiß“, antwortete ich und lächelte dabei sanft. Ich beließ es auch dabei ,auf das zu hören was Alice gesagt hatte. Ich war auf dem richtigen Weg, weil ich meinen Gefühlen gefolgt war und ich würde diesen Weg weiter gehen. Und wenn etwas Negatives meinen Weg kreuzen wird, wird auch dies kein unüberwindbares Hindernis sein. Da war ich mir sicher.
 

***
 

Direkt im Anschluss an den Junggesellinnenabschied ging es dann weiter. Inzwischen zum vierten Mal verließ ich mein Zuhause um in einen Flieger zu steigen. Es war natürlich mal wieder ein erstklassiger Privatflieger. Und Alice hatte der Crew offenbar auch den Grund für unsere Reise genannt, denn anders konnte ich mir nicht erklären, warum insbesondere ich von vorn bis hinten bedient wurde. Die Stewardess strahlte mich immerzu freundlich an und versuchte, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

„Willst du nicht ein bisschen schlafen, Nessie?“, fragte meine Mutter, die sich soeben neben mich gesetzt hatte. „Es wird ein langer Tag werden.“

„Ich weiß“, sagte ich, schon etwas müde, stand dann aber auf und ging in den hinteren Bereich des Privatflugzeugs, wo meine Kinder waren. Unterwegs lief ich an Emmett und Rose vorbei, die mit geschlossenen Augen in ihren Sitzen kuschelten. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, sie würden schlafen. Ich wünschte mir Jacob herbei, als ich das sah. Irgendwie fühlte ich mich, als würde mir was fehlen. Ich wusste, das es Tradition war, das der Bräutigam die Braut vor der Trauung nicht sehen durfte, weil es Pech brachte, aber ich vermisste ihn. Es würde kein Pech in unserer Ehe geben, also war es sinnlos. Jacob würde mich nie betrügen oder verlassen.

Ich fragte mich, was er gerade machte... aber wahrscheinlich war er in diesen Minuten draußen seinen Freunden in La Push, saß um ein Lagerfeuer herum und aß soviel er konnte. Ich hätte mir nicht vorstellen können, das er seinen Junggesellenabschied mit Jasper, Emmett und den Anderen verbringen würde. Ich wollte, dass er diesen Abend mit Menschen verbrachte, mit denen ihm wirkliche Freundschaft verband. Natürlich war so etwas in der Art inzwischen auch zwischen Jake und meiner Familie entstanden, aber es würde doch immer die Natur der Werwölfe dazwischen stehen und er würde es immer dulden, weil er auf mich geprägt war, aber eine richtige Freundschaft auf freiwilliger Basis, so wie mit den Leuten in La Push, würde es nie werden. Also steckten wir ihn, zwei Tage vor der Trauung ,zusammen mit Leah und Seth, in den Flieger. Sie hatten alle drei protestiert, weil sie damit von jenen getrennt wurden, auf die sie geprägt waren, aber meine Familie hatte kein Erbarmen gezeigt. Ich hoffte, sie würden es trotzdem irgendwie genießen.

Jacob hatte eingewilligt, dass wir auch nach der Heirat noch mit meiner Familie in Arcworth leben würden. Ich wusste, was für ein großes Opfer das für ihn sein musste. Meine Familie zu verlassen und mit meinen Kindern allein mit ihm auf der olympischen Halbinsel zu leben, dazu war ich einfach nicht bereit. Ich war froh, dass er darauf verzichtete in La Push zu leben, aber ich wollte ihm noch ein Geschenk machen und hatte deswegen La Push als unseren Trauungsort ausgewählt. Dort, wo er mir auch den Antrag gemacht hatte, wollte ich ihm mein Ja-Wort geben: am First Beach.

Zusammen mit seinen engsten Freunden und meiner Familie. Keine gigantische Gästeliste, aber ich war mir sicher, dass es etwas ganz Besonderes werden würde.

Um Jacob hier im Flieger etwas näher zu sein, ging ich zu meinen Kindern, die im hinteren Bereich schliefen. Ich nahm William auf den Schoß, der einfach zufrieden weiter schlummerte. Seine Geschwister schliefen auf der anderen Seite des schmalen Ganges.

