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Der ewige Göttername

von

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Ein neues Zuhause

Blinzelnd öffnete der Jugendliche seine Augen.

Schon wieder so ein seltsamer Traum. Langsam nervt das.

Sei Blick ging aus dem Fenster. In der Scheibe spiegelte sich sein Bild, sein braunes Haar war durcheinander und die blau-grünen Augen verrieten seine Müdigkeit. Es war kein gutes Bild, das sich ihm da präsentierte.

Gedanklich schob er es beiseite und konzentrierte sich auf die Umgebung. Er kannte die Gebäude noch von früher, lediglich die Namen auf den Firmenhäusern hatten sich verändert, ansonsten schien alles genau wie vor fünf Jahren zu sein. Es war noch gar nicht so lange her, dass er hier weggegangen war und nun kehrte er wieder zurück, so wie er es immer vorgehabt hatte. Es war ihm nicht klar, was es war, aber etwas in seinem Inneren hatte ihn in diese Stadt zurückgezogen und gab ihm nun ein gutes Gefühl.

Ob es Heimweh gewesen war?

Er wusste es nicht und er wollte es auch nicht weiter hinterfragen. Es kam ihm nur darauf an, dass er endlich ein normales Leben führen könnte, so wie jeder andere Jugendliche in seinem Alter.

Bislang war es nicht wirklich normal gewesen. Zumindest nicht in seinem Sinne.

Eine Durchsage unterbrach seine Gedanken: „In wenigen Minuten erreichen wir die Haltestelle Minami-Bezirk. Bitte achten Sie beim Verlassen des Zuges darauf, dass Sie Ihre Wertsachen mit sich führen.“

Seufzend erhob er sich von seinem Platz. Er holte den Koffer von der Ablage und griff schließlich nach seiner Tasche. Er besaß nicht viele Sachen, weil es in den letzten fünf Jahren niemanden gegeben hatte, der ihm diese hätte kaufen können. Seine Eltern waren nicht mehr da und das Pflegepersonal hatte nur seine Grundversorgung sichergestellt.

Nun sollte er bei der Familie Nagamine unterkommen. Er kannte sie noch von früher und war mit deren Tochter gut befreundet gewesen. Allerdings erinnerte er sich nicht mehr daran, wie sie aussahen. Ob er sie auf dem Bahnsteig überhaupt erkennen würde?

Ob sie ihn erkennen würden?

Als er seine Sachen zu einer der Türen getragen hatte, hielt der Zug bereits. Die Türen öffneten sich, hastig trat er auf den Bahnsteig hinaus, bevor er von anderen Reisenden umgelaufen werden konnte.

In aller Seelenruhe lief er durch die Menschenmassen, auf der Suche nach einem stillen Plätzchen, wo er auf die Nagamines warten konnte. Als er eines gefunden hatte, stellte er Koffer und Tasche ab und setzte sich auf ersteres.

Seufzend sah er sich um. Menschen hasteten an ihm vorbei, jeder mit seinem eigenen Ziel. Ob er auch noch so ein Ziel finden würde?

Es reichte ihm vollauf, wenn er nach der Schule eine Arbeit finden würde. Große Pläne hatte er nicht und peilte er auch nicht an. Seit dem Tod seiner Eltern war ihm nur wichtig, dass er ein gutes Leben führte, ohne großartige Ereignisse oder Spannung. Das Leben – so grau es für andere schien – war für ihn genug Spannung und Aufregung. Besonders wenn er dabei an seine seltsamen Albträume dachte. Im Zug waren es zwei Männer gewesen, die sich gegenseitig bekämpft hatten, manchmal träumte er nur von einem der beiden Männer, der ein wahres Blutbad unter Leuten anrichtete, die offensichtlich einmal Freunde von ihm gewesen waren.

Offen blieb für ihn dabei immer die Frage: Warum tat dieser Mann das?

Aber noch viel wichtiger: Warum träumte er eigentlich davon?

Er hatte so etwas noch nie irgendwo gesehen oder gar erlebt. Woher kamen also diese Träume?

