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Der ewige Göttername

von

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Das Errettungskomitee

Am nächsten Morgen stand Nozomu früher auf als alle anderen, um sich heimlich aus dem Haus zu schleichen und den Weg zu der Adresse einzuschlagen, die Satsuki ihm genannt hatte. Wenn er schon am Tag zuvor darauf hatte verzichten müssen, wollte er nun so schnell wie möglich dorthin. Außerdem verspürte er einen innerlichen Abscheu gegen den Gedanken, wieder zu Nathanael Voss in den Unterricht zurückzukehren.

Um nichts in der Welt wollte er das tun und so vermied er es tunlichst, Salles oder Jatzieta am Morgen zu begegnen, um auf jeden Fall der Gefahr auszuweichen, dass einer von ihnen ihn dazu überreden könnte, doch den Nachhilfeunterricht aufzusuchen.

An diesem Tag schaffte er es ohne jede besondere Vorkommnisse, in den richtigen Zug einzusteigen, da es noch früh war, gab es außer ihm auch nicht sonderlich viele andere Passagiere. Es waren gelangweilte Geschäftsleute in billigen Anzügen und mit viel zu großen Hornbrillen, mit deren Hilfe sie die neueste Zeitung lasen, bei der die Druckerschwärze noch derart frisch war, dass sie Spuren auf den Fingern der Männer hinterließ und auch noch deutlich riechbar war.

Während sie sich mit jeder Station dem Norden näherten, stiegen diese Männer allesamt aus, keiner von ihnen beabsichtigte, in das reiche Viertel zu fahren, was Nozomu nur recht sein konnte.

Er versuchte die Fahrt über nachzudenken, über das, was er sagen und fragen sollte, aber seine Gedanken waren vollkommen leergefegt und seine Überlegungen huschten immer wieder davon, wenn er es wagte, auch nur eine Sekunde lang nicht auf sie zu achten, daher gab er es auf.

Als er schließlich ausstieg, stellte er fest, dass auch der Bahnhof wie verlassen dalag, weswegen ihn nichts davon abhielt, diesen schnell hinter sich zu lassen. Es war das erste Mal, dass er sich in einem Viertel der höheren Gesellschaftsschicht befand, daher war er recht überrascht, als er feststellte, dass es keinerlei große Villen mit ausschweifenden Grundstücken gab, sondern lediglich Familienhäuser, die sich nach außen höchstens durch Farbe oder andersartige Fenster voneinander unterschieden. Wenn er allerdings den allgemein vorherrschenden Platzmangel, der in Japan herrschte, bedachte, war es wohl nur allzu verständlich, dass man auch hier nicht gerade mit großen Gärten protzen konnte.

Es dauerte nicht lange, bis er vor dem Haus stehenblieb, dessen Adresse Satsuki ihm genannt hatte. Ein Messingschild an der Eingangstür verriet, dass der Besitzer des Hauses Nanafe hieß. Spontan konnte er sich nicht an diesen Namen erinnern, weswegen er umso neugieriger war, wer ihn willkommen heißen würde. Aber er war sich fast sicher, dass es sich hierbei um das Zuhause eines Mitglieds des Errettungskomitees handelte.

Als er die Klingel betätigte, erklang ein melodiöser Ton, der ihm derart gefiel, dass er am Liebsten sofort noch einmal draufgedrückt hätte, aber er beherrschte sich noch einmal, um nicht noch einen negativen Eindruck auf die Bewohner zu machen.

Es dauerte nicht lange, bis die Tür geöffnet wurde und er sich einer jungen Frau gegenübersah, die eine Hausmädchenuniform in einem gedeckten Braun trug. Ihr grünes Haar war zu einem Zopf gebunden, ihre blauen Augen blickten einladend, aber Nozomu war im ersten Moment dennoch zu sprachlos, um etwas zu sagen, auch wenn er wusste, dass sein Schweigen unhöflich war. Es war das erste Hausmädchen, das er außerhalb eines Anime oder Manga sah und noch dazu hätte er nicht erwartet, ein solches in dieser Gegend anzutreffen.