Ich streichelte ihm durch sein inzwischen schön gewachsenes bronzefarbenes Haar. Es war genau der selbe Farbton wie der meinige und dem meines Vaters. Als ich ihm mit einem Finger sanft über die kleine Wange strich, kam mir ein Gespräch mit meiner Mutter in den Sinn, dass wir vor einigen Wochen auf der Veranda gehabt hatten, während William, wie jetzt gerade, auf meinem Schoß schlief. Sie hatte mir gesagt, wie glücklich sie darüber war, dass ich drei gesunde Kinder hatte und wie sehr es sie freute, dass sich nicht nur ihre Gene widerspiegelten, wenn man meine Kleinen ansah, sondern auch die meines Vaters. Nicht nur sein Haar, sondern auch seine Augen. Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, seine Augen zu sehen. Seine menschlichen Augen. Nicht das bezaubernde Gold oder das tiefe Schwarz, sondern das wunderschöne Grün, dass ich jetzt in Williams und Anthonys Augen sehen konnte. Sie vertraute mir außerdem eine blasse Erinnerung aus ihren Flitterwochen an. Damals, kurz nachdem ich gezeugt worden war, hatte sie häufig seltsame Träume gehabt. In einem Traum war auch ein kleines Kind vorgekommen. Ein Junge, so schön wie mein Vater, so hatte sie ihn beschrieben. Mit seinem Haar und seinen Augen. Auf der Basis dieses Traumes, hatte sie geglaubt, einen solchen Sohn in sich zu tragen. Ich war nicht dieser Sohn geworden. Mein Name war nicht EJ, sondern Renesmee Carlie. Momentan noch Cullen. In nicht mal 24 Stunden würde es Black-Cullen sein. Unsere Namen waren zu bedeutend um einen von ihnen aufzugeben, so wollte ich, dass unsere Kinder beide trugen.
 

***
 

Als der Flieger in Seattle landete, stand die Mittagssonne bereits hoch am Himmel. Die meiste Zeit des Fluges hatte ich glücklicherweise schlafen können und war dementsprechend jetzt den Umständen entsprechend fit, auch wenn ich dies größtenteils auf meine Nervosität schob.

Meine Kinder waren ebenfalls hellwach und während William, während der Fahrt von Seattle nach Forks, damit beschäftigt war ,die Umgebung gebannt anzustarren, die an ihm vorbei huschte und währenddessen mit seinen kleinen Händen die Fensterscheibe unseres Mietwagens zu betatschen, saßen meine anderen Beiden auf dem Rücksitz und gaben sich ziemlich wortkarg.

„Mommy?“, fragte Mariella nach einer Weile. „Sind wir bald da?“

Meine eigene Mutter, die den Wagen fuhr, musste unweigerlich leise lachen. Quängelnde „Wann sind wir endlich da“-Fragen von kleinen Kindern gehörten zu Reisen einfach dazu.

„Ja meine Kleine“, antwortete ich.

Als mein Blick von meiner lächelnden Mutter zu meiner Tochter wanderte, war ihre Ähnlichkeit verblüffender als sonst. Durch das Sonnenlicht glitzerten sie beide wie Diamanten, während ich nur ganz sanft schimmerte. Anthony war zwar blass wie eh und je, ansonsten konnte ich aber keine Veränderung bei ihm feststellen. Er schien sich auch nicht weiter darum zu kümmern. Für ihn war es normal, das seine Schwester so funkelte und er nicht.

Unsere nächste Station war ein mir sehr bekannter Ort. Unser altes Anwesen in Forks.

Ich wunderte mich nicht wirklich darüber, dass das Haus in all den Jahren keinen Staub angesetzt hatte. Dass die Möbel, die Fußböden, die Gardinen in tadellosem Zustand waren. Ich wusste nicht wann und wie sie das geschafft hatten, aber ich machte mir auch nicht wirklich lange Gedanken darüber. Ich war einfach nur überwältigt von allem. Überwältigt - nicht überfordert. Ich genoss diesen Tag sehr, kostete jede Sekunde aus.

