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Romeo und Julius

von

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Erstes, viel zu kurzes Treffen

Kapitel 1 – Erstes, viel zu kurzes Treffen
 

Noch im Halbschlaf und somit nur in seinem Schlafshirt und Boxershorts öffnete der blonde Junge die Haustür und schon schallte ihm die fröhliche Stimme seiner Freundin Sina entgegen.
 

„Guten Morgen, Reno!“, rief sie. Da hatte der aber auch schon auf den Hacken kehrt gemacht und stapfte in Richtung Küche. Das braunhaarige Mädchen schloss nur noch schnell die Tür und lief Reno hinterher, der es sich schon am Küchentisch mit einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht hatte.
 

Eigentlich lag er schon fast mit dem Kopf auf der Tischplatte und er war schon wieder kurz vorm Einschlafen. Im Gegensatz zu seiner Freundin war er ein typischer Morgenmuffel. Früh aufstehen war noch nie etwas für ihn gewesen. Lieber schlief er den ganzen Vormittag. Und manchmal passierte ihm das sogar im Unterricht.
 

„Reno. Könntest du einmal etwas glücklich sein, wenn du mich siehst?“ Mürrisch zog das Mädchen die Augenbrauen zusammen.
 

„Du bist doch mindestens eine Stunde zu früh“, murmelte der Blonde nur und schlürfte an seinem Kaffee. Irgendwie musste er wach werden. Obwohl das natürlich einfacher wäre, wenn er noch etwas schlafen hätte können.
 

„Nur eine dreiviertel Stunde“, kommentierte Sina grinsend, „aber auch nur, weil ich gestern etwas vergessen hatte, dir zu sagen.“
 

Verschlafen hob Reno jetzt eine Augenbraue. „Und da konntest du natürlich nicht einfach noch 45 Minuten warten und mich dann wecken. ... Ich geh wieder ins Bett.“
 

Der Junge stand auf und tapste hinaus in den Gang. Etwas irritiert blickte die Braunhaarige ihm hinterher. Sonst schlief er lieber auf dem Tisch ein, als irgendetwas Neues von ihr nicht zu hören.
 

„Ach Reno!“

Sina lief ihm hinterher und konnte ihn noch davon abhalten, dass er die Treppe nach oben ging.
 

„Lass mich schlafen“, murrte er aber auch schon los und wollte sich aus ihrem Griff befreien. Doch da konnte Renos beste Freundin hart sein. Wie ein kleines Klammeräffchen konnte sie sich auch schon aufführen.
 

„Ok. Ich hör dir ja schon zu.“

Der Blonde sank auf die unterste Treppenstufe und sank mit dem Kopf auch gleich an das Geländer. Vielleicht könnte er so schlafen.
 

Sina machte es sich neben ihm bequem und fing gleich an zu erzählen: „Ich war ja gestern am Lehrerzimmer“ - Langsam nickte der Junge. - „Und da hab sich zwei Lehrer unterhalten – frag mich jetzt nicht wer das war – und ich hab mitbekommen, dass sie darüber geredet haben, dass wir heute einen Neuen in die Klasse bekommen sollen.“ - Leicht hob Reno den Kopf und hob leicht eine Augenbraue. - „Ein Kerl! Vielleicht mal was für dich. Unsere Jungs passen dir ja so gar nicht.“
 

„Ist einfach keiner so recht mein Typ.“ Der Kopf des Blonden sank wieder ans Treppengeländer und beinahe wäre er wohl wirklich wieder eingeschlafen, hätte Sina ihn nicht einfach leicht angestupst. Immer wieder.
 

„Du solltest dich mal beeilen. Wir müssen doch bald los.“

Das Mädchen zog ihn am Arm hoch und schlief ihn in das obere Stockwerk. Hier kannte sie sich gut genug aus. Schon oft war sie hier und hing häufig einfach nur mit Reno rum.
 

„Wir haben noch eine halbe Stunde“, murmelte der Blonde, als er aufs Bett gefallen war und sich dort in die Bettdecke einrollte. Nur wollte ihm die Sina schon wieder wegziehen, wenn er sich nicht krampfhaft daran geklammert hätte.
 

„Mann, Reno! Jetzt mach schon!“

Wenn seine beste Freundin erst einmal sauer wurde, dann war nicht mehr mit ihr zu spaßen. So musste er sich notgedrungen aus dem Bett kämpfen.
 

„Anziehen kann ich mich mit dir hier drin aber nicht“, meinte der Blonde, als er zum Schrank tapste um sich frische Sachen herauszunehmen.
 

„Du bist schwul. Also kann ich schon.“

Die Braunhaarige hatte sich im Schneidersitz auf das Bett von Reno gesetzt und wartete erwartungsvoll. Zwar wusste sie, dass er nie etwas mit ihr anfangen würde – einmal homo, immer homo –, aber zumindest an seinen knackigen Hintern konnte sie sich gelegentlich einmal erfreuen.
 

„Raus hier!“, zischte der Blonde jedoch nur. Im Gegensatz zu seiner Freundin hatte er wohl doch ein gewisses Schamgefühl, das jetzt wieder in ihm hochkam. Da legte aber Sina nur ihren üblichen Betelgesichtsausdruck auf. Meistens konnte sie Reno damit zu allem zwingen. Nur heute Morgen nicht.
 

„Raus!“, knurrte er und widerwillig erhob sich die Braunhaarige und marschierte zur Tür, wo sie noch einmal inne hielt. „Ich kann dich durchs Schlüsselloch beobachten." Da flog ihr aber schon ein Shirt um die Ohren. Somit verzog sie sich doch nach draußen auf den Gang.
 

Nach über einer halben Stunde war der Blonde dann endlich auch fertig. Zwar immer noch genauso verschlafen, wie davor, aber angezogen. Somit hieß es ab in die Schule und das für ihn auch noch mit einer dreiviertel Stunde weniger Schlaf als sonst.
 

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Typ wirklich gut aussehen könnte“, murmelte Reno, als Sina eigentlich schon angefangen hatte zu erzählen, was sie am gestrigen Tag noch alles so gemacht hatte. Es kam oft vor, dass er sie damit unterbrach, dass er mit einem völlig anderen Thema anfing. Somit regte sie sich schon gar nicht mehr deswegen auf.
 

„Ich dachte ja nur. Es gibt ja nicht überall solche Enten, wie bei uns hier in Pismo. Wer weiß wo der her kommt. Irgendwo in L. A. oder San Francisco gibt es sicherlich auch hübsche Jungs, die dir gefallen.“
 

Reno gab bei dieser Aussage seiner besten Freundin nur ein Seufzen von sich. Wie lange war er denn schon mit niemand mehr zusammen gewesen? Zwei Jahre? Sein erster fester Freund war das damals. Und der hatte sich nur schwul gestellt. Eigentlich wollte der den Blonden damals nur vor der ganzen Schule bloßstellen, als er mit ihm Schluss gemacht hatte.
 

Ein paar Wochen darauf war der Junge dann mit seiner Familie weggezogen. Er konnte irgendwo in einer anderen Stadt neu anfangen, während es Reno in diesem Kaff weiter aushalten sollte. Es war eine Qual für ihn, wenn in die Leute angafften. Die meisten wussten, dass er auf Jungs stand und somit wurde über ihn geredet. Oder wohl eher gelästert.
 

Zumindest stand ihm aber Sina bei und die Leute von der Theater-AG. Das Ein und Alles für Reno. Nur dort konnte er sich ausleben. Vielleicht hatten sie ihn deswegen auch letzten Monat zu ihrem Leiter gewählt, auch wenn er anfangs gar nicht wollte. Aber der, der es im vergangenen Jahr gemacht hatte, schlug ihn schon zum Ende des Schuljahres vor, da er seinen Abschluss machen würde und es somit nicht mehr selbst machen könnte. Nur jemand, der das Schauspielern liebte, könnte sie leiten, hatte er zu Reno gesagt. Nur deswegen hatte der Blonde überhaupt angenommen, auch wenn es eine Menge Arbeit war.
 

Erst vor ein paar Tagen war er auch überhaupt damit fertig geworden, zu entscheiden, welches Stück sie dieses Jahr aufführen würden. Er wollte etwas Besonderes machen. Etwas, was es davor noch nie gab. Und das hatte er auch geschafft. Dachte er zumindest. Das Original musste er für seine Zwecke etwas ändern. War aber auch nicht schwer. Es war zum Glück nicht so viel.
 

„Du hast mir immer noch nicht erzählt, was wir dieses Jahr spielen werden“, meinte da Sina auf einmal zu ihm und blickte ihn bittend an.
 

„Du wirst es früh genug erfahren“, erwiderte er aber nur etwas schroff.
 

Da sich die AG erst morgen treffen würde, wollte er ihr auch noch nichts sagen. Sina war zwar niemand, der Geheimnisse nicht für sich behalten konnte, aber er wollte sie auch nicht bevorzugen. Also musste sie auch aushalten.
 

„Ach komm schon, Reno, sag es doch zumindest mir“, bettelte sie da aber schon los. Doch er blieb hart. Er würde nichts erzählen. Keinen Ton. Noch einen Tag würde Sina auch aushalten. Obwohl es so aussah, als ob sie vor Spannung sterben würde. Meistens überlebte sie so etwas schon.
 

„Nein, du wirst warten.“ Somit blieb er stur. Da könnte sie schmollen was sie wollte. Und durchsetzen wollte sich Reno ohnehin schon lange einmal gegen sie. Sonst machte er immer alles, was sie wollte.
 

„Oh Mann, Reno!“, maulte das Mädchen los, als sie gerade durch das Schultor gingen. Die Masse an Schülern, die sich dort sammelte, war schon erschreckend, aber für keinen aus der Gegend noch groß ungewöhnlich.
 

„Wir sehen uns nachher.“ Knapp umarmte der Blonde seine beste Freundin und ging mit schnellen Schritten auf das Schulgebäude zu, während Sina noch zu ein paar Mädchen rannte. Das übliche Ritual. Immer trennten sie sich hier. Obwohl Reno auch nicht früher im Klassenzimmer sein wollte. Aber um da draußen herumzustehen war er einfach nicht der Typ.
 

Von allen beobachtet. Der Kerl, der sich ausnutzen ließ. Nein. Da wollte er nicht draußen sein.
 

„Hey, suchst du was?“ Der Blonde legte den Kopf auf die Schulter eines Jungen mit schulterlangem schwarzen Haar, der etwas hilflos in der Aula stand und immer wieder auf einen Block blickte, den er in der Hand hielt.
 

„Das Sekretariat“, erwiderte der Fremde ohne auch nur ein Gefühl in der Stimme laut werden zu lassen. Er schüttelte aber auch Reno nicht von seiner Schulter ab.
 

„Gerade aus und den zweiten Gang links, dann stehst du schon fast davor.“ Der Blonde deutete direkt vor sich und hob langsam den Kopf. Natürlich warf er aber noch einen Blick auf den Block vor in der Hand des Jungen.
 

Juan O'Conner stand ganz oben auf dem ersten Blatt, den Rest konnte der Blonde nicht mehr lesen, da der andere sich, nachdem er ihm gedankt hatte, schnell von ihm entfernte. Reno traute sich an Fremde aber auch immer gleich auf so eine Nähe heran. Wenn andere Abstand wollten, dann suchte er gerade zu nach der kleinstmöglichen Entfernung.
 

„Der roch richtig gut“, murmelte Reno noch, bevor er sich auch in Bewegung setzte. Nur musste er in eine andere Richtung. Erste Stunde Mathe. Zumindest ein halbwegs schönes Fach. Für ihn. Andere hassten es aus seinem Kurs. Sina gehörte auf alle Fälle dazu.
 

Sich genüsslich streckend sank Reno im Matheraum auf einen der hinteren Plätze. Langsam ließ er den Kopf in den Nacken fallen und blickte starr auf einen fiktiven Punkt irgendwo an der Decke. Vielleicht könnte er noch seinen versäumten Schlaf nachholen, bevor die Stunde begann. Aber da stupste ihn schon jemand an der Schulter an.
 

Gelangweilt ließ der den Kopf in die Richtung schweifen. „Morgen Gwen“, murmelte er. Fast wäre er wieder in süße Träume abgedriftet. „Na, schon was für Morgen geplant?“ Das Mädchen mit den kurzen, schwarzen Haaren hatte es sich auf seinen Tisch bequem gemacht.
 

„Wir können uns höchstens auf die Rollenverteilung konzentrieren.“ Wieder lag sein Kopf in seinem Nacken und vergeblich versuchte er den Punkt an der Decke wieder zu finden, auf den er noch vor einer Minute geblickt hatte. Die Stelle hatte etwas dunkler gewirkt, als das restliche Weiß. War wahrscheinlich nur Einbildung.
 

„Ich hab von Sina gehört, dass du nicht einmal ihr erzählt hast, was wir dieses Jahr spielen“, plapperte Gwen einfach weiter und strich sich dabei eine der rabenschwarzen Strähnen hinters Ohr, wo sie aber nicht hielt und ihr schon im nächsten Augenblick wieder im Gesicht hin.
 

„Einmal will ich euch überraschen.“

Ein Grinsen zeichnete sich auf den Lippen des Blonden ab. Es sollte dieses Mal ein Meisterwerk werden. Noch in ein paar Jahren würden sich die Schüler daran erinnern. Damit würde er in die Schulgeschichte eingehen. Nein. Die ganze Theater-AG.
 

„Dabei hasse ich Überraschungen“, murrte Gwen leicht genervt und ließ sich auf dem Platz neben Reno nieder. „Du wirst es überleben“, erwiderte der Junge nur trocken darauf.
 

Binnen weniger Minuten hatte sich der Raum mit den anderen Schülern gefühlt. Nur Sina schien noch zu fehlen, als auch der Lehrer endlich kam. Ein großgewachsener junger Mann war er mit strohblondem Haar und immer trug er eine Brille mit pechschwarzem Gestell. Kontaktlinsen würden ihm, nach Renos Meinung, besser stehen. Das hatte er Mr Bennington auch schon einmal eiskalt ins Gesicht gesagt.
 

Etwas nervös blickte der junge Lehrer auf die Uhr. „Eigentlich sollte ja ein Neuer hier sein“, meinte er mehr zu sich selbst, als zur Klasse. „Und Sina auch“, grummelte Reno leise vor sich hin.
 

Da klopfte es aber schon an der Tür. Dadurch, dass es noch nicht einmal gegongt hatte, etwas unangebracht. Etwas zaghaft wurde die Tür geöffnet und der schwarzhaarige Junge, dem Reno in der Aula den Weg zum Sekretariat erklärt hatte, betrat etwas unsicher den Raum.
 

„Entschuldigen Sie, aber ist das der Mathekurs? Ich bin Juan O'Conner...“ „Und der Neue. Ich weiß“, unterbrach Mr Bennington den Jungen, der sich schüchtern umsah. Seine schmale Statur ließ aber auch nicht auf sehr viel Selbstbewusstsein schließen. Dabei war er aber auch nicht unbedingt klein. Man könnte ihn jedoch auch nicht als extrem groß bezeichnen. Etwas durchschnittliches schon eher.
 

Hinter ihm stürmte auf einmal Sina ins Zimmer. „Sorry, Mr Bennington, ich bin zu spät.“ Sie beachtete Juan schon gar nicht, als sie sich überschwänglich anfing bei dem Lehrer zu entschuldigen. Nervös stand der Neue nur neben ihr und biss sich krampfhaft auf die Unterlippe.
 

„Ja, sei ruhig und setzt dich“, knurrte der Lehrer und wendete sich an Juan: „Du kannst dich da hinten auf den freien Platz setzen.“
 

Knapp bejahte der Schwarzhaarige das und schlurfte durch die schmalen Gänge auf den Platz, der ihm zugewiesen worden war. Die anderen Schüler wollten schon zu tuscheln beginnen, als Mr Bennington sie schon zum Stillsein aufforderte. So konnten sie gar nicht anfangen.
 

Kurz blickte Reno den Neuen prüfend an. In der Aula sah er noch nicht so schüchtern aus. Nur etwas verloren.
 

Einen Moment sah Juan zu Reno und lächelte ihm zaghaft zu, bevor er sich schließlich an den Tisch direkt neben dem Blonden setzte. Leicht legte dieser den Kopf schief. Ein wenig seltsam war der Neue für ihn schon.

Familien, wie sie sein sollten?

Kapitel 2 – Familien, wie sie sein sollen?
 

„Wie heißt du?“ - „Was isst du gerne?“ - „Was hast du für Hobbys?“

Mit allerlei Fragen bombardierten sie Juan regelrecht, als die Stunde um war. Zaghaft antwortete er auch immer wieder darauf. Nur wollte ihr Informationsdrang kein Ende nehmen, und sie machten ihn damit nur mehr und mehr angespannt.
 

„Was hast du in der nächsten Stunde?“, mischte sich da auf einmal Reno ein und drückte einige der fast schon hysterischen Mädchen auf die Seite. Sie würden den Schwarzhaarigen am Ende noch zerfetzen.
 

„Äh ... Englisch bei Mrs Summer“, erwiderte Juan und blickte dabei nervös auf den Boden. Krampfhaft klammerte er sich an den Block in seinen Händen.
 

„Da kann ich dich hinbringen. Da muss ich nämlich auch hin“, riefen auf einmal ein paar der Mädchen und packten den verschreckten Jungen am Handgelenk und zogen ihn einfach aus der Menge. Verwirrt blickte Reno ihnen nur hinterher. Eigentlich hatte er ihn vor diesen hysterischen Hühnern retten wollen. Somit hatte sich das aber auch schon erledigt. Nur etwas anders, als er gewollt hatte.
 

Immer wieder hatte er während der Stunde zu dem Neuen hinübergesehen. Für eine Rolle wäre er vom Aussehen her perfekt. Der Charakter wäre aber wohl das eigentlich kleinere Problem. Zumindest für jemanden der schauspielern konnte. Nur kam Reno Juan nicht so vor. Er strotzte ja nur so über vor Schüchternheit. So jemand konnte sich doch nie im Leben in eine andere Person richtig hineinversetzen. Vor allem nicht in so eine, die für ihre Liebe alles tun würde. Selbst mit ihr sterben.
 

„Willst du hier Wurzeln schlagen?“, grummelte Sina, als sie sich neben Reno stellte, der immer noch etwas perplex dem Neuen hinterher sah. Irgendwie hatte er wohl etwas an sich, was den Blonden anzog.
 

„Komm ja schon.“
 

Seit der Grundschule waren sie zusammen in einer Klasse oder machten zumindest alle Kurse zusammen. Sogar die Middle School-Zeit hatte ihre Freundschaft überstanden und jetzt auf der High School würde daran wohl auch nichts ändern können. Sina und Reno gehörten zusammen. Als Freunde. Fest hätten sie ohnehin nie etwas angefangen.
 

Die Braunhaarige war die Erste, die davon erfahren hatte, dass ihr bester Freund schwul war. Selbst seine Eltern hatten erst nach ihr davon etwas wissen dürfen. Aber auch nur, weil er gewusst hatte, dass Sina ihn verstehen würde. Sie hatte ihm dann auch über seinen ersten Liebeskummer hinweggeholfen. Dieser Idiot, der ihn so eiskalt für seine Spielchen ausgenutzt hatte. Und an der Schulter seiner besten Freundin hatte sich Reno ausheulen können, als er es mitbekommen hatte und schlussendlich verlassen worden war.
 

Jetzt war er seit ein paar Jahren mit niemanden mehr zusammen. Er wollte auch gar nicht. Noch einmal so verletzt werden war bei ihm einfach nicht mehr drin. Aber irgendwann würde er sich schon einmal wieder verlieben. Dieses Mal in den Richtigen. Dabei wollte er sich sicher sein. Auch wenn das wohl komplett nie möglich war.
 

„Was hältst du von diesem Juan?“

Fragend blickte Sina Reno an. Der zuckte aber nur mit den Schultern.

„Scheint ganz nett zu sein“, meinte er schließlich. Eigentlich war Juan nicht wirklich interessant für ihn. War doch nur ein Neuer. Genauso wie genügend andere davor. Anders wäre es mit Juan wohl auch nicht. Er war doch auch nur ein gewöhnlicher Junge, der einfach das Pech hatte in dieses Kaff zu ziehen.
 

„Eigentlich dachte ich, er wäre dein Typ.“

Leicht schob Sina die Unterlippe nach vorne.

„Du machst dir wohl um mein Liebesleben mehr Sorgen als um dein eigenes.“ Verlegen kratzte sich Reno am Hinterkopf.
 

So war es doch schon immer gewesen. Um ihn sorgte sich Sina. Da könnte ihr passieren was wollte.
 

„Wenn du auch in der Achten so was mit diesem Freak durchmachen musstest. Da kann man sich doch nur um dich kümmern.“

Sie erinnerte ihn nicht gerne an diese paar Wochen vor zwei Jahren. Aber oft holte man ihn gerade dadurch auch ganz einfach auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie zerbrechlich er in seinem tiefsten Inneren war. Und wie er sie eigentlich manchmal wirklich brauchte. Freundschaftlich.
 

Sie waren nie mehr gewesen. Nur Freunde. Umarmungen, ein bisschen kuscheln, Küsschen auf die Backen und ihm Höchstfall einmal im Suff spielerisches Befummeln. Wobei Letzteres ohnehin Reno im Zaum halten würde. Weiter könnte er gar nicht gehen. Selbst hatte er einmal gesagt, dass er bei einem Mädchen nie einen hoch kriegen würde. Da müssten dann schon Hilfsmittel dazu gezogen werden, die er nicht nehmen würde. Noch nicht.
 

„Joe war nur ein Arschloch, das mit mir gespielt hat. Ich bin drüber hinweg. Da musst du mich nicht noch weiter darauf hinweisen.“

Er gab ein Murren von sich. Das Übliche, wenn es um ihn ging. Wirklich vergessen konnte er ihn doch nicht, auch wenn er immer wieder so tat. Joe war ihm damals wichtig gewesen. Sehr wichtig. Aber umgekehrt war es so einfach nicht. Das musste Reno jetzt, also wollte er, dass es ihm selbst egal war. Und so sollte es für Sina auch sein.
 

„Ist ja schon gut.“

Die Braunhaarige ließ die Schultern hängen. Sie wusste, wie es ihn immer noch mitnahm und dass er ganz sicher noch nicht darüber hinweg war. Aber sie schwieg. Wenn er sie brauchte, dann kam er schon.
 

„So, dann können wir ja über was anderes reden.“ - Locker klatschte Reno in die Hände. - „Hast du die Hausaufgabe in Physik?“
 

Sina zog zuerst nur die Augenbrauen zusammen, bevor sie trocken antwortete: „Nicht wirklich. Du etwa?“
 

Eigentlich kannte sie die Erwiderung des Blonden schon. Das zeigte sich beinahe durch das verstohlene Grinsen schon.
 

„Ebenfalls nicht“, meinte er da auch. Es war doch klar gewesen. Einmal mehr hatte er wohl darauf einfach keine Lust gehabt. Können würde er es ja. Meistens zumindest. Aber der Wille, es zu machen, kam häufig einfach nicht. So blieb er auf seinen Hausaufgaben sitzen und konnte nur hoffen, dass Sina sie vielleicht gemacht hatte und er abschreiben konnte.
 

„Mr Meyers wird dich umbringen. Das ist jetzt schon das sechste oder siebte Mal in diesem Monat. Und wir haben erst den 15.“

Immer machte Sina ihm Vorwürfe. Doch es half ohnehin nichts. Das wusste sie auch, aber irgendwas musste sie schon tun. Ohne etwas Tadel tat er aber auch gar nichts.
 

„Ist mir egal. Das Zeug brauch' ich später sicherlich nie wieder.“

Seine übliche Antwort. Er würde es nie brauchen. Manchmal stimmte seine beste Freundin ihm dann zu. Meinte aber oft noch, dass er es aber jetzt trotzdem machen müsste. Nur hörte er darauf einfach nicht. Es war ihm egal, weil es Wichtigeres gab. Anpfiff würde er heute sowieso bekommen. Ob jetzt von einem Lehrer oder seinen Eltern.
 

Wobei der von Letzteren schlimmer sein würde. Sie konnten es nicht als wahr ansehen, dass ihr werter Sohn schwul war. Und irgendwie wollten sie ihn wieder auf die – ihre – richtige Bahn zurück lenken.
 

Jeden Tag dieselbe Frage, wenn er heim kam. „Liebst du ein Mädchen?“ Und wenn er mit einem Nein antwortete, wurde er angeschnauzt. Das sollte helfen? Ihm war es egal. Sollten sie sich über sein Leben aufregen. Dann interessierten sie sich zumindest für ihn.
 

Oft hatten sie ihm schon Mädchen angeschliefen, mit denen er sich abgeben sollte. Sogar schlafen sollte. Doch oft lagen sie dann nur nebeneinander. Sie vielleicht noch an seinen Arm gekuschelt. Aber mehr lief nicht. Die Mädels verstanden es gelegentlich zumindest, dass er sie nicht wollte. Nur seine Eltern nicht. Sie wollten einen normalen Sohn. Einer der nicht auf Kerle stand. Und auch keinen, der mit seiner besten Freundin darüber diskutierte, welcher Typ den geilsten Arsch hatte und welcher vielleicht der beste Küsser war. Das wollten sie nicht!
 

„Du schaust so, als hätten sie dir gestern schon wieder so eine Tussi andrehen wollen?“, meinte auf einmal Sina und legte einen Arm um Renos Schultern. Er stützte seinen Kopf an der ihrigen ab. „War auch so. Und dann auch noch so eine aufdringliche“, murmelte er.
 

„Sag jetzt nicht, die wollte dir an die Wäsche!“

Es kam nicht oft vor, aber manchmal war eine solche dabei.
 

„Die blöde Schlampe wollte mir doch wirklich einen blasen“, kicherte er jedoch nur. Es war schon komisch, was so manche Mädchen tun würden, damit er vielleicht mit ihnen zusammen kam. Obwohl er sie nie lieben würde.
 

Doch er nutzte niemanden aus. So einer war er nicht. Wenn er sie nicht wollte, dann ließ er sich auch nicht von einem Blow-Job überzeugen. Selbst wenn er sich beide Handgelenke brechen würde und sich selbst keinen runterholen könnte. Keine Frau sollte je an seinen Schwanz kommen. Das war so festgelegt für ihn, und so blieb es auch.
 

„Und der kleine Reno hatte nicht mal Lust darauf.“ Auch Sina entfuhr ein Kichern. So gut kannte sie ihren besten Freund einfach, dass sie wusste, dass bei Mädels und ihm nichts lief. Da hatte er sie wohl schon oft genug – aus purem Versehen – nackt gesehen und es lief gar nichts in der Hose. Null. Wie ein Sandsack blieb sein bestes Stück schlaff.
 

„Der mag keine Mädchenlippen. Die sind ihm viel zu eklig.“ Angewidert verzog der Blonde das Gesicht.
 

„Boah. So schlimm sind sie jetzt auch wieder nicht.“ Leicht zog Sina die Augenbrauen zusammen und gab dem Jungen einen Schlag gegen die Schulter. Kichernd rieb der sich diese aber auch nur. Veräppeln konnte er sie schon gut, wenn er ein bisschen etwas so gegen Mädchen sagte. Nur böse meinen tat er es nie. Sonst würde er aber auch sicher nicht unbedingt ihr so gut vertrauen.
 

Da wurde er auf einmal von jemanden angerempelt. Beinahe wollte sich der sonst so ruhige Junge auch schon aufregen, da bemerkte er aber erst, wer es war und sich jetzt auf einmal hinter ihm verkroch.
 

„Beschütz mich vor diesen Irren“, wimmerte Juan und krallte krampfhaft die Finger in das Shirt von Reno. Leicht wurde dieser auch herumgezogen und blickte auf einmal in die Gesichter von vier Mädchen, die ihn etwas wütend ansahen.
 

„Dir gehört er ganz bestimmt nicht, Reno!“, fauchte ihn schon ein etwas molliges Mädchen mit schwarzen, gelockten Haaren an. Knapp warf er einen Blick über seine Schulter. „Euch aber auch nicht.“ - Er zog den Schwarzhaarigen am Handgelenk hinter sich hervor. - „Wolltet ihr ihn nicht eigentlich zur nächsten Stunde begleiten, anstatt ihm so eine Angst einzujagen?“
 

Er gab Juan einen Stoß, sodass er direkt in Richtung der vier Mädchen stolperte. Hilfesuchend blickte er sich noch einmal zu Reno um. Doch der war längst mit Sina weiter gegangen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie noch zu spät kommen.
 

„Na dann komm, Juan! Ich bring dich zum Englischraum.“ Einfach so zogen sie ihn hinter sich her, während er sich immer wieder leicht umwandte. Der Blonde war aber schon längst nicht mehr zu sehen.
 

„Juan, wo hast du vorher gewohnt?“, fragte den Schwarzhaarigen da auf einmal ein blondes Mädchen. Etwas verlegen kratzte sie sich am Hinterkopf, als er zu ihr blickte. „In... Phoenix“, erwiderte er nach kurzem Zögern.
 

Das war jetzt der fünfte Umzug. Und angeblich der letzte. Von seiner Mutter erwartete er aber alles. Wenn sie hier keinen Kerl finden würde, dann vielleicht in der nächsten Stadt oder in der darauffolgenden. Er, als ihr Sohn, musste überall mit hin. Ob er wollte oder nicht. Erst in ein paar Jahren, wenn er mit der Schule fertig wäre, könnte er auf eigenen Beinen stehen und sich von ihr losreißen. Dann müsste er nicht immer mit ihr mit umziehen. Immer wieder Freunde verlieren.
 

Obwohl er es im Grunde schon längst aufgegeben hatte sich welche zu suchen. Irgendwann müsste er sich ohnehin wieder von ihnen trennen und womöglich sah er sie sogar nie wieder. Das wollte er gar nicht haben. Also lieber keine Freunde? Oder zumindest keine zu guten.
 

„Wow, Phoenix ist doch eine voll coole Stadt!“, rief da auch schon eine Rothaarige. Knapp gab er nur ein Hm von sich.
 

Phoenix war scheiße gewesen. Cliquen-System. Wenn man in keiner guten war, dann war man ein Loser, und wer gleich in gar keiner war sogar auf Ebene eines Vogelfreien. Draufhauen erlaubt sozusagen.
 

Er konnte aber zum Glück häufig schnell genug laufen. Das war das Nützlichste. Somit hatte er nicht zu oft eine auf die Fresse bekommen, weil einem sein Gesicht nicht gepasst hatte. Phoenix war aber wohl einfach eine Großstadt, im Gegensatz zu diesem Kaff von Pismo Beach. Nur dass man nicht so weit entfernt war vom Meer. Dem Abbild von absoluter Schönheit. So kam es zumindest Juan oft vor.
 

Wenn er aber auch einsam und verlassen einfach einmal irgendwo auf einer Klippe, die ins Meer mündete, stehen konnte und jedes Gefühl einfach auf die See hinaus brüllen konnte, war es aber auch eine Befreiung. Dafür liebte er den Ozean schon fast. Aber nur fast.
 

Es gab eigentlich genügend andere Dinge, die er mehr mochte und durch die er sich sogar manchmal viel besser befreien konnte. Das waren manchmal nur Kleinigkeiten. Ein Zitroneneis reichte gelegentlich sogar schon. Solange es ihn lange genug beschäftigte.
 

Die Mädchen hatten ihn schließlich wirklich zum Englischraum gebracht. Fast schon zu spät. Die Lehrerin war schon da. Mit einem etwas mürrischen Tonfall forderte sie ihn dazu auf, sich der Klasse vorzustellen. Dieses Vorstellen störte ihn immer. Ein paar Lehrer gab es immer, die das wollten.
 

„Ich bin Juan O'Conner und bin aus Phoenix hier hergezogen, weil meine Mam einen neuen Job hier gefunden hat. Ich hoffe doch, wir können Freunde werden.“ Jedes Mal derselbe Spruch. Er musste nur die Stadt immer wieder ändern, damit es passte. Aber sonst blieb es gleich. Und das jetzt schon zum fünften Mal. Er hatte langsam keine Lust mehr.

Eingeschnappt und angespannt

Kapitel 3 – Eingeschnappt und angespannt
 

Alleine stand Juan nach dem Unterricht am Schultor. Eigentlich wollte ihn seine Mutter abholen und mit nach Hause nehmen. Ihr neues Heim hatte er auch bis jetzt noch gar nicht gesehen. Somit wusste er auch nicht, wo er überhaupt hinmusste. Die vergangene Nacht hatten sie noch bei einem Freund seiner Mam verbracht und sie hatte ihn heute Morgen zur Schule gebracht. Hatte aber dann auch gleich los gemusst. Deswegen war er alleine in der Aula gestanden, wo Reno ihn getroffen hatte.
 

Und jetzt war wieder niemand bei ihm. Ohne ihn zu beachten, waren die anderen Schüler vor einigen Minuten an ihm vorbei gestürmt. Alle hatten sie nach Hause oder noch mit zu Freunden wollen. Eben eine normale Freizeit haben. Nur für ihn würde das wohl so bald nicht passieren.
 

„Mann, nur weil ich diese blöde Hausaufgabe nicht gemacht habe! Das waren nicht mal zwei Zeilen zu schreiben. Blöder Mr Meyers“, hörte der Schwarzhaarige da aber auf einmal jemanden lautstark zetern. Er wandte sich zum Schulgebäude um, aus dem gerade Reno und Sina kamen.
 

„Freu' dich lieber, dass ich auf dich gewartet habe“, meinte das Mädchen nur, um den anderen zu beschwichtigen, als ihr Blick auf Juan viel, der sie interessiert ansah. Doch schon im nächsten Moment wandte er sich ab und fixierte einen undefinierbaren Punkt auf dem Boden, bevor er den Kopf wieder hob und seinen Blick einmal die Straße auf und ab schweifen ließ. Sie würde nicht mehr kommen.
 

Ein Seufzen verließ seine Kehle. Wie konnte sie ihn nur vergessen? Er war doch ihr Sohn! Konnte er ihr so wenig wert sein?
 

„Na, Juan. Wartest du noch auf jemanden“, meinte da aber auf einmal Sina zu ihm und legte ihm ungefragt einen Arm um die Schultern. Den schüttelte er aber auch gleich wieder ab.
 

„Meine Ma wollte mich abholen“, erwiderte er nur trocken und ließ den Kopf wieder sinken. Nervös begann er mit einem Fuß leicht über den Boden zu scharren. Zu den beiden konnte er jetzt kaum sagen, dass er nicht wusste, wo er hinmusste. So sehr wollte er sich nicht blamieren.
 

„Und du weißt wohl selber nicht, wo euer wertes, neues Heim ist?“, fragte da aber schon Reno und stapfte – ohne auf eine Antwort zu warten – an ihm vorbei. Ein paar Meter entfernt blieb er stehen und drehte sich zu Sina um.
 

„Jetzt willst wohl du mal Wurzeln schlagen?“, meinte er scherzhaft. Doch das Mädchen hatte sich aus einem anderen Grund nicht in Bewegung gesetzt.
 

„Wo würdet ihr denn wohnen? Vielleicht können wir dich ja hinbringen“, meinte da Sina schon lächelnd. Etwas scheu sah aber Juan nur weg, bevor er antwortete: „Sunrise Terrace 132.“
 

Leicht hob die Braunhaarige eine Augenbraue. „Habt ihr nicht 133, Reno?“ Angesprochener kam gerade zu ihr zurück. „Ja. Wusste gar nicht, dass nebenan wer eingezogen ist.“ Als ob er überlegen würde, kratzte sich der Blonde über dem Auge.
 

„Man könnte wahrscheinlich sogar euer Haus in Brand stecken und du würdest es nicht mitbekommen. Selbst wenn du drin wärest.“ Sina verdrehte die Augen, bevor sie sich wieder an Juan wandte. „Dann kannst du wohl wirklich mit uns mitkommen.“
 

Laut stieß Reno ein Seufzen aus. Wohl sein Kommentar dazu. Aus dem Augenwinkel blickte die Braunhaarige zu ihm und meinte schließlich nach kurzer Überlegung: „Hat deine Mam dein Auto eigentlich hergebracht?“
 

Da zog der Blonde schon die Augenbrauen zusammen. „Hoffe es.“ Er grummelte noch etwas vor sich hin, während sie zu dritt zu den Parkplätzen gingen. Meistens stellte Renos Mutter seinen nachtblauen Volkswagen Gol irgendwo auf den vorderen Teil, damit Reno ihn auch ja fand. Aber heute würde das wohl ohnehin nicht schwer werden.
 

„Wieso seid ihr eigentlich noch hier gewesen?“, fragte Juan Sina.

Der Blonde marschierte ein ganzes Stück vor den anderen beiden. Wahrscheinlich packte ihn etwas die Eifersucht. Sonst interessierte sich ja Sina so sehr für ihn, und jetzt war da dieses andere Subjekt zwischen sie geraden.
 

„Reno durfte noch die Tafelschwämme im Physikraum ausklopfen. Stimmt's?“ Mit dem letzten Wort wandte sich die Braunhaarige an ihren besten Freund, der aber nur etwas Unverständliches vor sich hin grummelte.
 

