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[24/7] Zwischen den Zeilen

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Trugbild

Trugbild

 

Die anderen Personen waren nichts weiter als schwarze Silhouetten. Sie scharten sich im Licht der Überwachungsmonitore um den Meisterdetektiv L, doch dessen gekrümmte Gestalt war für Light als einzige erkennbar. Auf einmal stand sein Vater neben ihm. Light blickte hinauf in das ausgezehrte Gesicht des älteren Mannes. Die Lippen des Polizisten bewegten sich stumm. Es sei in Ordnung, sagte Herr Yagami, sie würden auf ihn Acht geben, damit er nichts Dummes tat. L würde weiterhin der Kontrolle unterliegen. Dankbar nickte Light. Er zog sich eine Jacke über und fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Es war totenstill in den leeren Hallen, nur das Geräusch seiner Schritte erklang, als er die letzten Stufen zum Ausgang hinunterging. Kein zweiter Atem war an seiner Seite.

Light trat hinaus in die abendliche Kühle. Das erste Mal seit zwei Monaten allein. Rechts und links erstreckten sich bis in weite Ferne die beleuchteten Straßen Tokyos, bunte Reklametafeln und die mit künstlichem Essen ausstaffierten Schaufenster der zahlreichen Lokale. Über allem lag ein orangefarbener Nebel, als drückten die Wolken ihr Gewicht hinab auf die Stadt. Schmerzlich vertrautes Tokyo, ein kleines Stück der Welt, die Kira beschützen musste.

Light ging mit erhobenen Kopf und geradem Blick an den Menschen vorbei, die ihn nur unmerklich streiften und nichts davon wussten, dass soeben der erlösende Gott einer neuen Ära ihren Weg kreuzte. Kira kämpfte für sie. Allein gegen die Gefährdung seiner Welt. Vollkommen allein. Das Gefühl der Einsamkeit und Leere verstärkte sich mit jedem Atemzug, den er in den belebten Straßen der Großstadt mit tausend fremden Menschen teilte.

Nach einigen Minuten des ziellosen Herumwanderns betrat er kurzentschlossen einen 7-Eleven, jene Kette von Konbinis, die man hier an fast jeder Ecke fand. In ihrer Anfangszeit, daher der Ursprung des Namens, konnte man in diesen Läden von sieben bis elf Uhr einkaufen, mittlerweile waren sie allerdings rund um die Uhr geöffnet. Von 7-Eleven zu 24/7. Die wochenlange Verbindung war unterbrochen. Die Fesseln aus Metall hatte Light verloren. L war nicht mehr vierundzwanzig Stunden am Tag in seiner Nähe. Jetzt hatte sich die Überwachung umgekehrt und währte nur noch vom Morgen bis zum Abend. Von 24/7 zu 7-Eleven.

Gedankenversunken griff Light in das Regal mit den Backwaren. Der Detektiv mochte Süßigkeiten, die nicht klebten und die man leicht anfassen konnte, aus Angst, sich die Hände schmutzig zu machen. Diese Melonpans mit Schokoladenkugeln würden ihm sicherlich schmecken. Beim Bezahlen wurde der Student zum zweiten Mal von der jungen Kassiererin am Eingang begrüßt, schenkte ihr aber auch jetzt nichts weiter als ein Lächeln. Er schaute ihr in die Augen und fragte sich, ob sie wohl auf Kiras Seite stand. Oder war sie gegen ihn? Ging es ihr nun besser, wie so vielen anderen Menschen auch, die durch Kira in dieser grausamen Welt Hoffnung schöpften?

Light wandte sich ab und verließ schweigend das Geschäft. Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, hatte er das Gesicht der jungen Frau bereits vergessen. Sie würde das seine bald ebenso vergessen haben. Erinnerungen waren nicht nötig. Niemand sollte sich daran erinnern, wer sich hinter Kira verbarg, um seiner zu gedenken oder zu ihm zu beten. Denn ein Gott brauchte keinen Namen.

Es konnte nicht mehr lange dauern. Würde sich Light wohler fühlen, wenn er endlich als Herrscher über die neue Ordnung verfügte? Zu jenem Zeitpunkt, wenn L tot war? Eigentlich hatte Light in der Außenwelt nach Luft zum Atmen gesucht. Er wollte seine wiedererlangte Freiheit auskosten. Freiheit bedeutet Unabhängigkeit. Und Unabhängigkeit bedeutet Einsamkeit. Light gehörte nicht mehr zu dieser Welt, sobald er sich als beschützender Gott von ihr abgrenzte. Er fühlte sich ihr nicht mehr zugehörig. Das Einzige, das ihn noch mit seiner eigenen Menschlichkeit verband, war jene Fessel, die ihn seit mehreren Wochen umschloss. Nur L hielt ihn noch auf dem Boden fest, der unter seinen Füßen bereits zerbrach.