Alice brachte mich in das große Bad im ersten Stock. Genau hier, hatte sie meine Mutter eingekleidet, kurz bevor sie vor den Altar trat und jetzt tat sie das Selbe bei mir.

Sorgfältig banden sie und Rosalie meine Haare zu einer wunderschönen aufwändigen Hochsteckfrisur zusammen, die jedoch noch genug Haare mein Gesicht und meinen Nacken umschmeicheln ließ. An den längsten Stellen spürte ich sie an den Schulterblättern, während Rosalie sie nochmal durchkämmte und Haarspray hinzufügte.

Mein Kleid war ein einziger Traum aus Seide. Schneeweiß und mit kleinen Details bestickt. Es umschmeichelte meine Taille und mündete dann in einem wunderschönen ausschweifenden, jedoch nicht zu pompösen Rock, dessen Enden hinter mir problemlos den Boden berührten.

Alice hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich so sehr strahlen zu lassen, dass wir keine Licht benötigen würden... denn – und das war wieder einer von Alice wundervollen Ideen gewesen, meine Hochzeit, würde keine Gewöhnliche werden. Nicht nur, weil ich ein Halbvampir und mein Bräutigam ein Werwolf war. Nicht nur, dass ich am First Beach heiraten wollte, ich wollte durch diese Entscheidung keinerlei Verluste eingehen. Weder wollte ich, dass meine Liebsten meiner Hochzeit nicht beiwohnen konnten, noch wollte ich das Selbe für Jacob.

Natürlich wusste das Rudel, was ich war. Sie wussten auch, was meine Familie war. Wussten um ihre goldenen Augen, um ihren Durst nach tierischem Blut, um ihre Herkunft, ihre stählerne Haut, die im Licht der Sonne glitzerte. Aber es würden auch Gäste dort sein, denen ich dieses Wissen nicht zumuten wollte. Sue Clearwater zum Beispiel. Oder Großvater Charlie. Oder Emilys Kinder. Um also beide Familien zu vereinen, so wie ich es mir wünschte, gab es nur eine Möglichkeit: wir mussten der Sonne entkommen. Durch eine Mondscheinhochzeit.
 

„Etwas noch“, sagte Alice, als sie und Rose mich fertig frisiert und geschminkt hatten.

Ich sah sie erwartungsvoll an. Was sollte jetzt noch kommen?

„Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue“, flüsterte sie leise und sah mich dabei lächelnd an. Ihre topasfarbenen Augen strahlten mir entgegen und hatten eine solche Tiefe, wie ich sie selten gesehen oder zumindest bemerkt hatte.

„Etwas Altes symbolisiert deine Vergangenheit“, erklärte sie mir den Brauch, den ich so oft gehört hatte und nun selbst wahren durfte. „Etwas Neues, deine Zukunft in einem glücklichen Eheleben. Etwas Geborgtes, ist das Sinnbild der Freundschaft und Blau steht für die ewige Treue.“

Ich spürte wie meine Augen feucht wurden und lächelte meine Tante an.

„Hey, nicht weinen. Das ruiniert dein Make-Up“, mahnte sie spielerisch.

„Ich weiß...“, wimmerte ich.

Rose kam mit einem Taschentuch und entfernte die Träne ohne etwas dazu zu sagen. Sie lächelte ebenfalls glücklich. Dann kamen Esme und meine Mutter.

„Mein Schatz“, sagte meine Mutter und umarmte mich zaghaft, darauf bedacht, mein Outfit nicht zu ruinieren. „Mommy“, sagte ich. Esme, hinter ihr, schien ebenfalls sehr gerührt zu sein. Würde sie weinen können, sie würde es tun. Sie war die Nächste, die mich umarmte.

„Hier“, sagte sie dann und zeigte mir etwas, was auf ihrer geöffneten Handfläche lag. Es war eine alte Haarspange. Sie erinnerte mich ein bisschen an einen Schmetterling und man sah ihr das Alter an. Nichtsdestotrotz war sie wunderschön und sie war blau.