„So, und jetzt zu dir, Juan.“ - Sina legte dem Schwarzhaarigen erneut einen Arm um die Schultern. - „Was hältst du bis jetzt so von der wunderbaren Arroyo Grande High School?“
 

Leicht zuckte der Angesprochene mit den Schultern. „Ein paar irre Mädchen, aber sonst ganz O.K.“ Da lachte die Braunhaarige aber schon kurz auf. „Du hast Reno noch nicht richtig kennen gelernt. Der ist wahrscheinlich nichts gegen die paar Mädels, wenn er dich erst mal mag.“
 

Kaum hatte sie das ausgesprochen, rannte sie schon direkt gegen ihren Freund, der abrupt stehen geblieben war. „Halt die Klappe, Sina!“, fauchte er nur wütend und drehte nach links ab, wo sich sein eigentlich so heiß geliebter Volkswagen befand.
 

„Ist das ein G2?“, fragte da schon Juan etwas schüchtern. Knapp nickte Reno. Eigentlich hätte der Dunkelhaarige wohl eine etwas nettere Antwort erwartet und im Grunde wollte er dadurch doch auch nur ein Gespräch anfangen. War wohl so ziemlich daneben gegangen.
 

„Er ist öfters so gegenüber Jungs, die er nicht kennt. Dabei ist er sonst so anhänglich“, versuchte Sina ihn aufzumuntern und öffnete gekonnt, wie ein Chauffeur, die Beifahrertür. Freundlich bedankte sich Juan und stieg ein, bevor ihm überhaupt auffiel, dass er jetzt wohl die ganze Fahrt über neben dem etwas eingeschnappten Reno sitzen musste.
 

Sina hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht und lehnte sich an den beiden Vordersitzen nach vorne ab. „So und jetzt sei nicht so bissig, Reno!“, tadelte sie den Blonden auch schon, als dieser den Zündschlüssel im Schloss umdrehte. Doch als Erwiderung erhielt sie nur ein mürrisches Knurren.
 

„Der Herr hat wohl heute wieder seine zickige Phase. Und du regst dich wirklich über Schwulenklischees auf? Idiot“, brummte das Mädchen jetzt ebenso etwas beleidigt.
 

Jedoch wurde dagegen Juan hellhörig. „Schwul?“, fragte er etwas verwirrt und wandte sich zu Sina um, die ihn aber nur etwas ertappt ansah. Sie wäre wohl eigentlich die Letzte gewesen, die so etwas einfach in die Weltgeschichte hinausrief, aber jetzt war es ihr wohl doch passiert.
 

„Kann ich es ihm sagen, oder regst du dich dann nur auf?“, fragte sie vorsichtig und Reno bejahte auch. Obwohl es ihm eigentlich sicher nicht passte. Er würde ihr aber schon noch die Leviten lesen.
 

„Reno ist schwul“, meinte die Braunhaarige so wenig wie möglich bewertend. Nie hatte sie ihren Freund deswegen beurteilt, weil er nicht hetero war. Sie nicht. Sonst hätte sie ihm wahrscheinlich ohnehin nie wieder unter die Augen treten müssen.
 

„Aha“, gab da aber schon Juan gleichgültig von sich. Für ihn war es wohl das Normalste der Welt. Als ob es gar nichts anderes geben würde.
 

Die gesamte Fahrt über schwiegen sich die drei Jugendlichen an. Dabei hätte Sina wohl zu gerne Juan noch etwas ausgequetscht. Ein Neuer war für sie – im Gegensatz zu Reno – verdammt interessant. Man konnte immer so viele schöne, neue Informationen erhalten. Aber jetzt hielt sogar sie viel lieber die Klappe.
 

„So, da wären wir. Sunrise Terrace 132“, verkündete Reno etwas tonlos, als er den Wagen anhielt. Bis zur Nr. 133 waren es kaum 20 Meter. Doch scheinbar wollte er den Schwarzhaarigen so früh wie möglich los werden.
 

„Dann verzieh ich mich auch gleich. Muss ja ohnehin in die Farnsworth.“ Schon einen Moment später war Sina auch schon ausgestiegen.
 

„Danke“, flüsterte Juan, bevor er es ihr gleichtat. „Nichts zu danken“, erwiderte der Blonde. Immer noch etwas gefühlskalt.
 

Langsam tapste der Schwarzhaarige auf die Haustür zu, während das blaue Auto auf die Einfahrt des Hauses nebenan fuhr. Zaghaft klingelte Juan. Nach wenigen Minuten ein zweites Mal. Dann nochmal. Doch niemand machte auf.
 

Hilflos sah er sich um, bevor er auf die Treppe der Veranda sank. Jetzt hatte ihn seine Mutter nicht nur vergessen. Nein. Sie war auch nicht einmal zu Hause.
 

Er stützte den Kopf auf den Händen ab und seufzte.
 

„Niemand zu Hause?“, hörte er da aber auf einmal jemanden rufen. Verwirrt blickte Juan in die Richtung, aus der der Ruf kam. Dort stand Reno und hatte den Kopf leicht schief gelegt.
 

„Sieht so aus“, erwiderte der Schwarzhaarige schließlich und seufzte ein weiteres Mal leise.
 

Zaghaft blickte sich Reno um. Etwas sicherer meinte er dann aber: „Willst du vielleicht mit rüber kommen? Wer weiß schon, wann deine Mam heim kommt.“
 

„Äh... gerne.“ Langsam stand Juan auf und tapste durch den Vorgarten bis zu dem Blonden hinüber, der auf eine Lücke zwischen den Sträuchern deutete, die eigentlich die beiden Gärten voneinander trennten.
 

„Sorry, dass ich gerade eben so ekelhaft war“, versuchte Reno sich zu entschuldigen und kratzte sich dabei verlegen am Hinterkopf. „Macht doch nichts.“ Scheu blickte der Schwarzhaarige weg. So schnell vertraute er normalerweise Fremden auch nicht.
 

„Na dann komm.“ Ungezwungen nahm der Blonde die Hand des anderen. Bei Sina machte er das sonst auch. Somit war er es wohl einfach bewohnt. Doch bei seiner Freundin und ihm konnte man wohl auch nicht auf dumme Gedanken kommen. Die meisten wussten, dass er auf Jungs stand und deshalb kaum mit Sina zusammen sein konnte. Aber bei Juan könnte das anders aussehen. Wenn sie ein Nachbar auch nur sah, würde es komisch rüberkommen. Obwohl sie kein Paar waren.
 

Unsicher tapste Juan hinter dem Blonden her, der ihn einfach so durchs Haus lotste. Bis in sein Zimmer.
 

„Ist etwas unaufgeräumt. Ich hab aber auch keinen Besuch erwartet“, meinte Reno grinsend und sammelte auch gleich ein paar Sachen vom Boden auf. Zum Großteil lagen dort Klamotten verteilt. Und nicht nur die, die wahrscheinlich niemanden die Schamesröte ins Gesicht zaubern würden.
 

Sich etwas umsehend setzte sich Juan auf das große Bett. Leicht drückte er die Zeigefinger gegeneinander. Ihm war die Nervosität wortwörtlich ins Gesicht geschrieben.
 

„Hey, sei mal ein bisschen lockerer“, meinte Reno, als er neben ihn sank und ihm einen Arm um die Schultern legte. „Ich beiße grundsätzlich nicht und bin auch sonst eigentlich ganz nett.“
 

Doch scheinbar ließ das den Schwarzhaarigen erst recht noch unruhiger werden. Eigentlich wollte er keine Nähe zu Fremden. Daraus konnte nur viel zu leicht Freundschaft werden und die wollte er doch vermeiden.
 

„Du musst vor mir wirklich keine Angst haben! Schwule sind nicht nur auf Sex aus! Und vergewaltigen würde ich ohnehin niemanden!“

Leicht zog Reno den anderen noch ein Stück näher zu sich, bis er ihn schon regelrecht an sich drückte.
 

„Ich weiß“, nuschelte der Schwarzhaarige schließlich und versuchte sich irgendwie aus dem Griff des Blonden zu befreien. Doch es gelang ihm nicht. Scheinbar war Reno einfach stärker als er.
 

Da ließ dieser aber schon selbst locker und stand auf. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, tapste er zum Fenster und stützte sich dort leicht ab. Eigentlich konnte er doch draußen nur das gegenüberliegende Haus erkennen. Und dennoch blickte er hinaus, als ob etwas wirklich hoch Interessantes dort wäre.
 

„Welches wird dein Zimmer?“, fragte er auf einmal. Sichtlich zuckte Juan zusammen und erwiderte zaghaft: „Weiß noch nicht. Meine Ma hat das alles eingeteilt.“
 

Alles hatte seine Mutter gemacht. Das Haus aussuchen, festlegen wann sie umziehen, die Möbelpacker bestellen, ... einfach alles. Juan hatte nicht mitentscheiden dürfen. Er musste sich immer nur fügen.
 

„Kannst du versuchen das Zimmer direkt gegenüber von meinem zu kriegen?“ Keine Sekunde wandte sich der Blonde zu seinem Gast um, als er das sagte. Hoffte aber wohl dennoch irgendwie auf ein Ja.
 

„Versuchen kann ich es schon. Aber wenn meine Ma was anderes festgelegt hat, kann ich daran nichts ändern.“

Langsam senkte der Schwarzhaarige den Kopf. Er wehrte sich auch nicht dagegen, was seine Mutter sagte. Immer wurde alles gemacht. Wenn sie ihm wohl sagen würde, er solle sich vor einen Zug werfen, er würde es sogar tun.
 

„Du bist ganz schön auf deine Mutter fixiert.“

Reno drehte sich wieder zu Juan um, der ihn nur etwas verwirrt ansah. Leicht hob der Blonde eine Augenbraue. Obwohl er eine Tatsache – und keine Frage – ausgesprochen hatte, wartete er wohl auf eine Antwort.
 

„Kann schon sein.“

Wieder wurde der Schwarzhaarige nervös. Solange ihn der andere nicht angesehen hatte, ging es. Jetzt nicht mehr. Direkter Blickkontakt ließ sein Selbstbewusstsein dahinschmelzen.
 

„Na ja, wie es aussieht sind deine Eltern ja wohl geschieden.“ Der Blonde war wieder zurück zum Bett gekommen und ging jetzt vor dem Schwarzhaarigen in die Hocke. Leicht legte er zudem den Kopf schief.
 

„Du siehst ein wenig müde aus. Willst du dich vielleicht etwas hinlegen?“

Perplex wurde Reno von Juan angesehen.
 

„Ist gestern etwas spät geworden“, murmelte der Schwarzhaarige schließlich. Wieder drückte er die Zeigefinger aneinander. Entspannte ihn vielleicht etwas.
 

„Dann schlaf ein bisschen. Ich pass schon auf, wenn deine Ma heim kommt. Kann ihr dann ja auch Bescheid sagen, dass du hier bist.“

Langsam richtete sich der Blonde wieder auf. Zaghaft folgte Juan ihm mit den Augen, als Reno zur Tür ging.
 

„Wo... wo willst du hin?“

Der Schwarzhaarige wirkte jetzt erst recht eingeschüchtert.
 

„Da wo selbst der Kaiser alleine hingeht“, erwiderte der Blonde mit einem frechen Grinsen, bevor er den Raum verließ.

Übers Fenster hinweg

Kapitel 4 – Übers Fenster hinweg
 

Als Reno wieder in sein Zimmer kam, hatte sich der Schwarzhaarige schon auf seinem Bett zusammengerollt und schlief. Er musste wirklich müde gewesen sein, sonst wäre er nie so schnell ins süße Träumen abgedriftet.
 

Vorsichtig setzte sich der Blonde neben ihn und ließ seinen Blick einen Moment über den anderen schweifen. Was ein Mädchen bei einem Typen machte, der ihr gefallen könnte, tat er auch. Erst einmal abchecken. Das musste einfach sein.
 

Eigentlich mochte er ja Schwarzhaarige und erst recht, wenn sie solche schönen schokobraunen Augen hatten. Aber irgendwie war ihm Juan schon etwas zu schüchtern. Jemand der ihn beschützen könnte, wäre ihm schon lieber. Oder zumindest unterstützen.
 

Und im Grunde vertraute Reno ihm auch nicht wirklich. Zumindest noch nicht. Möglicherweise könnte es sich ja noch ändern. Wenn sie sich vielleicht etwas besser kannten.
 

Vorsichtig strich der Blonde Juan übers Haar. Es war etwas struppig, obwohl Reno wohl eher erwartet hatte, dass es weich war. So konnte man sich eben irren. Aber es war ja auch nicht alles so, wie es schien.
 

Abrupt drehte sich der Schwarzhaarige auf die andere Seite, und Reno konnte gerade noch so die Hand zurückziehen. Einen Moment blickte er starr auf den Schlafenden. Wach war er wohl nicht geworden.
 

Mit einem Seufzen auf den Lippen richtete sich der Blonde wieder auf und stapfte zum Fenster. Er hatte ja sozusagen versprochen, dass er aufpassen würde, bis Juans Mutter wieder nach Hause kommen würde. Bis jetzt war aber noch nichts passiert. Nicht einmal ein Möbelwagen war gekommen. Aber vielleicht war die Einrichtung ja auch schon vormittags gebracht worden. Nur wo war dann Juans Mutter? Sie konnte doch kaum ihren Sohn einfach vergessen.
 

Ein leises Wimmern riss den Blonden aus seinen Gedanken. Verwirrt wirbelte er herum. Der Schwarzhaarige hatte sich zusammengekauert und zitterte.
 

„Frierst du?“, fragte Reno mit leicht gehobener Augenbraue, als Juan den Kopf hob und sich wohl erst langsam wieder bewusst wurde, wo er überhaupt war.
 

„Etwas.“ Juan sah zu dem Blonden, der ihn fast schon interessiert anblickte.

„Du hättest dir nur die Decke nehmen müssen“, meinte er etwas vorwurfsvoll.
 

Irritiert blickte Juan auf die Steppdecke auf der er lag. „Hätte ich“, murmelte er und tat es auch. Er rollte sich in die Decke ein, wie ein Schutzschild lag sie jetzt um ihn.
 

„Ich wollte eigentlich nur dein Bett nicht zu sehr zerwühlen.“

Reumütig hatte Juan den Kopf gesenkt und versuchte es sich wieder etwas bequem zu machen.
 

„Ich penn' da auch nur. Da kannst du gar nichts 'zerwühlen' oder so.“

Leicht zuckte der Blonde mit den Schultern. Ob sein Bett jetzt frisch gemacht war oder nicht war ihm so ziemlich egal, wenn er schlafen ging. Am nächsten Morgen würde es ohnehin nicht mehr so super aussehen.
 

Aus dem Augenwinkel blickte Reno aus dem Fenster und wandte schließlich den Blick wieder ganz hinaus.
 

„Da ist ein Auto hergefahren. Könnte vielleicht deine Mutter sein.“

Der Blonde hob leicht eine Augenbraue. Es stieg wirklich eine junge Frau aus dem Wagen aus. Nervös blickte sie sich um. Das konnte ja eigentlich nur Juans Mam sein. Zumindest machte sie sich Sorgen.
 

„Dann geh ich lieber.“

Zaghaft richtete sich der Schwarzhaarige wieder auf und streckte sich herzhaft, bevor er sich die Schuhe wieder anzog, die in einer Linie neben dem Bett standen. Ordnung hielt er wohl zumindest ein. Schließlich stand er auch auf.
 

„Wenn du nicht willst, kannst du gerne noch hier bleiben. Wir können ja zusammen Mathe machen.“

Zaghaft lächelte der Blonde, doch Juan schüttelte den Kopf.
 

„Meine Ma wird sich nur Sorgen machen, aber wir sehen uns sicher morgen. Also ciao.“

Ganz wusste Juan nicht, wie er sich verabschieden sollte. Umarmen konnte er Reno nicht und nur die Hand geben würde auch blöd kommen. So scharrte er wieder etwas nervös mit dem Fuß auf den Boden.
 

Da schlang aber auf einmal Reno die Arme um ihn.

„Und jetzt: Zieh Leine“, meinte er scherzhaft, als er den Schwarzhaarigen wieder losließ und ihm einen leichten Stoß in Richtung Tür gab.
 

Etwas verwirrt sah Juan ihn aber im ersten Moment nur an.

„Ich komm ja schon noch mit runter.“ Kopfschüttelnd folgte Reno dem Dunkelhaarigen.
 

Schon einen Moment später standen sie beide unten an der Tür.

„So, aber jetzt: Zieh Leine!“

Wieder gab der Blonde dem anderen einen leichten Stoß.
 

„Ich versuch' auch, das Zimmer, das gegenüber zu deinem liegt, zu kriegen“, meinte Juan noch, bevor er zu seiner Mam lief, die ihn auch sofort in die Arme schloss und sich überschwänglich bei ihm entschuldigte, weil sie ihn vergessen hatte.
 

Einen Moment sah Reno dem Schauspiel noch zu. So anhänglich waren seine Eltern irgendwie nicht mehr. Seit er sich immer beschwert hatte, dass sie ihn mit ihrer Zuneigung zu sehr nervten, hatten sie es ohnehin aufgegeben, sich ihm so zu nähern. Obwohl es wohl von ihrer Seite aus ohnehin mit der Zeit geendet hätte.
 

Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und tapste zurück ins Haus. Wahrscheinlich würde es schon bald Abendessen geben. Wenn er sich nicht verhört hatte, waren seine Eltern vor kurzem auch heimgekommen.
 

„Wer war der Junge, bei dem du warst?“, wurde einige Minuten später Juan von seiner Mutter gefragt, als diese ihn durchs Haus führte. Er hatte Glück. Sein Zimmer war das, das er wollte. Oder zumindest seit heute Nachmittag wollte.
 

„Kenn' ich aus der Schule“, erwiderte er nur knapp. Sie musste ja nicht alles wissen. Er sagte ihr ohnehin schon nicht alles. Da war das kein großer Unterschied mehr.
 

„Dann hast du ja endlich mal wieder einen Freund gefunden.“ Kurz lächelte sie, bevor sie in die Küche ging und ihren Sohn somit im Gang zurückließ.
 

Hatte er etwas gesagt, dass sie sich schon so gut angefreundet hatten? Aufgefallen wäre es nicht. Aber seine Mam interpretierte viel in manche Dinge hinein. Sollte er ihr doch die Hoffnung lassen, dass er einen Freund hatte.
 

Langsam ging er die Treppe nach oben in sein Zimmer. Mehr als das Bett, der Schrank und einige Kisten waren noch nicht drin. Zumindest konnte er aber die nächsten Tage hier schlafen, bis alles ausgeräumt waren. Er wollte schon gar nicht wissen, wie lange das sich dieses Mal wieder hinziehen würde.
 

Seine Mutter war regelrecht fanatisch nach Deko, und das hatte sie in ein paar Zügen an ihren Sohn weitergegeben. Zwar musste es bei ihm nicht so viel sein wie bei ihr, aber zumindest ein bisschen.
 

Vorsichtig öffnete er eine der kleineren Kisten auf der in schwungvollen Buchstaben 'Juans Zimmer' stand. Vorsichtig nahm er eine der in Zeitungspapier gewickelten Porzellanfiguren heraus und entfernte fast schon zaghaft das Papier. Ein kleiner, grüner Frosch, der auf einem Stein saß, kam zum Vorschein.
 

Leicht legte Juan den Kopf schief und während er die Figur von allen Seiten betrachtete, ging er zum Fenster und stellte den Forsch dort vorsichtig aufs Fensterbrett. Erst jetzt fiel ihm aber auf, wie groß dieses eigentlich war. Im Grunde hätte er selbst hier ja Platz. Zumindest um es sich etwas gemütlich zu machen.
 

Wenn die Sonne hier her scheinen würde, könnte es wohl sogar richtig warm werden. Doch stellte er die Frösche, die noch in der Kiste – und wohl noch mindestens einer weiteren – verpackt waren, hier nicht auf, dann würde es spätestens in ein paar Tagen seine Mutter tun und das schöne Plätzchen wäre zugestellt.
 

Langsam sah sich Juan im Raum um. Die ganzen Regale waren noch nicht aufgebaut. Da hätte man die Frösche rein stellen können. Entweder würde er jetzt einfach warten oder kurzzeitig mussten sich die Figuren hier ansammeln.
 

Da riss ihn aber das dumpfe Geräusch eines Aufpralles aus seinen Gedanken. Verwirrt blickte er zum Fenster, wogegen gerade ein weiterer kleiner Stein flog. Irritiert wandte er sein Augenmerk auf das Haus gegenüber. Dort lehnte sich Reno aus dem Fenster. Scheinbar versuchte er den anderen dazu zu bringen, dass er es ihm gleich tat.
 

Jedoch winkte Juan knapp ab. Da ließ der Blonde aber schon etwas traurig den Kopf hängen. Deswegen atmete der Schwarzhaarige einmal tief durch und öffnete schließlich das Fenster doch.
 

„Was willst du denn?“, rief er dem anderen zu. „Nur fragen, ob ich dich morgen mit zur Schule nehmen soll“, bekam er auch gleich zur Erwiderung. Und ein sanftes Lächeln bildete sich zudem auf den Lippen des Blonden. Nur dass dies Juan kaum sehen konnte, da er schüchtern den Blick in Richtung Boden abwandte.
 

Nachdenklich kratzte er sich aber schließlich am Hinterkopf und antwortete auch gleich: „Gerne.“ Auch er versuchte zu lächeln. Doch irgendwie wurde es reichlich schief.
 

„Dann hole ich dich morgen früh so gegen halb neun ab. O.K.?“

Es war kein fragender Gesichtsausdruck, den Reno gerade aufgelegt hatte. Eher wirkte er frech. Etwas zu frech. Fast schon hinterhältig.
 

„O.K.“, gab Juan schließlich zurück und stützte sich auf dem Fensterbrett ab. Scheinbar wartete er, dass noch irgendetwas kam. Doch sie schwiegen sich nur einige Minuten an. Keiner von beiden wusste wirklich, was er sagen könnte.
 

„Hast du Mathe gemacht?“, fragte da aber auf einmal Juan. Irgendwie wollte er die Stille brechen, die wohl vor allem ihn zu erdrücken schien.
 

„Klar. Du etwa nicht?“

Leicht hob Reno eine Augenbraue. Da schüttelte Juan aber auch schon zaghaft den Kopf.
 

„Bin bis jetzt noch nicht dazugekommen.“

Fast schon reumütig senkte er den Kopf und setzte sich schließlich auf das Fensterbrett. Stabil genug für sein Gewicht war es wohl.
 

Leise seufzte der Blonde. Somit war es für den anderen nicht mal zu hören.

„Ich könnte zu dir rüberkommen und dir ein wenig helfen“, meinte er dann schließlich. Da riss aber Juan schon seinen Kopf zu ihm herum.
 

„Muss... muss doch nicht... sein“, stotterte er und auf seinen Wangen bildete sich ein leicht roter Schimmer. Auf die Entfernung wohl aber kaum für Reno zu erkennen. Denken würde er es sich aber können.
 

„Na wenn du es alleine schaffst, dann nicht.“

Leicht zuckte der Blonde mit den Schultern. Wer nicht wollte, dem konnte man auch nicht helfen.
 

So sicher war sich aber wohl der Schwarzhaarige nicht, ob er so gut mit der Mathehausaufgabe zurecht kommen würde. An seiner alten High School waren sie noch nicht ganz so weit und gerade Algebra war noch nie seine Stärke gewesen. Er hatte es eher mit Geometrie. Aber auch nur, wenn man dabei nicht zu kompliziert rechnen musste.
 

Etwas verlegen blickte Juan aus dem Fenster hinunter in den Garten. Noch nicht viel war gemacht, und es wäre jetzt wohl auch viel zu früh. Es gab eigentlich momentan ohnehin noch Wichtigeres, was gemacht werden müsste. Da käme der Garten einfach ganz zum Schluss.
 

„Soll ich dir vielleicht nicht doch helfen?“

Wieder hatte Reno ein Lächeln aufgelegt, als der Schwarzhaarige seinen Blick langsam wieder hob.
 

„Na ja, bei uns gibt es gleich Abendessen – denk' ich zumindest – also wird es meiner Ma nicht wirklich passen, wenn noch jemand hier ist... Und es ist alles auch noch etwas unordentlich.“

Verlegen kratzte sich Juan hinter dem Ohr.
 

„Das es nicht aufgeräumt ist, macht mir nichts aus. Aber wenn deine Mutter was dagegen haben könnte, dann kann ich ja nichts machen...“ - Einen Moment überlegte der Blonde. - „Ab wann ist deine Mam morgen früh nicht zu Hause?“
 

Etwas irritiert hob der Schwarzhaarige eine Augenbraue.

„Wahrscheinlich so gegen halb acht“, erwiderte er schließlich. Auch wenn er sich nicht im Klaren darüber war, wieso Reno das wissen wollte.
 

„Dann bin ich schon etwas früher bei dir.“

Herzhaft streckte sich der Blonde. Ganz kurz spitzte sein Bauch unter dem Shirt hervor. Ein dünner Streifen dunkles Haar zog sich von unten bis zu seinem Nabel hinauf.
 

„Dann bis morgen“, meinte er da aber auch schon und machte das Fenster zu.
 

Noch einen Moment lehnte sich Juan auf das Fenstersims. Ein kühler Wind zwang ihn aber auch zurück ins Zimmer und auch dazu das Fenster wieder zu schließen.
 

Somit könnte er wohl zumindest Mathe für heute bleiben lassen. Aber seine restlichen Hausaufgaben müsste er heute noch machen. Auch wenn er ein bisschen in der Schule machen konnte. Obwohl er vor allem in der Mittagspause keinen Moment Ruhe hatte. Diese vier Mädels klebten regelrecht an ihm. Wenn es so weiter ging, würden die noch wegen ihm ihren Stundenplan ändern lassen. Irgendwie wollte er sich das gar nicht vorstellen.

Eigentlich fängt der Tag doch gut an

Kapitel 5 – Eigentlich fängt der Tag doch ganz gut an
 

Schon seit einiger Zeit lag er wach und wartete jetzt eigentlich nur noch, dass sein Wecker klingelte und ihn dazu anspornte aufzustehen. Immerhin müsste er ungefähr in einer Stunde bei Juan sein. Dem wollte er doch noch die Mathehausaufgaben geben.
 

Leuten, die er so wenig kannte, machte er eigentlich sonst nicht die Hausaufgaben. Außer sie drohten ihm Prügel an. Bei Juan konnte er sich gar nicht daran erinnern, dass er irgendsoetwas angedeutet hätte. Aber vielleicht hatte er es ja nur indirekt ausgesprochen. Obwohl Reno das auch nicht bemerkt hatte.
 

Langsam setzte sich der Blonde auf. Jetzt würde der wohl auch kaum noch einmal einschlafen können. Schon längst fiel leicht Sonnenlicht in sein Zimmer. Und leises Vogelgezwitscher war zu hören.
 

Eigentlich müsste er erst gegen halb acht aufstehen. Dann war auch immer noch genug Zeit sich fertig zu machen. Bis er los musste, war er bis jetzt immer fertig geworden, aber das war heute ja etwas früher.
 

Leise tapste er zur Zimmertür, nachdem er sich frische Unterwäsche und seine restlichen Sachen vom Vortag genommen hatte. Zaghaft drückte er die Klinke hinunter und lauschte erst einmal. Alles war ruhig. Doch normalerweise waren seine Eltern auch schon seit sechs Uhr morgens nicht mehr im Haus. Somit war er ohnehin allein.
 

Langsam marschierte er über den Gang bis ins Badezimmer. Erst einmal wollte er sich eine entspannende Dusche gönnen. Die hatte er ja gestern wegen Sina nicht gehabt. Also müsste er es wohl extra lange nachholen.
 

Als er sich die Shorts und das Shirt ausgezogen hatte, stellte er sich gleich unter den kurz zuvor angedrehten Wasserstrahl unter der Dusche, der jetzt wie ein heißer Regen auf ihn nieder prasselte und scheinbar jeden seiner Muskeln entspannte.
 

Er lehnte sich an die binnen weniger Sekunden angelaufenen Fliesen und sank daran bis zum Boden herunter. Langsam schloss er die Augen und ließ seine Finger über seinen Körper gleiten. In den letzten Wochen ertappte er sich immer öfters, wie er sich selbst streichelte. Gelegentlich sogar schon kurz davor stand, sich selbst zu befriedigen.
 

Nur war er noch nie so weit gegangen. Wenn er es merkte, dann hörte er auf. Viel lieber wollte er, dass jemand anderes ihn zum Höhepunkt trieb. Doch mit der Zeit verlor er immer mehr seine Kontrolle, wenn er einmal angefangen hatte sich anzufassen.
 

Und auch heute ging er wieder einen Schritt weiter als das letzte Mal. Er umfasste zaghaft sein Glied mit den Finger und rieb langsam darüber. Ein angenehmer Schauer durchfuhr seinen Körper. Nur für einen Moment, dann ließ er wieder von sich ab und raffte sich langsam hoch.
 

Noch eine Weile ließ er das heiße Wasser auf sich hernieder regnen, bevor er sich als sauber ansah. Doch schon als er den ersten Fuß auf den Boden vor die Dusche gesetzt hatte, kam das Gefühl wieder hoch, wie dreckig er doch war. Nicht äußerlich. Innerlich!
 

Langsam trocknete er sich ab und zog sich auch schließlich an. Das könnte auch einmal jemand anderes übernehmen. Jemand, der ihm dabei vielleicht sogar zärtlich den Nacken küsste.
 

Lustlos tapste er zurück in sein Zimmer, wo er erst einmal das Fenster öffnete. Im gegenüberliegenden Haus war wohl noch niemand wach. Zumindest schien es so. Möglicherweise schlief auch einfach Juan noch. Denn eigentlich kam Renos Blick schon gar nicht weiter, als zu dessen Zimmerfenster.
 

Leicht legte der Blonde den Kopf schief. Ob er wohl von ihm träumte? Irgendwie kam Reno die Vorstellung süß vor.
 

Doch da machte Reno schon auf den Hacken kehrt und sammelte seinen Rucksack vom Boden ein, knapp packte er alles ein, was er für den heutigen Schultag brauchen würde. Das Meiste hatte er eigentlich in seinem Spind in der Schule, also waren es im Grunde nur die Bücher, die er zu Hause hatte und seine Hefte sowie zwei Blöcke.
 

Als er fertig war, hörte er gerade ein wegfahrendes Auto. Das könnte Juans Mutter gewesen sein. Ein Blick auf die Uhr deutete ihm auch an, dass es bereits kurz vor halb acht war. Höchste Zeit um sich auf die Socken zu machen.
 

Mit seinem Rucksack auf dem Rücken sprang er locker die Treppe hinunter und zog sich unten an der Garderobe seine Schuhe an und schnappte sich schließlich auch noch eine Jacke und auch seinen Autoschlüssel. Doch der verschwand auch gleich in seiner Hosentasche. Samt dem Schlüssel für die Haustür.
 

Zu guter Letzt schulterte er wieder seinen Rucksack und trat vor die Haustür, die er hinter sich zuzog.
 

Eigentlich war es ja noch viel zu früh, um aus dem Haus zu gehen. Aber irgendwie hatte er es ja Juan versprochen, dass er ihm noch half.
 

So stapfte Reno durch die beiden Vorgärten zum Nachbarhaus und klingelte dort etwas zaghaft. Doch es passierte nichts. Eigentlich müsste der Schwarzhaarige schon längst auf sein. Immerhin hätte der andere ihn so oder so in einer halben Stunde abgeholt.
 

Ein weiteres Mal klingelte der Blonde. Da wurde die Tür aber auch schon abrupt aufgerissen.
 

„Sorry, ich war unter der Dusche“, begrüßte ihn Juan. Nur in hautengen Shorts. Einen leichten roten Schimmer um die Nase bekam Reno, als er an dem Schwarzhaarigen, der einen Schritt zur Seite getreten war, vorbei in den Gang trat.
 

„Du weißt ja ungefähr wo mein Zimmer ist. Ich zieh' mich nur noch schnell an“, meinte Juan noch und wuselte schon wieder ins Bad.
 

Etwas perplex stand der Blonde im Flur, bevor er sich der Treppe zuwandte und nach oben ging. Ungefähr war gut. Er war niemand, der wirklich gut im räumlichen Denken war. So konnte er sich wirklich nur ganz grob vorstellen, wo er hinmusste.
 

Aber dennoch fand er das richtige Zimmer. Nachdem er aus Versehen zuerst im Schlafzimmer von Juans Mutter gelandet war.
 

Im Schneidersitz machte er es sich auf dem Boden bequem. Eigentlich hätte er auch die Fensterbank oder das Bett als Sitzgelegenheit nutzen können. Doch irgendwie fühlte er sich auf dem Fußboden dann doch wohler. Und er konnte so auch ganz gemütlich seine Mathesachen auspacken.
 

Schon fünf Minuten später betrat Juan den Raum in einem etwas zu weitem schwarzen Shirt und einer dafür aber um einiges perfekter sitzenden Jeans.
 

„Hm“, summte Reno. Irgendwie gefiel ihm das sogar. Könnte es vielleicht sogar sein, dass sich der gute Juan an ihn ranmachen wollte und sich deswegen so schick machte? Eigentlich doch unmöglich. Immerhin sah er nicht wirklich aus, als ob er schwul wäre. Obwohl man das ja auch nicht jedem gleich an der Nasenspitze ansah.
 

Der Schwarzhaarige setzte sich zu dem Blonden auf den Boden und betrachtete etwas verwirrt das vor diesem geöffnete Heft. So wirklich verstand er nicht, was darin geschrieben war. Perplex deutete er auf eine Zeile.
 

„Wie kommt man darauf?“ Er wandte seinen Blick zu Reno empor, der nur knapp antwortete: „Binomische Formel. Der größte Mist den man sich überlegt hat, um uns arme Schüler zu quälen.“ Ihm entfuhr ein kurzes Auflachen, was auch dem Schwarzhaarigen ein Lächeln entlockte. „Ach so“, gab dieser auch schließlich von sich und stand auf, um sein eigenes Heft zu holen.
 

„Schreib's am besten erst einmal ab, dann erklär ich es dir heute Nachmittag...“ - Kurz überlegte Reno. Dann kam es ihm erst. - „Ach verdammt. Geht ja gar nicht. Ich hab heute noch AG.“

Leicht massierte sich der Blonde die Schläfe und überlegte, wie er es sonst machen könnte.
 

„Was für eine AG denn?“, wollte da Juan aber auf einmal wissen.

„Theater. Ich wollte heute bekannt geben, was wir dieses Jahr spielen und gleich mal die Rollen verteilen oder zumindest halbwegs damit anfangen“, erwiderte Reno auch gleich.
 

Da zeichnete sich auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen aber auf einmal ein Strahlen ab. Man könnte genauso gut sagen, er wäre radioaktiv. Nur irgendwie ohne α-, β- und γ-Stahlung.
 

„Ihr habt eine Theater-AG?“ Es war schon mehr eine Feststellung, als eine Frage. Dennoch nickte der Blonde langsam. So sicher war er sich gar nicht, was daran so besonders war. Gab doch genügend Schulen, die eine solche kleine Gruppe hatten.
 

„Wenn du willst, kannst du heute mal vorbeischauen. Vielleicht haben wir ja eine kleine Rolle für dich.“

Gelassen zuckte Reno mit den Schultern. Er erwartete wohl schon gar nicht, dass Juan überhaupt wirklich kommen wollte.
 

„Wo trefft ihr euch normalerweise?“, fragte da dieser aber schon, während er anfing die Hausaufgabe abzuschreiben, obwohl er die Hälfte schon überhaupt nicht verstand.
 

„Zimmer 204. Ist direkt neben dem Englischraum von Mrs Summer. Wenn du es nicht findest, kannst du ja immer noch deinen kleinen Fanclub fragen.“

Verstohlen grinst der Blonde. Sonst konnte er ja mit solchen Sprüchen so manchen auf die Palme bringen, aber Juan blieb ganz locker.
 

„Könnte ich“, erwiderte er nur knapp und konzentrierte sich lieber auf die Matheaufgabe, als ob er den Kommentar des anderen gar nicht richtig gehört hätte.
 

Schweigend saß Reno neben ihm und sah ihm beim Schreiben zu. Juan hatte eine schön geschwungene Handschrift. Fast so, als ob er einen Liebesbrief schreiben würde, statt nur einfache Matheformeln.
 

„So. Fertig“, verkündete der Schwarzhaarige schließlich und reichte Reno sein Heft, der es mit einem leichten Kopfnicken annahm.
 

„Dann können wir ja los.“

Etwas mühsam richtete sich der Blonde auf und wollte in Richtung Zimmertür stapfen.
 

„Ist es nicht noch etwas zu früh? Wir brauchen mit dem Auto doch kaum eine Viertelstunde bis zur Schule“, meinte der Schwarzhaarige mit leicht gehobener Augenbraue.
 

„Aber wir müssen noch Sina abholen“, erwiderte der andere, als er sich umwandte. So stand nun auch Juan wieder auf, streckte sich aber erst einmal ausgiebig. Die Muskeln seines schmächtigen Körpers spannten sich dabei an. Entspannten sich aber im nächsten Moment auch schon wieder.
 

„Dann los“, verkündete der Schwarzhaarige und lächelte etwas unsicher, als er an Reno vorbei stapfte. Der Blonde folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand.
 

„Wieso seid ihr wirklich hierher gezogen? Die Ausrede, dass deine Ma hier einen neuen Job gefunden hat, ist ja wohl nicht wahr.“
 

Leicht hielt Reno den anderen an der Schulter fest. Leise schluckte der Schwarzhaarige, bevor er sich zu dem Blonden umdrehte.
 