„Herzlich Willkommen“, flötete sie mit melodischer Stimme. „Wie kann ich helfen?“

Er fand seine Stimme wieder, indem er schluckte. „Ich bin Nozomu Setoki.“

Eine kurze Pause entstand, als er seine Gedanken zu ordnen versuchte, doch noch während er sich dafür schalt, sich das nicht im Vorfeld überlegt zu haben, brach sie das Schweigen wieder: „Wir haben dich bereits erwartet, komm ruhig herein.“

Er folgte der Aufforderung und dachte sich auch nichts weiter dabei. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte Satsuki erwähnt, dass er erwartet werden würde, mit Sicherheit war die Ankündigung von ihr gekommen.

Das Dienstmädchen, das sich als Philomela vorstellte, führte ihn durch das Haus, das jegliches Flair vermissen ließ, das man sonst im Fernsehen in den Behausungen der Reichen zu sehen bekam. Kein Marmor, keine geschmacklosen Statuen, keine teuren Teppiche und nicht einmal etwas, das mit Gold überzogen war. Er war beinahe schon enttäuscht.

Erst als er in ein Büro geführt wurde, bekam er etwas von dem gewünschten Flair. Ein Panoramafenster erlaubte einen großzügigen Blick auf den Garten mit seinem gepflegten Rasen und einem farbenfrohen Blumenbeet. Vor dem Fenster stand ein sperriger Schreibtisch aus dunklem Holz, auf dem sorgsam sortierte Unterlagen abgelegt waren.

Sein Blick wanderte über die schicken Aktenschränke und blieb an dem hängen, was in der Ecke stand. Es war ein seltsames Gebilde, das mit nichts vergleichbar schien, was Nozomu zuvor je gesehen hatte. Aber es erinnerte ihn entfernt an einen roten Roboter... oder eine Miniatur davon.

Er widerstand dem Drang, dieses Etwas zu berühren, um festzustellen, ob es wirklich aus Metall oder aus Plastik war. Stattdessen wandte er sich der Person zu, die ihn erwartet hatte – und erschrak.

Es war nicht die Tatsache, dass sie violettes Haar und ebenfalls violette Augen hatte, auch nicht, dass sie ein höchstens elfjähriges Mädchen zu sein schien, nein, es waren die Katzenohren auf ihrem Kopf und der buschige violette Schwanz, der aus ihrer Kleidung herausragte.

Die Ohren bewegten sich sacht, während er sie musterte, aber dennoch glaubte er, dass es sich dabei um ein Cosplayzubehör handelte. Erst vor kurzem hatte er einen Artikel gelesen, in dem über die neuartigen Ohren berichtet wurden, die sich durch eingebaute Elektronen sogar je nach Willen des Trägers bewegten, möglicherweise gab es so etwas nun auch für Schwänze. Aber auch hier widerstand er dem Drang, nachzuprüfen, ob sie echt waren oder ob es sich bei ihr um eine Cosplayerin handelte. Er konzentrierte sich besser auf das Gespräch.

Sie wartete geduldig, bis er ihr wieder ins Gesicht sah, dann lächelte sie. „Herzlich Willkommen, Nozomu.“

Ihre Stimme klang überraschend erwachsen, das verwunderte ihn sichtlich, aber sie störte sich nicht daran, sondern behielt ihre Contenance bei. „Mein Name ist Naya Tatca Nanafe, ich bin die Anführerin des Erhaltungskomitees.“

Seine Verwunderung kannte keine Grenzen, er schaffte es schon gar nicht, seine Augen noch weiter aufzureißen. Offenbar war sie solche Reaktionen aber bereits gewohnt, denn sie zeigte sich nicht einmal amüsiert. „Satsuki hat mir bereits gesagt, dass du heute kommen würdest. Du hast Nathanael getroffen und hast jetzt viele Fragen, die Salles dir nicht beantwortet, nicht wahr?“