„Die gehörte einmal meiner Mutter. Sie ist seit dem späten 19. Jahrhundert durch unsere Familie gereicht worden. Sie passt sicherlich wunderbar zu deinen Haaren und ich borge sie dir gern.“

Ich betrachtete das Schmuckstück und hielt inne, als meine Großmutter sie mir im Haar befestigte.

„Danke“, sagte ich leise. „Vielen vielen Dank.“
 

Als die Limousine vorfuhr, war die Sonne bereits untergegangen. Sie war schneeweiß und mit Blumen geschmückt. Ich wusste nicht, wer am Steuer saß. Vielleicht war es Emmett, vielleicht mein Vater. Vielleicht war es aber auch nur ein Chauffeur. Es würde ohnehin keine besonders lange Fahrt werden. Aber ich genoss sie, obwohl ich im selben Moment so wahnsinnig aufgeregt war. Meine Hände zitterten. Durch die getönten Scheiben wirkte alles, woran ich vorbeifuhr, noch etwas dunkler. Trotzdem hatte das alles heute Nacht etwas magisches an sich. Auch als mein Vater mir nach einer Viertelstunde Fahrt aus dem Wagen half, in dem er mir die Hand reichte, wirkte der Strand von La Push auf mich nicht wie zuvor. Schon als der Wagen gehalten hatte, hatte ich das Gemurmel wahrgenommen. Ich wusste, das draußen alle auf mein Erscheinen warteten. Allen voran Jacob. Ich atmete tief durch, ehe ich mit meinen weißen Sandaletten mit den zarten Riemchen den königsblauen Teppich berührte. Der Boden darunter war hart und eben. Offenbar hatte man ihn mit Holz verkleidet, damit ich nicht über einen Stein stolpern konnte. In der Tat war ich mein ganzes Leben standfest auf beiden Beinen gegangen – und jetzt war ich so froh über den Arm, den ich halten konnte. Ich hakte mich bei meinem Vater ein, wie es sich gehörte. Erst jetzt, wagte ich es, nach vorn zu schauen.

Zu beiden Seiten des langen Teppichs saßen die Hochzeitsgäste und jeder einzelne Blick, war auf mich gerichtet. Ich nahm jedes Gesicht wahr, in das ich ,in diesen Bruchteilen von Sekunden, sah, bis zu jenem Moment, an dem ich das von Jacob gesehen hatte. Sein rostbrauner Teint wirkte für mich gleichermaßen vertraut wie neu. Es kam mir so vor, als würde ich heute zum ersten Mal von ihm geblendet werden, dabei hatte ich schon immer gewusst, was für einen gutaussehenden jungen Mann ich an meiner Seite hatte. In seinen strahlenden Augen konnte ich selbst auf die Entfernung zwischen uns sehen, das er von meinem Aussehen fasziniert war. Das ich für ihn wahrscheinlich in diesem Moment das schönste Lebewesen auf dieser Erde war und wie überrascht er darüber war, das ich noch schöner sein konnte, als ich es in seinen Augen schon immer gewesen war. Wie es möglich sein konnte, das zu toppen.

Als ich mit meinem Vater den Gang entlang lief und dabei Jacob ansah, nahm ich am Rande war, das hinter ihm der Pfarrer stand und links und rechts von ihm unsere Trauzeugen, Leah und Seth. Ich wusste, das Alice und Rosalie sich um meinen Schleier und mein langes Kleid kümmerten und das meine Mariella zusammen mit Emilys Kindern mit Blumen vor mir herlief. Ich spürte den Arm, der meinem Vater gehörte und der mich hielt, der mich auf diesem Weg begleitete. Ich wusste, das unter den Gästen auch Jasper und Emmett und meine Großeltern waren. Esme, Carlisle und Charlie. Ich wusste, das auch meine Söhne William und Anthony hier waren. Aber ich sah keinen von ihnen. Jetzt war ich diejenige, die keine anderen Gesichter sehen konnte. Keines, außer dem von Jacob. Meinem Jacob. Meinem Verlobten. Meinem Leben. Meiner Liebe. Alles.
 