„Von wem hast du denn davon gehört?“, wollte er zuerst wissen.
 

„Ein paar Jungs im Biokurs gestern haben darüber geredet... Könnte ich jetzt meine Antwort bekommen?“

Reno erhöhte etwas den Druck seines Griffes auf die Schulter des Dunkelhaarigen, der das Gesicht etwas vor Schmerzen verzog.
 

„Meine Ma sucht einen Mann. Deswegen ziehen wir andauernd um. Wenn einer sie verlässt, geht es in die nächste Stadt.“ Der Schwarzhaarige seufzte. Nach dem fünften Mal fühlte es sich eigentlich gar nicht mehr ganz so schlimm an. Es war ja fast schon eine Art Gewohnheit.
 

„Muss ganz schön scheiße sein.“

Leicht kratzte sich Reno hinterm Ohr und ließ auch langsam wieder die Schulter des anderen los.
 

„Man gewöhnt sich daran.“

Wieder verließ ein Seufzen die Kehle des Schwarzhaarigen, als er die erste Treppenstufe hinunter stieg.
 

„Ich könnte mir das irgendwie gar nicht vorstellen. Meine Mam könnte mich da nicht so einfach immer wieder mitziehen“, meinte Reno, als sich unten Juan seine Schuhe angezogen hatte und gerade seinen Rucksack schulterte.
 

„Ich habe mir nach der Scheidung einfach dafür entschieden, zu ihr zu ziehen, und jetzt muss ich es eben aushalten.“

Leicht verschlafen rieb sich der Dunkelhaarige über die Augen. Etwas Schlaf hätte ihm wohl auch noch ein wenig gut getan. Möglicherweise war er am vergangenen Abend wieder zu spät ins Bett gekommen.
 

„Seit wann sind denn deine Eltern nicht mehr verheiratet?“, wollte Reno wissen, als sie auf dem Weg nach draußen waren.
 

Juan zuckte aber nur knapp mit den Schultern.

„So ungefähr seit neun oder zehn Jahren.“
 

Mindestens genauso lange hatte er auch seinen Vater nicht mehr gesehen. Aber der wollte auch gar nichts von ihm wissen. Schon vor der Scheidung seiner Eltern hatte er sich nicht wirklich sehr für seinen Sohn interessiert. Lieber arbeitete er so lange wie möglich. Mehr Geld hatte es aber auch nicht ins Haus gebracht. Und für Juans Mutter hatte er auch nicht mehr übrig deswegen.
 

Ein paar Minuten später saßen sie schließlich in Renos blauem Volkswagen auf dem Weg zu Sina.
 

„Farnsworth Dr., richtig?“, fragte Juan mit leicht hochgezogener Augenbraue.

„Ganz genau.“
 

Doch gerade als der Blonde den Rückwärtsgang einlegen wollte, wurde noch die linke hintere Tür aufgerissen.
 

„Will wer 'nen Lolli?“

Sina fächerte mit besagter Süßigkeit vor den Gesichtern der beiden Jungen herum, wobei Reno einen schon gleich dankend annahm. Juan tat es ihm etwas zögernd nach. Hielt die Lutscher aber noch etwas unsicher in der Hand.
 

„Ja, wir sind kindisch“, meinte der Blonde grinsend, während er an dem Lollif leckte und dabei jetzt endlich losfuhr. Das Glück der Automatikschaltung. So musste er nur Rückwärts- und Vorwärtsgang einlegen, aber sonst nichts. Außer er wollte unbedingt stehenbleiben. Was aber auch nur im ernstesten Notfall vorkam. Also wenn er an der Schule angekommen war.
 

„Wo bis du eigentlich auf einmal hergekommen?“, wollte Reno wissen, als sie schon fast am Ende der Sunrise Terrace waren.
 

„Die Gefahr, dass du mich wieder vergisst, war mir zu groß. Deswegen bin ich gleich hierher gelaufen.“

Ein einziges Mal war es ihm passiert. Doch seitdem wies sie ihn immer wieder darauf hin. Nur dass er sie nie wieder vergessen würde. Nicht einmal aus Versehen. Das könnte ihm vielleicht seinen Kopf kosten.

Streit über Streit

Kapitel 6 – Streit über Streit
 

„Wir sehen uns dann nachher!“, verabschiedete sich Reno noch, bevor er und Sina sich von Juan trennten. Wie der Blonde auf der Herfahrt erfahren hatte, hatten sie nur Mathe und Physik zusammen. Bis jetzt machte ihm das aber nicht groß etwas aus. Dann hing zumindest Sina wieder etwas mehr an ihm und sorgte sich auch um ihn.
 

„Ich find' Juan irgendwie süß“, trällerte die Braunhaarige fröhlich, als sie den Biologieraum betraten. Ihr Freund zuckte deswegen nur leicht mit den Schultern. Juan war nett. Mehr nicht. Und auch nicht weniger.
 

„Jetzt komm schon! Der wäre doch was für dich. Einen kleinen Hasen, den du beschützen kannst. Das willst du doch!“

Renos ständiges Desinteresse nervte Sina. Doch eigentlich konnte sie ja nicht viel dagegen tun, es aber zumindest probieren. Und das würde sie jetzt wohl auch tun.
 

Nur kannte sie den Blonden wohl doch nicht so gut, wie sie dachte. Gerade was seinen Geschmack bei Jungs betraf. Natürlich mochte er die, die kaum auf sich selbst aufpassen konnten. Er fand das auch niedlich. Aber einen von denen zum festen Freund haben? Nein! Da war sie auf der falschen Schiene für ihn.
 

Was sie einfach nicht wusste, war, dass er es lieber darauf anlegte, dass ihm jemand Schutz bot. Obwohl er das selbst auch erst bei Joe bemerkt hatte. Er brauchte damals schon jemanden, bei dem er sich anlehnen konnte, und durch den er sich um nichts wirklich kümmern musste.
 

Ja, er wollte jemanden, bei dem er sich in Sicherheit wiegen konnte. Nur das. Und dafür wäre Juan wohl ungeeignet. Der brauchte doch erst einmal selbst jemanden, der ihn vor den Mädels schützte.
 

„Du weißt doch gar nicht, ob er überhaupt auf Jungs steht. Mit einer Hete will ich nichts anfangen“, grummelte Reno und setzte sich an seinen Platz.
 

Er legte den Kopf auf die verschränkten Arme und seufzte. Mit ein paar Heterosexuellen konnte man es sich auch ganz leicht versauen, wenn man versuchte, sie anzumachen.
 

„Mit deinem Charme könntest du doch jeden umpolen.“

Breit grinste Sina, doch der Blonde würdigte sie keines Blickes mehr. Die Diskussion war beendet, also musste sie nicht mehr versuchen auf ihn einzureden. Aus ihm und Juan würde wohl nichts werden. Solange zumindest der Schwarzhaarige nicht etwas an Selbstbewusstsein gewinnen würde. Und dafür müsste er wohl erst einmal von seiner Mutter loskommen.
 

„Dann eben nicht.“

Eingeschnappt marschierte die Braunhaarige zu ein paar anderen Mädchen und ließ Reno allein zurück. So konnte er zumindest in Ruhe etwas nachdenken.
 

„Sie nervt wohl, genauso wie Maria“, murmelte da auf einmal jemand neben ihm. Leicht hob der Blonde den Kopf. „Du kannst mit deiner Maria zumindest Schluss machen. Sina dreht mir den Hals um, wenn ich auf einmal nichts mehr mit ihr zu tun haben will“, erwiderte Reno.
 

Der, der da auf dem Platz neben ihm saß, war Jonas. Er hatte den Kopf in den Nacken fallen lassen und starrte an die Decke.
 

„Denkst du nicht, dass ich auch tot wäre, wenn ich jetzt auf einmal mit ihr Schluss machen würde? Dann könnten wir die Theater-AG vergessen. Es würde nur noch Zoff geben“, brummte der Braunhaarige und ließ seinen Blick zu Reno schweifen.
 

„Kann schon sein.“

Mehr und mehr drückte der Blonde seinen Kopf gegen seinen Oberarm. Irgendwie kam ihm das Stück, das er gewählt hatte, plötzlich wie eine verdammt dumme Idee vor. Vielleicht wäre etwas anderes doch besser gewesen. Aber sich jetzt noch umentscheiden? So kurzfristig? In ein paar Stunden müsste er es den anderen mitteilen. Bis dahin sollte er auch ein Skript haben, das er vorlegen konnte. Das würde er nie schaffen.
 

Dann müsste er doch bei seiner Entscheidung bleiben. Obwohl es nicht gerade momentan zu seinen Gefühlsregungen passte. Sie würden ihm doch unbedingt wieder eine Hauptrolle zusprechen wollen. Doch dieses Mal würde er nicht einmal eine wollen. Nein. Dafür war er zu mies im Schauspielern. Sie könnten ihm einreden, was sie wollten. Keine große Rolle. Lieber wollte er dieses Mal etwas Kleines. Vielleicht nicht einmal eine Sprechrolle. Wäre ihm egal.
 

„Reno?“ - Langsam blickte der Blonde auf und sah in die Augen eines für sein Alter viel zu jung wirkenden Jungen. - „Weißt du, wo Petra ist?“
 

Unwissend zuckte Reno mit den Schultern. „Bin ich Gott?“, murrte er noch und ließ den Kopf wieder auf seine Arme sinken.
 

„Wollte ja nur fragen.“

Mit hochgezogenen Schultern verzog sich der Kleinere auf einen der vorderen Plätze. Da begann Jonas schon zu kichern.
 

„Du hast ja wirklich einen schlechten Tag, wenn du selbst unseren kleinen Corvin so blöd anmachst.“
 

Normal war es wirklich nicht für Reno, dass er so schlechte Laune hatte. Aber Sina hatte es einfach mit ihrem Versuch geschafft, Juan für ihn interessant zu machen. Was konnte er aber dafür, dass der Neue einfach nichts für ihn war. Ändern konnte er es jetzt auch nicht.
 

Ein Seufzen verließ die Kehle des Blonden, als der Lehrer den Raum betrat und somit auch Sina sich wieder zu ihrem Freund nach hinten gesellte. Auch wenn sie sich mit keinem Wort an ihn wandte. Nicht einmal eines Blickes würdigte sie ihn. Momentan war er es wohl für sie nicht wert.
 

„Könntest du aufhören so eingeschnappt zu sein!“, grummelte der Blonde, als sie später zusammen zur zweiten Stunde gingen.
 

„Dann könntest du es ja auch zumindest einmal mit Juan versuchen, sonst angle ich ihn mir“, erwiderte aber die Braunhaarige nur trotzig. Das ließ Reno kurz auflachen. „Du und dieses schüchterne Entchen? Der würde doch nur schreiend von dir davon laufen, genauso wie gestern von diesen vier netten Mädels.“ Er konnte das Kichern nicht mehr unterdrücken, als ihm Sina schon gegen die Schulter boxte.
 

„Du warst auch mal eine ganze Zeit lang so. Und? Es ist wohl etwas Selbstsicheres aus dir geworden. Also mach dich nicht über ihn lustig!“

Mürrisch beschleunigte Sina ihren Schritt, so dass Reno ein ganzes Stück hinter ihr zurückfiel.
 

Für einen Moment hielt er inne. Dadurch wurde er von einigen Schülern angerempelt, die an ihm vorbeidrängten. Immerhin war Stundenwechsel. Jeder wollte schnellst möglich zu seiner nächsten Unterrichtsstunde.
 

Natürlich war er auch einmal so schüchtern und zurückhalten gewesen. Aber das war schon Jahre her. Noch vor Joe. Noch lange davor.
 

Er konnte sich aber auch kaum vorstellen, dass sich Juan ändern könnte. Der war doch ein Muttersöhnchen. Wenn er nicht gar irgendwelche Komplexe gegenüber seiner Mutter hatte.
 

Eingeschnappt ging Reno langsam weiter. Sollte sich doch dann Sina an den Schwarzhaarigen ranmachen. Interessieren würde es den Blonden sicher nicht. Wieso auch? Er wollte doch nichts von ihm.
 

Was sollte es ihm auch bringen, wenn er versuchte, dass Juan vielleicht etwas von ihm wollte. Er würde sicher wieder wegziehen müssen. Zumindest sobald dessen Ma mal wieder von einem Kerl sitzengelassen worden war. So hatte es Reno zumindest verstanden.
 

Er bog um die nächste Ecke und wäre beinahe wohl gegen jemanden gelaufen, wenn er nicht endlich den Blick gehoben hätte, den er schon die ganze Zeit nur auf den Boden gerichtet gehabt hatte. Der war eigentlich ohnehin interessanter, als alles andere.
 

Bis zum Ende des Unterrichtes bekam Reno Sina kaum noch zu Gesicht. Nicht einmal während der Mittagspause hatte sie sich bei ihm wirklich lange blicken lassen. Wahrscheinlich war sie noch etwas sauer. Das würde sich aber wieder geben.
 

Auch Juan sah er nicht mehr. Irgendwie bemerkte er ihn nicht einmal in Mathe. Vielleicht aber auch einfach nur, weil sich wieder einige 'Schaulustige' um den schüchternen Jungen gesammelt hatten und der Blonde so gar nicht an ihn heran kam. Neue waren eben immer ein Ereignis.
 

Als der Schwarzhaarige nach dem Unterricht zu dem Zimmer ging, das ihm Reno heute morgen gesagt hatte, wurde dort schon lautstark diskutiert. Etwas zaghaft öffnete er die Tür.
 

„Reno, auf was für eine Idee kommst du denn noch?“, grummelte ein blondes, etwas zu jungenhaft wirkendes Mädchen. Wenn ihr Haar wohl nicht schulterlang gewesen wäre, dann hätte Juan sie wirklich für einen Jungen gehalten, da sie auch etwas zu sehr wie einer gekleidet war.
 

„Beruhig dich doch, Uma!“, versuchte eine andere Blondine, die ihr langes Haar zu einem Zopf gebunden hatte, die andere zu beschwichtigen. Doch ganz so gelang das nicht.
 

Uma sprang auf – dadurch zeigte sich auch, wie groß sie war – und fing an, weiter zu zetern.
 

„Romeo und Julius? Julius! Bist du irre?“, fauchte sie und Reno, der vorne vor der Tafel stand, trat noch einen Schritt weiter zurück.
 

Und schon ging das Geschnatter weiter. Ein paar stimmten dem Vorschlag zu, ein paar der anderen nicht.
 

„Es war doch nur eine Idee“, flüsterte der hellhaarige Junge, doch keiner hörte ihm wirklich zu. Immerhin waren sie auch viel zu laut.
 

Irritiert blickte sich Juan um. Er wollte gerade nicht auf sich aufmerksam machen. Doch da fiel Renos Blick auf ihn. Schon im nächsten Moment sah der Blonde wieder in die andere Richtung.
 

„Haltet doch jetzt endlich einmal die Klappe!“, zischte er da auf einmal, und es kehrte langsam auch Schweigen ein.
 

Erneut wandte er sich zu Juan und lächelte etwas zaghaft.
 

„Ist etwas durcheinander heute.“

Verlegen kratzte sich der Blonde am Hinterkopf. Das Verhalten seiner – eigentlich – Freunde war ihm peinlich. Obwohl gerade ihnen das wohl sein sollte.
 

„Weil du auf einen so idiotischen Plan kommst!“, zeterte da schon wieder das großgewachsene Mädchen los. Doch sie wurde von Reno schon durch einen bösen Blick zum Schweigen gebracht.
 

„So schlecht ist er nun auch wieder nicht“, murmelte Gwen. Empfing aber auch nur einige Seufzer dafür. „Nicht schlecht? Wir sollen eine schwule Version von Romeo und Julia spielen? Das ist schlecht!“, kommentierte da aber auch schon Jonas und erhielt von einem anderen Jungen schon den Ellenbogen in die Seite.
 

„Hör auf, Timo!“, zischte der Braunhaarige, während sich Angesprochener lässig durch das helle Haar fuhr.
 

„Du bist doch bi… Was regst du dich also über Schwule auf?“, murrte der Blonde. „Na und? Das heißt noch lange nicht, dass ich auch einen schwulen Romeo sehen will“, knurrte Jonas nur als Erwiderung. Bei einigen der anderen sah es auch nicht besser aus. Immer wieder brachen die Streitereien von neuem aus.
 

„Könnte dauern, bis das ausdiskutiert ist“, meinte Reno, als er zu Juan trat, der dem Schauspiel weiter nur stumm folgte.
 

„Aber sie wären perfekt für das Stück… Immerhin streiten sie sich wie die Montagues und die Capulets. Das ist doch schon einmal was…“

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Dunkelhaarigen.
 

Ungefähr dreißig Schüler hatten sich in dem kleinen Raum versammelt. Einige beteiligten sich angeregt an der Diskussion. Andere saßen nur schweigend dabei und hörten sich das alles erst einmal an.
 

„So hab ich das Ganze noch gar nicht gesehen“, flüsterte Reno. Langsam schritt er von Juan weg und setzte sich breitbeinig aufs Pult.
 

„So, nachdem jetzt wohl alle da sind, können wir ja abstimmen.“ – Er wandte seinen Blick noch einmal zu Juan, der nur knapp nickte. – „Wer ist jetzt dafür und wer dagegen?“

Kaum dass er den Satz beendet hatte, ging das Getuschel und teilweise auch Gestreite wieder los, bis endlich Sina sie einmal zur Ruhe züchtigte.
 

„Ihr seid wirklich Ekel! Habt nicht einmal bemerkt, dass wir einen Neuen dazubekommen haben?“ Sina packte Juan am Handgelenk und zog ihn vor die Tafel. Irritiert blickte er in die Runde. Einige sahen ihn interessiert an, bevor ihre Blicke wieder auf die Braunhaarige fiel.
 

„Das ist Juan“, verkündete sie, „er geht seit gestern auf unsere Schule und würde jetzt wohl gerne bei uns mitmachen.“ – Der Schwarzhaarige nickte nur etwas scheu. – „Vielleicht könnte ihm einmal jemand von euch erklären, um was es jetzt geht!“
 

Reno wollte sich schon zu Wort melden, doch mit einer knappen Handbewegung deutete Sina ihm an, dass er ruhig sein sollte. Er zog leicht die Schultern ein, als sich ein braunhaariges Mädchen aus der letzten Reihe meldete.
 

„Wir diskutieren über Renos Vorschlag eine MxM-Version von Romeo und Julia zu spielen. Wie du vielleicht mitbekommen hast, sind damit nicht alle einverstanden.“

Als sie mit ihrer kurzen Erklärung geendet hatte, zog Sina scharf die Luft ein und stieß sie schließlich mit einen Seufzen aus.
 

„Maria, könntest du das auch erklären ohne deinen… Fanfiktion-Gebrabbel?“, fragte sie und legte gleich den Kopf schief, während die andere etwas irritiert eine Augenbraue hob.
 

„Was meinst du?“, wollte Marie da auch schon wissen.
 

„MxM? Das versteh ja nicht mal ich, und ich hör mir deine Quaseleien über Rape, Slash, Death und was du noch alles so erzählst über dieses Fanfiktion-Zeug schon lang genug an“, seufzte sie.
 

„Sag das doch gleich… Na ja, wie es Jonas nannte“ – Knapp warf sie dem Braunhaarigen, der ihr schräg gegenüber saß einen bösen Blick zu. – „Es soll eine schwule Version werden… Also Julia soll ein Junge sein und Julius heißen.“
 

Langsam nickte Juan. So hatte wohl jeder im Raum es verstanden. Obwohl er das ohnehin schon mitbekommen hatte, dass es wohl um eine solche Version von Romeo und Julia gehen sollte. Ihm schien die Idee ja sogar etwas zu gefallen.
 

„Und das passt wohl nicht jedem“, meinte er da nur und blickte in die Runde. Einige nickten etwas geknickt, andere wandten sich ab und grummelten etwas mürrisch vor sich hin, und wieder andere seufzten nur.
 

„Könnten wir jetzt vielleicht abstimmen?“, fragte Reno etwas gereizt. Langsam nervte es ihn wohl auch schon.
 

„Ok“, stimmte ihm Sina zu und meinte zur Gruppe: „Wer ist dafür?“

Sofort schossen erste Arme in die Luft. Zuerst nur fünf oder sechs. Dann wurden es mit der Zeit mehr. Als es nicht so aussah, als ob sich noch jemand dafür entscheiden wollte, begann sie zu zählen.
 

„Fünfzehn“, meinte sie zu Reno, doch da wurde sie von Juan angetippt.

„Was denn?“, wollte sie höflichst wissen.

„Du hast mich vergessen“, erwiderte er und lächelte zaghaft.

„Ups… äh… sechzehn… nein, mit mir siebzehn“, teilte sie schließlich dem Blonden, der es sich jetzt schon im Schneidersitz auf dem Pult bequem gemacht hatte, mit. Der nickte nur langsam.
 

„Und wir sind normalerweise… 32… mit Juan jetzt 33“, dachte er laut nach, „wenn keiner fehlt, müssten es 16 Gegenstimmen geben. Richtig?“
 

Etwas mürrisch hoben die restlichen Jugendlichen die Hände, als die anderen sie wieder gesenkt hatten. Sofort begann Sina wieder zu zählen und, wie Reno gesagt hatte, waren es 16. Ganz genau.
 

„Na dann ist mit einer knappen Mehrheit dem Vorschlag zugesprochen…“

Manchmal klang sie wie eine Sprecherin im Parlament. Wahrscheinlich würde sie da auch irgendwann enden, wenn sie so weiter machen würde.

Ein ungewollter Romeo

Kapitel 7 – Ein ungewollter Romeo
 

Ein Seufzen verließ die Kehle des Blonden. Sie wollten es wirklich. Alle. Einstimmig.
 

„Ich werde Romeo nicht spielen!“, meinte er schließlich bestimmend. Doch keiner hörte wirklich auf ihn.
 

„Wenn nicht Romeo, dann Julius!“, riefen da einige der Mädchen, die sich wohl schon insgeheim überlegten, wen sie als sein Gegenstück wählen wollten. Immerhin gab es mindestens eine Kussszene, und auf die wollten sie es anlegen. Der andere Junge musste perfekt sein. Das passende Gegenstück zu Reno.
 

„Nein!“, knurrte der Junge da aber nur und stand langsam auf, um einmal zur Tür zu marschieren und schließlich zurück zum Pult.
 

„Reno! Jetzt mach schon. Du bist hier doch ohnehin einer der Einzigen, der einen Typen küssen würde!“, schnaubte Gwen und warf schon Jonas einen finsteren Blick zu. Scheinbar wusste der Braunhaarige schon auf was sie hinaus wollte.
 

„Reno werde ich sicher nicht küssen!“, knurrte er da schon und verschränkte eingeschnappt die Arme.
 

„Sonst ist hier aber niemand im Raum, der auch nur im Ansatz schwul ist“, kommentierte Corvin mürrisch. Zwar war er klein, aber konnte sich gut und gerne auch durchsetzen.
 

„Ich bin bi! Nur bi! Und ich steh mehr auf Mädchen, als auf Jungs!“, fauchte Jonas da den Kleineren sofort wütend an.
 

„Na ja, aber am liebsten vom ganzen Footballteam ficken lassen“, grummelte Zoe und schüttelte leicht den Kopf. Es war wohl gerade für sie ein Fehler sich einzumischen.
 

„Fresse! Lesbe!“, brüllte der Braunhaarige sie an. Da hatte er aber auch schon eine Ohrfeige von Uma empfangen.
 

„Lass meine Freundin in Ruhe“, zischte sie wütend.
 

Die ganze Zeit über meldete sich schon Juan. Einfach irgendetwas in die Runde rufen, wollte er nicht. An seiner alten Schule in der Theater-AG hatte er das auch nie gemacht. Da war es aber auch etwas ruhiger zugegangen.
 

„Juan, wenn du was willst, dann sag es!“

Genervt verdrehte Maria die Augen.
 

Der Schwarzhaarige zog leicht die Schultern ein.

„O.K.“ - Für einen Moment war es sogar einmal still. - „Ich würde gerne... na ja, ... ich würde gerne den Julius spielen.“

Leicht verwirrt wurde er angesehen. Keiner glaubte wohl so recht, dass er das wirklich gesagt hatte.
 

„Dann will ich auch!“, rief da aber auf einmal Jonas. Die zweite Überraschung des Tages.
 

„Auf einmal.“

Leicht hob Petra eine Augenbraue und zupfte dabei an ihrem Rock herum. Hosen hasste sie gewöhnlich, dabei regten sie Röcke auch manchmal auf, wenn sie nicht richtig fielen.
 

„Ja, einen Neuen lasse ich nicht an eine Hauptrolle!“, zischte er das braunhaarige Mädchen an. Da setzte wohl sein Ego wieder ein.
 

Leicht genervt massierte sich Reno die Schläfe und ließ seinen Blick über das Blatt Papier, das vor ihm lag, schweifen. Fast jede Rolle war schon mindestens doppelt besetzt, wenn nicht gar dreifach. Das würde ein wunderbares Vorsprechen geben. Sie würden sich die Köpfe einschlagen.
 

Im letzten Jahr hatte er es doch schon erlebt, wie aggressiv sie alle aufeinander werden konnten, wenn der eine nicht die Rolle bekam, die er wollte. Zum Glück legte sich das dann aber auch mit der Zeit. Jedem wurde eine kleine Aufgabe zugesprochen. Immerhin mussten Kostüme selbst genäht werden, genauso wie sie die Bühnenbilder machen mussten. Für die Beleuchtung konnte sich auch immer jemand kümmern. Dann machte es auch bald niemandem mehr etwas aus, dass er irgendeine Rolle nicht bekommen hatte.
 

Zaghaft schrieb er neben Julius schließlich die Namen der beiden Jungen, die sich jetzt endlich dafür gemeldet hatten.
 

Ein leises Seufzen verließ schließlich seine Kehle.

„Jetzt bleibt uns immer noch der Romeo“, murmelte er und meinte es mehr zu sich selbst, als zu den anderen. Doch die fasten das ganz anders auf.
 

„Du!“, riefen sie ihm Chor. Aber er schüttelte auch schon den Kopf.
 

„Das werde ich nicht machen!“
 

Eigentlich war es gar nicht möglich, dass sich sonst niemand fand. Immerhin war es eine Hauptrolle und dann sollte es doch eigentlich egal sein, ob der jetzt schwul werden sollte oder nicht. Nur die Rolle war doch wichtig. Und in die musste sich derjenige dann eben hineinversetzen.
 

„Reno, gib es doch auf. Keiner wird sich gegen die Mehrheit stellen wollen!“

Mit gehobenem Zeigefinger meinte das Sina, die sich als Erste für Paris gemeldet hatte. Auch wenn der jetzt kein Graf sondern nur noch eine Gräfin war. Zumindest der Name konnte gleich bleiben.
 

„Paris Hilton hat Recht!“, rief Gwen auch gleich, wurde aber auch gleich von Sina giftig angefunkelt. Mit solchen Witzen könnte sich die Braunhaarige jetzt wohl die nächste Zeit herumschlagen. Aber die ursprüngliche Aussprache des Namens klang einfach zu männlich, deswegen musste etwas Weibliches her. Und gerade der Name der Hotelerbin war eben so perfekt dafür gemacht.
 

Reno seufzte. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein, dass sie gerade ihn dafür haben wollten. Eigentlich wollte er sich voll und ganz auf die Vorbereitungen konzentrieren und nicht aufs Textauswendiglernen.
 

„Nur wenn sich sonst keiner dafür bereit erklärt“, murmelte er schließlich. Irgendwie musste er sie doch beruhigen. Ablassen von ihm würden sie aber ohnehin nicht.
 

„Wann machen wir das Vorsprechen?“, fragte da auch schon Timo. Es waren immerhin jetzt alle Rollen verteilt, nur musste sich noch darauf geeinigt werden, wer von den mehrfachen Besetzungen genommen würde.
 

„Morgen“, grummelte Reno und suchte sein Notizbuch auf dem Pult. Irgendwo unter einigen Blättern war es verschollen. Kurz blätterte er es durch und schrieb dann ein paar Worte auf die nächste freie Seite. Andächtig sahen die anderen ihm dabei zu, als ob er Gott und sie seine Engel waren, die nur so auf einen Befehl warteten.
 

„Dann hätten wir es wohl für heute“, meinte der Blonde, als er langsam wieder den Kopf hob. Noch im selben Moment verließ ein Seufzen seine Kehle. Ab jetzt hieß es wirklich Arbeit für ihn. Das, was immer nur ein Hobby für ihn war, würde noch Stress bedeuten. Gerade weil er ihr Leiter war.
 

Langsam stand er auf und stapfte zu einer Stofftasche, die in einer Ecke lag. Er hatte sie schon vor ein paar Tagen hier deponiert. So musste er das schwere Ding zumindest nicht gerade heute mit sich herumschleppen.
 

„Ich schätze einmal, Textbücher wären nicht schlecht“, murmelte er und zog einen Stapel Blätter, die fein säuberlich an der linken oberen Ecke zusammengeheftet waren, aus der Tasche.
 

Noch vor einer Woche war er an diesen Dingern gehangen. Immer über ein paar Stunden verteilt hatte er sie nachmittags ausgedruckt, bis er insgesamt 35 zusammen gehabt hatte. Lieber ein paar mehr als zu wenig.
 

Schon als er nur das Wort >Textbücher< ausgesprochen hatte, wurden sie alle hellhörig. Darauf hatten sie gewartet. Zwar passte das Stück immer noch nicht allen, aber sie würden sich schon daran gewöhnen. Spätestens wenn sie es gelesen hätten.
 

Dabei hatte er nicht viel ändern müssen. Nur ein paar Passagen. Die, die einfach nicht gepasst hatten.
 

„Dann gib mal her!“, meinte Timo, der sich herzhaft streckte. Eindruck schänden nannte man das ja normalerweise bei ihm. Manche Mädchen schmolzen nur so dahin, wenn sie sahen, wie sich Muskeln unter seinem Shirt anspannten. Doch hier war keines davon.
 

„Tu nicht so, als ob du mehr als Pudding in den Armen hättest“, grummelte Uma und ging zu Reno, um ihm beim Verteilen zu helfen.
 

Kurz darauf hatten sich auch schon alle voneinander verabschiedet und nur noch Reno, Juan und Sina saßen in dem kleinen Raum.
 

„Du wirst ein wunderbarer Julius“, freute sich das Mädchen und schlang die Arme um den Schwarzhaarigen, der wohl nicht ganz so glücklich über die Berührung war. Mühsam versuchte er sie wieder von sich wegzudrücken.
 

„Braucht ihr noch lange, ich will nämlich eigentlich heim.“

Reno war schon so etwas wie Sinas privater Chauffeur. Auch wenn er es wohl nie zugeben würde. Und sie erst recht nicht. Aber so gut wie jeden Tag nahm er sie mit zur Schule und nachmittags dann wieder mit nach Hause. Eigentlich müsste sie sich ja nach ihm richten und nicht umgekehrt.
 

„Du könntest dich ja zumindest etwas für Juan freuen!“, maulte Sina aber auch schon los. Verlegen sah der Schwarzhaarige weg, als Reno ihn mit leicht gehobener Augenbraue ansah.
 

„Wieso? Bis jetzt kann es immer noch auch Jonas werden.“

Irgendwie hoffte doch der Blonde selbst, dass es nicht er werden würde. Obwohl ihn keiner der beiden Jungen so recht passte.
 

Nur musste er jetzt wohl oder übel. Sie würden die Rolle keinem anderen geben. Und dabei wollte er sie gar nicht. Eigentlich müsste er die AG doch nur leiten. Momentan wollte er auch gar nicht selbst auf der Bühne stehen.
 

„Aber so gut wie!“, zischte Sina und zog mit einem Ruck beide Jungen hoch, die damit wohl gar nicht gerechnet hatten. Weswegen es für sie auch so einfach war.
 

Leicht stolperte der Schwarzhaarige einige Schritte nach vorne, während Reno nur leicht eine Augenbraue hob und ihm dabei zusah, wie er versuchte das Gleichgewicht wieder zu bekommen. War das so schwer?
 

„Du wirkst so richtig zerbrechlich“, meinte da auf einmal Sina und legte den Kopf etwas schief. Verwirrt blickte Juan in ihre grünen Augen, die irgendwie strahlten.
 

„Na ja“, murmelte er und wandte sich leicht zu Reno, der die beiden nur prüfend betrachtete.
 

„Junge Liebe“, schwelgte er scherzhaft dahin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Da hatte ihn die Braunhaarige aber auch schon gegen das Schienbein getreten.
 

„An was du für einen Scheiß denkst!“, murrte sie und wollte schon ein weiteres Mal mit den Fuß ausholen. Doch Reno hielt sie zurück. „Gewisse Teile da unten brauche ich noch.“ Belehrend hob er den Zeigefinger, doch Sina grinste nur.
 

„Du brauchst da irgendwas? ... Was denn?“

Wie ein kleines Kind, das so extrem seltsame Geräusche aus dem Schlafzimmer seiner Eltern gehört hatte, blickte sie ihn an. Da entfuhr Reno aber nur ein Kichern. Dieser Gesichtsausdruck von ihr war normalerweise Gold wert.
 

„Lach mich nicht aus!“, fuhr die Braunhaarige ihren Freund da aber auch schon an, der konnte sich vor Lachen nur nicht mehr einkriegen.
 

„Sorry“, versuchte er irgendwann atemlos herauszuzwingen, als er sich halbwegs wieder beruhigt hatte. Nur verschränkte da Sina schon die Arme vor der Brust und blickte ihn böse an.
 

„Wenn du so schaust!“, meinte er knautschig. So etwas schob sie doch immer auf ihn, dabei konnte er manchmal für seine Lachkrämpfe – vor allem die, die ihr galten – gar nichts dafür.
 

Knapp fuhr Sina Reno übers Haar, da nahm er sie aber schon in den Schwitzkasten. Schweigend sah Juan den beiden zu, wie sie miteinander rangelten. Er konnte sich noch viel zu gut daran erinnern, wie er früher immer mit seinen Freunden gespielt hatte.
 

Aber eigentlich war das viel zu lange her um diesen Gedanken noch hinterher zu trauern. Nie hatte ihm auch nur einer seiner alten Freunde geschrieben. Selbst als er mal einen Brief an sie geschickt hatte. Es kam nie etwas zurück. Sie wollten wohl gar nichts mehr mit ihm zu tun haben.
 

Leise seufzte Juan, da schweifte aber auch schon Renos Blick zu ihm. Gerade hatte er Sina wieder losgelassen, und die versuchte jetzt etwas mühsam ihre Haar wieder zu richten.
 

Irritiert zog der Blonde eine Augenbraue hoch und legte den Kopf leicht schief. Irgendetwas passte ihm an dem Schwarzhaarigen nicht. Nur fiel ihm einfach nicht auf, was.
 

„Dann gehen wir mal“, meinte da aber auf einmal Juan und legte ein leichtes Lächeln auf. Es wirkte nur etwas gequält. Mit den beiden Freunden in einem Raum musste er sich aber auch einfach mies fühlen.
 

„Jupp... Bist du fertig mit Haaremachen, Sina?“

Grinsend wandte sich Reno an die Braunhaarige, die aber immer noch fast schon jede Strähne einzeln sortierte. So musste es nur eine Heidenarbeit sein.
 

„Du bist schon hübsch“, meinte der Blonde und legte ihr einen Arm um die Schultern.
 

Schließlich gingen sie gemeinsam durch die Gänge bis zum Haupteingang. Reno und Sina alberten vor Juan herum. Immer wieder versuchte das Mädchen ihren Freund von sich wegzustoßen, der auf gut Glück gelegentlich einmal probierte seinen Arm um ihre Schultern zu legen und ihr irgendwelche Dummheiten ins Ohr flüsterte. Juan konnte sich nur im Ansatz vorstellen, was der andere Junge seiner Freundin da erzählte, da sie mit der Zeit immer röter im Gesicht wurde.
 

Stumm stapfte der Schwarzhaarige nur hinter ihnen her, bis Sina sich irgendwann zu ihm retten wollte und sich an seinen Arm klammerte.
 

„Reno, du bist so pervers!“, fauchte sie ihren Freund an, der nur leicht mit den Schultern zuckte.
 

„Wieso? So wird’s eben gemacht!“, kommentierte er nur und blickte sie desinteressiert an.
 

„Das musst du aber nicht so ausführen! Und immerhin hast du es auch noch nicht gemacht! Also red nicht so neunmalklug!“

Zum Schluss hin war sie immer lauter geworden, und beinahe hätte sie den Blonden wohl sogar angeschrien. Aber das konnte sie sich noch gut genug verkneifen.
 

Verwirrt sah Juan zwischen den beiden hin und her – wieder einmal.

„Über was redet ihr überhaupt?“, wollte er schließlich wissen, als es nicht so aussah, als ob einer von ihnen ihm freiwillig antworten wollte.
 

„Ich habe ihr die geheimen Sexpraktiken der Schwulen erklärt“, erwiderte dann aber der Blonde schon kichernd und wieder wurde Sina rot. Bis zu den Ohren sogar.
 

Ein leises Auflachen entfuhr aber sogar Juan jetzt.

„Du bist wirklich pervers“, meinte er da aber schon auf einmal, bevor er schon wieder loslachte.
 

Vielleicht könnte er doch Freunde brauchen? Es war doch gar nicht einmal so schlecht.