„Du solltest nicht so viel darüber nachdenken.“

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf und entdeckte ein Mädchen mit langem schwarzen Haar. Sie trug eine Schuluniform und schien in seinem Alter zu sein.

Die Hände in die Hüften gestemmt, sah sie ihn lächelnd an. „Mach dir keinen Kopf. Alles wird sich klären, wenn die Zeit gekommen ist.“

„Danke, ich habe kein Interesse an irgendeiner Religion“, erwiderte er gleichgültig.

Sie lachte. „Darum bin ich auch nicht hier. Aber ich weiß, warum du hier bist. Und du weißt es auch, wenn du tief genug in dich gehst.“

Er senkte den Blick, holte tief Luft und hob den Kopf schließlich wieder, um noch einmal etwas Scharfes zu erwidern. Aber das Mädchen war weg, es war niemand mehr da, dem er seine Worte hätte sagen können.

Er dachte nicht weiter darüber nach. Möglicherweise war sie nur ein Teil einer Wahnvorstellung gewesen. Nach dem Tod seiner Eltern hatte er das oft gehabt, in den letzten Jahren allerdings nicht mehr, was ihn ungemein gefreut hatte, denn das war nur ein weiterer Schritt in ein normales Leben gewesen.

Langsam dürften die Nagamines doch mal auftauchen, dachte er bei sich, während er wieder seinen Blick über die Menschenmenge schweifen ließ. Oder vielleicht haben sie mich auch vergessen. Das würde ja toll anfangen.

Ein Mädchen mit grün-blauem Haar, das ihr bis zum Kinn reichte, fiel ihm ins Auge. In ihrem Haar trug sie eine kleine rote Schleife.

So eine habe ich der Tochter der Nagamines geschenkt, durchfuhr es ihn. Ist sie das?

Das Mädchen sah sich suchend um. Als sie ihn entdeckte, lächelte sie und kam auf ihn zu. „Nozomu-chan?“

Er sagte nichts, sondern sah sie nur an. Als sie so vor ihm stand, erinnerte er sich wieder an sie. Ja, er hatte als Kind wirklich viel Zeit mit ihr verbracht, kein Wunder, hatten sie doch immerhin in derselben Straße gewohnt und waren bereits ihre Eltern befreundet gewesen.

„Nozomu-chan, erinnerst du dich an mich? Ich bin Nozomi.“

Er nickte, während er aufstand. „Natürlich erinnere ich mich an dich.“

Sie lächelte glücklich. „Oh Nozomu-chan, es ist so lange her. Wie geht es dir?“

„Na ja... wie es einem eben geht. Wo sind denn deine Eltern?“

„Sie bereiten noch schnell alles für dich vor. Mama kocht ein ganz opulentes Essen für dich und Papa dekoriert das Wohnzimmer für dich.“

Nozomu seufzte. „Das wäre doch nicht nötig gewesen...“

Sie lachte leise. „Du weißt doch, wie sie sind. Komm, ich helfe dir mit deiner Tasche.“

Bevor er antworten konnte, hatte sie sich bereits seine Tasche geschnappt und lief voraus. Mit dem Koffer in der Hand folgte er ihr hastig.

Auf den Straßen selbst schien sich nichts verändert zu haben. Je mehr Schritte Nozomu tat desto mehr Erinnerungen an seine Kindheit kamen wieder. Wie er mit Nozomi auf diesen Straßen Fußball gespielt hatte und wie beide beinahe von einem Auto überfahren worden wären – und wie ein wilder Hund sie einmal angefallen hatte. Doch egal wie sehr Nozomu sich anstrengte, er erinnerte sich nicht mehr daran, was den Hund damals davon abgehalten hatte, sie zu verletzen. Und so sehr, dass er Nozomi danach fragen würde, interessierte es ihn auch nicht.

Er schielte zu ihr hinüber, als sie wieder gleichauf liefen. Das Mädchen sah stur geradeaus, ein leichtes Lächeln zierte ihr Gesicht. Manchmal zuckten ihre Lippen als ob sie kurz davor wäre, etwas zu fragen, aber jedesmal blieb ihr Mund geschlossen, die Worte unausgesprochen.