Der Mond schien hell am Himmel und ließ meine helle Haut und mein Brautkleid strahlen, als ich Jacob gegenüber stand. Es war ein kurzer Moment der Stille, nachdem der Pfarrer seine Rede beendet hatte. Jacob sah mich unverwandt an. In seinen Augen sah ich die Sterne des Himmels leuchten, als er mir sein Eheversprechen gab...
 

„Ich, Jacob Black, nehme dich, Renesmee Carlie Cullen, vom heutigen Tage an, zu meiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau, meiner besten Freundin, treuen Partnerin und meiner ewigen und einzigen Liebe. Im Beisein Gottes, unserer Familie und Freunde, leiste ich dir meinen Schwur dein treuer Partner zu sein, in Krankheit und in Gesundheit, in guten, wie in schlechten Tagen, in Freude, wie im Leid. Ich verspreche dich bedingungslos und aus tiefstem Herzen zu Lieben, dich zu unterstützen, deine Träume und Ziele zu teilen, dich zu ehren und zu respektieren, mit dir zu lachen und zu weinen und dich zu schätzen bis in alle Ewigkeit.“
 

Als er das letzte Wort gesprochen hatte, musterte er mich weiter stumm und strahlend. Wartete darauf, dass ich es ihm gleich tat. Und ich tat es...
 

„Ich, Renesmee Carlie Cullen, nehme dich, Jacob Black, zu meinem rechtmäßig angetrauten Ehemann, meinem Lebensgefährten und meiner einzigen wahren Liebe. Ich werde unseren Bund ehren und dich jeden Tag mehr lieben, als den Tag zuvor. Ich werde dir vertrauen und dich respektieren, mit dir lachen und mit dir weinen, dich ehrlich lieben, in guten, wie in schlechten Zeiten, ganz gleich, was kommen mag. Ich gebe dir meine Hand, mein Herz, meine Liebe, von diesem Tage an bis in alle Ewigkeit.“
 

Als der Pfarrer sich wieder zu Wort meldete, hörte es sich für mich an, als stünde er in weiter Ferne und auch Jacob schien zu sehr damit beschäftigt zu sein, meine Worte im Geiste widerhallen zu lassen, ebenso wie ich es tat. „... bis in alle Ewigkeit...“
 

„... der Gemeinschaft des Glaubens dich preisen und in der Welt deine Zeugen sein. Lass sie in Gesundheit gemeinsam alt werden. Amen.“

Die letzten Worte des Pfarrers, waren alles, was durchsickerte. Doch es war auch genau der richtige Zeitpunkt, denn keine zwei Sekunden später, forderte er uns auf, die Ringe zu tauschen.

So kam also der Moment, an dem Jacob Black mir den silbernen zarten Ehering an den Finger streifte. Gänsehaut überkam mich, als ich das kühle Silber auf meiner Haut spürte. Danach nahm ich den Ring, den Leah mir reichte und steckte ihn an Jacobs Finger.
 

„So reicht euch nun die Hände“, sagte der Geistliche sanft. Vorsichtig nahm Jacob meine Hände in die Seinen. Obwohl wir die selbe Körpertemperatur hatten, kamen mir seine wundervollen Hände in diesem Moment wärmer vor, als die meinen.
 

„Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist segne euch. Er gewahre euch in eurer Ehe, er leite euch

durch sein Wort und erhalte euch in eurer Liebe“, sprach er weiter. Es war ohne Zweifel wunderschön, doch erst als Jacob die nächste Ansage bekam, nämlich die, mich zu küssen, wagte er es wieder, sich zu bewegen. Und zum ersten Mal, seit ich die Limousine verlassen hatte, sah er mich nicht an, denn er schloss seine Augen, nahm mein Gesicht in seine Hände – schneeweiß traf erneut rostrot – und küsste mich, wie er mich noch nie zuvor geküsst hatte...
 

Was darauf folgte, waren eine Reihe vieler schöner kleiner Momente.