Erste Übungen

Kapitel 8 – Erste Übungen
 

Den Nachmittag verbrachten die drei Jugendlichen zusammen und übten etwas. Mit ein bisschen was zum Trinken und ein paar Knabbereien hatten sie es sich bei Sina zu Hause gemütlich gemacht. Ihre Eltern waren nicht daheim und so hatten sie ihre Ruhe. Obwohl sich das auch ganz schnell ändern konnte.
 

„Ich find' es seltsam, dass Romeo und Julius zuerst gegeneinander kämpfen, obwohl sie sich schon lieben“, meinte Sina, als sie eine kurze Pause einlegten. Sie hatte sich auf dem Boden lang gemacht und streckte alle Viere von sich.
 

„Wieso? Sie gestehen sich eben ihre Liebe nicht ein, und sie sind doch immerhin noch die Kinder der verfeindeten Häuser“, interpretierte Juan für sich. Er hatte die Wohnzimmercouch eingenommen und rollte sich gerade auf die Seite, sodass er die hintere Lehne im Rücken hatte.
 

„Versteh' ich trotzdem nicht. Romeo und Julia haben sich doch ihre Liebe auch so bald wie möglich gestanden und sind nicht erst aufeinander losgegangen...“
 

„Aber sie waren auch hetero“, unterbrach Reno sie, „sie hatten nur ihre Familien zwischen sich. Romeo und Julius sogar noch eine ganze Gesellschaft.“
 

Der Blonde lag, wie Sina, auf dem Boden. Doch hatte er einen Arm über den Kopf und den anderen auf dem Bauch liegen. Die Augen hatte er schon die ganze Zeit über geschlossen. Wahrscheinlich versuchte er sich etwas intensiv vorzustellen.
 

„Wenn du meinst“, grummelte die Braunhaarige nur und setzte sich auf. Ihr Blick schweifte durch den Raum und blieb schließlich an Juan hängen, der Reno regelrecht anstarrte. Langsam sah auch Sina zu ihrem Freund, der immer noch auf dem Boden lag.
 

„Reno?“, flüsterte sie. Doch er zeigte keine Reaktion. „Dieser verpennte Idiot“, murrte die Braunhaarige da auch schon los und wollte sich auf den Blonden stürzen.
 

„Lass ihn doch schlafen“, hielt Juan sie aber zurück. Etwas irritiert blickte Sina den Schwarzhaarigen an. Meinte dann aber bestimmend: „Den werde ich jetzt wecken!“
 

„Komm schon. Lass ihn doch!“

Dadurch ließ sich Sina nicht abhalten, Juan immer wieder anzustoßen, bis dieser etwas vor sich hin grummelnd wieder wach wurde.
 

„Blöde Kuh“, murrte er, als er sich aufsetzte. Er war wohl wirklich eingenickt. Heute Nacht hatte er wohl einfach zu wenig Schlaf abbekommen.
 

„Du bist fies“, tadelte Juan auf einmal Sina, die aber nur darauf frech grinste. Gerade als sich Reno etwas mühsam aufraffte.
 

„Ich fahr heim...“, meinte er, schnappte sich seinen Rucksack und wollte schon zur Zimmertür hinausmarschieren, als ihn seine Freundin aufhielt.
 

„Willst du Juan nicht mitnehmen? Der verläuft sich doch nur.“

Leise kicherte sie, als der Schwarzhaarige schon etwas rot um die Nase wurde.
 

„Soll er sich beeilen“, knurrte jedoch Reno nur und marschierte weiter. Wenn man ihn einfach weckte, war er immer so. Es passte ihm nie. Lieber hätte er wohl auch einfach weiter geschlafen.
 

Juan blieb stocksteif auf dem Sofa sitzen. Scheinbar wollte er gar nicht hinter dem anderen her.
 

„Lass dich nicht von ihm abschrecken...“, versuchte Sina ihn da schon lächelnd aufzumuntern. Etwas zaghaft stand der Schwarzhaarige schließlich auf und tapste hinter Reno her, nachdem er sich von dem Mädchen verabschiedet hatte.
 

Der Blonde war nicht mehr im Gang, aber die Haustür stand offen. So schnappte sich Juan nur schnell seine Jacke und schlüpfte in seine Schuhe, bevor er nach draußen lief, die Tür aber noch zuzog.
 

Auf der Straße vor ihm stand schon das dunkelblaue Auto und Reno saß am Steuer. Jetzt wohl schon etwas wacher.
 

Mit einer knappen Kopfbewegung zur Seite deutete er dem anderen an, dass er einsteigen sollte. Was dieser, nachdem er auf die Beifahrerseite gelaufen war, auch tat, zuvor aber nur noch schnell seinen Rucksack auf den Rücksitz warf.
 

„Du wolltest mich hier also wirklich stehen lassen“, grummelte der Schwarzhaarige, erhielt nur keine Antwort. Etwas eingeschnappt war wohl der Blonde doch noch.
 

„Ich hab versucht sie zurückzuhalten. Also musst du auf mich nicht sauer sein...“, flüsterte Juan schließlich.
 

„Bin ich auch nicht.“ - Reno warf Juan einen knappen Blick zu. - „Ich kann es nur nicht ausstehen, wenn man sich einfach so zwischen mich und Sina drängt.“

Ein messerscharfer Unterton lag in seiner Stimme, der den Schwarzhaarigen leicht erschaudern ließ.
 

„Tut mir leid“, flüsterte er scheu. Lieber entschuldigte er sich bei jedem, als dass ihn jemand anschnauzte oder sogar fertig machte.
 

„Du bist ein richtiger Loser, wenn du dir von jedem alles gefallen lässt“, meinte da aber auf einmal der Blonde und schüttelte leicht den Kopf. Irritiert wandte sich Juan zu ihm. So etwas hatte auch noch nie jemand zu ihm gesagt. Aber innerlich hatte er es doch gewusst. Ein kleiner Verlierer war er. Hätte doch auch nicht anders sein können.
 

Der Schwarzhaarige krallte seine Finger in den Ärmelstoff seines Shirts und biss die Zähne leicht zusammen.
 

„Es ist auch nicht gut, wenn du alles einfach in dichhineinfrisst. Lass es doch einfach raus, wenn dir was nicht passt!“, tadelte Reno weiter.
 

Juan erwiderte nichts mehr. Gerade so, als ob er es nicht gehört hätte oder es eher nicht hören wollte. Leicht schüttelte der Blonde den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Vollidiot“, murmelte er.
 

Für einen Moment schwiegen beide, bevor der Schwarzhaarige etwas flüsterte.
 

Kurz wandte sich Reno zu ihm und zog eine Augenbraue hoch. „Was?“, wollte er wissen.
 

„Du sollst dein Maul halten“, zischte Juan etwas lauter. Einen Augenblick blitzte ein Lächeln auf dem Gesicht des Blonden auf. „Geht doch“, murmelte er und bog auf die Sunrise Terrace ab. Nur in die falsche Richtung.
 

„Wo willst du hin?“, fragte Juan verwirrt. Seine Wut war schon wieder verflogen und wurde von Angst überdeckt.
 

„Wirst du schon sehen.“

Mehr sagte Reno nicht dazu. Ließ dem Schwarzhaarigen dafür aber seine Unwissenheit, und die würde wohl noch eine ganze Weile bleiben.
 

Der Blonde bog auf die Vally Road ab und fuhr diese schnurgerade nach Süden, bevor er auf die Cienage Street einbog, gen Westen. Über Meilen hinweg.
 

Mit der Zeit wurde Juan nervös. Wo würde ihn der andere nur hinbringen? Gerade wo er sich in der Gegend noch überhaupt nicht auskannte. Wenn sie sich stritten und Reno ihn einfach irgendwo rausschmiss, wäre er verloren.
 

„Jetzt sag schon! Wo bringst du mich hin?“, wollte er wissen, da sie seit einiger Zeit durch Ackerland fuhren. Links und rechts von der Straße waren nur Felder. Doch Juan stieg ein ganz anderer Geruch durch die offenen Fenster auf einmal in die Nase.
 

„Das Meer?“, murmelte er und kurz grinste der Blonde. Jetzt hatte es wohl der Schwarzhaarige erfasst.
 

„Wie weit noch?“, fragte Juan auf einmal und endlich bekam er auch eine anständige Antwort.
 

„Wenn es gut kommt… Ein paar Minuten.“

Ein freches Grinsen hatte sich auf dem Gesicht des werten Fahrers gebildet, als er auf einen – eigentlich – Camping-Platz eingebogen war. Aber nur hier würde er wohl seinen Wagen parken können.
 

„Komm mit!“, meinte Reno, als er schon längst ausgestiegen war. Juan wirkte dagegen etwas steif. So recht wusste er nicht, was er tun sollte. Doch dann folgte er doch dem anderen, der sich schon flink durch den Sand kämpfte.
 

Weit kam der Schwarzhaarige dann doch nicht. Sein Blick klebte wie gebannt an dem etwas dunkel schimmernden Meerwasser, das noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt lag.
 

Genervt packte der Blonde seine etwas unbeweglich werdende Begleitung am Arm und zog ihn hinter sich her, bevor er ihn schließlich einen Stoß in den Sand gab, als sie nur noch wenige Meter vom Wasser entfernt waren.
 

„Wenn ich vorstellen darf, Pismo Beach… Das richtige. Diese blöde Stadt“ – Etwas herablassend deutete Reno auf die unzähligen Gebäude hinter ihnen. – „ist ja nur Fassade für diese Schönheit hier…“

Genüsslich streckte er sich neben den anderen, dem schon längst ein kalter Wind um die Nase wehte und wohl auch jetzt dem Blonden.
 

„Die Jahreszeit ist nur nicht wirklich perfekt um hier zu sitzen… Langsam wird es sogar bei uns etwas kälter“, fügte er zu seinem eigentlich beendeten Monolog hinzu.
 

Juan hatte seine Beine an den Körper gezogen und legte jetzt seinen Kopf auf die Knie. Regelrecht in Trance blickte er aufs Meer hinaus.
 

„Das hab’ ich das letzte Mal gesehen, da war ich zwölf. Damals haben wir in San Francisco gewohnt. Aber es war nicht so schön, wie hier…“, flüsterte der Schwarzhaarige und kauerte sich noch etwas mehr zusammen. Es musste ihm wirklich kalt sein. Da wandte er sich aber schon langsam zu Reno, der einen oder zwei Meter von ihm entfernt stand.
 

„Wieso hast du mich hierher gebracht?“, wollte der Schwarzhaarige wissen. Der Stehende zuckte nur leicht mit den Schultern. So recht wusste er es selbst nun auch nicht.
 

„Dachte, es gefällt dir vielleicht...“, murmelte er und sank endlich auch in den nicht unbedingt weichen Sand. Tief sog er die nach Salzwasser riechende Luft in seine Lungen ein und ließ sie mit einem leisen Summen wieder entweichen, bevor er sich hinlegte. Dabei drückte so manches kleines Steinchen schon ganz schön.
 

Reno fand es immer wieder wundervoll einfach nur hier liegen zu können und sich die Meerluft etwas um die Nase wehen zu lassen, während die Wellen ans Ufer schwabten. Im Sommer war es natürlich noch schöner, da man sich noch bräunen und vor allem etwas schwimmen gehen konnte. Jetzt, mitte September, war es dafür einfach zu kalt.
 

„Bevor wir uns beide eine Erkältung einfangen, sollten wir wieder fahren“, meinte der Blonde, als sie schon gut durchgefroren waren und er meinte wahrgenommen zu haben, dass Juan mit den Zähnen klapperte.
 

Langsam stapften sie zusammen zurück zum Auto, und als sie neben diesesm standen, fiel es Reno erst auf. Der Schwarzhaarige war doch wirklich ein Stück größer als er. Nur ein paar Zentimeter, im Höchstfall eine Handbreite, aber der Schwarzhaarige war größer.
 

Prüfend blickte der Blonde sein Gegenüber an. Vielleicht bildete er es sich ja auch nur ein.

„Was ist denn?“, fragte der Größere und fuhr sich durch das fast schulterlange Haar. Leicht schüttelte Reno den Kopf. War doch auch egal, ob Juan jetzt größer war oder nicht.

„Nichts“, murmelte der Blonde schließlich und stieg in seinen Wagen.
 

Sie schwiegen sich die ganze Fahrt über an. Gerade war auch keinen von ihnen wirklich zum Reden zu Mute. Juan war aber wohl auch noch etwas von dem Anblick angetan. Der hatte sich jetzt mehr oder weniger bei ihm eingebrannt.
 

„Wir seh'n uns dann morgen“, verabschiedete sich Juan, als sie bei dem Blonden zu Hause angekommen waren, und nur einen Moment später trennten sich ihre Wege.
 

Leise seufzend drückte der Schwarzhaarige auf die Klingel. Immer noch hatte ihn seine Mutter keinen Schlüssel gegeben. Er könnte ihn ja verlieren. Manchmal kam es ihm so vor, als ob sie denken würde, er wäre immer noch ein kleines Kind, das auf sein Eigentum nicht aufpassen könnte.
 

Nach ein paar Minuten hatte ihm immer noch niemand die Tür geöffnet. Aber seine Mutter musste zu Hause sein, das Auto stand doch vor der Garage. Wo sollte sie auch ohne weit hinkommen. Sie kannte doch hier auch noch so gut wie niemanden.
 

Gerade zu genervt setzte er sich auf die Treppe der Veranda. Gerade hatte es etwas zu nieseln angefangen, also würde er hier zumindest noch eine Weile trocken bleiben. Da hörte er aber auch schon, wie die Haustür geöffnet wurde, und jemand schlang die Arme um ihn.
 

„Tut mir Leid, Spatz. Ich war unter der Dusche...“, versuchte sich seine Mutter zu entschuldigen. Juan stand nur langsam wieder auf und meinte lächelnd: „Ist doch nicht so schlimm.“
 

Jeder andere in seinem Alter hätte sich wohl zumindest etwas beschwert, aber er nahm es einfach locker hin. Sie war eben alleine, da konnte sie ja nicht einfach aus der Dusche springen und ihm nackt die Tür öffnen.
 

„Willst du was essen?“, fragte seine Mutter, als er schon die Treppe nach oben gehen wollte. „Jetzt noch nicht“, erwiderte er und tapste weiter nach oben. In seinem Zimmer sank er aufs Bett und rollte sich leicht zusammen.
 

„Wo warst du überhaupt?“, fragte die Ältere, als sie sein Zimmer ohne zu klopfen betrat. „Hab' mit ein paar Freunden geprobt...“, antwortete Juan ohne sich aufzusetzen. Seine Mutter hob etwas irritiert eine Augenbraue und fragte einfach weiter: „Was denn geprobt?“ „Für ein Stück...“, murmelte er und rollte sich auf die Seite. Jetzt wollte er gar nicht reden.
 

„Ach, du bist wieder in der Theatergruppe. Ist ja schön“, freute sie sich. Egal was er tat, seine Mutter war fast immer darüber glücklich. Zumindest irgendjemand.
 

„Was spielt ihr denn?“, wollte sie da schließlich wissen.

Nur einen Moment überlegte Juan, ob er es überhaupt sagen sollte. Aber dann antwortete er doch: „Romeo und Julius...“
 

Zuerst schaute seine Mutter etwas verwirrt, bevor sie sagte: „Romeo und Julia? Das ist doch was für dich...“
 

Sie hatte ihm wieder einmal nicht richtig zugehört. Vielleicht hatte sie auch gedacht, sie hätte sich verhört und wollte nicht noch einmal nachfragen. Juan verbesserte sie auch nicht. Vielleicht wäre es besser, wenn sie glaubte, sie würden die normale Version spielen. Immerhin mochte sie die so sehr.
 

„Und wen spielst du?“

Juan schluckte. Jetzt verheimlichte er es ihr ohnehin schon, also sollte er sich wohl eine gute Antwort überlegen, damit er seine Notlüge weiter durchziehen konnte.
 

„Nur eine kleine Nebenrolle... Wollte ohnehin nicht mehr“, meinte er und kicherte leicht.

„Schade...“
 

Nur einen Moment später ließ sie ihn wieder allein.
 

Juan rollte sich weiter zusammen und umklammerte krampfhaft sein Kissen.

„Shit...“, murmelte er immer wieder. Sie würde doch ohnehin dahinter kommen.
 

Er hatte sie aber auch noch nie gefragt, was sie davon halten würde, wenn er eben statt auf Mädchen auf Jungs stehen würde. Somit wusste er gar nicht, ob es ihr recht wäre, wenn er jetzt während dieses Stückes Reno küsste. Aber wie hoch war denn die Wahrscheinlichkeit, dass er die Rolle des Julius überhaupt bekommen würde? So gut war er einfach nicht.

Eine erste Entscheidung

Kapitel 9 – Eine erste Entscheidung
 

Reno hatte verschlafen, und er wusste es. Trotzdem ließ er sich noch Zeit. War doch egal, ob er jetzt ein paar Minuten zu spät kommen würde oder nicht. In seiner Schulakte fiel es zumindest nicht auf, da häuften sich doch schon die Vermerke über seine Unpünktlichkeit.
 

Langsam marschierte er zu seinem Auto, als er auf einmal jemanden seinen Namen rufen hörte. Es war Juan, der panisch und noch mit etwas zerzaustem Haar auf ihn zugelaufen kam. Hatte er nicht einmal die Zeit gehabt, sich etwas zurecht zu machen?
 

„Kannst du mich mitnehmen?“, fragte der Schwarzhaarige und beugte sich dabei leicht über die Motorhaube des Volkswagens. Etwas hob Reno eine Braue und blickte zuerst auf die Hände des anderen Jungen und dann erst zu dessen Gesicht. Abrupt verzog der Blonde sein Gesicht.
 

„Wenn du die Finger von meinem Lack nimmst, dann schon!“, knurrte er. Nur einen Moment später stand Juan auch schon wieder senkrecht. Undeutlich konnte man noch die Abdrücke seiner Finger erkennen, aber einmal drüber gewischt und sie wären wieder weg. Reno störte es trotzdem.
 

„Ich hab' voll verschlafen“, seufzte der größere der beiden Jungen, als er sich auf den Beifahrersitz sinken ließ. Nur ein leises Hm bekam er zur Antwort. So recht schien es Reno nicht zu interessieren, wieso der andere jetzt zu spät dran war. An viel konnte es ohnehin nicht liegen.
 

Die ganze Fahrt über konnte Juan nicht ganz den Blick von seinem notgedrungenen Fahrer wenden. Irgendetwas zwang ihn geradezu immer wieder zu Reno zu blicken. Der hatte nur seine Augen starr auf die Fahrbahn gerichtet und bemerkte nicht einmal, wie er angesehen wurde.
 

Leicht schluckte der Schwarzhaarige, als Reno an einer Kreuzung stehen bleiben musste und sein Kopf von rechts nach links schwankte. Nur einen Augenblick blieb sein Blick an dem anderen hängen, der sich nur schnell abgewandt hatte.
 

Erst als sich das Auto wieder in Bewegung setzte, wagte es Juan wieder sein Gegenüber anzublicken.

„Und wieso bist du zu spät?“, fragte er nach einer Weile, doch Reno zuckte zuerst nur leicht mit den Schultern, bevor er murmelte: „Auch nur verschlafen...“

Mit einer Hand fuhr sich der Blonde durchs Haar und stellte es vereinzelt auf, obwohl es im nächsten Moment ohnehin wieder zusammensank. Ohne Haargel blieb es einfach nicht stehen, und heute morgen hatte er ohnehin keine große Lust mehr gehabt sich zu stylen.
 

„Sind so lange Haare nicht nervig?“, fragte Reno, als sie gerade auf den Schulparkplatz einbogen und der Schwarzhaarige nervös immer wieder versuchte die schwarzen Strähnen etwas zu sortieren. Wie der letzte Penner wollte er ja immerhin auch nicht herumlaufen.
 

„Es geht... Und ich will sie auch gar nicht mehr kurz schneiden lassen...“

Unsicher lächelte der Größere.
 

„Mich würden die stören...“, grummelte Reno und schon verflog das Lächeln des anderen wieder. So einen genervten Tonfall war er aber auch gar nicht gewöhnt. Schon wandte er ein weiteres Mal den Blick ab. Und dieses Mal nicht einmal, weil der Blonde sein Gegaffe bemerken könnte.
 

„Was hast du in der Ersten?“, wollte Reno schließlich wissen, als sie gemütlich über den Schulhof schlenderten, obwohl Juan ihn anfangs zur Eile anspornen wollte, aber er hatte wohl schon längst bemerkt, dass das gar nichts half.
 

„Englisch...“

Ein Seufzen verließ die Kehle des Größeren, nur um seinen Unmut noch zu verstärken, dass er dieses Fach ganz und gar nicht mochte. Zwar mochte er Literatur und alles, was damit zutun hatte, aber selbst schreiben war einfach nicht sein Ding.
 

„Hätte ich mir ja denken können“, murmelte auch schon Reno, dem es wohl ziemlich genauso ging. Hatten sie zumindest eine Gemeinsamkeit.
 

„Wieso musstest du heute Sina nicht abholen?“, wollte Juan gerade wissen, als der Blonde ihm – fein wie er eben doch war – die Tür aufhielt.

„So spät wie ich heute dran bin, ist die mit ihrem Vater gefahren.“

Leicht kicherte der werte Gentleman und deutete sogar eine leichte Verbeugung an, als der Schwarzhaarige an ihm vorbei ging.
 

„Wieso bist du auf einmal so gut aufgelegt?“, wollte Juan wissen, als sie durch die Gänge marschierten und der andere die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Leicht zuckte Reno auch gleich mit den Schultern.

„Hab einfach einen guten Tag“, erwiderte er schließlich. So lange würde der aber wohl nicht so gut bleiben.
 

Wieder war das Gezeter losgegangen, kaum das Reno gesagt hatte, dass sie jetzt anfangen wollten. Der ganze Schultag über war wirklich super gelaufen, und dann führten sie sich hier auf wie die Kleinkinder.
 

Leicht massierte sich der Blonde die Schläfe und versuchte sich irgendwie beruhigen zu können, da spürte er aber schon, wie ihn jemand massierte.

„Sina, hör auf!“, grummelte er mürrisch und versuchte seine Freundin abzuschütteln, doch da stand die auf einmal vor ihm, und die Hände lagen immer noch auf seinen Schultern.
 

Reno fuhr verschreckt herum und blickte in die blauen Augen seines vermutlichen Julius.

„Etwas Entspannung würde dir gut tun“, meinte der auch schon und lächelte leicht. Er wollte nur nett sein, das sagte sich Reno in Gedanken immer wieder. Aber so recht glaubte er sich selbst nicht. Das war schon etwas zu nett.
 

Einmal atmete der Blonde jetzt tief durch, bevor er rief: „Könnten wir jetzt, um Gottes Willen, anfangen?“

Er klang gereizt, und deswegen verstummte wohl schon bald jeglicher Streit. Die ersten Rollen waren auch schnell vergeben. Das meiste war eindeutig. So blieb für diese, die es dann nicht geworden sind, nur noch die Dienste hinter der Bühne, und die waren meistens mit viel mehr Verantwortung verbunden. Und wenn das wirklich nicht gewollt war, dann wurden sie als Zweitbesetzung eingetragen.
 

„Mercutio steht vor dir, mein Engel“, trällerte Zoe übermütig ihrer Freundin Uma entgegen. Diese lag mehr oder minder auf dem Tisch vor sich und hob jetzt leicht eine Augenbraue.
 

„Der wird aber von Tybalt umgebracht... Dessen bist du dir schon bewusst?“

Die Größere der beiden hatte die Rolle des Neffen der Capulet erhalten, darüber war sich Zoe sichtlich bewusst. Somit durften sie Rollen, die zu jeweils einem der beiden verfeindeten Häuser gehörten, spielen und nicht wie eigentlich vereinbart, zu einem einzigen. Jetzt mussten sie sich womöglich auf der Bühne auch noch streiten.
 

„Reno, ich will eine andere Rolle“, rief da schon die Kleinere und abrupt verzog Angesprochener das Gesicht. Es war ja wohl kaum möglich, dass die jetzt auf so eine Idee kam.
 

„Sei zufrieden damit“, grummelte er nur und wandte sich jetzt endlich seinen beiden Juliusen zu, deren Rolle nun als letztes gewählt werden sollte und der, der es dann nicht wurde, würde Escalus, den Prinzen von Verona spielen. Es war Reno am gestrigen Tag gar nicht aufgefallen, dass er die Rolle vergessen hatte. Aber jetzt würde er ja dafür auch jemanden bekommen.
 

Langsam sah er zwischen den beiden Jungen hin und her, die vor ihm auf dem Tisch saßen. Weder Juan noch Jonas wollte momentan anfangen. Wieso es der Neue nicht wollte, war sogar Reno so ziemlich klar. Er war wohl einfach schüchtern. Und Jonas? Vielleicht pure Einbildung, dass das Beste zum Schluss kommen sollte.
 

„Jetzt mach schon“, fuhr er den Braunhaarigen an, der abrupt gehorchte. So schnell hatte es der neue Theaterleiter gar nicht erwartet.
 

„Wenn du willst.“ - Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Größeren. - „Dafür brauch ich aber dich...“

Es gab genug Szenen in denen Julia oder wohl eher Julius einen Monolog führte, aber Jonas wollte es wohl auf etwas ganz Besonderes anlegen, also würde sich Reno fügen. Doch kaum, dass er stand, lagen schon die Lippen des anderen auf den seinen und verwickelten ihn einfach in einen Kuss.
 

Vor Schreck stieß Reno den anderen weg. Wie konnte er nur! Da war er doch sonst nicht so darauf aus, Jungs zu küssen. Felsenfest behauptete er doch immer, dass er zwar bi wäre, aber eher immer noch auf Mädchen stehen würde. Und jetzt so was?
 

„Übertriff das mal, Neuer...“, meinte Jonas schroff und machte es sich wieder neben Juan bequem. Der Braunhaarige war sich wohl schon sicher, dass er die Rolle hätte, und der andere dachte das auch schon. Wie sollte er auch Reno jetzt noch umstimmen? Mit was konnte er einen Kuss schon übertreffen?
 

Doch dann stand er einfach auf. Jetzt würde er ganz einfach das durchziehen, was er sich am gestrigen Abend so oft durchgelesen hatte.
 

„Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang; sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort. Glaub, Lieber, mir: Es war die Nachtigall.“

Diese paar Sätze hatte er wieder und wieder geprobt. Seine Mutter war sogar einmal ganz verwundert zu ihm gekommen und hatte gefragt, wieso er denn den Text der Julia probte. Aus Spaß, hatte er geantwortet. Die Wahrheit wollte er ihr einfach noch nicht sagen.
 

Reno blickte ihn erst etwas verschreckt an und begann dann doch auf den Dialog einzugehen.

„Die Lerche war’s, die Tagverkünderin, Nicht Philomele; sieh den neid’schen Streif, der dort im Ost der Frühe Wolken säumt. Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt, der muntre Tag erklimmt die dunstigen Höhn; nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.“
 

Gerade als Juan schon den nächsten Vers beginnen wollte, unterbrach der Blonde ihn mit einer knappen Handbewegung, und der Größere gehorchte. Vielleicht hätte er ja dann doch noch einen kleinen Lichtblick auf seine erhoffte Rolle, dabei würde ihm der Prinz auch reichen.
 

„Der Kuss war hart...“, murmelte Reno und schon ließ der Schwarzhaarige den Kopf hängen. Für ihn klang das schon, als ob er Jonas jetzt nehmen würde. Deswegen lächelte Juan etwas traurig, dabei wollte er ja gar keine große Rolle, und trotzdem hatte diese kurze Szene mit Reno schon – für ihn zumindest – richtig gut geklungen.
 

„Aber... Juan... Irgendwie wärst du besser... Immerhin besteht das Stück nicht nur aus diesem einen Kuss...“ - Reno hatte sich an den Neuen gewandt, der ihn verwundert ansah. Selbst blickte er schließlich in die Runde. - „Oder hat jemand was dagegen?“

Anfänglich erklang von hier und da dagegensprechendes Gemurmel. Einen Neuling wollte wohl keiner an eine Hauptrolle lassen, und Jonas erst recht nicht.
 

„Du willst doch nicht wirklich dieses... Babyface nehmen?“, knurrte der Braunhaarige. Nur mit viel Selbstbeherrschung konnte er sich dazu bringen, dass er nicht einfach aufsprang und sich auf Reno stürzte.
 

„Wenn es wirklich nicht geht, könnt ihr ja immer noch tauschen...“, meinte der Blonde kühl. Keine Widersprüche erhoben sich jetzt mehr. Nur Jonas grummelte noch etwas mürrisch vor sich hin. Aber jetzt musste er sich wohl vorzeitig damit abfinden.
 

„Will irgendwer noch anfangen?“, fragte Reno nun wieder in die Runde, die ein einstimmiges Seufzen von sich gab, da schweifte sein Blick aber auch schon auf die Wanduhr, die über der Tafel hing. Es war kurz vor halb acht. So recht sah es nicht aus, als ob jemand wirklich noch Lust hatte. Sie waren hier aber auch schon seit sechs Uhr abends, und seit Mittag hatte keiner mehr etwas gegessen, außer diejenigen, die sich ihre Snacks von zu Hause mitgebracht hatten. In den letzten paar Jahren war diese Anzahl von Schülern nur gesunken, und so konnte man sich kaum noch bei jemanden durchschnorren, falls man noch Hunger hatte.
 

„Na dann machen wir eben Schluss... Aber Donnerstag wieder jede Woche? Geht das?“, fragend sah er sich um, bis er sich sicher war, dass keiner etwas dagegen hatte. Dann schweifte sein Blick nur noch zu Juan, der wohl immer noch etwas baff war. War aber auch nicht wirklich ungewöhnlich.
 

Langsam wagten es dann auch die Ersten zu gehen. Einige verabschiedeten sich sogar bei Juan, der das aber so recht noch gar nicht mitbekam, erst als ihn Sina zärtlich umarmte, reagierte er überhaupt.
 

„Ich bin dann auch mal weg...“, meinte sie zu Reno, der wohl bis zuletzt bleiben wollte. Doch irgendwie war er schon bald alleine mit seinem Julius. Er hatte mich auf dem Pult lang gemacht, und Juan stand vor ihm, wobei er sich etwas nervös hinter dem Ohr kratzte.
 

„Ich... ich weiß nicht, ob das so richtig war... ähm Jonas die Rolle nicht zu geben...“, meinte er da auf einmal, und Reno hob leicht ein Augenlid. Der Schwarzhaarige wirkte etwas unsicher und war sich wohl trotzdem ziemlich sicher damit, was er gerade gesagt hatte.
 

„Der wird sich schon wieder einkriegen... Und außerdem kann ich ihn nicht ausstehen. Für einen richtigen Julius ist er viel zu überheblich...“

Reno setzte sich ruckartig auf, wodurch der Größere einen Schritt zurück stolperte. So recht wusste der andere nicht wieso, aber dadurch wirkte Juan fast schon süß.
 

„Willst du heute eigentlich gar nicht heim?“, fragte Juan schließlich und neigte leicht den Kopf zur Seite. Man hätte ihn gut und gerne mit einem kleinen Kind vergleichen können, das seinen Vater irgendetwas fragte. Doch für Reno wirkte es etwas anders.
 

„Fang jetzt bloß nicht an, einen Reno-Komplex zu haben...“, grummelte er und fügte dann noch hinzu: „Natürlich will ich auch mal heim...“

Jetzt war er auf einmal wieder genervt. Mit der Zeit konnte man es kaum noch Stimmungsschwankungen nennen, so wie er sich aufführte.
 

Mürrisch stapfte der Blonde an seinem Gegenüber vorbei, anfänglich stand auch Juan noch stocksteif da. Ein komisches Gefühl breitete sich in ihm aus. Sonst vermied er es ja immer, andere wütend zu machen, aber jetzt wusste er ja nicht einmal richtig, was er getan hatte oder was er überhaupt lassen sollte, damit Reno nicht sauer wurde.
 

Langsam schlich er schließlich hinter dem Blonden her, hielt aber immer einen kleinen Abstand. So sicher war er sich aber auch nicht, ob Reno nicht einfach einmal nach ihn ausschlagen könnte.
 

„Wenn du mich nicht die ganze Zeit anstarren würdest, dann könntest du auch alleine heim finden...“, murmelte der Kleinere auf einmal, wodurch Juan überdeutlich zusammen zuckte. Dann hatte Reno also etwas bemerkt.
 

„Hm“, gab Juan nur leise von sich und zog den Kopf ein. Am liebsten würde er sich jetzt wohl eine Standpauke anhören, damit er es hinter sich hatte. Aber von Renos Seite kam so etwas gar nicht.
 

„Aber alleine jetzt heim zufahren ist auch langweilig...“, meinte der Blonde nur und hielt Juan – wie am Morgen – die Eingangstür der Schule auf. Erneut deutete er – ganz Gentleman-like – eine Verbeugung an. Trotzdem rührte sich Juan kein Stück, wahrscheinlich weil der diesen Stimmungsumschwung nicht ganz verstand.
 

Da seufzte der Blonde auf einmal überdeutlich.

„Jetzt komm schon! Ich will heute noch heim... Immerhin ist Freitag!“

Etwas unfreiwillig musste sich der andere dann auch bewegen, als ihn Reno am Arm packte und hinter sich herzog. Jetzt war er wohl wieder etwas genervt, was aber auch nicht so verwunderlich war.
 

Abrupt stemmte sich jedoch Juan dem Kleineren entgegen, als sie schon auf dem Schulparkplatz waren, wo – wie schon vorgestern – kaum noch Autos waren.

„Was soll das?“, murrte Reno und wandte sich leicht zu dem anderen um, der nur reumütig den Kopf senkte.
 

„Ich... ich geh doch zu Fuß...“

Da hatte sich der Schwarzhaarige schon aus dem Griff des Kleineren gelöst und lief an ihm vorbei. Leicht verwirrt sah Reno ihm noch hinterher, wollte ihm aber nicht folgen. Juan würde schon wissen, was er tat.

Allein daheim

Romeo und Julius
 

Kapitel 10 - Allein daheim
 

Schon lange wusste Juan nicht mehr, wo er überhaupt hingelaufen war. Wenn sein Orientierungssinn zumindest gut genug gewesen wäre, hätte er wieder zurück zur Schule finden können und vielleicht – wenn er Glück gehabt hätte – auch nach Hause. Jedoch sah es bis jetzt nicht so aus, als ob er das schaffen würde.
 

So stapfte er etwas hilflos weiter. Immer wieder blickte er sich um, ob er sich nicht vielleicht doch ein wenig auskannte und möglicherweise doch wusste, wo er hin musste. Aber nicht einmal die Straßenschilder konnten ihm so recht weiter helfen. Sunrise Terrace. Wenn er nur die finden könnte, wäre er schon glücklich, dann hätte er es auch nicht mehr weit.
 

Leicht hatte es zu nieseln angefangen, und mit der Zeit wurde es ihm auch kalt. Zwar hatte er eine recht warme Jacke an, doch auch die würde irgendwann durchnässt sein, wenn es schlimmer zu regnen anfänge.
 

Wenn er nur doch mit Reno mitgefahren wäre, aber er wollte ihn nicht wieder die ganze Fahrt über anstarren und erst recht nicht, wenn es der Blonde dann auch noch mitbekam. Lieber irrte er dann hier etwas herum. Irgendwann würde er schon nach Hause finden und wenn nicht, könnte er immer noch jemanden fragen.
 

Doch da hielt ein Auto auf einmal neben ihm. Im ersten Moment beachtete er es gar nicht und tapste einfach weiter, nur folgte es ihm da in Schrittgeschwindigkeit und als er anhielt, tat es das auch. Verwundert wandte er sich um und erkannte, dass es wohl eigentlich Renos Auto sein müsste. Hatte der ihn gesucht?
 

Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich Juan entschieden hatte einzusteigen. Bibbernd saß er schließlich neben dem Kleineren, der ihn mit gehobener Augenbraue ansah.

„Ich hätte es mir ja denken können, dass du nicht heim kommst...“, murmelte Reno und fuhr weiter.
 

Es dauerte noch fast eine Viertelstunde, bis sie dann endlich daheim waren. Überschwänglich bedankte sich der Schwarzhaarige bei dem anderen, der nur abwinkte und ihm auftrug, ja nicht krank zu werden.
 

Gerade als er sich verabschiedet hatte, fiel Juan auf, dass das Auto seiner Mutter nicht in der Einfahrt stand. War sie dann gar nicht zu Hause? Langsam drehte sich der Schwarzhaarige wieder zu Reno um, der seinen Schlüssel in der Hosentasche suchte.
 

„Reno...?“, fragte der Größere und wartete darauf, dass der Blonde etwas erwiderte, doch mit gehobener Augenbraue sah er Juan nur an.

„Ich glaube, meine Ma ist nicht zu Hause...“, meinte der Schwarzhaarige etwas scheu und hoffte, dass der andere ihn schon verstehen würde, was er wollte.
 

„Wenn du Bock hast, etwas um die Häuser zu ziehen, dann kannst du mitkommen... Ansonsten wärst du wohl alleine...“, erwiderte Reno schließlich, und schon verzog auch Juan das Gesicht. Doch er murmelte dann: „Ist mir egal, wenn ich allein bin...“
 

Juan war es gewohnt, wenn niemand bei ihm war. Das hatte er oft erlebt, da seine Mutter abends eigentlich immer wegging und dann erst spät nachts wieder kam. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, dass es heute bei Juan genauso sein würde und war deswegen einfach weg. Sie wusste ja, dass er immer noch keine Schlüssel hatte und so bald würde sich daran nichts ändern.
 