 

Verhalten raschelte das Bettzeug unter der schwerfälligen Bewegung seines Körpers, als Light sich umdrehte. Er öffnete müde die Augen, schloss sie wieder und ließ die linke Hand am unteren Rand des Kopfkissens ruhen, sodass sich sein Gelenk über der Erhebung befand. Indem er die Metallfessel neben der Kante hängen ließ, dämmte er ihren unangenehmen Druck ein. Verschlafen drehte er sich um und öffnete die Augen erneut. Er brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass L nicht neben ihm lag.

Erschrocken richtete sich Light auf. Das Bett neben ihm war leer und sah beinahe unbenutzt aus, obwohl L normalerweise weder Laken noch Decken ordnete, wenn er am Morgen aufstand.

„Ryuzaki?“

Sich aus dem Bett erhebend blickte Light verwirrt um sich, eilte dann ins Bad, doch auch hier schien niemand sonst zu sein. Irgendetwas war fremd und falsch an diesen kargen Räumlichkeiten. Während er noch seine Gedanken zu ordnen versuchte, bemerkte er im Hinabschauen, dass keine Handschellen sein Gelenk umschlossen. Hatte L sie mitgenommen? Wieso sollte er das tun? Warum sollte er einfach so...?

Schlagartig fielen Light die Ereignisse des vorigen Tages wieder ein. Auch wenn das Zimmer denselben Zuschnitt hatte, so wurde ihm nun klar, dass hier keinerlei Spuren des Detektivs zu finden sein würden. Light würde nicht mehr, weil er angekettet war, umständlich auf seine Bewegungen achten müssen. Er würde nicht mehr ständig von tiefschwarzen Augen verfolgt werden, die auf jede Unachtsamkeit lauerten, die Light gar nicht hätte zeigen können, solange er seine Erinnerungen nicht besaß. Er würde nicht mehr unter einer Freundschaft leiden, die nur einer von beiden ernst meinte.

Am vorigen Abend hatte der junge Student noch alle Gedanken an diese Tatsache verdrängt und war aufgrund seiner Müdigkeit sofort in tiefen Schlaf gefallen. Ein Schlaf, der dennoch nicht traumlos geblieben war. Wahrscheinlich war es sein Wunsch nach Freiheit, der ihm diese Bilder einer abendlichen Stadt vorgegaukelt hatte. Light erinnerte sich an die überfüllten Straßen Tokyos, nach deren Anonymität er sich sehnte. Er wollte das Getriebe der verrottenden Welt arbeiten hören und lauschen, ob sich etwas an diesem Klang geändert hatte. Stattdessen sperrte er sich selbst in einen luftleeren Raum, lehnte mit dem Rücken an geschlossenen Türen und versuchte vergeblich zu atmen.

 

Abwesend zog Light den Reißverschluss seines Oberteils nach oben. Die Stille, nur überdeckt von den Geräuschen, die er selbst verursachte, übte einen dumpfen Druck auf seine Ohren aus. Er war eben erst aus dem Bad gekommen und hatte sich fertig gemacht, um zum Frühstück zu gehen, wo er sich mit der Gesellschaft anderer konfrontieren musste, als es an der Tür klopfte.

„Ja?“, sagte Light kurz, aber deutlich und schaute irritiert auf. Dann fiel ihm ein, dass der Schließmechanismus von außen nur mit seiner Karte entriegelt werden konnte. „Ah, Moment.“ Doch bevor er die Tür erreichte, ertönte bereits der grelle Signalton, sie öffnete sich und L trat herein.

„Ich wünsche dir einen guten Morgen, Light-kun“, begrüßte er ihn ohne Umschweife oder Betonung. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt L noch immer seine Sicherheitskarte in die Luft. Finster starrte Light sie an und meinte abschätzig:

„Sollte meine Überwachung nicht beendet sein, Ryuzaki?“

„Ja, das ist sie.“

„Und gehört dazu nicht auch ein gewisses Maß an Privatsphäre?“

„Du hast mich doch hereingebeten, oder etwa nicht?“ Gleichgültig schob L die Karte zurück in seine Hosentasche.