„Du... Ihr kennt die beiden?“

Sie nickte. „Richtig. Früher waren sie beide Schüler meines Vaters, der das Erhaltungskomitee gegründet hat. Sie waren Waisenkinder, mit dem Potential Shinken zu führen, deswegen nahm mein Vater sich ihrer an. Er war der Überzeugung, dass die Menschen es verdient hätten, gerettet zu werden und dies gab er an seine Schüler weiter.“

Dass sie eine gemeinsame Geschichte hatten, wunderte ihn gar nicht, immerhin sahen sie sich auch beide irgendwie ähnlich. Aber dass sie einmal ein Teil des Erhaltungskomitee gewesen waren...

„Damals bestand das Komitee nur aus vier Leuten“, fuhr sie ungebeten fort. „Meinem Vater, Salles, Nathanael und Ryuka.“

Der letzte Name war unbekannt für ihn. Aber es war ein Frauenname und wie er aus Büchern, Filmen und Serien wusste, waren es immer Frauen, die eine Veränderung über Männer und ihre Freundschaft brachten.

„Salles und Nathanael wuchsen wie Brüder auf, die um das Amt des Nachfolgers meines Vaters konkurrierten und dabei immer Freunde blieben.“

Wie Geschwister eben, stellte Nozomu in Gedanken fest.

Naya schloss die Augen und zog die Brauen zusammen, als würde sie sich an etwas besonders Schlimmes erinnern. „Aber eines Tages verlor Nathanael die Kontrolle über sein Shinjuu, das daraufhin zum Berserker wurde und Ryuka tötete.“

Es fiel ihm schwer einzuschätzen, wie die beiden darauf zu reagieren hätten, weil er nicht wusste, wie nahe sie ihr gestanden waren, aber allein die Vorstellung, dass sein Shinjuu oder das von Zetsu jemanden umbringen könnte, den er kannte war furchtbar und schnürte ihm die Kehle zu. Das erklärte ihm zumindest ein wenig, weswegen Salles so unterkühlt und verbittert wirkte.

„Dieses Ereignis erschütterte das Leben der beiden und änderte es nachhaltig. Nathanael zog sich zurück und gab sich ganz der Wissenschaft hin, in einem Versuch, Ryuka neu zu erschaffen.“

Ein eiskalter Schauer lief an seinem Rückgrat hinab, ihm kamen sofort allerlei Zombiefilme in den Sinn, in denen eine Invasion dieser Menschenfresser durch solche Experimente ausgelöst worden war. Aber er hätte niemals gedacht, dass so etwas im wirklichen Leben sein könnte.

Andererseits hätte ich auch nie gedacht, dass es Menschen mit magischen Waffen gibt, die gegeneinander kämpfen.

„Mein Vater beschloss, dass es besser wäre, Salles als seinen Nachfolger zu bestimmen und so übernahm er die Führung nach dessen Ableben.“

Für einen kurzen Moment trat Trauer in ihren Blick, aber sie hatte sich erstaunlich gut im Griff, denn schon gleich darauf sah sie wieder so neutral aus wie zuvor. „Irgendwann verschwand Nathanael, es hieß, er sei seinen eigenen Experimenten zum Opfer gefallen – und im Zuge dessen verließ Salles das Errettungskomitee, um das Erhaltungskomitee zu gründen.“

Sie runzelte ein wenig die Stirn, so als könne sie nicht verstehen, weswegen er dieses – ihrer Meinung nach – schlechtere Ziel verfolgen sollte, wenn er doch bereits dabei gewesen war, den Menschen ewiges Glück und Wohlstand zu sichern.