„Wenn du willst.“

Reno zuckte mit den Schultern und schloss endlich auf.
 

Nur einige Minuten später waren sie oben in Renos Zimmer, und der Blonde zog sich ohne jegliche Scheu vor dem anderen um. Bei Sina machte er immer ein Theater, als ob es nichts Schlimmeres geben würde, und dann jetzt so etwas.
 

Juan hatte es sich auf dem Bett des Kleineren gemütlich gemacht und rollte sich genüsslich in die warme Decke ein, als Reno schon meinte: „Wenn du willst, kannst du baden... Ich leg dir auch ein paar frische Sachen von mir raus. Werden dir schon passen.“

Gerade hatte er sich die Hose hochgezogen, als er schon wieder in seinem Kleiderschrank wühlte und die Sachen raussuchte, die ihm eigentlich noch ein Stück zu groß sein müssten und das wohl auch so bleiben würden.
 

„Bad weißt du, wo es ist? Oder?“, fragte er, als er sich wieder zu Juan umdrehte, der dann auch schon den Kopf schüttelte. Mehr als leise seufzen konnte darauf Reno nicht, aber selbst würde er sich wohl auch nicht in einem fremden Haus auskennen.
 

„Werd' ich aber schon finden... Ähm... Wieso lässt du mich hier überhaupt alleine? Du kennst mich doch gar nicht...“

Der Größere wollte es geradezu darauf anlegen, dass Reno ihn rauswarf. Wollte er unbedingt im Regen sitzen und sich sonst eine Krankheit zuziehen? War es das wirklich nötig?
 

„Für einen Dieb bist du... na ja...“

Der Blonde wollte nicht unhöflich sein, nur deswegen brachte er seinen Satz nicht zu Ende. Oft sprach er eigentlich schon alles aus, was er dachte, doch dann gab es wieder Dinge, die er sich lieber verkniff. Nur um niemanden wütend zu machen. Es war sicherer für ihn.
 

„Was bin ich?“, bohrte da jedoch Juan nach. Er wollte es hören, egal was es war, auch wenn er ihn jetzt beleidigen wollte, dann sollte er es eben aussprechen.
 

„Ist egal... Ich zeig' dir schnell das Bad...“, versuchte sich Reno aus der Affäre zu ziehen. Mühsam setzte sich der Schwarzhaarige trotzdem auf, dabei wollte er doch viel lieber seine Antwort haben. Irgendwann würde es der Blonde schon ausspucken, was er sagen wollte.
 

„Ich bin dann weg...“, rief Reno noch, nachdem er dann Juan auch alles Wichtige gezeigt hatte. Eine ganze Weile würde er es aber auch alleine aushalten müssen, also war es wohl nötig.
 

Langsam schlurfte schließlich der Schwarzhaarige durch Renos Zimmer. In einem der Regale hatte sich der Blonde einen ganzen Haufen Bücher angesammelt, dabei wirkte er nicht wie jemand, der wirklich recht gerne las, aber ein rechter Draufgänger war er wohl auch nicht. Irgendetwas dazwischen drin vielleicht. Nach so einem Typen wirkte er viel eher.
 

Mit gesenktem Kopf tapste Juan zurück zum Bett, wo Reno die frischen Klamotten hingelegt hatte. Eine – wohl für den Kleineren – viel zu lange Jogging-Hose und ein Shirt, das wohl wirklich niemand freiwillig anziehen würde. Als es der Schwarzhaarige hoch hob, merkte er auch deutlich wieso. Es war eines von diesen, welche man ihm Höchstfall von seiner Großmutter bekam, aber sicherlich nie selbst kaufen würde. Leicht grinste Juan. Ihm würde wohl das Häschen, das auf der Vorderseite abgebildet war, fast an Reno gefallen.
 

Recht lustlos tapste der Schwarzhaarige ins Bad, wahrscheinlich würde es ihm gut tun, wenn er sich schön gemütlich in die Wanne legte. Etwas durchgefroren war er schon. Sein Glück war es doch nur, dass Reno ihn gefunden hatte. Was wäre wohl sonst noch aus ihm geworden?
 

Langsam floss das Wasser in die Wanne und währenddessen zog sich Juan aus. Achtlos ließ er seine Sachen auf den Boden fallen, als er in das warme Nass stieg und es seinen Körper aufheizte. Abrupt ließ er ein Seufzen laut werden. Viel zu gut tat ihm das jetzt.
 

Erst als seine Fingerkuppen runzlig wurden, beendete er sein Bad. Bis dahin musste aber auch schon mehr als eine Stunde vergangen sein, doch trotzdem würde es noch lange genug dauern, bis Reno wieder nach Hause kommen würde und wann das die Eltern des Blonden täten, hatte er ja auch nicht gesagt. Weiß Gott, wie lange er noch alleine sein würde.
 

Trocken und wieder angezogen aber noch mit etwas feuchtem Haar ließ sich Juan kurz darauf wieder auf Renos Bett sinken. Hier fühlte er sich wohler als in seinem eigenen Bett. Am liebsten würde er einfach hier bleiben, auch wenn der Blonde das nie im Leben erlaubte.
 

Etwas ging zu Bruch, und das ließ Juan hochschrecken. Verwirrt blickte er sich um, doch er konnte nichts erkennen. Im Raum war es stockdunkel, erst als die Zimmertür abrupt geöffnet wurde, fiel Licht aus dem Gang in den Raum.
 

„Hm, Reno...“

Juan blieb der Mund offen stehen. Der Blonde wurde von einem anderen Jungen geküsst und begrapscht. So recht wollte sich der Schwarzhaarige das gar nicht mitansehen, aber stören wollte er die beiden nun auch wieder nicht.
 

Doch als sie sich wieder von einander lösten, fiel der Blick des Großgewachseneren – der, der Reno geküsst hatte – auf Juan. Mit einem etwas verwunderten Ausdruck in den stahlblauen Augen sah er den Schwarzhaarigen an.
 

„Und du bist...?“

Langsam löste sich Reno von dem Größeren und drehte sich um. Etwas verwirrt blickte er den Schwarzhaarigen an und nahm ihn wohl auch erst jetzt richtig wahr. Scheinbar war er etwas angetrunken.
 

„Himmel... Juan... Was machst du denn noch hier?“

Abrupt stieß Reno den Jungen, der immer noch etwas an ihm hing, leicht weg und verschreckt blickte er zwischen den beiden Jungen hin und her, blieb schlussendlich doch wieder an dem Größeren hängen, der noch immer neben ihm stand.
 

„Jetzt zu ficken wäre wohl unpassend... Vielleicht sehen wir uns aber mal wieder, Reno...“, hauchte er ihm noch ins Ohr und fuhr sich locker durch das kurze, braue Haar, bevor er seine schmalen Lippen auf die Wange des Blonden drückte. Nur wenige Minuten später fiel die Haustür ins Schloss und noch immer stand Reno stocksteif in der Zimmertür.
 

„Ich... ich dachte nicht, dass du... wirklich hier bleibst...“, murmelte er schließlich und stolperte auf sein Bett zu, in dem sich Juan aufgesetzt hatte und etwas scheu den anderen ansah. Nachdem Reno neben den Schwarzhaarigen gesunken war, knipste er das Licht an.
 

„Wieso hätte ich denn heim gehen sollen?“

Langsam zog Juan die Beine an den Körper und blickte den anderen fragend an. So recht wusste er ja nicht einmal, ob seine Mutter schon nach Hause gekommen war und in der Dunkelheit hinüber gehen und dann vielleicht nirgends mehr rein zu kommen, wollte er auch nicht.
 

„Hast ja recht...“, murmelte Reno und machte sich auf seinem eigenen Bett lang. Jetzt wollte er nur noch schlafen und sich ja nicht mehr bewegen müssen.
 

„Willst du dich nicht zumindest ausziehen?“, wollte da aber auf einmal der Größere wissen und wurde sich dann auch erst eine Sekunde danach bewusst, wie zweideutig das geklungen hatte. Doch der Blonde nahm es nicht einmal so ernst.
 

„Ich strip gerne für dich... Aber nicht jetzt...“, grummelte Reno und richtete sich mühsam wieder auf, bevor er sich wirklich Jeans und Shirt auszog, sich aber schon ein anderes, um einiges älter aussehendes vom Fensterbrett nahm und sich dieses wieder überzog.
 

„Das ist dir ja einen halben Kilometer zu lang“, kicherte Juan, wobei er schon fast wie ein kleines Schulmädchen klang, das gerade einen – für sich – besonders guten Witz gehört hatte. Reno blickte ihn nur mit gehobener Augenbraue an, bevor er sich langsam umsah. Wahrscheinlich überlegte er sich, wo er eigentlich selbst schlafen sollte, zumindest wollte er sich nicht zu dem Schwarzhaarigen legen. Nur rutschte da Juan schon etwas näher an die Wand, als ob er wusste über was der Kleinere nachdachte.
 

„Ich geh runter auf die Couch, bevor meine Ma hier morgen früh rein platzt und sonst was denkt, was wir gemacht hätten...“

Mühsam versuchte der Blonde zu lächeln und wollte sich dann auch schon aus dem Staub machen, doch so weit wollte es Juan nicht kommen lassen.
 

„Wenn schon, dann schlafe ich auf dem Sofa... Immerhin wohnst du hier!“

Der Schwarzhaarige stand schon im nächsten Moment vor Reno und gab ihn einen leichten Stoß in Richtung seines Bettes, nur wollte der Blonde wohl da nicht schlafen.
 

„Du bist der Gast... Also bleibst du hier!“, knurrte da auch schon Reno und marschierte mürrisch an dem Größeren vorbei. Sicherlich würde er Juan nicht auf der Couch schlafen lassen und wenn es sein müsste, würde er den anderen auch ganz einfach am Bett festbinden.
 

Nur ließ der Schwarzhaarige ihn wieder nicht gehen und hielt ihn dieses Mal sogar am Arm fest.

„Wir könnten ja auch...“, begann er, schüttelte dann aber den Kopf, als ob er seinen Gedanken doch verwerfen wollte.
 

Da drehte sich aber Reno wieder zu ihm um und blickte ihn mit großen, fragenden Augen an, dabei sah er wohl oder übel aber kindischer aus, als er wollte.

„Wir könnten was?“, wollte er wissen und neigte den Kopf leicht zur Seite. Dennoch wandte der Größere da auch schon den Kopf ab.
 

„Ist egal...“, murmelte Juan und wollte an dem Blonden vorbei stapfen, als dieser ihn aber auch schon festhielt. Mühsam versuchte der Größere sich zu befreien, nur umschloss Reno dann sein Handgelenk nur noch mehr.
 

„Sag einfach. Kann ja nicht so schlimm sein.“

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des Blonden, als sich auch endlich der andere wieder zu ihm umgedreht hatte und leise seufzte.
 

„Wenn du willst...“, murmelte er und kurz blitzten seine Zähne auf, als er zaghaft seine Mundwinkel hochzog. Doch das verflog gleich, als Reno ihm einen Klapps auf den Hinterkopf gab.
 

„Und jetzt: Spuck's aus!“

Leicht zog der Blonde die Augen zu Schlitzen zusammen, während der Größere wieder zurück zum Bett schlurfte und schließlich wieder auf dieses sank.
 

„Ich dachte, wir könnten zusammen im Bett schlafen. Ist ja groß genug...“, murmelte Juan, als der Kleinere mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt vor ihm stand. Leicht hob er abrupt eine Augenbraue und sah etwas verwundert drein. Doch dann meinte er: „Wäre witzig...“

Eine erste winzigkleine Annäherung

Romeo und Julius
 

Kapitel 11 – Eine erste winzigkleine Annäherung
 

Juan lag wach. Immer noch. Wäre Reno nur nicht so lautstark mit seinem 'Lover' heimgekommen, dann würde er jetzt noch schlafen oder vom Gestöhne wach werden. Das wäre auch keine bessere Situation.
 

Langsam schweifte sein Blick nach rechts, wo sich der Blonde mehr oder weniger zusammengerollt hatte und schlief. Im Gegensatz zu Juan war er dazu in der Lage gewesen, als ob nichts dabei wäre, in ihrem Alter einfach so mit einem Jungen in einem Bett zu schlafen, wenn man selbst einer war.
 

An das kleine andere Problem, das Juan hatte, wollte er gar nicht erst denken. So drehte er sich herum, damit er die Wand im Blick hatte und nicht am Ende noch auf dumme Gedanken kommen würde. Zu seinem Unglück zog er nur bei seinem Herumrollen Reno die Decke weg, der diese ruppig zurück zog, wodurch nun der Schwarzhaarige bibbernd ohne etwas Warmes sich etwas zusammenkauerte. Für seinen Schlaf wäre es auch nicht besser.
 

Von draußen hörte der, dass wohl ein Auto gehalten hatte. Womöglich seine Mutter. Doch jetzt wollte er nicht mehr gehen, viel lieber würde er jetzt einfach hier bleiben. Sollte sie sich eben einmal richtig Sorgen um ihn machen. Möglicherweise auch eine Vermisstenanzeige aufgeben. Ihm war es egal.
 

Langsam rollte er sich auf den Rücken und setzte sich schließlich auf. Bestialisch zitterte er, doch Reno noch einmal die Decke wegziehen, wollte er nicht. Zaghaft blickte er zu dem Blonden hinüber, bei dem es so schien, als ob ihm wollig warm wäre. Vielleicht sollte er sich ja selbst einfach an den Blonden kuscheln? Es wäre das Einfachste, was er tun könnte, und dann wäre ihm sogar auch warm.
 

Vorsichtig legte sich Juan neben den anderen und kroch mit zurück unter die Decke. Ganz zaghaft kuschelte er sich an den Kleineren und legte die Arme um ihn. Bis morgen früh würde schon niemand etwas davon mitbekommen, und dann könnte er immer noch sagen, dass es normal war, dass er sich im Schlaf an jemanden schmiegte.
 

Doch zu seinem Unglück machten sich seine Finger selbstständig und wanderten an Reno hinunter, der sich nur leicht hin und her wandte. Für ihn war es wohl nur ein Traum, dahingegen für Juan purer Ernst. Zärtlich glitt er über die Shorts des anderen, als dieser sich abrupt zu ihm herumdrehte.
 

„Finger weg!“, maulte dieser mehr oder weniger im Halbschlaf. Stocksteif blieb der Schwarzhaarige liegen und wartete auf die nächste Reaktion des Kleineren, von dem aber nichts mehr kam. War er wieder in seine süßen Träume versunken? Womöglich würde er dann sogar vergessen, was die letzten paar Sekunden passiert war.
 

Langsam löste sich der Größere wieder von Reno und rollte sich auf die andere Seite – dieses Mal ohne die Decke mitzuziehen. Die ganze Nacht über schlief er nicht gerade gut. Immer wieder wachte er auf und meinte sich erneut an den anderen ranzumachen, doch es war jedes Mal nicht so.
 

„Du solltest langsam wieder heim“, meinte Reno, als sie am nächsten Morgen zusammen am Frühstückstisch saßen. Juan hatte sich nur eine Tasse Kaffee gegönnt, da er so gar nicht richtig wach werden wollte. Mehr Schlaf wäre gut gewesen, und eigentlich würde er jetzt noch viel lieber im Bett liegen.
 

„Hm... Ich geh gleich“, murmelte er zur Antwort und richtete sich schon im nächsten Moment auf. Selbst noch etwas verschlafen blickte nun Reno auch auf, etwas wirkte er, als ob er einen Kater hätte. Dadurch, dass er am Abend zuvor getrunken hatte, wäre es kein Wunder gewesen.
 

„Kopfschmerzen?“, wollte Juan deswegen einfach einmal wissen und erhielt nur ein knappes Nicken zur Antwort. Dadurch zog der Größere für einen Moment die Mundwinkel hoch, so fies wollte er jedoch nicht sein und jetzt über das Leiden des Kleineren lachen.
 

„Leg dich doch noch etwas hin, ich find' schon alleine raus.“

Gerade als Juan auf den Hacken kehrt machen wollte, stand auch Reno auf und hielt ihn auf, indem er ihn am Arm festhielt.
 

„Du hast mich gestern Nacht im Bett befummelt“, hauchte der Blonde dem anderen ins Ohr, der nur schlagartig geräuschvoll schluckte. Hatte er es also doch nicht vergessen, so wie er es erhofft hatte? Juan wagte es nicht, etwas zu antworten, doch da begann Reno auf einmal zu kichern.
 

„Das hast du doch jetzt nicht etwa geglaubt?“

Geradezu erleichtert atmete der Schwarzhaarige auf, während der andere an ihm vorbei tapste. Leicht massierte er sich dabei die Schläfe, weswegen Juan leicht den Kopf zur Seite neigte und meinte: „Tut es sehr weh?“ Vorsichtig schob er die Hand des Kleineren weg und massierte ihn selbst an der Stelle.
 

„Es geht...“, murmelte Reno und löste sich dann doch von dem Größeren, bevor er noch hinzufügte: „Du solltest wirklich langsam heim. Deine Ma macht sich wahrscheinlich Sorgen, und ich geh wohl wirklich wieder ins Bett...“
 

Nur wenige Minuten später stand Juan vor seinem eigenen Heim und klingelte. Noch im gleichen Augenblick riss seine Mutter die Tür auf, als ob sie dahinter gestanden und nur darauf gewartet hätte, dass er nach Hause käme.
 

„Himmel, Juan.“ - Sie schlang die Arme um ihn. - „Wo warst du denn?“

Sie ließ ihn überhaupt keine Zeit um zu antworten, sondern schleifte ihn gleich in die Küche und lief im nächsten Moment sofort ans Telefon. Wahrscheinlich hatte sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben und musste das jetzt wieder rückgängig machen. Jetzt war er ja wieder zu Hause.
 

Sicher hatte sie die ganze Nacht nicht richtig geschlafen, weil sie sich wirklich um ihn sorgte, aber jetzt war er ja wieder da und es ging ihm gut. Alles war wie immer.
 

„Mam!“

Immer noch stand er in der Küche. Keinen Zentimeter hatte er sich bewegt, auch nicht, als seine Mutter den Kopf zur Tür hereinsteckte.

„Was ist denn, Spatz?“, wollte sie wissen und ein Lächeln lag auf ihren Lippen, das, das sie ihm zu Liebe immer auflegte.

„Weißt du, wo hier in der Nähe eine Disco ist?“

Leicht neigte er den Kopf zur Seite und setzte seinen zuckersüßen Gesichtsausdruck auf, so musste sie ja antworten.
 

„Äh... Ich glaube in der Stadt, mit dem Auto brauchst du keine Viertelstunde... Angeblich gibt es sogar einen Schwulenclub.“ - Kurz lachte sie auf, als ob das besonders witzig wäre. - „Aber da willst du ja nicht hin...“

Selbst lachte er auch kurz trocken und meinte dann: „Weißt du, wo genau? Vielleicht zieh ich heute Abend mal ein wenig um die Häuser.“

Bevor sie fragte, sagte er ihr lieber gleich, was er wollte. So ging es jetzt schon einmal schneller.
 

„Leider nicht, Spatz. Aber frag' doch deinen Freund von nebenan... Wie hieß er nochmal?“

Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen bei dieser Frage. Bis jetzt hatte sie noch nie nach seinem Namen gefragt, also konnte sie ihn doch gar nicht kennen.
 

„Reno...“, erwiderte er nur knapp und schlurfte schließlich in sein Zimmer hinauf und machte es sich dort auf dem Fensterbrett gemütlich. Zaghaft schweifte sein Blick zu Reno hinüber, der es sich am selben Platz, nur in seinem Zimmer bequem gemacht hatte. Scheinbar bemerkte er den Schwarzhaarigen auch nicht, was aber daran lag, dass er wohl schlief.
 

Juan seufzte und war richtig glücklich darüber, dass zwei Fenster zwischen ihnen lagen, damit der andere ihn nicht hören konnte. Aber was hätte es Reno auch interessiert, wenn er solche traurigen Laute von sich gab, immerhin kannten sie sich nicht einmal richtig.
 

Der Schwarzhaarige senkte den Kopf, bevor er die Finger an die kalte Glasscheibe legte und ein eisiger Schauer ihn durchzuckte. Doch nur einen Moment später wandte er sich vom Fenster ab und stand auf, um zu seinem Bett zu schlurfen.
 

Eine abgrundtiefe Leere breitete sich in ihm aus, und er wusste nichts, damit sie weg ging. Er schlang die Arme um den Körper, nachdem er geradezu erschöpft auf sein Bett gesunken war. Noch im selben Moment betrat seine Mutter den Raum und sah ihn eine Sekunde besorgt an, bevor sie zu ihm ging und sich auf die Bettkante setzte.
 

„Was ist denn los? Bedrückt dich etwas?“

Langsam schüttelte Juan den Kopf. Gar nichts war los, alles okay, das hätte er viel zu gerne zu ihr gesagt. Nur kam es ihm nicht über die Lippen. Sie würde ja ohnehin nicht richtig zuhören und wahrscheinlich sogar noch meinen, dass alles gut werden würde. Wie immer eben. Alles – egal was – wurde schon wieder gut.
 

„Ach komm schon, was stimmt denn nicht? Haben sie dir in der Schule etwas getan?“

Wieder schüttelte er den Kopf, dieses Mal heftiger. Es gab nichts, worüber sie sich Sorgen machen müsste, und er wollte es ja auch gar nicht, dass sie es tat.
 

„Du fühlst dich hier wohl noch nicht so recht wohl...“

Leise seufzte sie noch bei ihrer Aussage und nun begann auch er zu nicken. Meistens brauchte er recht lang, bis er sich einmal irgendwo eingelebt hatte, und häufig wollte dann sie gerade wieder umziehen.
 

„Ich geh' etwas raus.“

Abrupt fuhr er hoch und ließ sie alleine sitzen, während er die Treppe nach unten lief, wo er sich seine Schuhe und Jacke anzog. Nur einen Augenblick später schlug ihm ein kalter Wind entgegen, doch der konnte ihn nicht abschrecken, dass er sich doch ins Freie wagte.
 

Langsam schweifte sein Blick zu Renos trautem Heim, in dessen Einfahrt nun zwei Autos standen. Scheinbar waren die Eltern des Blonden zu Hause. Da vernahm Juan aber auch schon laute Stimmen und nur einen Moment später flog die Haustür ins Schloss und Reno stand zitternd auf der Veranda. Irgendetwas murmelte er vor sich hin, wobei er die Zähne zusammenbiss.
 

Zaghaft trat er die wenigen Stufen herunter und stapfte über den schmalen Weg, bis zum Gehsteig, um noch weiter von Juan wegzugehen, da lief dieser dem Blonden aber schon hinterher und rief seinen Namen. Abrupt blieb der Kleinere stehen und wandte sich um. Etwas irritiert blickte er den anderen an, wahrscheinlich hatte er nicht erwartet, dass jetzt jemand draußen war. Das Wetter war grässlich und es sah sogar so aus, als ob es jeden Moment zu regnen beginnen wollte.
 

„Was machst du denn hier?“, seufzte Reno und ließ auch schon den Kopf hängen, womöglich wollte er eher allein sein.

„Ich... ich wollte dich fragen, ob ich vielleicht heute etwas mit euch um die Häuser ziehen könnte.“

Es dauerte eine Sekunde, bis dem Kleineren der beiden Jungen die Worte des anderen überhaupt richtig klar geworden waren, doch dann schüttelte er auch sofort den Kopf.
 

„Heute nicht... Da bin ich mit... Na ja... wir gehen heute nicht ins Heten-Viertel...“

Anders wusste er es nicht zu erklären, nur verwirrte das Juan sogar noch mehr. Irritiert neigte er den Kopf leicht zur Seite und erwartete wohl eine etwas genauere Erläuterung. Genervt seufzte Reno und meinte dann eben: „Wir gehen in 'ne Schwulenbar...“
 

Das ließ dann Juan doch recht kalt. Was sollte jetzt daran so interessant sein? Es gab Dinge, die für ihn normal waren oder zumindest nicht großmächtig ungewöhnlich.

„Kann ich mitkommen?“, fragte er deswegen und blickte den anderen fragend an, der aber auch schon den Kopf schüttelte.

„Das ist wirklich nichts für eine Hete.“

Reno wandte sich leicht ab, als ihm schon ein kalter Wind ins Gesicht blies, abrupt hob er eine Hand, nur um sich davor etwas zu schützen.
 

„Woher willst du denn wissen, ... dass ich eine bin?“, knurrte Juan nur und machte auf den Hacken kehrt. Jetzt wollte er zurück nach drinnen, hier war es ihm zu kalt und die Stimmung war auch eindeutig zu schlecht.
 

„Juan!“, rief ihm da der Blonde jedoch hinterher, und sofort blieb er stehen, dann schüttelte er aber nur langsam den Kopf und ging zaghaft weiter. Sollte er doch rufen, was er wollte. Leider hatte er sich da geirrt, da er auf einmal am Arm gepackt wurde.
 

„Was sollte das heißen, Juan? Bist du... schwul?“

Reno klang völlig verwirrt und es wäre wohl nötig, dass der Größere ihm antwortete, doch im ersten Moment brachte der überhaupt nichts über die Lippen. So recht wusste er aber auch nicht, was er sagen sollte, deswegen schüttelte er schließlich langsam den Kopf.
 

„Aber du bist auch keine Hete. Was dann? Bi?“

Ganz langsam war der Kleinere ihm noch ein Stück näher gekommen, und nun schlag dessen Atem von hinten gegen seinen Hals. Juan wollte nicht nicken und sich damit outen. Bis jetzt hatte er es noch niemanden so recht sagen müssen und er wollte es auch erst recht niemanden erzählen, den er noch kaum kannte.
 

„Dann war das also nur ein Spruch, damit wir dich mitnehmen... Und dann könntest du dich auch über uns lustig machen.“

Abrupt ließ Reno den anderen los und wandte sich ab, um in die andere Richtung davon zu gehen. Zaghaft drehte sich Juan um, nur damit er dem Blonden noch einen Moment hinterher sehen konnte.

Ausflugsbeginn

Romeo und Julius
 

Kapitel 12 - Ausflugsbeginn
 

Einmal atmete Juan tief durch, bevor er auch auf den Hacken kehrt machte. Wieso sollte er Reno jetzt auch hinterher laufen? Es war nicht seine Pflicht, das zu tun! Sie waren doch nicht einmal befreundet, im Grunde könnte er es sich ja sogar fast sparen, dass er sich entschuldigte. Aber auch für was? Dass er seine Sexualität verschwiegen hatte? Nicht unbedingt ein guter Grund.
 

Einen Moment stand er dann schließlich vor seiner Haustür und wartete. Geklingelt hatte er noch nicht und eigentlich wollte er auch seiner Mutter gerade nicht begegnen. Sie würde sofort sehen, dass etwas mit ihm nicht stimmte und dann zu löchern anfangen. So setzte Juan sich schließlich auf die Verandatreppe und verharrte dort eine ganze Weile über. Zumindest konnte er so einmal nachdenken.
 

Manchmal wünschte er sich fast, dass seine Mutter endlich mal an einen anständigen Kerl geraten würde, der ihr nicht gleich nach ein paar Monaten wieder davonlief und sie sitzen ließ, nur damit sie wieder umziehen mussten. Aber eigentlich hielt es seine Ma ja ohnehin nicht lange an einem Ort aus. Früher hatte er das oft mitbekommen, auch wenn er damals noch so jung war. Nach höchstens einem Jahr ohne Mann wollte sie weg. Das ging lange so, bis es dann eben einmal klappte. Viel zu gut erinnerte sich Juan noch an diesen ersten – von ihm wahrgenommenen – Freund seiner Mutter. Der Kerl hatte sich versucht bei ihm einzuschleimen, weil wohl er das einzige Hindernis war, um an seine Ma zu kommen. Wenn man ihn erweicht und für sich gewonnen hatte, dann kam man an sie ganz leicht heran. Doch das hatte Juan nicht zugelassen, er mochte diesen Typen einfach nicht. Und seine kindliche Menschenkenntnis hatte sie wohl beschützt, nur wenige Wochen nachdem seine Mutter den Kontakt zu diesem Mann abgebrochen hatte, hatte er eine Frau und ihren Sohn getötet.
 

Langsam raffte der Junge sich hoch und schlurfte die Straße entlang. Vielleicht sollte er sich einfach einmal in der Gegend umsehen, aber dieses Mal wollte er sich nicht verlaufen. Den Weg sollte er sich also lieber merken, den er gehen würde. Immerhin war jetzt kein Reno da, der ihn wieder einsammeln und nach Hause bringen könnte.
 

„Du hast ihn als Julius gewählt und nicht ich... Meinetwegen hätten auch wir ein heißes Zungengefecht auf der Bühne aufführen können, aber du wolltest ja nicht...“

Ein herablassender Unterton lag in Jonas' Stimme, als er das sagte. Auch wenn ihn das jetzt einen wütenden Blick von Seiten des Blonden einbrachte. Nur mit Mühe und Not konnte der sich auch zurückhalten, dass er ihm nicht einfach eine runterhaute.
 

„Lass mich doch zufrieden“, maulte Reno schließlich nur. Durch Zufall hatte er Jonas getroffen, und jetzt saßen sie nebeneinander am Straßenrand. Reno hatte ihm erzählt, was mit Juan vorgefallen war, und jetzt zog der Braunhaarige nur darüber her. Scheinbar fand er es ziemlich lustig, dass sie sich schon so früh mehr oder weniger zofften. Ja, es war sogar ein richtiger Spaß für ihn.
 

„Ich weiß schon, du hast Angst vor Maria, dass sie dir eine knallt, wenn sie uns beim Knutschen erwischt. Aber ich könnte mir kaum vorstellen, dass sie sehr ausrasten würde... Immerhin steht sie auf dieses... ähm... wie heißt das nochmal... Ya... Ya... Ach, eben dieses Rumgeschwuchtel in diesen japanischen Comics... Du weißt schon, was ich meine.“

Leicht irritiert blickte Reno seinen Theater-Kollegen an. Er wusste nicht über was er redete, aber er war auch nicht so eng mit Maria befreundet. Somit kannte er auch nicht ihre Vorlieben und mit Manga – über die redete Jonas wohl auch – kannte er sich erst recht nicht aus. Ihm war das eigentlich viel zu kompliziert zu lesen. Von hinten nach vorne... Da müsste er sich beim Lesen ja auch noch konzentrieren.
 

„Zumindest musst du keine Angst haben.“

Leicht tätschelte Jonas Reno den Kopf, was diesen schon etwas störte, sodass er die Augen zu Schlitzen verengte. Es gab Momente, in denen er Jonas wirklich leiden konnte und welche, in denen er ihn einfach nur für unausstehlich hielt. Dies war gerade ein solcher und am liebsten würde er jetzt dem Braunhaarigen den Hals umdrehen. Aber er verkniff es sich einfach einmal.
 

„Ich wollte ihm nur eine Chance geben...“, murmelte Reno schließlich und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Mehr sollte es nicht sein, einfach eine Chance. Obwohl es womöglich wirklich besser gewesen wäre, wenn er einem Neuling an ihrer Schule besser eine kleinere Rolle gegeben hätte. Aber jetzt einfach tauschen und doch Jonas nehmen? Es wäre unfair gegenüber Juan, bis jetzt hatten sie ihn immerhin nur in dieser einen Stelle schauspielern sehen. Vielleicht war er ja wirklich gut.
 

„Wir werden ja sehen, was er daraus macht.“

Etwas lustlos erhob sich Jonas schließlich, bevor er sich herzhaft streckte. Mit einer knappen Handbewegung deutete er Reno auch an, dass er sich jetzt verabschieden wollte, nur nahm ihn der andere so gar nicht wahr. So ging Jonas noch einmal neben ihm in die Hocke.

„Ich muss los... Stell keinen Blödsinn an.“

Erst jetzt drehte der Blonde wieder seinen Kopf zu dem anderen, der ihn mit gehobener Augenbraue ansah und wohl auf eine Antwort wartete.
 

„Ist okay...“

Langsam stand auch der Blonde wieder auf und ließ nun seinen Blick etwas irritiert hin und her schweifen. Jonas gab ihm noch einen Klaps auf die Schulter, bevor er sich endgültig verabschiedete und in Richtung einer der – fast schon – unzähligen Nebenstraßen der Sunrise Terrace verschwand. Auch Reno wollte sich auf den Weg nach Hause machen. Wenn er wirklich mit ein paar Freunden noch um die Häuser ziehen wollte, dann sollte er sich noch etwas schick machen. Heute Nacht würde wirklich ein Typ abgeschleppt, mit dem er im Bett landen wollte. Endlich einmal.
 

„Sei aber vorsichtig!“

Es war das Letzte, was Juan für diesen Abend von seiner Mutter hören wollte, als er die Autotür hinter sich zuschlug. Nicht unbedingt recht fest, aber seine Ma würde verstehen, dass er jetzt so etwas nicht unbedingt hören wollte. Immerhin war er auch keine zwölf mehr und konnte auf sich aufpassen. Und wenn sie wüsste, wo er sich schon rumgetrieben hatte, dann wäre es ihr wahrscheinlich eher peinlich, dass sie ihm es noch extra sagen musste, dass er vorsichtig sein sollte.
 

Langsam schlurfte er die Straße entlang, als der Wagen seiner Mutter endlich weg war. Nach seinem Geschmack eindeutig das falsche Viertel für ihn. Vielleicht hätte er doch lieber Reno fragen sollen, ob sie ihn mitnahmen. Doch dann hätte er ihm auch gestehen müssen, von welchem Ufer er war. Nur war es ihm irgendwie peinlich es jemanden zu sagen. Die Angst war einfach immer, dass ihn jemand deswegen auslachen könnte, obwohl er sich mit so etwas gerade bei Reno wohl keine Sorgen machen müsste.
 

„Hey, Tunte!“, rief da auf einmal jemand und sein Blick schweifte sofort in die Richtung, aus der der Ruf kam. Doch es war gar nicht an ihn gewandt, sondern an einen jungen Mann, der einige Meter von ihm entfernt stand. Der fuhr sich aber nur locker durchs dunkle Haar und drehte sich zu demjenigen, der ihn da wohl beleidigt hatte.
 

„Was ist, Freak?“

Tiefe, verrauchte Stimme und ein Blick, der schon andeutete, dass man ihn nicht unbedingt dumm anmachen sollte. Juan schluckte. So könnte er nie reagieren, wenn man so etwas irgendwann zu ihm einmal sagte.
 

„Verzieh dich in dein Viertel! Hier ist keiner, der sich von dir ficken lässt!“

Kurz ließ Juan seinen Blick über den anderen Mann schweifen, doch dann sah er wieder zu dem anderen. So recht wusste er nicht, an was man erkennen sollte, dass der schwul war. Für ihn sah er aus, wie jeder andere auch. Genau so, wie es auch bei Reno war. Nicht einmal im Traum wäre ihm eingefallen, bevor Sina es ihm gesagt hatte, dass der Blonde ein Homo war. Nie im Leben.
 

„Ich dachte eigentlich ja, dass das hier ein freies Land ist und selbst ich machen könnte, was ich wollte... Aber ich wollte ohnehin gehen. Unter solchen Arschheten halt ja nicht mal ich es aus...“

Es dauerte keinen Augenblick, da hatte er schon auf den Hacken kehrt gemacht und stolzierte davon. Das sah Juan jetzt als seine Chance an. Wenn er schon wissen wollte, wo er hin musste, dann müsste er dem ja nur folgen. Einfacher ging es ja fast nicht.
 

„Mann, hier werde ich keinen für mich finden...“, maulte Sina lautstark und einige verwirrte Blick fielen auf sie. Vor allem Blicke von jungen Männern, die sich dann aber kopfschüttelnd wieder abwandten. Leicht verdrehte Reno die Augen und auch Zoe und Uma deuteten an, dass ihr die Reaktion des Mädchens nicht gerade passte.
 

„Wenn du einen Kerl haben willst, bist du hier völlig falsch“, meinte Uma und legte einen Arm um ihre Freundin, „denn hier wollen sie nichts von dir... Egal wie gut du aussiehst.“

Leise kicherte Zoe und stimmte wohl damit der Größeren von ihnen beiden zu.
 

Jungs standen hier auf Jungs und Mädchen auf Mädchen. Gelegentlich sah mal ein Mann eher wie eine Frau aus, aber es interessierte niemanden wirklich. Hier, in dieser einzigen Straße – es war nicht nur eine einziger Club, wie Juans Mutter meinte – von Pismo Beach, war es das Normalste von der Welt und ein Typ der eine Frau küssen würde, wäre sogar regelrecht anwiderungswürdig.
 

„Ich bin so nett und komm mit und ihr macht mich nur dumm an...“, grummelte da aber auch schon Sina. Zur Beschwichtigung legte Reno ihr einen Arm um die Schultern.

„Vielleicht findest du ja einen Bien, der dich haben will... Jonas und Maria wollten immerhin auch noch kommen...“

Als ob es ein Signal gewesen wäre, tauchten da auch schon besagte beiden vor den vier Jugendlichen auf.
 