Der Moment, an dem Jacob mein Kleid hob und mir mein Strumpfband vorsichtig mit den Zähnen herunterzog, der Moment an dem er es nach hinten warf und zu unser aller Überraschung und Belustigung, dass zarte Stückchen feinstem Stoff ausgerechnet in Williams kleinen Händen landete, der gerade in der Menge der anwesenden Junggesellen herum tapste. Er freute sich nur über den Gegenstand und darüber, dass ihn alle anlachten. Ich hingegen, war überrascht darüber, wie präzise das Schicksal zu sein schien. Mein Blick fiel direkt zu Leah, die über beide Ohren strahlte und meinen Sohn hochhob. Da sie ihn jetzt hob, war sie nicht in der Lage meinen Brautstrauß zu fangen. Der ging in den Besitz von Kim über, das Mädchen, auf das sich Jared geprägt hatte. Hochzeiten würden wir in Zukunft also noch häufiger besuchen. Aber unsere eigene neigte sich nun ihrem Ende zu.
 

Die Nacht wich fast dem Tag, als sich eine kleine Yacht dem Strand näherte. Verwundert ließen Jacob und ich uns zum nächsten Dock bringen.

„Wir wissen ja, das ihr eure gemeinsame Reise bereits hattet und gerne auf eine Hochzeitsreise verzichten wolltet, um bei euren Kindern zu sein“, erklärte mein Vater, als hinter uns im Wasser die Yacht anlegte. „Aber ein wenig gemeinsame Zeit, wollten wir euch dann doch geben.“

Wieder kullerte eine Träne meine Wangen hinab, als ich meine Familie uns gegenüber stehen sah. Was sie für uns alles getan hatten, rührte mich, ebenso wie diese Überraschung jetzt.

„Die Yacht ist komplett ausgerüstet. Ihr könnt ruhig ein paar Tage auf See bleiben, wenn ihr wollt“, ergänzte meine Mutter.

„Danke“, sagte Jacob und lächelte meine Mutter an und anschließend meinen Vater. „Vielen Dank.“

„Wir passen schon auf eure Kleinen auf“, sagte mein Trauzeuge. Mariella auf seinem Arm grinste zufrieden.

„Versprochen“, kam es nun von seiner Schwester, die wiederum meinen Erstgeborenen auf dem Arm hatte.

„Daran hab ich keine Zweifel“, antwortete ich lächelnd. Ich senkte meinen Blick, bis ich meinen Jüngsten sah. Vorsichtig kniete ich mich vor Anthony und breitete die Arme aus. Mein Sohn zögerte einen Moment, dann kam er zu mir und umarmte mich. Ich gab ihm einen Kuss auf seine Stirn und strich einmal durch sein schwarzes Haar. „Und du hältst die Ohren steif, ja?“

Er antwortete nichts, aber er nickte, während er sein Gesicht in meinem Kleid vergraben hatte. „Du findest auch noch deinen Deckel“, flüsterte ich ganz leise, dann ließ ich ihn wieder los und ließ mir von Jacob auf die Yacht helfen.
 

Kurze Zeit später lag der Strand bereits in weiter Ferne und Jacob und ich, waren auf dem Pazifik. Vor uns lag nichts weiter als der Ozean – und unsere gemeinsame Zukunft.

Ich hatte alles, was man sich je wünschen konnte und ich würde es für den Rest meines Lebens haben. Ein Leben mit Jacob und unseren drei wunderbaren Kindern. Und egal, was noch kommen würde, wir würden es, ebenso wie das was hinter uns lag, gemeinsam meistern.

„Ich liebe dich“, flüsterte Jacob sanft, als wir gemeinsam auf dem Bug standen. Er hatte sich zu mir herunter gebeugt und seine Stirn lag an der Meinen. „Ich dich auch“, hauchte ich zurück.

Jacob öffnete seine dunklen Augen, dann nahm er meine Hand und betrachtete den silbernen Ehering. „Renesmee Carlie Black-Cullen“, sagte er strahlend.

„Ja“, antwortete ich. „Bis in alle Ewigkeit.“
 

Und über uns... ging die Sonne auf...
 

- ENDE VON RISING SUN
 

=====
 

So...

nach 2 Jahren des Schreibens, ist Rising Sun an seinem Ende angelangt.