„Habe ich das?“, fragte Light tonlos, ohne dass es nach einer Frage klang, sondern eher nach einer ironischen Feststellung.

„Wenn dir das missfällt“, räumte der Detektiv lächelnd ein, „kannst du ja jederzeit gehen. Ich werde dich nicht aufhalten.“

„Du meinst, du kannst“, betonte Light das Wort absichtlich, „mich nicht aufhalten.“

Ls Lächeln wurde eine Spur breiter.

„Warum so selbstgefällig, Light-kun?“

Betroffenheit vortäuschend begegnete dieser dem durchdringenden Blick seines Partners, bevor er kopfschüttelnd zu Boden sah. Traurig seufzend schloss Light für einen Moment die Augen.

„Lass uns nicht so weitermachen, Ryuzaki“, bat er leise. „Ich will mich nicht ständig mit dir streiten.“

Das Lächeln verschwand. L wandte nachdenklich das Gesicht zur Decke und kaute am Nagel seines Zeigefingers herum, wobei er seinen Partner nur noch aus dem Augenwinkel musterte. Schließlich zuckte er mit den Schultern.

„In Ordnung. Ich wollte dich ohnehin nur darüber in Kenntnis setzen, dass alles für die Abreise von Amane Misa in die Wege geleitet wurde. Verabschiede sie bitte, auch in meinem Namen, denn ich werde mich vorerst zurückziehen und sie wahrscheinlich nicht mehr antreffen.“ Light wusste, dass sich L mit Sicherheit nur solange zurückziehen würde, bis Misa das Hauptquartier verlassen hatte, weil er davon ausging, dass sie ihm als zweiter Kira wieder gefährlich werden konnte. Natürlich schwieg er über diese Vermutung. „Übrigens“, fügte L hinzu, nachdem Light nur stumm genickt hatte, „besitzt du die gleiche Verfügungsgewalt wie ich.“

„Wie meinst du das?“

„Deine Zugangskarte“, erklärte L scheinbar gelangweilt, wobei er den Zeigefinger auf seinen Freund richtete wie eine gezückte Waffe, „du besitzt noch immer eine zweite.“

„Warte, ich gebe sie dir.“ Rasch drehte Light sich um, doch wurde er sogleich am Arm zurückgehalten.

„Schon okay. Behalt sie ruhig.“ Er schaute verwirrt in Ls Gesicht und zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. Was für ein Manöver sollte das denn jetzt sein? Verbarg sich hierin eine unverhohlene Aufforderung oder wollte der Meisterdetektiv nur seine Reaktion testen? Dessen Blick fiel jedoch plötzlich aufmerkend hinab. „Was hast du da gemacht, Light-kun?“ L hob den Arm seines Freundes an und betrachtete die rot geschwollenen Fingerknöchel.

„Nichts.“ Umgehend entzog Light sich ihm. Er wich den tiefschwarzen Augen aus, die ihn auf so vertraute Weise beobachteten, als könnten sie mühelos jede Fassade durchbrechen. „Nachher werde ich mich also von Misa verabschieden müssen. Ich habe verstanden.“ Reserviert ging er an dem Detektiv vorbei, blieb allerdings im Türrahmen für einen kurzen Moment stehen. Seine abschließenden Worte sprach er, ohne sich noch einmal umzudrehen. „Wir sehen uns später, Ryuzaki.“

Reglos schaute L ihm nach. In seinen leeren Augen spiegelte sich Ernst wider.

 