„Sorry, wir sind zu spät, aber die Madam hat zu lange gebraucht... Und meine Karre ist nicht angesprungen...“

Jonas hätte es wohl nicht sagen sollen, da ihm da die Braunhaarige schon einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben hatte und schon zu einer Predigt ansetzten wollte, doch Sina packte sie am Arm und zog sie hinter sich her.

„Endlich jemand, der halbwegs auf meiner Seite ist“, flötete sie und erhielt erneut verwirrte Blicke von den umstehenden Passanten. Mit der Zeit würde man sie wohl für irre erklären. Zumindest hier.
 

„Kommt ihr jetzt?“

Leicht wandte sie sich wieder zu den anderen Vieren um, die sich – nach einem kurzen Blickewechsel – auch in Bewegung setzten.
 

Es würde nicht recht einfach werden in eine der Bars zu kommen, vor allem in ihrem Alter. Aber man müsste sich ja nur einen netten Mann anlachen, mit dem käme man überall rein. Nur leider recht schwer, wenn man nur mit einem Singel unterwegs war und der gerade in Sachen Flirten eine Niete war. Doch zumindest versuchen konnte er es immer wieder einmal.
 

So marschierten sie eine ganze Weile lachend und herumalbernd durch die Straße. Immer wieder hielt Reno nach einem Kerl Ausschau, der vielleicht sein Typ sein könnte. Aber statt so jemanden zu finden, fiel sein Blick auf eine andere Person. Er blieb abrupt stehen und musterte sie irritiert aus der Ferne. An irgendjemanden erinnerte ihn dieser Kerl, zumindest dachte er, dass es einer war. Normalerweise hatten ja Frauen keine so breiten Schultern und es gab ja auch Männer mit langen Haaren. Aber was ihn am meisten zu der Annahme brachte, dass das kein weibliches Wesen sein konnte, war, dass dieser jemand eindeutig einen Mann küsste. Heteros liefen hier ja nicht viele herum und rummachen würden sie erst recht nicht.
 

Reno neigte den Kopf leicht zur Seite, als seine Freunde endlich auch einmal bemerkten, dass er nicht mehr neben ihnen lief. Als Erste stand Sina wieder neben ihm und folgte seinem Blick, nur eine Sekunde später hob sich abrupt eine ihrer Augenbrauen.

„Könnte das... Juan sein?“, wollte sie wissen und sprach damit wohl auch die Frage aus, die Reno auf der Zunge lang. Aus der Entfernung konnte es keiner von beiden erkennen.

Partytime

Kapitel 13 – Partynight
 

Man könnte gerade zu meinen, dass Juan diesem Kerl die Zunge nur so tief in den Hals steckte, um ihn damit vielleicht zu ersticken. Doch bei einem Fremden müsste er das ja wirklich nicht machen und erst recht nicht bei einem, der ihn hier hergebracht hatte. Die ganze Zeit war der Junge hinter dem Typen her, der sich noch vor kurzem mit der Hete mehr oder weniger gestritten hatte. So ganz war er sich nur nicht darüber bewusst, wie auffällig er sich eigentlich verhielt. Erst als der um mindestens zehn Jahre ältere Mann sich zu ihm umdrehte und ihn fragte, was er denn vorhätte, wurde ihm das überhaupt richtig bewusst. Überschwänglich hatte er sich schließlich entschuldigt und auch sein Anliegen gleich mit erwähnt. Somit waren sie ins Gespräch gekommen, wobei ihm der andere mit der Zeit etwas auf die Pelle rückte. Nicht unbedingt etwas, was Juan störte.
 

So lehnten sie hier jetzt an der Wand und küssten sich innig, als ob sie sich schon seit Wochen oder gar Monaten kennen würden. Abrupt löste sich jedoch der Jüngere, mit der Zeit war er in einen solchen Trance-Zustand übergegangen, dass er fast vergessen hatte zu atmen, und jetzt brauchte er dringend Luft.
 

„Du bist doch wirklich eher ein Top...“, murmelte der Ältere und legte die Arme locker um Juans Schultern. Eigentlich hörte er es nicht gern, wenn man ihn als den aktiveren Part bezeichnete. Er war flexibel und ließ sich gerne einfach auf sein Gegenüber ein. Wenn der eher aktiv war, dann konnte er auch passiv sein oder umgekehrt. So recht wollte er sich bei so etwas nicht festlegen, weiß Gott auf welchen Typen er einmal treffen könnte – der wirklich etwas für ihn empfand – und dann würde es am Ende an solchen Lappalien scheitern.
 

Da tippte ihn auf einmal jemand an und ohne zu überlegen, drehte er den Kopf herum. Das Einzige, was er jetzt aber noch tun konnte, war zu schlucken. Reno stand vor ihm und verstand wohl gerade die Welt nicht mehr.

„Hm... der werte Herr ist wohl doch schwul...“, grummelte der Kleinere und zog die Augen zu Schlitzen zusammen. Abwechselnd schweifte Juans Blick zwischen dem Blonden und seiner Begleitung hin und her.
 

„Würde dich ja eh nichts angehen“, maulte er schließlich und versuchte mit Mühe und Not den Blick des anderen zu erwidern. Da löste sich aber auf einmal der Kerl, den er noch vor einem Moment geküsst hatte, von ihm.

„In euren Kindergartenstreit will ich mich dann mal nicht einmischen...“
 

„Shit“, zischte Juan kaum hörbar und wollte dem jungen Mann schon hinterher, als dieser von dannen zog, doch Reno hielt den Schwarzhaarigen einfach fest und drehte ihm den Arm herum. So musste dieser unweigerlich stehenbleiben. Sein Atem hatte beschleunigt, wahrscheinlich aber auch nur, weil gerade eine Menge Adrenalin in seinem Körper mitwirkte. Abrupt begann er sich zu wehren, nur fiel ihm das gar nicht so einfach.
 

„Mit solchen Typen sollte man sich nicht unbedingt abgeben... Die wollen nur kleine Jungs... wie dich.“ - Ein kurzes Grinsen huschte über Renos Gesicht. - „Die nimmt man nur, wenn man in einen Club reinkommen will. Ansonsten verziehen wir uns in einen Twinkie-Club, ist besser für uns...!“

Im ersten Moment reagierte Juan überhaupt nicht auf das, was Reno sagte, doch dann endlich schlurfte er hinter ihm her mit zu den anderen.
 

„Juan!“

Verwirrt blickte Sina den von Reno Angeschleppten an, doch dann schweifte ihr Blick zu ihrem besten Freund, und sie hob abrupt eine Augenbraue. Die Frage, die Sina stellen wollte, war ihm schon klar.

„Wir nehmen ihn nur zur Sicherheit mit... Dem passiert ja sonst noch was.“

Keinen schien es wirklich zu stören, außer Jonas. Sein Blick hatte sich schon verfinstert, als Juan mit Reno zu ihnen rüberkam. Seine Einstellung zu dem Neuen war nicht unbedingt schlecht, auch wenn er es gerade gegenüber Reno anders aussehen lassen wollte. Wirklich so sehr war er nun auch nicht mit ihm befreundet, und trotzdem wollte er sich doch gut mit ihm stellen.
 

„Reno...? Du bist richtig anhänglich...“

Es war wirklich nicht mehr als einer der Twinkie-Clubs geworden. Kaum einer war älter als 25 – wenn es überhaupt jemanden gab, der so alt war.

Gerade hatte Reno Juan von hinten umarmt und hing ziemlich unbeholfen an dem Größeren, der noch – im Gegensatz zu Reno – ziemlich nüchtern wirkte.
 

„Ich bin nicht anhänglich... Ich tanze... mit dir...“, murmelte der Blonde und hauchte dem anderen einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

„Tanzen nennst du das also? Du kippst doch gleich um!“, kommentierte Juan aber schließlich und löste sich dann auch etwas mühsam wieder von dem Kleineren, der abrupt eine Schnute zog. Das ignorierte er aber einfach ganz gekonnt und brachte ihn wieder zurück zu dem Rest ihrer kleinen Gruppe. Bis auf Jonas waren auch alle anwesend.
 

„Dieses kleine, blöde Arschloch schmeißt sich in seinem Suff gleich mal an den erst Besten ran“, grummelte die gereizte Freundin des Fehlenden. Obwohl der Club recht voll war, konnte sie wohl Jonas noch immer in der Menge entdecken, da ihr wütender Blick starr auf ihn gerichtet war. Wie sie gesagt hatte, klebte er geradezu an einem Typen, mit dem er nicht unbedingt 'normal' tanzte.
 

Juan hatte sich mit seinem Anhängsel neben Sina gestellt, die ziemlich gelangweilt aussah. Wenn sie zu Hause geblieben wäre, hätte es für sie noch interessanter sein können. Als die Einzige, die hetero war, konnte es aber eben nur so sein. Doch auch für Zoe und Uma interessierte sich so recht niemand. Schwulenclub eben.
 

Kaum dass er sie bemerkte, schmiegte sich nun Reno an seine beste Freundin und ignorierte nun Juan völlig.

„Langeweile?“, fragte er leise und sie nickte, bevor sie herzzerreißend seufzte.

„In 'ner Heten-Disco ist mir das auch immer“, murmelte er und sein Blick schweifte langsam hin und her, bis er an Juan hängen blieb, den er nun mit leicht zusammengezogenen Augen ansah. Verwirrt erwiderte der andere nur den Blick und verstand gerade die Stimmungsschwankungen überhaupt nicht.
 

„Der wäre doch was für dich...!“

Sina deutete auf einen jungen Mann um die Zwanzig, der wohl ohne Begleitung unterwegs war. Sofort war Reno wieder – scheinbar – um ein paar Promille nüchterner und stolperte auf den Typen zu.
 

„Er ist komisch...“, meinte Juan, als er nun zu Sina aufgerückt war. Irritiert sah sie ihn an, bevor er weiter sprach: „Wenn wir nur zu zweit sind, ist er richtig nett. Aber kaum ist wer anderes, den er kennt, in der Nähe, kann er mich nicht mehr ausstehen.“

Kurz lachte Sina auf, wahrscheinlich wusste sie, was mit ihrem Freund los war.

„Ganz normal... Er will nur nicht zeigen, dass er dich mag. Zumindest nicht vor anderen... Und... ich kann mir vorstellen, dass er eigentlich nur so ist, wenn ich dabei bin...“
 

Verwirrt blickte Juan das Mädchen an und meinte dann: „Wie kommst du... darauf?“

Er hatte keine wirkliche Idee, wieso das gerade dann so sein sollte. Immerhin würde es sicher nicht so sein, dass Reno auf Sina stand. War ja auch etwas unmöglich, außer wenn er doch wieder das Ufer wechseln wollte. Womöglich seinen Eltern zu Liebe. Dann war es aber wirklich unmöglich.
 

„Och... Weißt du... Er kann es nicht ausstehen, wenn sich jemand zwischen uns drängen will... Da hat er dann manchmal schon Komplexe... Sozusagen verträgt er keine Konkurrenz neben sich, so als bester Freund.“

Leicht schüttelte sie den Kopf, bevor sie ihren Blick über die Tanzfläche huschen ließ. Wie gerade eben noch bei Juan, hatte jetzt Reno den jungen Mann umarmt, den sie ihm gezeigt hatte. Man konnte sehen, dass Reno betrunken war, da er sich schon eher an den anderen klammerte.
 

„Wir sollten gehen. Lange hält er nicht mehr durch...“, murmelte Sina und wandte sich schließlich an die anderen. Juan hörte gar nicht richtig hin, was sie jetzt mit den drei Mädels redete. Mehr war er auf Reno fixiert, dessen schmaler Körper sich an seinen Tanzpartner drückte, der seinen Hals vorsichtig küsste.
 

„Juan...? Juan!“

Erst jetzt bemerkte er, dass Sina ihn angesprochen hatte und etwas verwirrt riss er den Kopf herum.

„Ähm... Was hast du gesagt?“, wollte er verwirrt wissen.

„Wir gehen... Maria hat Jonas auch schon eingesammelt, ich hol' noch schnell Reno... Du kannst mit den anderen schon rausgehen.“

Langsam nickte er nur und folgte dann auch Uma, da sie die Einzige war, die er jetzt noch von seinen Bekannten sah. Wohl aber auch nur, weil sie etwas über die Masse ragte.
 

„Ich bin doch noch topfit...“, grummelte Reno, als er nun auch wieder mit Sina an der frischen Luft war, die schon längst ihre Freunde suchte.

„Natürlich, du schwankst... und langsam lallst du auch!“

Schon bald hatte sie die anderen entdeckt und schleifte Reno hinter sich her zu ihnen. Bis auf Juan war so recht keiner von den Herren mehr richtig im Stande eigenständig zu laufen. Auch Jonas war nicht mehr unbedingt nüchtern.
 

„Scheiß Kerle“, fauchte Zoe, „können sich nicht mal in Anwesenheit von Frauen benehmen...“

Man könnte meinen, dass sie keine Männer – im Allgemeinen – mochte, dabei war sie sonst immer nur sauer, wenn sie sich grundlos betranken. Wie es - für sie - jetzt wohl auch der Fall war.
 

„Deswegen hast du ja auch mich!“

Uma legte ihr zur Beschwichtigung einen Arm um die Schultern und zog sie etwas zu sich. Im Normalfall hätten sie sich jetzt geküsst, aber das war meistens Zoe dann doch noch etwas peinlich. Gerade in der Öffentlichkeit.
 

„Ja ja, und scheiß Lesben...“, murmelte Jonas und hatte wohl nur Glück, dass es die beiden Mädchen nicht gehört hatten, da er sonst überhaupt nicht mehr hätte laufen können.
 

„Zumindest Juan ist anständig!“

Abrupt schlang Zoe die Arme um ihn und warf ihn damit fast um.

„Ich trink' nicht so viel...“, kommentierte er nur mit einem leichten Lächeln, als er sich wieder befreien konnte.
 

Ein großer Trinker – vor allem von alkoholischen Getränken – war er noch nie gewesen. Einmal ein Bier und dann war's das. Einen Rausch oder gar volltrunken war er sogar noch nie gewesen. Das könnte er sich auch gar nicht leisten, wahrscheinlich würde er dann auch bei seiner Mutter die Fassade des braven Sohnes ablegen müssen. Etwas, was Juan nicht wollte.
 

Da legte ihm Sina auf einmal den Arm um die Schultern.

„Dann solltest du öfters mit uns rumhängen, dann fängst du schon anständig zu trinken an“, meinte sie lachend und stützte sich mehr und mehr auf ihn. Kurz schweifte sein Blick zu Reno, der wohl ohne seine beste Freundin gerade recht hilflos wäre. Der Blick des Kleineren war glasig und man könnte fast meinen, dass er jeden Moment umkippen könnte. Insgeheim hoffte Juan, dass es nicht so sein würde.
 

„Weiter musst du ihn wohl jetzt mitnehmen...“, murmelte Sina, als sie vor ihrer Haustür standen. Noch vor wenigen Minuten waren sie in Umas Auto gesessen – eigentlich das ihres älteren Bruders – und hatten gequatscht und gelacht. Die Blondine musste nur in die andere Richtung und es wäre zu weit um jetzt Reno und Juan auch noch ganz nach Hause zu bringen. So hatten sie sich dazu entschlossen – eigentlich eher nur Juan –, dass sie gleich hier ausstiegen. Dadurch, dass Reno nun auch etwas nüchterner wieder war, ging es auch mit dem Laufen einfacher. Trotzdem brauchte er immer noch etwas, woran er sich stützen konnte.
 

„Du bist wirklich schlimm...“, murmelte Juan, während sie die Straße entlang gingen, Reno nicht einmal mehr so sehr schwankend.

„Irgendwie muss man ja den Mumm kriegen, damit man Typen anquatschen kann“, grummelte der Kleinere auch schon. Etwas irritiert wandte sich der andere zu ihm, da kicherte Reno aber auch schon.

„Du glaubst gar nicht wie schüchtern ich bin...“
 

Kaum dass er das ausgesprochen hatte, umarmte er auf einmal den Größeren, der im ersten Moment ganz geschockt war. Abrupt war er stehen geblieben und spürte, wie sich Reno leicht an ihn kuschelte. Nur der Rausch, mehr war das nicht.
 

„Du bist so schön warm...“, murmelte da auf einmal der Kleinere und vergrub seine Finger in Juans Shirt.

„In deinem Bett wäre es sicherlich noch wärmer...“

Es war kaum lauter, als ein Flüstern, aber Reno hatte es wohl doch gehört und blickte nun irritiert zu dem anderen.

„Willst du was damit anspielen?“ - Langsam glitten die Finger des Kleineren an den Armen des anderen hinunter. - „Willst du vielleicht mit in mein Bett? Wieder?“

Vorsichtig fuhr er wieder an Juans Schultern hinauf und hatte dabei ein freches Grinsen aufgelegt.
 

Eine ganze Weile schwieg Juan, bevor er sich von Reno löste und stumm weiter ging. Wollte er? Nein, er kannte Reno gar nicht, dann sollte er mit so etwas noch gar nicht anfangen. Was hatte er auch davon? Wieder einen One-Night-Stand, der ihn dann nicht mehr ausstehen konnte.
 

Da schlang Reno auf einmal die Arme wieder um ihn.

„Du riechst so gut...“, hauchte er ihn ins Ohr und sog seinen Geruch tief in sich auf. Doch Juan verstand gar nicht, was daran so gut sein sollte. War denn daran etwas ungewöhnlich?
 

„Das macht mich so geil...“, flüsterte Reno, ließ aber abrupt von dem Größeren ab und marschierte an ihm vorbei, bevor er ein Stück von ihm entfernt stehen blieb und den Kopf in den Nacken sinken ließ. Zwei- oder dreimal atmete er tief durch. Verwirrt sah Juan ihn an. Und jetzt?
 

„Mein Bett wäre eindeutig das Beste jetzt für mich.“

Der Blonde wandte sich um und erhielt ein langsames Nicken zur Antwort.

Nächtliches

Kapitel 14 - Nächtliches
 

Den Rest des Heimweges über hatte sich Reno aufgeführt wie ein verliebtes Schulmädchen. Fast schon krampfhaft hatte er sich an Juans Arm geklammert, wodurch man fast meinen könnte, dass er noch fünf Zentimeter kleiner war. Juan war es peinlich, verdammt peinlich, obwohl um diese Uhrzeit niemand mehr auf der Straße war und demnach sie von niemand gesehen werden würden.
 

„Du riechst wirklich irre gut...“, murmelte der Kleinere ein weiteres Mal und erneut verwirrte es Juan. Er verstand einfach nicht, was an seinem Geruch so toll sein sollte. Es gab doch nichts Besonderes daran.
 

„Ganz leicht nach... hm... Sonnenblumen...“

Juan zog die Augenbrauen zusammen. Sonnenblumen? Der Alkohol hatte wohl einige von Renos Gehirnzellen gekillt. Anders konnte es gar nicht sein. Vielleicht war Reno auch kurzum einfach verrückt. Die Idee ließ Juan kurz auflachen, was seine – immer noch recht angeheiterte – Begleitung nicht ganz so glücklich stimmte.
 

„Mach dich nicht über mich lustig!“, zischte der Blonde und löste sich abrupt von dem anderen. Unbeholfen torkelte er einige Schritte nach vorne und blieb dann abrupt stehen, bevor er zusammen sank. Verwirrt sah er sich um, als ob er nicht wüsste, was passiert war. Der andere war stattdessen schon zu ihm geeilt und wollte ihm aufhelfen, Reno zog aber sofort seinen Arm weg.

„Ich kann das alleine“, grummelte er und raffte sich mühsam wieder hoch. Leicht schüttelte er den Kopf, ehe er diesen langsam erneut hin und her wandern ließ.
 

„Sind wir überhaupt noch richtig?“, wollte er schließlich wissen und wandte sich zu Juan um, der auch nur unwissend dreinschaute. So recht hatte keiner von ihnen darauf geachtet, wo sie hinliefen. Juan würde sich ohnehin nicht gut auskennen und im Moment war sich darüber auch Reno nicht sicher. Immer wieder schweifte sein Blick umher, als ob er versuchen würde, dass ihm endlich etwas bekannt vorkam.
 

„Fuck... Wir haben uns verlaufen...“, murmelte er nach einiger Zeit und blickte hilflos zu dem Größeren. In der Dunkelheit – obwohl die Straßenlaternen an waren – wirkte jedes Haus wie das andere. Jede Fassade schien im selben Grauton gestrichen zu sein. Das machte Reno Angst. Schmerzhaft rammte er sich die Fingernägel in die Handflächen, nicht bis es blutete, aber es hinterließ tiefe Abdrücke.
 

„Wir werden schon heim finden“, erwiderte schließlich Juan. Mehr als zu weit gelaufen oder einfach in die falsche Richtung konnten sie nicht, also wäre umdrehen die einfachste Lösung. Doch abrupt klammerte sich Reno wieder an seinen Arm. Er wimmerte.
 

Für Fremde oder Leute, die ihn nicht gut kannten, war es seltsam, wenn Reno plötzlich in der Nacht oder Dunkelheit – vor allem wenn er draußen war – Angst bekam. Auch Juan verstand nicht, was plötzlich los war, etwas besorgt blickte er den anderen nur an.
 

„Ich bring dich heim“, flüsterte er schließlich Reno ins Ohr. Dadurch nahm der Kleinere wieder seinen Geruch war, den er so schön fand. Reno mochte Sonnenblumen. Wenn sie groß genug wurden, waren sie so standfest, um Wind und Wetter aushalten zu können. Er selbst war doch klein und hilflos.
 

Juan fragte nicht, was los war. Löste sich nur schließlich langsam von Reno und nahm ihn an der Hand. Wären sie jünger – um einiges jünger –, würde es ziemlich normal aussehen, aber in ihrem Alter wirkte es... kindisch. Aber es musste sie ja nicht interessieren. Langsam schmiegte sich Reno an den Größeren und begann irgendwann sogar seinen Kopf an dessen dunkler Jacke zu reiben. Juan störte es nicht, nein, er mochte es sogar.
 

Es war noch ein ziemlich langer Fußmarsch, bis sie endlich zu Hause waren. Bis dahin hatte es auch zu regnen angefangen, weswegen sich Reno krampfhaft an seine – eben so wie er selbst – klitschnasse Begleitung klammerte und zitterte.
 

„Soll ich dich noch schnell rüber bringen?“, wollte Juan wissen und erwartete schon alles, nur nicht dass Reno den Kopf schüttelte und ihn abrupt losließ. Irritiert blieb er auf dem Gehweg stehen und sah dem anderen hinterher, bevor er langsam auch zur Haustür trabte. Er musste nicht einmal lange warten, bis ihn seine Mutter nach dem Klingeln die Tür auf machte. Sie hatte sich Sorgen gemacht, da war er sich sicher, auch wenn sie gerade nicht so wirkte.
 

„Ich geh gleich ins Bett...“, meinte er, ohne sie überhaupt richtig begrüßt zu haben, als er sich schon an ihr vorbei zwängte. Langsam stapfte er die Treppe nach oben. In seinem Zimmer angekommen, wollte er nur noch die nassen Klamotten vom Leib. Alles landete achtlos auf dem Boden und schon im nächsten Moment kroch er unter die Bettdecke, wo er sich auch gleich zusammenrollte.
 

Die ganze Zeit hatte er nicht bemerkt wie kalt ihm überhaupt war. Erst jetzt wurde es ihm bewusst, da er wieder im Warmen war. Vielleicht lag es auch daran, dass Reno weg war? Neben ihm wollte er stark sein und vor allem wollte er ihn wärmen. So ein komisches Gefühl in der Magengegend hatte er noch nie bei jemand. Zumindest nicht so intensiv.
 

„Reno...“, murmelte er noch, bevor er einschlief.
 

Währenddessen lang Reno auf seinem Bett und fuhr mit dem Finger immer wieder über sein Schlüsselbein. Wie in Trance starrte er an die Decke und hoffte wohl, dass dieses seltsame Gefühl weggehen würde. Er kannte es zu gut und das erste Mal, dass er es gespürt hatte, brachte es nur Unglück über ihn. Sein Ex-Freund – wenn er ihn überhaupt als einen solchen bezeichnen wollte - hatte es ihm verschafft, weswegen er das gar nicht mehr erleben wollte. Lieber würde er ohne jegliche Liebe leben, als sich noch einmal in so etwas zu verrennen.
 

Seufzend rollte er sich auf die Seite und wollte jetzt eigentlich schlafen. Doch in seinem Kopf schwirrte so viel herum, was ihn wach hielt. Mühsam setzte er sich wieder auf und lauschte einen Moment, nichts war zu hören. Eigentlich hatte er gar nicht darauf geachtet, ob seine Eltern schon zu Hause waren. Es kam nicht mehr oft vor, dass sie einmal alle drei gleichzeitig im Haus waren. Wirklich interessieren tat es ihn auch nicht, ob sie jetzt hier waren oder nicht. Wirklich interessieren taten sie sich doch für ihn auch nicht. Er wäre so oder so allein.
 

Langsam stand Reno auf und tapste ans Fenster. Nur einen Moment später wandte er sich aber wieder ab und marschierte in die andere Richtung. Kurz darauf hockte er vor dem geöffneten Kühlschrank. Hunger hatte er, doch so recht wusste er nicht auf was.
 

„Du bist noch wach?“

Abrupt zuckte Reno zusammen. Zu genau wusste er, wer hinter ihm stand. Sein Vater. Den musste er wirklich nicht gerade jetzt sehen. Er verstand ihn doch noch weniger, als seine Mutter. Wahrscheinlich lebten aber sie auch einfach nur aneinander vorbei. Keiner wollte den anderen wirklich verstehen. Auch Reno konnte das nicht leugnen. Viel zu selten hörten sie sich gegenseitig zu. Sie wussten ja nicht einmal mehr richtig, was sie gegenseitig übereinander dachten.
 

„Hm...“, gab Reno leise von sich und raffte sich schließlich auch wieder hoch. Er warf seinem Vater einen kurzen Blick zu, bevor er die Küche wieder verließ. Zwar immer noch hungrig, aber jetzt war es ihm auch egal, bis morgen früh würde er es auch noch aushalten. Vielleicht wüsste er dann auch überhaupt, was er wollte.
 

Erneut lag er dann in seinem Bett und starrte an die Decke. Der Schlaf wollte ihn einfach nicht übermannen, dabei war es doch schon gegen halb fünf, wie er gerade eben unten auf der Küchenuhr gesehen hatte. Der Marsch nach Hause hätte ihn doch eigentlich müde machen müssen. Eigentlich. Immer wieder rollte er sich hin und her und kam einfach nicht zur Ruhe. Er wollte hier nicht alleine liegen.

Er wollte zu... Juan.
 

Langsam schüttelte er den Kopf. Was dachte er überhaupt? Juan wollte ihn doch sicherlich gar nicht. Niemand wollte ihn. Joe hatte es ihm doch vor zwei Jahren bewiesen, wie wenig er wert war. Er war damals nur ein Spielzeug gewesen, wenn nicht gar noch weniger.
 

Oft dachte er nicht mehr an Joe und wenn, dann nur daran, was er ihm angetan hatte. Es war so, als ob er manchmal völlig vergessen hätte, wie schön es doch mit ihm auch gewesen war. Leider wusste er aber auch zu gut, dass es alles nur Fassade war. Nichts was er ihm gesagt hatte, war je ernst gemeint. Keines der lieben Worte.
 

Abrupt setzte sich Reno auf und drückte die Haut am Nasenbeinansatz zusammen. Er wollte nicht mehr daran denken. Nie mehr. Es zerriss ihn nur innerlich. Auch jetzt spürte er es wieder, wie ihm das Herz wehtat. Damals war es genauso und wenn Sina ihm nicht geholfen hätte, dann wäre er in seinem Schmerz versunken und nie wieder hochgekommen. Wirklich bedankt hatte er sich deswegen bei Sina aber auch noch nicht und so recht hatte sie es auch nicht erwartet. Damals hatte sie es gerne getan, dass sie ihn trösten konnte und durfte. Sonst hatte er niemanden an sich ran gelassen. Bis heute redete er nur mit ihr über seine Probleme, wenn überhaupt.
 

Leise stand er ein weiteres Mal in dieser Nacht auf und verließ erneut sein Zimmer. Ohne groß darauf zu achten, ob man ihn hören könnte, stapfte er die Treppe nach unten und angelte sich das schnurlose Telefon mit dem er sich ins Wohnzimmer verzog. Seufzend machte er sich auf der Couch lang und überlegte. Sina hatte einmal gesagt, er könnte sie jederzeit anrufen, wenn er reden wollte. Ob das wohl auch für diese Uhrzeit galt?
 

Doch bevor er überhaupt dazu kam ihre Nummer zu wählen, schreckte er hoch. Deutlich hörte er wie jemand die Treppe herunter kam. War er also etwas zu laut gewesen? Jetzt auch egal. Er rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Fest drückte er das Telefon an sich.
 

Leise wurde die Wohnzimmertür geöffnet und Reno hörte nur ein Seufzen. Aus irgendeinem Grund zeichnete ihm das ein Lächeln auf die Lippen. Seine Mutter machte sich immer noch um ihn Sorgen, nur wagte sie es nicht, irgendetwas gegen seinen Vater zu sagen. Wenn er ihn schlug, sah sie nur tatenlos zu. Zwar waren es nur Ohrfeigen, aber sie taten weh, als würde er auf ihn einprügeln. Nicht körperlich, aber es schmerzte auf Renos Seele.
 

„Du schläfst doch nicht wirklich...?“

Vorsichtig berührte sie seine Schulter. Er selbst rührte sich nicht, sollte sie doch denken, dass er schlief. Leise seufzte sie schließlich und ließ ihn wieder allein. Kaum dass er hörte, dass sie wieder nach oben ging, setzte er sich auf. Nachdenklich blickte er auf das Telefon, das immer noch in seiner Hand lag. Langsam ließ er es nun zu Boden sinken. Es hätte doch keinen Sinn Sina jetzt zu stören, sicherlich wollte sie schlafen und nicht sein Geheul anhören. Etwas unbeholfen machte er es sich wieder auf dem Sofa bequem und versuchte zu schlafen, was nicht so recht gelang. Jede Nacht fühlte er sich einsam, wenn er alleine in seinem Bett lag, doch heute war es besonders schlimm. Dabei lag er nicht einmal dort oben.
 

Leise seufzte Reno und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Sein Seufzen ging mit der Zeit in ein Schluchzen über, durch das er sich selbst in den Schlaf wiegte. Keinen wirklich schönen Schlaf.
 

Fröhliches Vogelgezwitscher weckte den Blonden am nächsten Morgen wieder, kaum das er wirklich viel geschlafen hatte. Sein Blick schweifte zu der Wanduhr, die ihm gegenüber hin. Kurz nach neun Uhr. Er rollte sich wieder auf die Seite und wollte weiter schlafen, doch plötzlich klingelte es an der Haustür. Mühsam raffte er sich auf und ging in den Gang hinaus.
 

„Hey du!“, begrüßte ihn ein wieder recht gut gelaunter Juan. Doch seine Freude verflog schnell, als er den fertigen Gesichtsausdruck des anderen sah.

„Geht's dir nicht gut?“

Reno schüttelte zuerst nur langsam den Kopf und meinte dann leise: „Nur etwas wenig geschlafen...“
 

Vorsichtig strich Juan dem anderen über die Wange, der abrupt zusammenzuckte. Noch im selben Moment zog Juan vor Schreck die Hand zurück.

„Tut dir was weh?“

Sofort schüttelte der Kleinere den Kopf, wich aber auch einige Schritte zurück. Seine Knie zitterten. Irgendetwas stimmte gerade eindeutig nicht mit ihm. In seinem Kopf herrschte zu viel Chaos um zu wissen, was es sein könnte.
 

„Brauchst du jemanden zum Reden?“, wollte Juan schließlich wissen und legte leicht den Kopf schief. Dieses Mal nickte Reno. Es wäre das Beste für ihn jetzt einfach mal wieder jemanden alles zu erzählen, was ihm auf dem Herzen lag. Zwar wäre dafür Sina womöglich wirklich besser geeignet, aber gerade war ihm jeder recht.
 

„Kennst du vielleicht auch ein ruhiges Örtchen, wo wir uns unterhalten können?“

Vorsichtig nickte Reno erneut.

„Weit?“

Dieses Mal schüttelte er den Kopf.

„Na dann gehen wir zu Fuß...“

Juan nahm abrupt seine Hand und wollte ihn einfach so hinter sich herziehen – ohne zu wissen, wo er hin musste – doch Reno stemmte sich gegen ihn.
 

„Ich zieh' mir erst mal Schuhe an.“

Reden wir doch

Kapitel 15 – Reden wir doch
 

Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als sie es sich in einem kleinen Park unter einem Baum gemütlich gemacht hatten. Hier würden sie nicht so schnell nass werden und könnten sich in Ruhe unterhalten, während der Regen sich an den Rändern des Blätterdaches herunter kämpfte.
 

Reno lehnte am Baumstamm und hatte die Beine an den Körper gezogen, wohingegen sich Juan lieber im Gras lang machte und darauf wartete, dass der andere zu erzählen anfangen würde. Doch gerade jetzt kam ihm nichts mehr über die Lippen. Er wollte das jetzt lieber genießen. Einfach etwas Ruhe und keinen Stress, so wie es Timo immer predigte. Viel zu selten nahm er sich das zu Herzen.
 

Leise seufzte Juan und rückte etwas weiter zu dem anderen, der ihn kaum noch wahr nahm und eigentlich nur ins Leere starrte. Über irgendetwas dachte er wohl doch ziemlich angestrengt nach. Es war, als würde er Juan doch spüren, da er sich abrupt an ihn lehnte, als er direkt neben ihm saß.
 

„Ich bin ein absoluter Vollidiot und ein Nichtsnutz... Sagt mein Dad manchmal zu mir....“

Mehr gab er nicht von sich, als ob er es erst wirken lassen wollte. Doch so war es nichts. Ihm viel einfach nicht mehr ein. Vielleicht reichte es aber auch schon, da Juan einen Arm um ihn legte und ihn vorsichtig an sich zog. Viel zu gut verstand er. Manchmal hatten ihn die Männer, die seine Mutter angeschleppt hatte, auch so genannt. Doch irgendwann hatte es aufgehört ihn zu interessieren. Sollten sie doch reden, was sie wollten. Sie wussten doch gar nichts. Nichts über ihn. Genauso wenig wie seine Mutter.
 

Juans Verhältnis zu seiner Mutter war nicht unbedingt schlecht, aber sie hatten sich dennoch auseinander gelebt. Er ging schon lange seinen eigenen Weg und wollte nicht mehr, dass sie etwas von seinem Leben unbedingt erfuhr – zumindest, solange es nicht nötig wäre. Das er nicht unbedingt nur auf Mädchen stand, musste sie erst recht nicht wissen. Es ging sie auch gar nichts mehr an.
 

Vorsichtig kuschelte sich Reno etwas enger an den Größeren. Er kannte Juan noch nicht lange und doch spürte er etwas. Er spürte, dass er ihm vertrauen konnte. Etwas, dass er schon lange nicht mehr bei jemanden gefühlt hatte – ausgenommen vielleicht bei Sina.
 

„Du bist ja richtig anhänglich“, meinte Juan grinsend und schob Reno ein Stück von sich weg. Er mochte so viel Nähe nicht und brauchte sie auch nicht. Seine Mutter hatte ihn früher auch oft in den Arm genommen. Das war lange her.
 

Abrupt fuhr Reno hoch.

„Wir sollten wohl doch wo anders hin...“, meinte er und lächelte den immer noch im Gras sitzenden Juan scheu zu. Doch da hatte dieser ihn schon an der Hand genommen und zog ihn wieder zu sich herunter. Hilflos kniete Reno nun vor dem blonden Jungen, der ihn – im Gegensatz zu ihm selbst – fröhlich und unbeholfen anlächelte.
 

„Wir haben doch so viel Zeit.“

Natürlich hatten sie die, aber Reno wollte gerade nicht mehr. Irgendetwas trieb ihn weg von hier, doch er wusste selbst nicht, was es war. Abrupt richtete er sich wieder auf.
 

„Schon... Aber hier werden wir nur nass...“, murmelte er und wollte sich schon zum Gehen abwenden. Juans Blick wanderte nach oben. Die Krone des Baumes schirmte sie perfekt vom Regen ab, nur am Rand drang Wasser darin hindurch und auch nur das Gras darunter war etwas feucht. Doch bis das bis zu ihnen vordringen würde, verginge noch etwas Zeit.
 

„Bleib einfach hier.“

Erneut zog Juan Reno zu sich, der sich nun etwas widerspenstig neben ihn setzte. Leise immer wieder schnaufend zog Reno die Beine an den Körper und legte einen Arm auf die Knie.
 

„Du hast's gut mit deiner Mutter... Sie versteht es...“

Verwirrt blickte Juan zu ihm und hob leicht eine Augenbraue.

„Was versteht sie?“, wollte er wissen, als der andere ihm schon einen kurzen Blick zu warf.

„Na ja, das du... ach du weißt schon...“

Leise seufzte Juan.

„Sie versteht gar nichts... Sie weiß ja nicht mal was davon...“, murmelte schließlich Juan. Wieder wanderte der Blick des Blonden zu ihm.

„Sie weiß es nicht?“, bohrte er und Juan nickte sofort.

„Gar nichts... Sie glaubt, dass ich bis jetzt nur was mit Mädchen hatte...“

Kurz lachte er tonlos auf. Lachte sich womöglich selbst aus.