Auf vielfachen Wunsch hin - und auch auf meinen Eigenen - habe ich mich aber dazu entschlossen, eine Fortsetzung zu schreiben. Diese wird dann ebenfalls auf Animexx erscheinen. Wenn ihr Interesse daran habt, diese zu lesen, dann schaut doch gelegentlich auf chaela.info bzw. renesmee-und-jacob.de.vu vorbei.

Oder schreibt mir eine ENS, falls ihr informiert bleiben wollt. =)

Vielen Dank fürs Lesen! =) ♥



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-05-29T09:20:28+00:00 29.05.2012 11:20
Deine Geschichte ist echt voll gut, ich musste sogar an einigen Stellen weinen. Wenn ich nicht wüsste, dass es eine FF ist, würde ich sagen, die Geschichte sei "echt". Ich freue mich schon auf den nächsten Teil, den ich jetzt gleich lesen werde.
Lg Mia
Von:  _Roxi_Keks_
2012-04-21T18:17:45+00:00 21.04.2012 20:17
welch eine schöne FF... die hatte einfach alles, von Action zu Drama bis Romanze alles drin ich habe das gefühl gehabt beim lesen alle emotionen der charaktere zu spüren und ich war oft den tränen nah... diese FF hat sich so wunderbaar gelesen als wäre es wirklich die vortsetzung von den vier Büchern ich musste mitten im lesen mich versuchen zu erinnern das dies ja "nur" eine FF ist aber ich zolle dir einen heiden Respekt du schreibst so wunderbaar... auch dein alternatives ende fand ich sehr schön und nun mache ich mich in freudiger aufregung an die vortsetzung dieser geschichte...
Behalte deinen schreibstiel weiter so, du kannst das echt toll! wie gesagt als wäre es keine FF sondern eine richtiges Buch!

LG Roxi
Von:  jennalynn
2011-08-14T16:35:07+00:00 14.08.2011 18:35
Die beste Geschichte die ich je gelesen habe. Wirklich ich bin total begeistert. Und ich bete das noch sehr viele von dir folgen werden. Deine Idee ist einfach genial. Bitte Bitte schreib deine Fortsetzung schnell weiter. Also mein Liebling ist wiklich Ani. Ich liebe ihn einfach. Das mit David, war echt großartig. Ich hatte schon vorher gehant, das er der Werwolf war, der Rosalie angegriffen hatte. Gut das es mit ihm jetzt ein Ende hat. Ich hätte wie Renesmee entschieden. Er hat sie und vorallem ihre Kinder bedroht, dass hätte ich auch nicht auf mich sitzen lassen.

Großes großes Lob an dich und liebe Grüße jennalynn
Von: abgemeldet
2011-02-15T16:26:45+00:00 15.02.2011 17:26
Herzlichen Glückwunsch^^
Die FF hat ihr Ende gefunden. Muss sicher ein tolles Gefühl sein, wenn man etwas so erfolgreiches zu einem Ende bringt. Nicht jeder hat so viel Durchhaltevermögen^^
Eine bessere Fortsetzung hätte selbst Mrs Meyers uns nicht liefern können.
Das Ende war einfach super süß und die Hochzeit erst einfach...amazing :D
Mir fehlen echt die Worte.

Das mit David war ja echt schlimm. Der Junge is ja wohl richtig krank..und das obwohl er am Anfang der FF so sympatisch rüber kam.
Ich bin total begeistert von Anthonys Gabe. Ich wette, sobald er älter ist, kann diese ihm sehr sehr nützlich sein ;D
ICh bin schon wahnsinnig gespannt ob er noch mehr besondere Fähigkeiten hat. Selbes gilt bei seiner Schwester und seinem Bruderherz^^
ICh brenne schon wie verrückt darauf endlich den Anfang der Fortsetzung zu lesen. Viel ist ja noch nicht darüber bekannt, oder habe ich etwa etwas übersehen? Wird es aus der Sicht der Kleinen sein? Und wie alt werden sie in der neuen FF sein?
ARGH ich bin einfach schon so neugierig, also schreib schreib schreib! xD
lg FarbKlecks_
Von:  vamgirly89
2011-02-15T08:18:39+00:00 15.02.2011 09:18
Das war eine schöne Geschichte. Freue mich schon auf deine nächste.


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