„Warum ist Ryuzaki eigentlich als Einziger nicht mit runtergekommen?“ Herr Yagami blickte verwundert zum Fahrstuhl hinüber. Seine Kollegen aus der Polizei, zu denen seit dem Großeinsatz gegen Higuchi auch Aizawa wieder gehörte, standen neben ihm im Eingangsbereich, um Abschied von Misa zu nehmen. Das Mädchen warf sich mit tränenbenetzten Wimpern in die Arme von Light, welcher sie zärtlich festhielt, während er in seinen Gedanken voller Spott die Frage seines Vaters beantwortete. Wahrscheinlich saß der Meisterdetektiv genau in diesem Moment im Überwachungsraum vor einem der Monitore und verfolgte starr jede Bewegung seiner beiden Hauptverdächtigen. Er hatte offenbar Angst davor, Kiras Waffe, seinem Augenlicht, in der jetzigen Situation noch einmal zu begegnen. Bisher waren zwar noch keine weiteren Morde an Verbrechern verübt worden, doch L spürte offenbar instinktiv, dass er sich jetzt mehr in Gefahr befand als jemals zuvor. Er wusste ja nicht, dass Misa derzeit noch nicht in der Lage war, den Meisterdetektiv zur Strecke zu bringen. Sie musste erst ihr eigenes Death Note, welches Light an einem schwer auffindbaren Ort vergraben hatte, wieder berühren, um ihre Erinnerungen aus der Tiefe des Vergessens hervorzuholen. Doch selbst für den Fall, dass sie sich nicht mehr an den echten Namen von Hideki Ryuga, Ryuzaki oder L erinnern konnte, hatte Light vorgesorgt, indem er die beiden Todesgötter ihre Death Notes hatte tauschen lassen. Wenn Misa es wollte, konnte sie also jederzeit das Augenlicht, welches sie zusammen mit dem Besitzrecht an ihrem Death Note aufgegeben hatte, zurückerlangen, dieses Mal durch einen Tauschhandel mit Ryuk. Damit würde sie ihre Lebensspanne erneut halbieren. Sie vergötterte Light so sehr, dass sie es ohne zu zögern tun würde.

Nachdem die Polizisten sie miteinander allein gelassen hatten, konnte er Misa seinen Plan unbemerkt mitteilen. Anschließend entließ er das Mädchen mit einem Kuss und einem falschen Lächeln. Als sie schweren Herzens ging, meinte Light bereits sehen zu können, wie Ryuk als dunkler Schatten hinter ihr thronte.

„Und, ist dein Vorhaben aufgegangen?“, hörte er in seinem Kopf die belustigte Stimme seines Todesgottes. Mit Betreten des Fahrstuhls war der Schatten ihm gefolgt, wenngleich es nur ein Trugbild seiner eigenen Gedanken war. In wenigen Tagen schon würde er Ryuk tatsächlich wiedertreffen. „Die Menschen sind so dumm, Light.“ Ein abgehacktes Kichern hallte in seinen Ohren nach, während Light unbeteiligt auf die Etagenanzeige des Fahrstuhls starrte. „Sie schauen in dein hübsches Gesicht, verfallen deinem gutmütigen Lächeln und lassen sich von deinen liebenswerten Worten einlullen. Du bist wie ein süßes Gift. Jeder möchte dir Vertrauen schenken. Nur L lässt sich von dir nicht täuschen.“ Ein krankhaftes Gackern grollte in Ryuks Kehle. „Du lügst zu schön, als dass er dir glauben könnte.“

 

„Sein Name ist nirgends aufgeführt. Es deutet alles darauf hin, dass er nicht durch dieses Notizbuch, das wir hier in Händen halten, gestorben sein kann“, mutmaßte Aizawa und blätterte durch die Seiten des Death Notes. „Also doch ein anderes...?“

„Todesgott! Du hast gesagt, du hättest Higuchi nicht umgebracht.“ Herr Yagami wandte sich eindringlich an Rem. „Aber euch Todesgöttern ist es trotzdem möglich, ein Menschenleben einfach so auszulöschen, nicht wahr?“

„Wenn wir es wollen, dann töten wir eher wahllos“, antwortete Rem stoisch. „Es könnte sein, dass ein Todesgott Higuchi umgebracht hat. Vielleicht aber auch nicht.“

Die wilden Spekulationen, die seit einiger Zeit zwischen den Ermittlern hin und her gingen, amüsierten Light. Es war ihm ein Vergnügen, sich einzuklinken, um Öl ins Feuer dieser fruchtlosen Diskussionen zu gießen.

„Vielleicht stirbt ein Benutzer des Notizbuchs automatisch, sobald er sein Death Note verliert.“ Über seine eigenen Worte nachsinnend legte Light eine Hand an sein Kinn und starrte grübelnd ins Leere. Daraufhin traute sich Matsuda mit ängstlich gesenktem Kopf erstmalig Rem anzusprechen.

„Ist das so, Mister Todesgott?“

„Tja, vielleicht ist das so.“

Scheinbar verärgert stieß Light die Luft zwischen seinen Zähnen aus.