„Immer noch besser, als das sie dich dafür hasst...“

Leise seufzte Reno und senkte den Kopf.

„Deine Eltern wissen also davon?“

Reno nickte auf Juans Frage. So oft wünschte er sich, dass sie es nicht wüssten, dass er damals die Klappe gehalten hätte. Aber jetzt war es auch nicht zu ändern. Er hatte es nun einmal getan. Leicht lehnte er sich unbewusst an Juan, der zuerst leicht zusammen zuckte, dann aber einen Arm um den Kleineren legte.
 

„Man Vater kann mich deswegen nicht ausstehen... Ich bin führ ihn überhaupt nichts mehr wert“, flüsterte Reno nach einiger Zeit, als er sich noch enger an Juan drückte. Es war ihm früher – als er noch klein war – immer sehr wichtig gewesen, dass sein Vater auf ihn stolz war. Immer wollte er der Beste sein, auch wenn es ihm kaum möglich war. Er war klein und schmächtig gewesen, wodurch er im Sport nie gut war. Doch er hatte sich angestrengt und sein Vater war trotzdem stolz.
 

Jetzt würde er das nie wieder sein, egal wie sehr er sich Mühe geben würde. Er war einfach nichts mehr wert für ihn. Nicht mehr als ein Stück Dreck.
 

„Und deine Ma?“, wollte Juan wissen. Es war normalerweise nicht seine Art, jemanden über irgendetwas auszufragen. Doch so bekam er ihn zum Reden. Alles in sich hineinzufressen konnte doch gar nicht gut für ihn sein.
 

„Sie will es sich mit meinem Vater nicht verscherzen...“, murmelte er nur und drückte sich enger an den Größeren. Mit Sina könnte er eigentlich über alles reden, doch bei diesen Thema schwieg er sonst immer bei ihr. Er wollte gar nicht darüber reden. Wieso er es Juan überhaupt erzählt hatte, wusste er nicht. Ein Gefühl hatte ihm gesagt, dass er es tun sollte.
 

„Wir sollten wohl doch langsam gehen...“, meinte da auf einmal Juan und erhob sich, wobei er Reno mit hochzog. Leicht verwirrt blickte der ihn an. Auf einmal wollte er weg. Wurde es ihm doch etwas zu nass?
 

„Wohin wollen wir denn?“

Juan kannte sich noch nicht gut genug es, eigentlich war es sinnlos ihn zu fragen, wohin sie jetzt gehen könnten. Doch da lächelte er schon.

„Sag du es mir“, meinte er.
 

Es dauerte nicht lange, bis sie in einem kleinen Café zusammen saßen. Zwar klitschnass, aber glücklich. Zumindest fühlte sich Reno so, auch wenn er nicht wusste wieso. Womöglich da ihm diese Last von den Schultern gefallen war. Es gab jemanden, mit dem er wirklich über seine Probleme reden wollte und nicht immer so fröhlich tun musste.
 

„Macht dich alles ganz schön fertig... Hm...?“, murmelte Juan irgendwann, nachdem sie sich beide etwas Warmes zu trinken bestellt hatten. Kaffee und heiße Schokolade, Reno konnte Kaffee nicht ausstehen.
 

Langsam nickte der Blonde und senkte auch schon betrübt den Kopf. Schon viel zu lange nahm es ihn mit das sein Vater ihn hasste. Es war nur noch Hass, der zwischen ihnen herrschte, auch wenn Reno eigentlich immer wieder einmal versuchte, es zu ändern. Ohne großen Erfolg.
 

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie meine Mutter darauf reagieren würde, wenn sie davon erfährt, dass ich schon mal was mit Jungs hatte...“

Jetzt senkte auch Juan den Kopf und eine ganze Weile schwiegen sie.
 

„Ich könnte mir vorstellen, dass sie es ganz gut verkraftet“, meinte Reno irgendwann und hob den Blick wieder, wobei ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen lag. Leicht beugte sich Juan über den Tisch, legte den Kopf leicht schief und sagte: „Irgendwie... siehst du süß aus...“

Abrupt wurde Reno rot, als ihm der andere schon mit dem Zeigefinger auf die Nase tippte.

„So aber noch etwas mehr!“

Grinsend sank Juan wieder zurück. Nur einen Moment später brachte auch die Bedienung ihre Getränke. Wieder schwiegen sie eine ganze Weile.
 

„Es hört gar nicht auf zu Regnen...“, murmelte Juan schließlich und seufzte einen Augenblick darauf betrübt. Er mochte zwar keine übermäßig heißen Tage, doch Regen konnte er auch nicht leiden. Irgendwie machte es ihn immer etwas traurig.
 

„Können wir zumindest noch etwas hier bleiben“, erwiderte Reno, nachdem er einen Schluck seines Getränks getrunken hatte. Mit der Zeit wärmte sich sein Körper wieder auf, auch wenn seine Kleider noch nass waren. Bis sie wieder gingen, wären aber auch die wieder trocken.
 

„Ich würde meiner Mutter auch gerne sagen, dass ich nicht so bin, wie sie glaubt... Ich hab nur vor ihrer Reaktion Angst.“

Reno blickte auf, der Ausdruck in Juans Augen erinnerte ihn an etwas. Nein! An jemanden. Womöglich an sich selbst? Hatte er nicht auch schon oft genau so geschaut? Abrupt wanderte sein Blick wieder zu Boden.
 

„Ich muss gehen...“, meinte er auf einmal und stand auf. Ohne darüber nachzudenken rannte er nach draußen in den Regen, zurück zu der Stelle, wo sie zuvor zusammen gesessen hatten. Ihm wurde wieder kalt, doch jetzt wollte er nicht mehr zurück.
 

Zitternd sank er unter dem Baum ins nasse Gras. Sein Atem raste gerade zu. Wieso war er einfach weggelaufen? Vor irgendetwas hatte er plötzlich Angst bekommen. Aber vor was nur? Langsam richtete er sich wieder auf und strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Eines, das er schon lange nicht mehr hatte und er wollte es gar nicht. Alles nur heiße Luft. Und jetzt war es ohnehin noch viel zu früh, er konnte gar nicht so fühlen, wollen tat er es ohnehin nicht. Nie wieder!

Sorgen im Regen

Kapitel 16 – Sorgen im Regen
 

Verwirrt hatte Juan Reno hinterher gesehen. Nicht im Geringsten konnte er sich vorstellen, was auf einmal los war. Hatte er womöglich etwas Falsches gesagt? Aber was? Er konnte sich gar nichts vorstellen.
 

Er verschränkte die Arme auf dem Tisch und atmete einmal tief durch. Wo war er wohl überhaupt hin? Bei dem Wetter würde er sich nur unweigerlich erkälten und wohl nicht unbedingt nur leicht. Mehr und mehr machte sich Juan Sorgen, etwas, was er sonst eigentlich nicht tat. Nicht oft zumindest.
 

Knapp deutete er der Bedienung an, dass er zahlen wolle und nur wenige Augenblicke später stand nun auch er vor der Tür des kleinen Cafés. Sein Blick schweifte hin und her, doch Reno war nicht mehr in Sicht. Weiß Gott, wo er hingelaufen war.
 

Leise seufzte Juan. Und nun? Selbst würde es ihm auch nicht gut tun, wenn er jetzt so durch den Regen lief. Trotzdem machte er sich auf die Suche nach Reno. Der Regen durchnässte wieder seine Kleider und sein Haar. Binnen weniger Minuten fühlte er sich, als ob er mit den Klamotten in einen See gesprungen wäre. Alles klebte nur so an ihm.
 

Zähneklappernd stapfte er durch die Kleinstadt und machte sich schon längst keine Hoffnungen mehr, dass er Reno finden würde. Er hatte aber auch keine Ahnung wo er überhaupt suchen sollte und zu weit sollte er auch nicht von dem Weg abweichen, durch den sie hergekommen waren. Am Ende verlief er sich noch.
 

„Juan...? Juan, bist du das?“

Er wandte sich um und erkannte Sina, die auf ihn zugelaufen kam.

„Du bist ja klitschnass...“, meinte sie, kaum dass sie vor ihm zu stehen kam. Juan zuckte nur knapp mit den Schulter. Jetzt machte es ihm auch schon nichts mehr aus.

„Und was machst du bei dem Wetter hier?“, wollte er wissen und ließ dabei seinen Blick suchend hin und her schweifen. Vielleicht entdeckte er ja Reno doch noch.

„War nur schnell einkaufen... Suchst du was?“

Sie hatte es bemerkt, wie er sich umsah.
 

„Reno...“, gab er knapp von sich, „wir waren zusammen hier, aber er ist einfach weggelaufen...“

Er klang gekränkt. Sehr sogar.

„Na wenn du so schaust.“

Verwirrt sah er Sina an, die so wirkte, als ob sie gerade zu wüsste, wieso Reno einfach weg war. Doch da klärte sie Juan schon auf: „Du schaust genauso wie er vor zwei Jahren... als er... Na ja... Ich sollte das nicht erzählen...“
 

Leicht zog er die Augenbrauen zusammen.

„Was war vor zwei Jahren?“

Wenn sie es schon nicht erzählen sollte, sollte er auch nicht fragen. Doch er hatte es einfach getan ohne wirklich darüber nachzudenken. Wenn er jetzt könnte, würde er es rückgängig machen.
 

Leise seufzte Sina.

„Er will einfach nicht, dass man darüber redet, dabei wäre es wohl recht gut, dass man ihn etwas mehr versteht...“

Sie senkte den Blick und überlegte, ob sie es Juan vielleicht doch erzählen sollte. Doch dann schüttelte er den Kopf.

„Es ist besser, wenn er es selbst tut“, meinte sie und sah wieder zu Juan auf, „obwohl das wohl länger dauern wird...“

Sie seufzte leise. Wie oft hatten sie nicht noch vor zwei Jahren darüber geredet. Gerade wenn er den Kopf an ihre Schulter drückte und heulte. Reno hatte es mit genommen, wie Joe ihn behandelt hatte. Er hatte ihm etwas vorgespielt, etwas das Reno schon so lange suchte, wie er davon wusste, dass er nicht auf Mädchen stand. Und dann ließ er ihn vor der ganzen Schule auflaufen. Noch heute konnte sich Sina viel zu gut an seinen Blick erinnern. An das Herablassende, das darin lag.
 

Erneut seufzte sie.

„Na ja, vielleicht findest du ihn ja noch...“

Sie hob leicht zum Abschied die Hand und ließ schließlich Juan etwas verwirrt zurück. Jetzt interessierte es ihn, was mit Reno passiert war. Er brannte geradezu danach, es zu erfahren. Aber einfach fragen? Wäre das nicht etwas sehr kalt? Langsam schüttelte er den Kopf. Nein, so wollte er doch gar nicht sein. Und so war er auch nicht. Früher, als seine Eltern noch zusammen waren, wäre es ihm im Traum nicht eingefallen, jemanden auf so etwas einfach anzusprechen. Damals war er aber auch noch jünger und sein Leben war noch in Ordnung.
 

Nicht so recht wissend, wo er jetzt suchen sollte, ging er los. Mit der Zeit ließ auch der Regen nach, doch es half nichts dagegen, dass er schon klitschnass war. Viel zu gut konnte er sich vorstellen, dass es Reno jetzt wohl genauso gehen würde.
 

Nach über einer Stunde recht planlos durch die Stadt Laufens gab er es auf. Es hatte ohnehin keinen Sinn mehr. Reno kannte sich doch besser aus als er und hatte sicher noch irgendwo ein verstecktes Örtchen, wohin er sich zurückzog. Somit machte er sich auf den Rückweg nach Hause. Jetzt wollte er auch in trockene Klamotten.
 

Erst auf dem Heimweg wurde Juan bewusst, wie weit er gelaufen war und dass nur weil er Reno finden wollte. So recht verstand er nicht, wieso er das gemacht hatte.
 

Langsam sank er auf die Verandatreppe, ignorierte dabei völlig, wie nass diese war, und massierte sich die Schläfe. Der Gedanke, der versuchte sich in seinem Kopf zu bilden, wollte er damit vertreiben. Das konnte gar nicht passiert sein.
 

„Hey... Juan...“

Er hob den Blick wieder. Vor ihm stand ein – eben so wie er selbst – klitschnasser Reno und lächelte etwas unsicher. Leicht verwirrt zog Juan die Augenbrauen zusammen, da sank der Blonde aber auch schon neben ihn und schmiegte sich an ihn. Für einen Moment wusste Juan nicht ganz, was gerade passierte, doch er fasste sich schnell wieder.
 

„Wo bist du gewesen?“

In seiner Stimme lag ein vorwurfsvoller Unterton, der auch für Reno nicht überhörbar war.

„Ist doch egal...“, bekam er dennoch nur zur Antwort, was ihm im Normalfall nicht ausreichen würde. Jetzt ließ er es aber bleiben, weiter zu bohren. Vielleicht lag es daran, weil sich Reno so an ihn lehnte. Oder aber, weil er etwas ganz anderes fragen wollte. Doch es kam ihm einfach nicht über die Lippen.
 

„Du bist der erste Kerl seit langem, der mich das machen lässt...“

Ein leises – fast klägliches – Seufzen kam über Renos Lippen, als er sich langsam wieder gerade hinsetzte und sich umsah. Niemand beobachtete sie, so schien es zumindest. Doch mit der Zeit wurden die Nachbarn besser und geradezu unsichtbar. Als ob sie einen Schnellkurs in Spionasche absolviert hätten. Doch wie hieß es auch so schön 'Learning by doing!' und das traf wohl oder übel auch zu.
 

Gerade als er aufstehen wollte, hielt Juan ihn fest.

„Ist doch viel zu weit zu dir nach Hause“, meinte er mit einem Augenzwinkern und er hob sich selbst.
 

Kurz darauf saßen sie zusammen in Juans Zimmer und hatten sich beide in frische und vor allem trockene Klamotten, wobei Juan Reno welche von sich geliehen hatte, gehüllt hatten.

„Ich hätte schon rüber gehen können. Das hätte mir nichts ausgemacht...“, murmelte Reno.
 

Zu Hause wäre er jetzt allein gewesen, genau das, was er eigentlich gerade wollte. Aber Juan wollte er auch nicht einfach so widersprechen. Irgendetwas hatte ihn daran gehindert. Ein Gefühl, das er schon fast geglaubt hatte, nie mehr zu spüren. Vielleicht bildete er es sich aber auch einfach nur ein. Ja, es war pure Einbildung, wie vor zwei Jahren.
 

Reno sank auf Juans Bett und glitt mit den Fingern über sein rechtes Schlüsselbein. Jetzt wusste er, was er wirklich fühlte. Hitze. Ihm war heiß. Dabei war es in dem Zimmer nicht einmal richtig warm. Juan hatte die Heizung erst etwas aufgedreht, als sie rein gekommen waren.
 

„Hey, geht’s dir gut?“

Juan beugte sich über ihn und wischte ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Leicht runzelte er die Stirn, als Reno meinte: „Ist schon alles okay...“

Langsam setzte er sich wieder auf und versuchte so seiner Aussage etwas Nachdruck zu verleihen, doch wirklich wirken, tat es nicht.
 

„Du bist aber ganz rot im Gesicht“, erwiderte Juan und die Furchen auf seiner Stirn schienen tiefer zu werden. Darauf folgte nur ein Kopfschütteln des Blonden.

„Alles okay...“, wiederholte er. Was sollte Juan jetzt schon groß tun. Wenn Reno meinte, dass ihm nichts fehlte, dann müsste er das anerkennen. Auch wenn es ihm überhaupt nicht passte.
 

„Ist mein Bett zumindest bequem?“, wollte Juan wissen, als er sich auf den Stuhl nieder ließ, der bei seinem Schreibtisch stand. Manche Leute hätten wohl an einem solchen einen supertollen Computerstuhl. So einen hatte Juan auch einmal gehabt, aber schon lange war der einmal bei einem Umzug einfach vergessen worden. Momentan hatte er sich einen Stuhl aus der Küche stibitzt, den sie auch nicht unbedingt brauchten. Oft waren sie ohnehin nur zu Zweit.
 

Leise seufzte er und das entging auch Reno nicht, der auch schon die Augenbrauen hob. Doch es sah nicht so aus, als ob er erfuhr, was den anderen gerade plagte und wieso er so einen kläglichen Laut von sich gab.
 

„Und was wollen wir jetzt anstellen?“

Als ob er völlig in Gedanken versunken gewesen wäre, hob Juan langsam den Kopf, bevor er leicht mit den Schultern zuckte. Nur einen Augenblick später schweifte sein Blick wieder zu Boden. Wieder versank er in seinen Gedanken.
 

Etwas unbeholfen stand Reno schließlich auf und schwankte – es ging ihm wohl doch nicht so gut, wie er tat – zu Juan hinüber.

„Und was ist mit dir los?“

Abrupt schreckte Juan hoch. In seinen Augen lag ein seltsam wässriger Glanz, doch schon wischte er sich darüber und als er wieder Reno ansah, war der Glanz weg. Der Blonde zog die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf leicht schief. Der prüfende Blick durchbohrte Juan geradezu.
 

„Na ja... Ein paar... ungünstige Gedanken...“

Reno wollte bei dieser Aussage – und gerade nicht bei Juans Unterton – kichern, aber es ging einfach nicht anderes.

„Ungünstig?“, fragte er, als er sich endlich wieder eingekriegt hatte, und wieder lag etwas Prüfendes in seinem Blick.

„Ist egal...“, kam prompt die Antwort, womit Reno sich auch abfinden musste. Lange konnte er sowieso nicht grübeln.
 

„Ist es hier nur so heiß oder bild' ich mir das ein...“, maulte er auf einmal und erhielt als Erwiderung erst nur einen verwirrten Gesichtsausdruck des Größeren.

„Äh... heiß? Ist doch noch arschkalt hier“, meinte er schließlich und war sich jetzt sicher, dass er sich die Röte von Renos Gesicht nicht nur eingebildet hatte. Da stimmte etwas nicht.
 

Ohne auf die Reaktion des anderen zu achten, legte er ihm eine Hand auf die Stirn. Gerade eben, bei der kurzen Berührung, als er ihm die Strähne aus dem Gesicht gestrichen hatte, hatte er die Hitze nicht gespürt, die von Reno ausging.
 

Leicht zog Juan die Augenbrauen zusammen.

„Du solltest dich etwas hinlegen...“

Doch statt auf ihn zu hören, fauchte Reno: „Führ dich nicht auf wie meine Mutter!“

Dabei war es einige Zeit her, dass sich seine Mutter solche Sorgen um ihn gemacht hatte, wahrscheinlich war es ein reiner Reflex gewesen, dass er das gesagt hatte.
 

Da wurde ihm auf einmal schwummrig und sein Kopf wurde schwer. Nur noch ein Moment, bis er den Boden traf.

Gar nicht wollen

Romeo und Julius
 

Kapitel 17 – Gar nicht wollen
 

Reno wusste nicht so recht, was passiert war, als er langsam die Lider hob. Irgendetwas Warmes lag nur um seine Bauchgegend, das er gerade nicht zuordnen konnte. Die Wärme hatte sich in seinem ganzen Körper ausgebreitet und ließ ihn sich wohl fühlen.
 

Etwas unsicher blickte er an die Decke eines Zimmer, bevor er sich langsam umsah. Er kannte diesen Raum. Ja, es war Juans Zimmer, ganz sicher. Mühsam versuchte er sich aufzurichten und löste dieses warme Ding, das um seinen Bauch herum lag. Wie er jetzt mitbekam, waren es die Arme des anderen.
 

Renos Kopf fühlte sich an, wie als wäre er Achterbahn gefahren und es hätte nur Loopings gegeben. Zaghaft stand er auf und ließ Juan liegen, der – wie es schien – tief und fest schlief. Reno wankte bis zur Zimmertür, dann spürte er geradezu, wie sich auf dem Bett etwas regte.
 

„Du bleibst schön hier...“, meinte da auf einmal Juan und bevor sich Reno versah, lag er schon wieder.

„Ey...!“, fauchte er, bemerkte aber schon einen Moment später den besorgten Blick es Schwarzhaarigen.

„Was denn?“, wollte Reno wissen und hob leicht eine Augenbraue, während er sich wieder aufsetzten wollte.

„Du bist mit Fieber umgekippt... Jetzt scheint's dir aber ja wieder etwas besser zu gehen. Hm...?“
 

Reno begann sich mit der Zeit wieder zu erinnern, was passiert war. Ja, er war weggelaufen, als er Juans trauriges Gesicht gesehen hatte. Zu sehr hatte es ihn an sich selbst erinnert, wie er vor zwei Jahren ausgesehen hatte und es tat weh. Schrecklich weh.
 

Aus irgendeinem Grund war er, als er bei sich zu Hause angekommen war und ihn gesehen hatte, zu ihm. Ein Gefühl hatte ihm gesagt, dass Juan verstand, wie er sich fühlte. Zumindest im Ansatz.
 

Juan fühlte sich seit Jahren allein, obwohl immer jemand bei ihm war. Nur nachts lag er so oft vereinsamt wach. Dabei fühlte er sich doch eigentlich nur unter Leuten wohl. Er hasste es, wenn niemand bei ihm war. Die Leere in ihm zerfraß ihn dann geradezu.
 

„Wäre besser, wenn du wieder weg bist, bevor meine Ma heim kommt... Sie ist immer etwas aufgedreht, wenn ich mal Besuch hab...“

Leicht kratzte sich Juan an der Schläfe. Eigentlich mochte er seine Mutter, sehr sogar. Doch in gewissen Momentan konnte er sie genauso sehr hassen, dabei hatte er gerade dafür keine Grund. Sie tat alles für ihn, aber vielleicht war es gerade das, was ihn aufregte. Immer wieder behandelte sie ihn wie ein kleines Kind, dabei war er das schon lange nicht mehr.
 

„Ich will aber nicht gehen.“

Gerade jetzt würde er sich zu Hause nicht wohl fühlen. Als ob er das überhaupt je tun würde. Diese Eiseskälte, die ihm entgegengebracht wurde, gerade von seinem Vater, tat ihm schon lange nicht mehr gut.
 

„Deine Eltern machen sich doch sicher Sorgen...“

Juan konnte es sich zwar nicht vorstellen, dass es so war, nachdem was er gehört hatte, aber ein Versuch war es wert, Reno dadurch zum Gehen zu bringen.
 

„Als ob es denen was ausmachen würde, wenn ich tagelang weg wäre...“ - Langsam stand er schließlich doch auf. - „Aber wenn ich gehen soll.“ - Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. - „Dann geh ich eben.“

Für einen Moment glaubte Juan nicht, dass er das wirklich hörte. Eher hätte er erwartet, dass sich Reno noch etwas weigern würde und dann vielleicht irgendwann einmal nachgeben. Doch so war es wohl nun nicht.
 

„Deine Sachen bring ich dir morgen, wenn ich meine hole... Ciao.“
 

„Reno...“, flüsterte Juan, als dieser schon längst weg war. Er hatte also wirklich einfach so auf ihn gehört und war gegangen.
 

„Wo warst du?“, schallte es Reno schon entgegen, kaum das er die Haustür aufgeschlossen hatte.

„Unterwegs...“, murmelte er nur und stapfte die Treppe nach oben in sein Zimmer. Jetzt wollte er nicht mit seiner Mutter reden. Nur noch seine Ruhe, mehr nicht.
 

Er sank auf sein Bett und blieb einige Minuten regungslos liegen. Sein Blick war starr an die Decke gerichtet. Wie Juan ihn im Arm gehalten hatte, das hatte ein Kribbeln in seiner Magengegend ausgelöst und es wollte einfach nicht aufhören.
 

Langsam setzte sich Reno wieder auf, als er Schritte hörte, die die Treppe nach oben kamen. Seine Mutter? Nein, sie war das nicht. Klang eher nach seinem Vater. Reno sank wieder zurück und heftete seinen Blick wieder an die Decke. Den Letzten, den er jetzt sehen wollte, wäre sein Vater. Sollte der doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs.
 

Wie es aussah, kam aber niemand zu ihm. Die Schritte schlurften an seinem Zimmer vorbei weiter den Gang nach hinten ins Badezimmer – wie Reno meinte. Hatte er noch einmal Glück gehabt. Vielleicht hätte er sich trotzdem gegen Juan sträuben sollen und einfach bei ihm bleiben. Womöglich würde er sich jetzt bei ihm besser fühlen, als hier so allein.
 

Da flog auf einmal etwas gegen die Fensterscheibe, das Klirren riss ihn aus seinen Gedanken und schreckte ihn hoch. Unsicher stand er auf und öffnete das Fenster. Ein kalter Wind ließ ihn kurz erschaudern, doch als er Juan sah, wurde ihm etwas wärmer. Dabei war die Temperatur in diesen paar wenigen Sekunden nicht im Ansatz gestiegen.
 

„Ich halt's alleine nicht aus...“, meinte Juan und beugte sich auf das Fensterbrett. Sein Blick wanderte zu dem schmalen Streifen Rasen hinunter, der die beiden Häuser trennte. Ein leichter Nieselregen hatte wieder eingesetzt und benetzte die Grashalme mit einem dünnen Wasserfilm.
 

„Soll ich jetzt etwa wieder zu dir kommen und dann mit dir kuscheln?“

Es lag ein leichter Unterton dabei in seiner Stimme, der nur so danach klang, dass er es gar nicht ernst meinte und doch wollte er es so gerne. Viel zu oft – meinte er in letzter Zeit – sagte er etwas, das er gar nicht so meinte. Von dem er lieber genau das Gegenteil aussprechen wollte. Und jetzt war es genauso.
 

„Nein... Na ja... Ich mein' ja nur...“

Leicht wandte sich Juan ab und dachte wohl, dass Reno vielleicht sauer auf ihn war. Verübeln könnte er es ihm aber auch nicht.
 

„Schau nicht wieder so...“

Auch Reno war nicht mehr in der Lage ihn anzusehen, nicht bei diesem Blick. Da huschte auch schon ein Lächeln über das Gesicht des anderen.
 

„Wieso kannst du es nicht sehen?“, wollte er wissen und in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der nur so auf eine Antwort brannte. Doch er würde genau darauf noch warten müssen. Noch eine ganze Weile.
 

Reno drehte sich um und setzte sich aufs Fensterbrett ohne einen weiteren Ton von sich zu geben. Irritiert hob Juan eine Augenbraue. Und nun? Es würde schwierig werden, etwas aus ihm herauszuquetschen. Dabei wusste Juan noch nicht einmal, wie stur Reno werden konnte. Aber auch erst seit den letzten beiden Jahren. Das damals hatte ihn verändert.
 

Leicht sank Reno zusammen. Wie gerne würde er das alles vergesse. Einfach diese paar Wochen vergessen, in denen es ihm so gut ging. Vielleicht könnte er dann auch die Zeit danach verdrängen.
 

„Ähm... Reno?“

Abrupt fuhr er hoch und wandte sich um. Der Blonde war wohl ziemlich in Gedanken versunken gewesen.
 

„Ich geh' dann mal ins Bett... Wir sehen uns morgen...?“

Juan wartete noch einen Moment, bis der andere langsam genickt hatte und sich verabschiedete, erst dann schloss er das Fenster. Mit einem Schwung zog er den Vorhang zu, bevor er vor dem Fenster auf die Knie sank. Etwas sagte ihm, dass er wissen musste, was Reno widerfahren war, doch ein anderer Teil in ihm, schrie geradezu danach, dass er warten sollte. Warten darauf, dass er es von sich aus sagte.
 

Mühsam raffte er sich wieder hoch und entledigte sich seinen Klamotten, die er achtlos zu Boden fallen ließ. Erschöpft glitt er auf sein Bett und verkroch sich unter der Decke. Leicht kauerte er sich zusammen. Doch nicht lange konnte er mehr über irgendetwas nachdenken, da ihn schon die Müdigkeit übermann hatte und er eingeschlafen war.
 

Reno wälzte sich noch eine ganze Weile in seinem Bett hin und her. Es wäre ihm fast über die Lippen gekommen. Nur einen Moment länger und er hätte es einfach gesagt. War sein Vertrauen in Juan etwa schon so groß? Sonst ging es eigentlich nicht so schnell, er war einfach vorsichtiger geworden.
 

Er setzte sich wieder auf und starrte in die Dunkelheit. Wieso gerade Juan? Was war an ihm anderes, als an jedem davor? Vielleicht was es Kribbeln in Renos Magengegend. Genau das gleiche Kribbeln, das auch jetzt wieder da war.
 

Er schwang die Beine aus dem Bett und stand langsam auf. Mit leisen Schritten ging auf den Gang hinaus und schlürfte nach unten ins Wohnzimmer. Ich wusste nicht recht wieso, aber auf der Couch fühlte ich mich gerade um einiges wohler.
 

„Reno...? Kannst du auch nicht schlafen?“

Er fuhr abrupt vom Sofa hoch, wo er gerade noch gelegen hatte. Zaghaft lächelte ihn seine Mutter an. Nur langsam begann er zu nicken, bevor er den Kopf abwandte und zu Boden sah. Schon lange konnten sie nicht in Ruhe reden, ohne dass sein Vater ihnen zuhörte. Eigentlich kamen sie nie wirklich dazu zu reden, wenn er dabei war.
 

Sie setzte sich neben ihn und blickte einen Moment sein Profil an, da er starr gerade aussah, bis er sich kurz zu ihr wandte und schwach lächelte.

„Du bist immer noch der hübscheste Junge der ganzen Straße...“, murmelte sie. Oft hatte sie das zu ihm gesagt, als er noch ein kleiner – normaler – Junge gewesen war. Mit der Zeit war es seltener über ihre Lippe gekommen.
 

Er erhob sich und massierte sich leicht die Schläfe, jede Bewegung folgten ihre aufmerksamen Augen.

„Wieso kannst du nicht schlafen?“, wollte sie wissen, kurz lachte er leise auf.

„Wenn ich es dir sage, dann gehst du nur wieder zu Dad, petzten...“, erwiderte er tonlos. Aber auch so – ohne direkte Antwort – würde sie verstehen. Abrupt senkte sie auch den Kopf.
 

Reno schlurfte wieder nach oben. Eigentlich hätte er sich wohl unten den Fernseher angemacht und wäre dort die ganze Nacht gesessen, aber nicht wenn sie dabei war. Alles über das sie redeten – wenn sie einmal wieder dazu kamen – hatte sie seinem Vater weiter erzählt und wenn es etwas Falsches war, dann hatte er seine Trachtprügel dafür bekommen. Nein, lieber würde er sich oben in seinem Bett wälzen und darauf warten, dass er sich für die Schule fertig machen könnte.
 

Er kuschelte sich wieder in seine Decke und starrte an die Decke. Jede Nacht das Gleiche. Immer lag er hier allein. Es war so schön neben Juan zu liegen.

Wenn man sich fallen lassen kann

Romeo und Julius
 

Kapitel 18 – Wenn man sich fallen lassen kann
 

„Reno, du hast heute mal wieder kaum geschlafen...“

Sina hatte es jedes Mal gemerkt, wenn er die ganze Nacht über wach war und immer machte sie sich dann die gleichen Sorgen um ihn. Es war nicht unbedingt eine Lappalie, wenn er nicht schlafen konnte. Irgendetwas hatte ihn dann bedrückt, sogar sehr bedrückt.
 

„Kann schon sein“, grummelte Reno als Erwiderung. Gerade wollte er einfach nicht reden. Nur die nächsten paar Stunden in der Schule überstehen und dann gleich wieder nach Hause, am besten dann auch gleich direkt ins Bett.
 

„Jetzt komm schon, Reno! Was ist los?“

Doch er antwortete nicht mehr und so wurde die Fahrt zur Schule regelrecht erdrückend. Erdrückend vor schweigen.
 

Auch auf dem Weg zwischen Parkplatz und Schulgebäude brachte Reno keinen Ton heraus. So würde es den ganzen Tag gehen, wenn nichts passierte.
 

„Hui, da ist ja Juan...!“ - Es dauerte nur einen Moment, bis der Blonde reagierte. - „Hey Juan!“

Renos Blick klebte gerade zu an dem anderen, als der sich – auf Grund von Sinas Rufen – herum drehte. Es war schon erstaunlich, dass davon Sina von Renos Reaktion so gar nichts mitbekam.
 

„Komm schon Reno!“

Er hatte nicht bemerkt, dass sie ihn aufgefordert hatte mitzukommen, und jetzt schleifte sie ihn einfach hinter sich her. Doch je näher sie Juan kamen, desto mehr stemmte er sich gegen sie.
 

„Himmel, Reno, was ist denn los?“, maulte Sina, als sie gar nicht mehr vorwärts kam.

„Ich... ich geh' schon mal rein.“

Es dauerte nur einen Moment, bis sie ihn losgelassen hatte und er endlich weg kam. So recht wusste Reno nicht, was los war, doch er wollte jetzt nicht unbedingt bei Juan sein.
 

„Was ist denn mit ihm los?“, wollte kurz darauf Juan von Sina wissen. Die zuckte jedoch nur unwissend mit den Schultern.

„Vielleicht hat er seine Tage...“
 

Etwas verlassen saß Reno im Biologie-Raum. Es war noch kaum jemand da, lag wohl auch daran, dass es noch über eine Viertelstunde bis zum Stundenbeginn hin war. Mit Bio konnte er sich nicht wirklich anfreunden, vor allem nicht seit er in der siebten Klasse, während sie Frösche seziert hatte, kotzen musste. So eine schmackhafte Angelegenheit war das damals aber auch nicht. Nur gerade für ihn etwas peinlich, da er der einzige Junge war, der sich übergab – sonst konnten sich so nur ein Großteil der Mädchen vom Unterricht befreien lassen.
 

Reno ließ den Kopf in den Nacken fallen und starrte an die Decke, das schnöde Weiß von diesen hatte er vom ersten Tag an nicht gemocht. Für ihn brauchte alles etwas Farbe und Weiß war einfach keine richtige.
 

„Hey, Reno...!“

Sein Blick wanderte zur Tür, wo ihn Uma zu sich winkte.
 

„Na, was ist?“, wollte er wissen, als er nun bei ihr war.

„Red' nicht so laut! Muss ja nicht jeder mithören“, zischte sie und er sah sich kurz um. Es war nicht unbedingt so, als ob sie von jemand beachtet werden würden.
 

„Okay... Aber was ist?“, meinte er jetzt etwas leiser. Es dauerte einen Moment bis sie antwortete.

„Was... was hältst du von meinen Brüsten?“

Kurz schweifte sein Blick über besagte Körperteile.

„Äh... du bist dir darüber im Klaren, dass ich schwul bin und mich dafür wirklich einen feuchten Scheißdreck interessiere?“, wollte er wissen. Sie dagegen verzog den Mund zu einer Schnute.

„Du kannst mir aber trotzdem deine Meinung dazu sagen!“
 

Reno zuckte nur leicht mit den Schultern. Eigentlich konnte er doch ohnehin nur eine falsche Antwort geben, wenn ihn schon ein Mädchen so etwas fragte.
 

„Frag doch irgendeine von diesen Heten... oder deine Freundin...“, grummelte er und wollte schon wieder zurück ins Klassenzimmer gehen, als ihn Uma festhielt.

„Genau wegen der frag ich doch!“, meinte sie und senkte den Blick, als er sich wieder zu ihr umwandte. Ganz verstand er noch nicht, aber zumindest konnte er es sich jetzt im Ansatz vorstellen. Er legte den Kopf schief und betrachtete sie noch einmal etwas genauer.
 

„Na ja... hm... Sie sind etwas klein... aber die von Zoe sind doch auch kaum größer“, meinte er schließlich. Entweder bekam er jetzt eine Tracht Prügel oder sie würde ihm zustimmen, zumindest meinte er das. Letzteres trat ein, auch wenn es anderes war, als er vermutet hatte.
 

„Dann hab' ich also recht...“, seufzte sie.
 

Leicht zuckte er mit den Schultern, nachdem sie sich bedankt und verabschiedet hatte. Er wusste nicht, wieso sich Mädchen dauernd über ihr Aussehen Gedanken machte, doch es interessierte ihn auch nicht wirklich. Eine Freundin würde er so oder so nie haben – wollen. Auch wenn er nicht wusste, was sein Vater mit ihm anstellen würde, wenn er wirklich irgendwann mit einem Jungen richtig zusammen kommen würde. Wahrscheinlich würde er auf alle Fälle achtkant rausgeworfen. Aber das würde er in Kauf nehmen.
 

Auch in der Mittagspause wollte er lieber seine Ruhe, als mit Sina und den anderen rumzuhängen. Lieber verzog er sich in den Raum, den sie zum Proben für die TheaterAG zugewiesen bekommen hatten. Hier würde ihn sicherlich niemand suchen.
 

Er saß auf dem Pult mit angezogenen Beinen und den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Eigentlich könnte man meinen, dass er nachdachte, doch in Wirklichkeit döste er etwas vor sich hin. Aber irgendwann musste er doch auch das Schlafen nachholen, das er in der Nacht nicht bekommen hatte.
 

„Hey...“

Sein Kopf sank abrupt wieder in normale Position, nur das Augen offenhalten fiel ihm noch etwas schwer. Leise seufzte er schließlich, als er Juan erkannte.
 

„Hab' mich schon gewundert, weswegen die Tür nicht abgeschlossen ist...“, meinte dieser und schloss besagte hinter sich. Draußen auf dem Gang war noch ein riesen Radau, somit war wohl die Pause auch noch nicht um.
 

Leise seufzte Reno ein weiteres Mal.