Auch wenn Nozomu sich denken konnte, worüber sie reden wollte, schwieg er. Er wollte ihr weder erklären, was genau mit seinen Eltern geschehen war noch dass er keine Lust hatte, ihr davon zu erzählen. Also war es ihm lieber, wenn sie von vorneherein schwieg und sie schien das genau zu wissen.

Das Haus der Nagamines hätte er nicht mehr erkannt. Es sah zwar noch aus wie damals, wie Nozomi ihm versicherte, aber er konnte es in seinen Erinnerungen nicht wiederfinden.

Auch fehlte das heimatliche Gefühl, als er die Haustür hinter sich schloss. Es kam Nozomu vor als ob er noch nie hier gewesen wäre. Aber Heimweh spürte er auch keines.

Er hatte kein anderes Heim, dies war es von nun an, damit musste er sich abfinden.

Doch auch die für ihn bereitgestellten Hausschuhe änderten nichts an dem Gefühl.

Auf Nozomis Aufforderung ließ er den Koffer neben der Tasche stehen und folgte ihr in die Küche, wo eine Frau in einer Küchenschürze arbeitete. Sie lächelte warm, ein Lächeln, das Nozomu sofort erkannte. „Yuzuki...“

Sie nickte. „Richtig. Ich freue mich, dass du dich an mich erinnerst. Es ist immerhin schon einige Jahre her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Und wie groß du geworden bist.“

Er nickte nur. Ein Mann kam in die Küche und legte lächelnd seine Hände auf Nozomus Schultern. „Gut dich zu sehen, Junge. Wie war die Fahrt?“

„Takuya... die Fahrt war in Ordnung.“

„Ah, freut mich zu hören. Und meinen Namen kennst du auch noch, das ist gut. Deine Ärzte haben uns ja auf das Schlimmste vorbereitet-“

„Papa!“

Nozomi sah ihren Vater böse an. „Lass Nozomu-chan in Ruhe.“

Takuya lächelte verlegen. „Schon gut, schon gut, ich lasse das. Nun, wollen wir dann essen? Danach zeige ich dir dein Zimmer, mein Junge.“

Nozomu nickte und ließ sich von Yamato ins Esszimmer ziehen.

Yuzuki und Nozomi sahen ihnen einen Moment hinterher und folgten ihnen schließlich.

Ein Blick auf den reich gedeckten Tisch genügte, um der gesamten Familie und Nozomu zu beweisen, dass Yuzuki sich selbst übertroffen hatte.

Aber auf Takuyas Lob winkte sie nur ab. „Das habe ich nicht allein gemacht. Nozomi hat mir geholfen.“

Nozomu sah ohne jeden Appetit auf das Essen. Der Gedanke, dass er es trotzdem essen musste, schnürte seine Kehle zusammen. Aber er würde höflich sein, mitessen und versuchen, nicht allzu verbittert auszusehen. Das schuldete er den Nagamines dafür, dass sie ihn überhaupt aufnahmen. Oder?
 

Erst spät in der Nacht hatte Nozomu sich von der kleinen Feier, die ihm ohnehin unangenehm gewesen war, loseisen können und das auch nur mit Unterstützung von Nozomi, die ihre Eltern daran erinnert hatte, dass am nächsten Tag Schule war und sie nicht zu spät kommen durften.

Seufzend saß Nozomu auf seinem Bett und sah aus dem geöffneten Fenster hinaus.

Ferne Verkehrsgeräusche waren zu hören, hin und wieder konnte er die blitzenden Lichter eines Zugs sehen, gefolgt von dem dazugehörigen Geräusch. Es war wie früher und doch so fremd.

Würde er nie wieder das Gefühl von Vertrautheit erleben?

Sein Koffer lag geöffnet in der Ecke, zum Auspacken hatte er noch keine Zeit gehabt, er hatte nur seine Schlaftabletten rausgeholt. Auf dem Schreibtisch im Raum, lag eine angebrochene Packung Tabletten, daneben stand ein leeres Glas Wasser. Vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl lag die Schuluniform, die er ab morgen tragen sollte.