Aber Nozomu wusste nach Jahren der Therapien, auch ohne mit Salles darüber sprechen zu müssen, warum er sich derart entschieden hatte: Glück lag bereits im Alltag, in jedem kleinen Moment, den man ohne Depressionen erlebte und nur auf diesem Weg war es einem Menschen auch wirklich möglich, glücklich sein zu können. Denn wenn man im ewigen Wohlstand schwelgte, wusste man doch irgendwann gar nicht mehr, wie gut es einem ging.

Am besten ist es, wenn alles so bleibt, wie es ist... ich bin sicher im richtigen Komitee.

„Aber Nathanael lebt“, erwiderte Nozomu.

Naya nickte. „Ich weiß – und er ist nun einer der Verantwortlichen im Zerstörungskomitee.“

So ganz verstand Nozomu den plötzlichen Umschwung dieses Mannes nicht, nachdem er versucht hatte, das Errettungskomitee leiten zu dürfen. Aber mit Sicherheit gab es dafür den ein oder anderen Grund, den er nur noch nicht kannte.

„Hat dir das deine Fragen beantwortet?“, fragte Naya freundlich.

„Absolut... nicht. Mich interessiert die Geschichte der Komitees nicht wirklich, es geht mir um etwas anderes.“

Auch wenn er den Exkurs doch relativ interessant fand und er sich das auf jeden Fall merken würde.

Naya blickte ihn auffordernd an, so dass er weitersprach: „Warum sind alle hinter mir her? Was habe ich mit Jiruol zu tun?“

Da keiner aus seinem Komitee ihm diese Frage beantwortete und er nicht daran dachte, sich auf eine Unterhaltung mit diesem unangenehmen Nathanael einzulassen, konnte er das nur Naya fragen und hoffen, dass sie ihm endlich Rede und Antwort stehen würde.

„Weißt du, dass Jiruol als Gott der Zerstörung bekannt ist und was er getan hat?“

„Ja, Nathanael hat uns gestern im Unterricht davon erzählt.“

Naya wirkte über diese Antwort nicht sonderlich glücklich, nickte aber. „Gut, dann kann ich mir das bereits sparen. Sicherlich weißt du dann auch bereits, dass du sein Tenseitai bist?“

Er wusste, dass dieses Wort für eine Reinkarnation stand, also genau das, was er bereits vermutet hatte, auch wenn ihn das nicht sonderlich erleichterte. Also nickte er zustimmend.

„Mit Sicherheit weißt du auch, dass wir alle um den Götternamen kämpfen – und es heißt, dass Jiruols Tenseitai derjenige ist, der den Namen am Ende erringen wird.“

Das war allerdings neu für Nozomu, aber es erklärte, weswegen um ihn solch ein Aufhebens gemacht wurde, während Subaru von keinem der Komitees beachtet wurde. Es waren also nicht nur die Kräfte Jiruols, sondern auch diese... diese...

„Ist das Teil einer Prophezeiung?“

„Nicht wirklich“, antwortete sie. „Aber Narukana hat es uns verraten.“

Der Name sprach etwas in seinem Inneren an, eine Erinnerung und gleichzeitig eine gewisse Freude, aber er konnte nicht wirklich etwas mit diesem Gefühl anfangen. „Wer?“

„Die jetzige Trägerin des Namens heißt Narukana... wusstest du das etwa nicht?“

Sie schien wirklich erstaunt darüber, dass er noch nie von ihr gehört hatte, offenbar war der Name ein offenes Geheimnis zwischen den Komitees.

„Dabei solltest du sie bereits gesehen haben.“

Naya winkte ihn mit sich und führte ihn zu einer Nische, in die er bislang nicht hatte sehen können. „Das hier ist sie.“

Sie deutete auf ein dort hängendes Porträt, das eine junge Frau mit langem schwarzen Haar zeigte. Nozomu sog erschrocken die Luft ein, als er sie erkannte – es war eindeutig dieselbe Person, die ihm seit seiner Ankunft in der Stadt immer wieder begegnet war.



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