„Sinnvolle oder hilfreiche Antworten sind aus dir wohl nicht herauszubekommen, was?“

Ohne etwas zu entgegnen folgte Rem dem perfekten Schauspiel, das Light ihnen bot. Wie hatte sich Misa nur in einen solchen Mann verlieben können, der es genoss, alle Menschen in seiner Umgebung hinters Licht zu führen? Wie schaffte er es, so skrupellos zu lügen? Um glaubhaft die Unwahrheit zu sagen, musste man sich selbst von der Wahrheit seiner Lügen überzeugen. Die Todesgöttin ahnte nicht, dass Light längst nicht mehr wusste, was der Wirklichkeit entsprach und was nicht. Sie wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als L, der seine Aufmerksamkeit gänzlich einem Stück Baumkuchen gewidmet hatte, in typisch monotoner Weise eine Vermutung äußerte.

„Vielleicht ist es aber auch immer nur der erste, der tatsächliche Kira, der diejenigen ermordet, die seinen Zwecken nicht mehr dienen können, nachdem er sie benutzt hat.“

„Aber könnte es nicht genauso gut sein, dass die Kraft mitsamt dem Death Note ständig weitergegeben wird?“, fragte Matsuda unsicher. „Dann gäbe es wohl schon zwei, drei, vier oder noch mehr Kiras.“ Er fasste sich mit beiden Händen an die Stirn, als würde ihn diese Idee überfordern.

„Das passt nicht zu dem erstellten Persönlichkeitsprofil.“ Gelassen teilte L den Ring seines Baumkuchens in mehrere gleichgroße Bausteine. „Wie Light-kun bereits vor ein paar Tagen erklärt hat, ist die Weitergabe des Notizbuchs sicherlich mit Kiras Absicht geschehen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es ihm möglich sein würde, das Heft später zurückzuerlangen. Der zweite Kira unterschied sich in seiner Vorgehensweise bereits stark vom ursprünglichen. Nichtsdestotrotz hätte er, unter richtiger Leitung, der Vorstellung des ersten Kiras entsprechend handeln können.“ L stapelte die Baumkuchenstücke wie die winzige Ausgabe einer Backsteinmauer übereinander. „Dagegen fällt Higuchi völlig aus dem Muster heraus. Er handelte nicht nach einem Gerechtigkeitsideal, sondern ausschließlich nach seinem eigenen Vorteil. Warum er dennoch Verbrecher getötet hat, ist mir schleierhaft, möglicherweise nur, um von den Unfallmorden seiner Konkurrenten abzulenken oder weil er durch Kira dazu genötigt wurde. Nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte, musste Higuchi eliminiert werden.“ Mit den Zinken seiner Gabel stieß L gegen die unteren Baumkuchenstücken und brachte die kleine Mauer damit zum Einsturz. „Es kann nicht übermäßig viele Kiras geben, denn selbst wenn sich ein Muster ergäbe, weil die anderen Vollstrecker unter der Führung eines Einzelnen agieren, so würden sie doch eine Gefahr darstellen. Je mehr Menschen an einem Verbrechen beteiligt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Fehlschlags und Scheiterns. Es muss in Kiras Interesse gewesen sein, so wenige Menschen wie möglich zu involvieren.“

Genau wie bei dir, L. Verständnisvoll nahm Light die Worte des Meisterdetektivs wahr, auch wenn sie ihm offenbarten, wie wenig jener seinen Verdacht trotz der 13-Tage-Regel fallen lassen wollte. L ließ sich nicht einmal von den Gesetzen eines Gottes abschrecken. Das passte zu seinem Kampfgeist und seiner zähen Widerstandsfähigkeit. Zumindest solange er sein eigentliches Ziel, den ihm ebenbürtigen Gegner Kira, nicht verlor.

Es stimmte, sein Freund und Widersacher ließ sich von Light nicht täuschen. Doch gerade das machte diesen Kampf überhaupt erst interessant.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Musikalische Inspiration war diesmal „Du lügst so schön“ von Juli. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -BloodyCross-
2013-05-15T17:55:57+00:00 15.05.2013 19:55
Wieder einmal ein tolles Kapitel. Ich kann es nur immer wieder sagen: Ich liebe deinen Schreibstil, diese treffenden Formulierungen manchmal.
Ich finde es bewundernswert, dass du die Charaktere nicht verfälscht...nicht schön schreibst (ich hoffe du weißt was ich damit meine)
Ein weiteres gelungenes Kapitel, ich warte schon sehnsüchtig auf mehr (:
LG Saphira


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