Er wusste nicht, was ihn an dieser Schule erwarten würde, er hoffte nur, dass niemand zu viele Fragen über ihn stellen würde. Er hasste es, über seine Vergangenheit ausgefragt zu werden.

Und er hasste es, neue Leute kennenzulernen. Was aber unumgänglich war, wenn er endlich eine normale Schule besuchte.

Hoffentlich wird es nicht so schlimm... und vielleicht kenne ich einen der anderen noch von früher. Aber andererseits... hoffentlich nicht.

Die Schlaftablette schien langsam Wirkung zu zeigen. Er schloss das Fenster, zog die Vorhänge zu und legte sich hin, um zu schlafen. Hoffentlich ohne Albträume.
 

Im Erdgeschoss des Hauses waren Yuzuki und Takuya zwischenzeitlich mit Aufräumen beschäftigt. Beide waren im Gegensatz zum Rest des Abends schweigsam und nachdenklich. Sie hingen beide ihren eigenen Gedanken nach.

Eine Liste mit verschiedenen Anweisungen von Nozomus Arzt, die ihm beim Aufräumen in die Hände fiel, ließ Takuya das Schweigen brechen: „Ob es wirklich eine gute Idee war, den Jungen zu uns zu nehmen?“

Yuzuki hielt inne und sah ihren Ehemann an. „Ich bin sicher, dass er uns keine Schwierigkeiten machen wird. Nozomu ist ein guter Junge.“

„Er war ein guter Junge“, verbesserte er sie. „Du weißt nicht, wie er jetzt ist.

Sie schwieg betroffen und senkte den Blick.

„Seit dieser verdammten Nacht...“

Takuya schüttelte den Kopf und unterbrach sich selbst in seinem Satz. „Nein, schon gut. Wir sollten nur vorsichtig sein und gut auf ihn aufpassen. Der Arzt schreibt selbst, dass es sein könnte, dass er seltsame Anwandlungen oder Albträume hat. Aber solange er seine Tabletten nimmt, dürfte nichts geschehen.“

Yuzuki nickte und brachte das benutzte Geschirr in die Küche.

Takuya legte die Liste beiseite und fuhr mit dem Aufräumen fort.
 

In einem anderen Teil der Stadt schwebte ein Wesen von der Größe einer Puppe umher und sah sich dabei nach allen Seiten um. Das fliederfarbene Haar war zu einem Haarbüschel hochgebunden, ein schwarzes Stirnband verhinderte, dass ihr Strähnen in die braunen Augen fielen. Dabei sah sie sich nach allen Seiten suchend um. Aber ihr sechster Sinn sagte ihr bereits, dass nichts in der Nähe war, über das sie sich Sorgen machen müsste.

Zufrieden schwebte sie zu einem silberhaarigen Mann mit stechend blauen Augen zurück. Er stand am Rand des Daches eines Hochhauses und sah sich ebenfalls aufmerksam um.

„Meister, hier in der Gegend ist nichts zu spüren“, berichtete das Wesen pflichtbewusst.

Er nickte verstehend. „Dann gehen wir woanders hin.“

„Ja, Meister.“

Sie löste sich in glitzernde Funken auf. Mühelos sprang ihr Meister auf das nächste Dach. Auf diese Weise bahnte er sich seinen Weg in den nördlichen Bezirk der Stadt. Kaum dort angekommen, erschien das Wesen wieder. „Hier ist etwas, Meister.“

„Ja, ich kann es auch spüren.“

Nur wenige Sekunden später konnte er eine Lichtexplosion wahrnehmen. Er zog sein Katana. „Also los, auf ins Getümmel.“

Damit stürzte er sich in die Tiefe – und in den Kampf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeanaCole
2009-02-20T01:11:13+00:00 20.02.2009 02:11
Jaaaaa. Das gefällt mir. Und es hat mich echt überrascht, dass Noz wegen seiner Alpträume beim Arzt ist.
Nozomin war ja erträglich in dem Kapi. Kaum zu glauben.
Und natürlich sein Auftritt *schwärm*
Ich will noch viel mehr von Zetsu sehen XD


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