„Stör' ich dich irgendwie?“, wollte Juan wissen und legte den Kopf leicht schief.

„Nö... ist schon okay...“

Reno wandte den Blick ab. Eigentlich wollte er doch wirklich seine Ruhe haben und dabei würde ihn Juan sicherlich stören. Doch er wollte ihm das nicht so eiskalt ins Gesicht sagen. Vielleicht würde er es ja selber merken.
 

Juan setzte sich auf einen der Tische in der ersten Reihe und streckte sich leicht. Es schien nicht so, als ob er zum Reden gekommen wäre. Vielleicht wollte er ja sogar auch etwas allein sein, dann würden sie sich zumindest nicht gegenseitig stören.
 

Nur riss sie das Klingeln der Schulglocke beide aus ihren Gedanken, es hatte nur keiner von ihnen im ersten Moment große Lust jetzt Unterricht zu haben.
 

„Was hast du jetzt?“, wollte Reno wissen.

Es dauerte einen Augenblick bis Juan antwortete.

„Bio...“

Er seufzte leise. Schien nicht so als ob ihm das Fach gefallen würde.

„Immer noch besser, als Physik...“, murmelte Reno und fuhr sich durch das blonde Haar.

„Wenn keiner von uns beiden Bock hat, können wir ja zusammen schwänzen“, schlug da auf einmal Juan vor. Es war wohl im ersten Moment nur als Witz gedacht, doch jetzt schien ihm seine Idee selbst zu gefallen.
 

„Eigentlich kann ich es mir kaum leisten zu schwänzen“, murmelte Reno, „aber was soll's, einmal wird schon gehen!“

Es war beschlossene Sache.
 

Es dauerte nicht lange, da saßen sie zusammen – Rücken an Rücken – auf dem Flachdach der Schule. In dem Klassenzimmer, in dem sie noch vor einigen Minuten zusammen saßen, hätten sie jederzeit von einem Lehrer erwischt werden können. Hier nach oben kam im Normalfall niemand. Sie könnten sich somit in Ruhe eine kleine Auszeit gönnen.
 

„Das gestern Abend war schön...“, meinte da auf einmal Reno. Juan wandte den Kopf leicht um und zog eine Augenbraue etwas hoch.

„Was meinst du?“, wollte er wissen. Es dauerte lang bis er eine Antwort erhielt.

„Ich meine, na ja, als du mich so im Arm hattest.“

„Ist doch nichts Weltbewegendes....“, kam die prompte Erwiderung, doch so etwas wollte Reno gar nicht hören. Für ihn war es etwas Wichtiges, nur viel zu selten wurde er einfach von jemand in den Arm genommen. Dabei würde er sich so gern einmal wieder bei jemand einfach fallen lassen.
 

„Ist irgendwas?“, fragte Juan, als sie sich eine ganze Weile über angeschwiegen hatten. Er wandte sich komplett um. Reno sank mit geschlossenen Augen zurück und hoffte wohl innerlich, dass er aufgefangen wurde. Leider sah ihn der andere nur etwas verwirrt an.
 

„Ist schon alles okay...“, murmelte der Blonde, als er die Lider wieder leicht hob. Das Juan ihm nicht ganz glaubte, deuteten wohl schon seine zusammengezogenen Augenbrauen an.
 

Reno setzte sich wieder auf und senkte den Blick zu Boden. Eigentlich hätte er jetzt wohl jede Reaktion von dem anderen erwartet, nur nicht diese.
 

„Mann, was schaust du denn so betrübt.“ - Auf einmal schlang Juan die Arme von hinten um ihn. - „Sei mal lieber wieder ein bisschen zickig oder so...“

„Na dann lass mich doch einfach zu frieden!“, grummelte Reno und drückte den anderen weg, bevor er aufstand und an den Rand des Daches ging. Die Aussicht war nicht unbedingt atemberaubend und wohl erst recht nicht schön, aber um einmal etwas auszuspannen reichte sie aus.
 

„Weißt du, dass sich von hier oben schon mal einer runtergestürzt hatte?“

Das war ja nicht unbedingt eine Information, die so wichtig war, dass man sie kennen musste. Auch Juan war darüber nicht im Bilde und schüttelte schließlich langsam den Kopf, als ich Reno wieder zu ihm umdrehte.
 

„Der Kerl hatte so einen Vollschaden... Dachte doch wirklich, dass er fliegen könnte...“

Erneut wandte sich Reno ab und lehnte sich etwas über das niedrige Mäucherchen, dass wohl davor schützen sollte, dass man unabsichtlich hinunter fiel. Doch eigentlich war es nicht einmal so hoch, dass es einen Grundschüler daran hindern könnte, darüber zu klettern.
 

„Vögel haben es doch richtig gut... Wenn sie hoch genug sind, können sie sich regelrecht fallen und vom Wind tragen lassen...“

Juan wollte gar nicht wissen, wie gerne Reno jetzt springen und sich einfach fallen lassen wollte. Aber sollte er ihn – im Fall der Fälle – aufhalten? War es denn seine Entscheidung, ob der andere springen durfte oder nicht?
 

Kurz senkte er den Kopf, riss ihn dann aber abrupt wieder hoch.

„Spinnst du?“

Es waren nur wenige Schritte bis zu Reno, der jetzt auf dem niedrigen Mäuerchen stand und die Arme ausgebreitet hatte.
 

„Du dachtest doch wirklich ich würde springen, hm?“

Juan hielt Reno, der ihn verstohlen angrinste, am Shirt fest, ließ aber nur einen Moment später wieder los, als der wieder mit ihm auf gleicher Höhe war.
 

„Pff, also so wahnsinnig bin ich nun auch wieder nicht...“

Immer noch raste das Herz des Schwarzhaarigen, auch nach dieser Aussage. Sein Mund war trocken und trotzdem hatte er diesen nervigen Schluckreflex. Jedes Glied schien zu zittern.
 

„Ich geh' wieder nach unten. Gleich fängt die nächste Stunde an... Du solltest dich auch lieber beeilen...“

Reno war zurück zu der Tür gegangen, die ins Treppenhaus führte und redete, als ob gerade gar nichts gewesen wäre. Aber aus Juans Knochen wich nur ganz langsam der Schrecken.

Annäherungsversuche

Romeo und Julius
 

Kapitel 19 – Annäherungsversuchchen
 

Man erlebte es wohl nicht jeden Tag, dass man meinte, dass sich jemand gleich umbringen würde. Juan ging es zumindest nicht so und eigentlich hatte er so etwas auch noch nie erlebt. Und auf ein zweites Mal legte er es auch nicht unbedingt an. Erst einmal müsste er den Schock vom ersten Mal überstehen.
 

Juan war noch etwas länger als Reno auf dem Dach geblieben. In seinem Zustand wollte er aber auch eigentlich nicht in den Unterricht. Es musste aber wohl sein. Jetzt trabte er die Treppe nach unten, im ersten Moment wusste er aber auch nicht einmal, wo er hin musste.
 

„Hey, Juan...? Wo warst du die letzte Stunde über?“

Er wandte sich um und atmete erleichtert auf, als er Sina erkannte. Natürlich, sie hätten die letzte Stunde zusammen gehabt.
 

„Och... Hatte keine Lust...“, meinte er und strich sich durchs Haar. Mit Mühe und Not konnte er so locker klingen, wie es ging.

„So wie Reno, wie ich es mitbekommen hab'... Weißt du wo er jetzt ist?“, wollte sie wissen. Juan zuckte unwissend die Schulter und wollte sich schon verabschieden. Doch da hielt sie ihn noch kurz auf.
 

„Seid ihr nicht zusammen gewesen?“, fragte sie und zog die Augenbrauen leicht zusammen.

„Bis gerade eben nicht mehr“, antwortete er nur schnell und wandte sich um zum Gehen.
 

Er sah Reno den ganzen Schultag nicht mehr, erst wieder als er sich auf den Heimweg machen wollte.
 

„Willst du vielleicht mitfahren?“

Juan war Renos Auto überhaupt nicht aufgefallen, als er daran vorbeigegangen war. Dabei war sein Gol ja nicht unbedingt etwas, was man so häufig sah.
 

„Damit du gegen 'nen Baum fahren kannst oder was?“, fragte Juan etwas schroff, doch trotzdem lachte Reno nur einen Augenblick später auf.
 

„Ach komm schon, dass auf dem Dach war doch nur ein Witz. Kannst dich deswegen schon wieder abregen.“

Für Juan war es kein Witz gewesen, für ihn war es purer Ernst. Über so etwas lachte man aber auch nicht. Was wäre denn gewesen, wenn Reno – nur für einen kurzen Moment – das Gleichgewicht verloren hätte? In diesem kurzen Augenblick hätte sein Leben aus sein können und das von Juan gleich mit. Er wäre sicherlich nicht so abgebrüht, dass er dabei zusehen könnte, wie jemand in den Tod stürzte und danach noch wirklich normal im Kopf wäre.
 

„Jetzt komm schon!“

Reno stieg in den Wagen, lehnte sich zum Beifahrersitz hinüber und öffnete die Tür. Nur noch kurz sah sich Juan um, dann stieg er ein. Die ganze Sache war ihm nicht geheuer, überhaupt nicht.
 

Die ersten Minuten der Fahrt herrschte Stille. Erdrückende Stille. Juan versuchte es zu ignorieren und wandte seine Aufmerksamkeit dem zu, was am Beifahrerfenster vorbeizog. Nicht unbedingt sehr viel Interessantes dabei, einige Büsche und Sträucher. Immer wieder das Gleiche.
 

Doch auf einmal änderte sich das Bild.

„Reno, wo willst du hin?“, entfuhr es Juan und er wandte sich abrupt zu seinem Fahrer um, der warf ihn nur kurz einen Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder der Straße zu. Ein Lächeln huschte ihm dabei über die Lippen.
 

„Grins nicht so blöd, sondern halt an!“

Scheinbar überhörte Reno den fast schon geknurrten Befehl von Juan.

„Hey!“, fauchte Juan erneut, doch erhielt er keine Reaktion. Die ganze Zeit über hatte er aus dem Fenster geschaut und doch hatte er sich den Weg kein bisschen gemerkt.
 

„Reno, was soll das?“

Langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Seit der Stunde, die sie miteinander geschwänzt hatten, traute er Reno ziemlich viel zu.
 

„Sag mir endlich, wo du hin willst!“

Und endlich wandte sich Reno einen Moment länger zu ihm, aber auch nur, weil das Auto auch schon einen Augenblick später stehen blieb.
 

„Hier warst du doch schon mal...“, meinte er, während er die Handbremse anzog. Juans Blick wanderte wieder nach vorne, als Reno schon ausstieg. Natürlich waren sie hier schon einmal. Juan folgte Reno.
 

„Fährst wohl öfters her...“, meinte er, als er neben Reno zum Stehen kam. Dieser nickte langsam.

„Nur eigentlich bin ich sonst immer allein...“

Ein leises Seufzen verließ die Kehle des Blonden, der schon durch den etwas feuchten Sand stapfte. Ein kalter Wind zog vom Meer her auf und kündigte schon fast den Regen an, den er bringen wird.
 

„Hey, Reno, wieso hast du mich denn dann mitgenommen?“

Für einen Moment blieb der Blonde stehen und überlegte. So recht wusste er wohl keine Antwort. Doch dann wandte er sich trotzdem zu dem anderen um.

„Och, nur so...“
 

Für manche Sachen brauchte Reno keinen Grund, gelegentlich tat er Sachen einfach so aus dem Bauch heraus. Etwas, was in einigen Momenten sogar gut war, doch einfach nicht immer. Gerade meinte er, dass es nicht unbedingt schlecht gewesen wäre, dass er Juan – frei aus dem Bauch heraus – einfach mitgenommen hatte.
 

„Lange sollte wir aber nicht hier bleiben...“

Juan fröstelte es. Die warmen Tage waren aber auch schon längst um. Auch wenn Pismo Beach am Meer lag, wurde es auch hier langsam Herbst. Zwar waren die Temperaturen sicherlich noch höher, als anderenorts, doch hier war es einfach niemand so recht gewohnt. Selbst Juan nicht, der eigentlich schon an so verschiedenen Orten gelebt hatte.
 

„Du frierst doch nicht etwa...?“

Reno war sichtlich darüber belustigt, wie sich der andere immer wieder über die Arme rieb.

„Ja...“, gab dieser schließlich zu. Gerade war es ihm egal, ob es peinlich wäre oder nicht. Er fror eben, na und?
 

„Dann fahren wir lieber wieder, bevor du dir noch etwas Wichtiges abfrierst...“

Juan war es klar, an was der Blonde dachte. Viel zu klar.
 

„Kommst du jetzt oder willst du doch hier bleiben?“

Reno war schon eingestiegen, während Juan noch einen Moment im kalten Wind stand. Schließlich tapste er langsam zurück zum Wagen. Zu seinem Glück hatte Reno längst die Heizung aufgedreht, als er auf den Beifahrersitz sank und die Tür zuzog.
 

Der Rückweg war von genauso viel Schweigen gekennzeichnet, wie die Herfahrt. Doch jetzt war es weniger ihre Wortkargheit, die sie dazu brachte. Eher weil es sich Juan auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte und etwas dahin döste.
 

Es dauerte etwas, bis Reno das mitbekam. Er merkte es ja eigentlich erst, als sie schon bei ihm zu Hause vor der Garage standen. Etwas verwirrt blickte er zu Juan, als dieser nicht ausstieg. Einen Moment überlegte Reno, ob er ihn wecken sollte. Er wollte überhaupt nicht, Juan sah einfach zu süß auf. Doch nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, tat er es doch.
 

„Du kannst echt nicht in meinem Auto pennen...“, meinte er, als ihre Wege sich eigentlich trennen müssten, nur kam Juan nicht weit.

„Sieht nicht so aus, als ob meine Ma zu Hause ist“

Reno blickte den anderen mit gehobener Augenbraue an, bevor er ihn mit einer Kopfbewegung andeutete, er solle mitkommen. Was er sich auch nicht zweimal sagen ließ.
 

„Wieso gibt sie dir eigentlich keinen Schlüssel?“

Sie saßen im Wohnzimmer, was sich Reno nur traute, weil seine Eltern ganz sicher nicht zu Hause waren. Wenn es anders wäre, wagte er es gar nicht mit einem Typen, auf dem er unter Umständen stehen könnte, nie nach unten. So jemand sollten sie besser nicht zu Gesicht bekommen.
 

„Weil sie mich immer noch für einen kleinen Jungen hält, der den verlieren könnte...“

Juan seufzte. Sie wusste, dass es schon lange nicht mehr so war, doch sicher wäre sie glücklich darüber, wenn es möglich wäre, dass es noch so sein könnte. Viel lieber hätte sie ihren kleinen, süßen Juan noch, der er in der Grundschule war. Damals, als ihre Beziehungen etwas länger, als nur einige Monate dauerten.
 

„Deine Ma ist echt komisch.“

Juan versuchte das leise Kichern, dass Reno von sich gab, einfach zu überhören. Immerhin war es doch seine Mutter, zwar hatte sie manchmal wirklich einen an der Klatsche, aber er liebte sie trotzdem. Ohne sie würde er womöglich im Heim sein, sie hatte ihn ja auch gewollt, im Gegensatz zu seinem Vater, den er nicht kannte.
 

Juan beneidete Reno, der wusste zumindest, wer sein Vater war und musste nicht immer mit dieser Ungewissheit leben. Seine Mutter erzählte ihm ja auch nie etwas über ihn. Angeblich wäre er tot und sie würde deswegen so ungern über ihn reden. Als er noch klein war, hatte er ihr das immer geglaubt, doch je älter er wurde, je weniger wollte er es wahr haben, dass sein Vater tot war.
 

Auf einmal lehnte sich Reno an den Größeren und machte es sich sichtlich bequem.

„Was soll das werden?“, wollte Juan wissen, doch bevor er eine Antwort bekam, bemerkte er, wie der andere zitterte. Sofort legte er einen Arm um den Blonden, der sich auch gleich etwas näher an ihn kuschelte.

„Genau das wollte ich.“
 

„Oh Mann, du bist ja ein richtiges Mädchen...“

Juan schob ihn weg und stand auf, wobei er die Arme hinter dem Kopf verschränkte.

„Also das wäre mir aufgefallen.“

Reno entfuhr wieder ein Kichern.
 

„Überspiel' mal nicht, was du vor hattest...“

Abrupt verstummte Reno auch wieder und blickte den anderem mit großen Augen an. Juan beugte sich über ihn.

„Verkauf mich ja nicht für blöd! Ich weiß schon, was du wolltest... Aber ich ficke nicht mit Leuten einfach nur so rum, die ich kenne...“
 

Reno wandte den Blick ab.

„Ich dachte ja nur...“, murmelte er. Für ihn war es wohl einfach nur einen Versuch wert, dabei war ihm Erfolg oder Misserfolg völlig gleichgültig. Juan strahlte für ihn Erfahrung aus, so wäre er sicher auch jemand, dem er vertrauen könnte. Er würde ihn nicht einfach ausnutzen und irgendwann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.
 

„Du solltest dir jemanden suchen, der dich wirklich mag...“

Schwach lächelte Juan. Nur einen Moment müsste er sich wohl fühlen, mehr brachte er gar nicht, um bei jemand bleiben zu können.
 

„Magst du mich denn nicht?“

Eine Frage, als ob sie ein kleines Kind gestellt hätte und genau so sah Reno gerade drein.

„Doch... aber... du bist nett...“ - Juan blickte zur Seite und überlegte einen Augenblick, was er eigentlich sagen wollte. - „Ich bin kein Freund von festen Beziehungen und so was willst du doch...“

Er sank wieder neben den Blonden und seufzte leise.
 

„Weißt du... ich bin es gar nicht gewohnt, dass ich mit jemand etwas Festes eingehen könnte. Schafft man ja eh nicht...“

Juan wurde es von seiner Mutter gar nicht anderes gezeigt. Immer wieder liefen ihr die Kerle davon, keiner wollte sie – und vor allem sie beide – wirklich haben. Solange sie aber nicht erzählte, dass sie einen Sohn hatte, lief auch alles gut, doch sobald er dazu kam, ging alles bergab. Er war der Grund dafür, dass so viele ihrer Beziehungen in die Brüche gingen, zumindest bildete er sich das mit der Zeit ein.
 

Juan lehnte sich an Reno.

„Meine Ma wollte immer umziehen, wenn es mal wieder aus war... Zumindest jetzt die letzten Male. Ich will so ein Leben nicht, also werd' ich damit gleich gar nicht anfangen...“

Er hatte es sich vor einigen Monaten wirklich fest vorgenommen.
 

„Du musst doch nicht unbedingt werden, wie deine Mutter. Oder etwa doch?“, meinte Reno und dieses Mal schob er den anderen etwas von sich weg, nur stand er dann nicht auf.
 

Kurz huschte ein Lächeln über Juans Lippen.

„Ich weiß gar nicht, wieso du da heute da runterspringen wolltest... Eigentlich sollte ich...“

Da hatte ihm Reno aber auch schon gegen die Schulter geschlagen.

„Ich wollte nicht springen und du ganz bestimmt auch nicht!“

Er zog die Augen zu schlitzen zusammen und wirkte wohl das erste Mal in seinem Leben autoritär.
 

Auf einmal zuckte er jedoch zusammen, als er hörte wie die Haustür aufgeschlossen wurde.

„Wir sollten nach oben!“

Reno packte Juan am Arm und schlief ihn hinter sich her nach oben in sein Zimmer. Natürlich waren seine Eltern nach Hause gekommen und unbedingt mussten sie sie nicht zusammen sehen.

Gleiche Gefühle

Romeo und Julius
 

Kapitel 20 – Gleiche Gefühle
 

„Deine Eltern sind wohl auch eine Sache für dich...“

Juan hatte schon einige verschiedene Arten von Eltern erlebt. Immer wieder kamen welche dazu, die ein bisschen anders waren, als die davor. Reno seine waren auch etwas Spezielles. Eigentlich hatte Juan es noch nie so richtig erlebt, dass Eltern ihre Kinder nicht zumindest so liebten, wie sie waren.
 

„Eigentlich ist mein Vater nur so ... speziell...“

Reno war auf sein Bett gesunken und seufzte leise, als er auch schon langsam in die Waagerechte wechselte. Es gab Tage, da vermisste er die Zeit, als er sich mit seinem Vater noch richtig gut verstand. Doch es fiel ihm schwer sich überhaupt vorzustellen, dass es einmal anders gewesen war, als jetzt.
 

„Aber zumindest interessiert sich dein Vater überhaupt für dich...“

Seit der Scheidung seiner Eltern hatte Juan nichts mehr von seinem Vater gehört. Anfangs hatte er es nicht verstanden, wieso auf einmal, doch mit der Zeit – und je älter er wurde – konnte er es sich schon vorstellen, warum. Immer wieder sagte er sich einfach, dass er jetzt eine neue und bessere Familie hatte.
 

Beide hatten sie ihre eigenen Probleme mit ihren Eltern und hielten sie wohl schlimmer, als sie des anderen.
 

„Wir sollten aufhören hier Trübsal zu blasen!“

Reno streckte sich und setzte sich unbeholfen dabei wieder auf. Längst hatte es sich Juan auf dem Boden bequem gemacht, zwischen die leicht gespreizten Beine hatte er die Arme überkreuzt. Jetzt sank er zurück.
 

„Wenn du meinst...“ - Juan streckte sich leicht, bevor er sich mit Schwung wieder aufsetzte. - „Man hab' ich einen Hunger.“

Es bildete sich ein verstohlenes Grinsen auf Renos Gesicht, als der Größere das gesagt hatte.

„Dann vernasch mich doch“, meinte er und verzog dabei keine Miene, die andeuten könnte, dass er es nur als Scherz meinte. Doch als der andere zu sprechen ansetzten wollte, unterbrach er ihn, bevor er überhaupt richtig anfangen konnte.

„Nimm mich doch nicht immer so ernst...“
 

Jetzt lachte Reno. Vielleicht über Juan, der das so ernst genommen hatte, vielleicht aber auch über sich selbst, dass er so etwas überhaupt ausgesprochen hatte.
 

„Ich schau' mal, was ich unten finde... Vielleicht macht ja meine Ma sogar was.“

Reno stand auf und ließ Juan in seinem Zimmer zurück. Langsam stapfte er nach unten und warf einen kurzen Blick in die Küche. Wie es aussah, war seine Mutter nicht am kochen. Leise seufzte er und machte sich daran, einmal den Kühlschrank zu durchstöbern.
 

Es war schon lange eher unüblich geworden, dass sie zusammen aßen. Anfangs hatte sich Reno nur immer zum Essen in sein Zimmer verzogen. Irgendwann hatte seine Mutter einfach keine Zeit – vielleicht auch einfach keine Lust – mehr darauf, etwas zu kochen.
 

Reno überlegte nicht lange und machte einige Brote. Erst als er fertig war, fiel ihm auf, dass er gar nicht wusste, was Juan mochte. Kurz überlegte er, es wäre wohl Verschwendung, das Essen hier zu lassen, nur weil er nicht wusste, ob der andere es mochte.
 

Somit stapfte er mir zwei voll beladenen Tellern nach oben. Leicht hob Juan eine Augenbraue und blickte Reno recht skeptisch an, als er damit ins Zimmer kam.
 

„Ich hatte zwar gesagt, dass ich Hunger habe, aber doch nicht so großen, dass du extra euren ganzen Kühlschrank leeren musstest...“

Er lachte auf.

„War gar nicht der ganze Kühlschrank... Höchstens der halbe.“

Auch Reno lachte.
 

Irgendetwas war da, was ihm gut tat. Er wusste nur noch nicht ganz was. Vielleicht war es die Art, wie er mit Juan reden konnte.
 

Das verflog aber bis zum nächsten Morgen.
 

„Ich will gar nicht wissen, woher das blaue Auge kommt, aber du hättest dir das andere nicht zumindest passend schminken können...“

Renos Blick sprach Bände darüber, was er gerade über Sinas Aussage dachte und wenn dieser Blick wohl zusätzlich auch noch töten hätte können, dann würde sie längst den Bordstein knutschen.
 

„Ich bin ja schon ruhig... Aber du könntest mir schon sagen, was passiert ist... Hm...?“

Er grummelte etwas Unverständliches und beschleunigte seinen Gang etwas. Doch für Sina war es ein Leichtes mit ihm Schritt zu halten.
 

„Komm schon, rede zumindest mit mir. Ich bin immerhin deine beste Freundin!“, meinte sie, während sie durch das Schultor gingen. Leise seufzte er schließlich, als sie ungefähr in der Mitte des Schulhofes angelangt waren.
 

„Mein Vater war einfach einmal wieder etwas sauer...“

So eine Begründung, wieso ihn sein werter Herr Erzeuger eine verpasste, hatte sie schon öfters gehört. Ob es nun ein blaues Auge war oder Hämatome an den Armen, immer bekam sie nur das zu hören.
 

„Irgendwann bringt er dich noch mal um.“ - Sie machte eine kurze Pause. - „Wegen was war er denn dieses Mal sauer? Hat er dich wieder etwas zu nahe bei einem Typen erwischt, denn er nicht kannte?“
 

Reno schüttelte langsam den Kopf.

„Er hat wohl nur mitbekommen, dass Juan gestern nach der Schule noch recht lang bei mir war...“

Wieder erklang ein Seufzen von Seinerseits. Hingegen schnellte bei Sina eine Augenbraue in die Höhe.
 

„Hui, habt ihr etwa dein Bett endlich mal etwas zum Pietschen gebracht?“

Das erste Mal an diese Morgen zauberte sich ein Lächeln auf seine Lippen.

„Nicht wirklich...“, meinte er schließlich. Dabei hatte er es wohl gerade darauf angelegt.
 

„Du scheinst ihn ja ganz schön zu mögen...“

Sina legte einen Arm um ihren Freund.

„Wie kommst du denn darauf?“, grummelte da dieser jedoch schon und entzog sich ihr.

„Och... Du hast nur so süß geschaut, als du an ihn gedacht hast.“

Jetzt pokte sie ihn in den Arm. Immer wieder.

„Woher willst du denn das jetzt so genau wissen? Hä...?“
 

Er wollte es nicht zugeben. Noch nicht. Momentan gab es Wichtigeres, auch wenn er sich noch überlegen musste, was das wäre.
 

„Hat wohl dein Dad wieder etwas zu fest zugeschlagen...“, grummelte Sina und legte einen Arm um seine Schultern, „oder wieso bist du so pampig?“

„Ist doch egal.“

Er löste sich wieder von ihr und bis zur Pause bekam sie ihn auch – einmal mehr – nicht zu Gesicht.
 

„Hast du durch Zufall vielleicht auch nicht viel geschlafen?“

Es war nicht schwer zu erkennen, als sie zusammen in der Mensa saßen. Er hatte sich leicht an sie gelehnt und gähnte immer wieder herzhaft.
 

„Gestern noch ziemlich lange nachgedacht“, murmelte er. Leicht hob Sina eine Augenbraue. Reno konnte sich schon vorstellen, was sie sagen wollte, doch jetzt wollte er so einen dummen Witz nicht hören. Zu seinem – und ihrem – Glück, verstand sie aber und strich ihm nur vorsichtig übers Haar.
 

„Lass das“, grummelte er und zog leicht seinen Kopf weg, bis sie auch ihre Hand wegnahm. Leise seufzte sie. Es kam immer wieder einmal vor, dass sie nicht verstand, wieso er reagierte, wie er eben reagierte. Manchmal, da war er ein richtiges Rätsel für sie.
 

„Ist es wegen... Juan?“,wollte sie wissen.

„Weiß nicht...“, erwiderte er und es stimmte sogar. Er wusste nicht wirklich, ob es wegen Juan war. Momentan verstand er sich ja selbst nicht. Es war so verflucht lange her, dass er sich so gefühlt hatte, das Kribbeln in seinem Bauch würde ihn noch wahnsinnig machen.
 

„Okay...“ - Sina seufzte. - „Du solltest jetzt aber erst einmal was essen!“

Sie stopfte ihm ungefragt einen Donut in den Mund, den er etwas mühsam aß.

„Du sollst ja wegen deiner Grübelei nicht auch noch vom Essen abgehalten werden, wenn du schon nicht genug schläfst.“

Belehrend wedelte sie mit dem Finger in der Luft herum, nur konnte sie nicht lange ernst bleiben. Schon bald lachten sie beide.
 

„Mann... Wieso bist du denn heute nicht mit dem Auto da?“

Sina seufzte herzzerreißend, nachdem ihr Reno gesagt hatte, dass sie wohl heute zu Fuß gehen müssten.
 

„Weil meine Mam den Wagen heute gebraucht hat“, erwiderte er kühl. Gerade war es ihm recht egal, dass er den Heimweg laufen musste. Wahrscheinlich würde ihm die frische Luft sogar gut tun.

„Sonst bringt sie ihn dir aber doch immer bis Schuleende...“

„Heute braucht sie ihn eben den ganzen Tag...“, grummelte Reno.

Sina warf ihm einen verwirrten Blick zu, als er langsam vor ihr herstapfte.
 

„Was bist du denn auf einmal so zickig?“

Sie war es gewöhnt, dass ihr bester Freund einfach nicht nur gute Tage hatte. Schon lange gab es auch viel zu viele schlechte für ihn.
 

Sina schlang die Arme von hinten um Reno und zog – soweit es ihr möglich war – ihn etwas zurück. Er blieb stehen und atmete einmal tief durch.
 

„'tschuldigung...“, murmelte er und senkte reumütig den Kopf, als sie ihm aber auch schon über genau diesen strich.
 

„Ich bin ja normalerweise so drauf, wenn ich auf 'nen Typen stehe und der sich nicht für mich interessiert...“ - Sie machte eine kurze Pause, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. - „Das wird’s aber bei dir sicherlich nicht sein.“

Reno verdrehte die Augen und löste sich wieder aus ihrer Umklammerung. Wenn sie wüsste.
 

Einige Zeit später waren sie bei Reno zu Hause. Er lag auf dem Bett mit dem Kopf auf ihrem Schoß. Leicht glitt sie ihm immer wieder übers Haar. Ihre freundschaftliche traute Zweisamkeit war einmal wieder hergestellt.
 

„Du... Reno?“

„Hm...?“

„Ach egal...“

Etwas verwirrt blickte er sie von unten herauf an und zuckte dann mit den Schultern. Eigentlich war es ihm gerade egal, was sie wollte. Er wollte sich nur etwas an sie schmiegen und sich entspannen. Einfach einmal einen gemütlichen Tag haben.
 

Sina blieb bis Reno eingeschlafen war. Vorsichtig hatte sie ihn vor ihrem Schoß herunter geschoben und war aufgestanden. Viel zu genau wusste sie, wer seine Gefühle gerade so durcheinander warf und viel zu gerne würde sie sich sogar mit ihm darüber freuen. Doch irgendetwas sträubte sich in ihr dagegen. Wahrscheinlich war es ein Gefühlschaos, das gerade in ihr selbst herrschte.
 

Langsam stapfte sie durch an diesem bewölkten Herbsttag nach Hause. Dadurch, dass sie so in Gedanken versunken war, bemerkte sie nicht einmal den leichten Regen, der eingesetzt hatte. Erst als sie zu Hause angekommen war, spürte sie, wie nass sie war.
 

„Sina...? Was rennst du denn bei dem Wetter draußen rum? Hat dich Reno nicht fahren können?“, wollte ihr Mutter wissen, als sie sich schon längst nach oben in ihr Zimmer aus dem Staub gemacht hatte.
 

Kaum dort angekommen, warf sie sich aufs Bett. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass wirklich das passiert war. Nach so langer Zeit hatte sie sich wieder verliebt. Und dann auch noch in ihn, dabei war sie sich darüber im Klaren, dass es bei Reno nicht anders war. Auch wenn der es nicht zugeben wollte. Ihr Instinkt sagte ihr, dass es so war!



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Kommentare zu dieser Fanfic (117)
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Von: abgemeldet
2012-01-27T19:18:57+00:00 27.01.2012 20:18
Da ich auch über den Kommentarzirkel über deine Fanfiction gestolpert bin, kommt dementsprechend auch nun Kommentar von mir ;)

Zu aller erst: Interessante Geschichte! Die Folgen Tage werde ich auch noch die nächsten Kapitel durchlesen und auch dort erwähnen was mir so gefiel und was man aus meiner Sicht vielleicht verbessern könnte ;)
Ebenso gefällt mir, dass die Handlung voran schreitet. Das ist oft ein Problem bei vielen Fanfictions, dass sie mit dem Beginn eines absolut durchschnittlichen Tages beginnen und sich keine wirklich nennenswerte Handlung andeutet. Hier ist das anders, da das Geschehen ja recht zügig voran schreitet und man gleich die Sache mit der Theater-Ag erfährt. Ebenso wird auch die Homosexualität des Protagonisten dar gestellt und man weiß gleich, woran man ist. Das finde ich gut!

Was mir jedoch bei deinem Schreibstill aufgefallen ist - es kommen recht viele Wiederholungen vor, die das Lesen holprig machen. Ich hab mir mal eben die, die mir etwas negativ auffielen rauskopiert:

Eigentlich lag er schon fast mit dem Kopf auf der Tischplatte und er war schon wieder kurz vorm Einschlafen.

„Lass mich schlafen“, murrte er aber auch schon los und wollte sich aus ihrem Griff befreien. Doch da konnte Renos beste Freundin hart sein. Wie ein kleines Klammeräffchen konnte sie sich auch schon aufführen.

Der Blonde sank auf die unterste Treppenstufe und sank mit dem Kopf auch gleich an das Geländer.

Zudem muss ich zugeben, dass ich es leicht übertrieben finde, wie oft auf Renos Müdigkeit gepocht wird. Am Anfang finde ich es noch nachvollziehbar nur irgendwann ist jeder wach und es ist leider mittlerweile schon ein häufiges Klischee, dass es in High School Fanfics immer jemand gibt, der chronisch Müde ist. Ließt sich nicht ganz so schön - meiner Meinung nach.

Zudem finde ich die Stelle, in der Renos erster Freund erwähnt wird, etwas unplausibel. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat dieser sich lediglich schwul gestellt um Reno öffentlich zu outen und damit zu blamieren, richtig?
Aber das macht doch eigentlich niemand, da man sich damit ja selbst ebenso bloss stellt. Zudem, wenn so wegen seiner Homosexualität über ihn gelästert wird und ihn das ja offensichtlich stört und der großteil seiner Umgebung das augenblicklich nicht freudig aufnimmt - dann halte ich es für etwas unrealistisch, dass er ausgerechnet eine homosexuelle Adaption von Romeo und Julia veranstalten möchte und dies auch akzeptiert werden würde von den restlichen Theater-AG-Mitgliedern.

Ich hoffe mein Kommentar hilft dir weiter ;)

✖✐✖



Von: abgemeldet
2011-04-12T08:08:31+00:00 12.04.2011 10:08
Uhhhhhhhhhhhhhhhhhh
*Q*
Schreib weiter ich hab das Kapi so gern gelesen !! Man ich will wissen wie es zwischen den beiden endlich weitergeeeeeeht XD
Von: BlaiseZabini
2011-02-18T02:23:48+00:00 18.02.2011 03:23
meeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehr Q_Q
bitte bitte... ich hab soooo lange auf ein neues Kapitel gewartet und nun ist es da und ich will meeeeeeeehr >.<
die beiden sind einfach süß zusammen und Reno wird richtig niedlich wenn er so mit Juan zusammen ist.
bitte bitte schreib ganz schnell weiter, ich will doch endlich mal das die beiden sich richtig richtig nah kommen :O
*_____________*
lg Blaise
Von: abgemeldet
2011-02-17T21:48:11+00:00 17.02.2011 22:48
Nawwwwwwwwwwwwwwwww TT_________TT
ich liebeeeee diese beiden schnuckis!!!
Du schreibst einfach nach wie vor geil!
Von: abgemeldet
2010-09-19T09:56:46+00:00 19.09.2010 11:56
nawww >////<
man mach mir keine Angst xD
den blonden darf man nich umbringen ! XD
*lach*
schönes Kapitel >///<
Von:  Xai
2010-09-17T12:21:34+00:00 17.09.2010 14:21
böse, böse. so einem schrecken jagdt man keinem ein! das gehört sich nicht.
Von:  Xai
2010-08-07T19:55:43+00:00 07.08.2010 21:55
schreib den beiden mal bitte ein schönes kapitel, wo sie beide kuscheln ^^ das haben die beiden verdient ^^
Von: abgemeldet
2010-07-20T06:25:57+00:00 20.07.2010 08:25
Mir tut Reno so leid TT______TT
Ich will ihm helfebn argh TT____TT
*ihn mal knuddel iund in die Tasche steck*

Soo XD
nein wieder sehr schönes Kapitel :33
Hach ich liebe es wie du schreibst >///<
Von:  Xai
2010-06-14T11:03:18+00:00 14.06.2010 13:03
doedoem. XD
ja, stundenlang bei regen rumlaufen is nicht gut. haben sie jetzt auch gemerkt.
also bitte brav gesund pflegen und weiterschreiben XD
Von: abgemeldet
2010-06-12T19:23:36+00:00 12.06.2010 21:23
Argh der kleine is sooooo süß >//////////<
I love reno XD
Ich glaub das sollte ich mir tattowieren lassen XD
*lach*
Einfach süß~

haha Mummy ich sporn dich an :DDD


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