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Die Chronik der anderen Welt

von

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Geburtstag

„Ja, Kleine,“ murmelte Harry nur, bevor er die Schüssel auf den Boden stellte und beobachtete, wie seine Pantherdame über den Inhalt herfiel. Wenigstens Jemand, der noch Freude am Essen hatte. Inzwischen hatte Harry noch nicht mal mehr an seinem heiß geliebten Kaba seinen Spaß. Nichts schien mehr zu schmecken, gar nichts.
 

Zwar trank er weiter sein Milchgetränk und pro Tag mindestens ein bis zwei Brötchen, aber mehr ging einfach nicht. Er hatte inzwischen fast dauernd Krämpfe und das dumpfe Ziehen entwickelte sich immer weiter auch ein stechender Schmerz war dazu gekommen. Harry konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wie es war, ohne Schmerzen zu leben. Selbst einen crucio würde er dem hier vorziehen, denn der war nicht so grausam, der hörte irgendwann wieder auf.
 

Und wie wünschte er sich eine ganze Nacht Schlaf! Einfach die Augen schließen und beim Aufwachen wieder wach sein. Keine Alpträume haben, keine Schmerzen. Sanft nahm er seinen Panther wieder auf die Arme und drückte ihn an sich. Er schniefte etwas, blickte dann zu seiner Wand, wo die Gesichter ihn anzusehen schienen.
 

„Manchmal beneide ich euch einfach nur,“ flüsterte Harry erschöpft. „Ihr habt es hinter euch, ihr habt euren Frieden, eure Schmerzen sind vorbei...“ Er strich sich die einzelne Träne von der Wange. Er weinte schon lang nicht mehr so viel, wie zu Beginn, aber nicht weil er nicht wollte, oder weil er es überwunden hatte, sondern, weil seine Tränen einfach schon lange versiegt zu sein schienen. Sie flossen einfach nicht mehr, oft juckten einfach nur noch seine Augen.
 

„Miau!“
 

Harry lächelte nur traurig und starrte aus dem Fenster, während er die Kleine streichelte. Auch gestern war Draco gekommen, aber er hatte gesagt, dass er die nächsten drei Wochen keine Zeit haben würde, da er zu einem Vorbereitungskurs für die Uni wollte, um schneller aufgenommen zu werden, er hatte seine Ziele hoch gesteckt, er wollte, wie sein großes Vorbild, in Salem studieren, wie Severus... um Tränkemeister zu werden.
 

Und er?
 

Er mochte Tränke eigentlich ganz gern, vor Allem, seit der Tränkemeister sich die Zeit genommen hatte, ihm zu erklären, was er immer falsch gemacht hatte und seit Draco aufgehört hatte, seine Werke zu sabotieren. Aber er hatte nicht Dracos Talent, er hatte eigentlich gar kein wirkliches, kein eigenes Talent und er hatte es nie gehabt.
 

Verteidigung gegen dunkle Künste war wie der Schwertkampf eine reine Notwendigkeit gewesen, nichts, was er getan hätte, hätte er eine Wahl gehabt, er war auch mit Zaubersprüchen nicht sonderlich gut. Pflege magischer Geschöpfe hatte ihm Spaß gemacht, weil er Tiere wirklich gern hatte, aber er hatte auch Angst inzwischen, einfach, noch ein Wesen zu verlieren, wie Hedwig, die er nicht hatte beschützen können. Darum war er sich auch nicht sicher, ob es gut war, dass Draco den kleinen Panther gerade bei ihm gelassen hatte.
 

Denn so oder so, er würde nicht mehr lange bleiben, er hatte sich nun fest entschlossen, er würde gehen. An seinem Geburtstag würde er Draco bitten, den Schwur zu lösen, damit er den Anderen nicht mitriss. Er konnte nicht mehr und er weigerte sich, weiter so zu leiden. Noch ein Mal sah er zu den Bildern. „Ihr... seid sicher enttäuscht, “ flüsterte er. „Nicht wahr? Ich bin ein Versager, ihr habt was Besseres verdient, hätte ich als Baby meinen Job richtig gemacht, wären so viele Leute noch am Leben...“
 

Harry schniefte erneut. Er wusste ja, das er sich gehen ließ und das Severus ihm vermutlich dafür den Hintern versohlen und alle Hauspunkte abziehen würde, die Gryffindor je bekommen hatte, aber er war einfach nicht mehr bereit, gegen diese Schmerzen anzukämpfen. Er war einfach nur zu müde. Er hatte es versucht, so lange es eben nur ging. Er hatte versucht, etwas zu tun, aber seine Energie war immer weg gewesen, kaum, dass er sich aufraffen wollte, etwas zu tun und sei es nur, die Wohnung endlich zu streichen.
 

„Ich hoffe, Draco und du ihr werdet euch anfreunden, “ murmelte Harry leise in das weiche Fell des Jungtieres. Ja, er hatte sein Testament aufgesetzt und seinen Besitz unter seinen Freunden verteilt. Ron, der Rest der Weasleys, Hermine, Draco, nicht, das er es wirklich brauchen würde. Sein Geld sollte außerdem an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen verteilt werden. An die Werwolfstiftung unter anderem, an eines der vielen überfüllten Kinderheime, die nach dem Krieg nötig geworden waren. Dann hatte er wenigstens etwas Gutes getan.
 

Harry wusste, er war reich, aber er hatte keine Ahnung, wie viel genau er besaß, das alles waren nur Zahlen gewesen, Unwichtigkeiten, bedachte man, dass ihm das seine Eltern und Freunde doch nicht zurückbringen konnte. Oder seinen Patenonkel.
 

Er würde ohne zu zögern sein Geld eintauschen, wenn er dann wieder eine Familie gehabt hätte. Und.. um Severus zurück zu holen. Er hatte den Anderen in all der Zeit so lieb gewonnen. Der Tränkemeister war immer da gewesen, in den Schatten. Er hatte immer auf ihn aufgepasst. Und am Ende waren sie sogar richtige Freunde geworden.
 

Erst vor Kurzem hatte Harry sich aber auch noch etwas ganz Anderes eingestanden – dass er sich in den Mann mit den geheimnisvollen, dunklen Augen verliebt hatte. Nicht nur eine Phase, er war sich sicher, es war mehr gewesen, denn jedes Mal, wenn er den Anderen in seinen Träumen sterben sah, spürte er den Schmerz in seiner Brust noch heftiger, als zuvor. Als würde sein Herz jedes Mal weiter brechen. Als läge es nicht schon in tausenden winzigen Scherben.
 

„Ich halt es einfach nicht mehr aus...“
 


 

„Was... Severus?!“
 

Der Dunkelhaarige wandte sich um und sah den Herrn des Hauses an. „Offensichtlich, “ gab er nur knapp zurück, musterte den Blonden mit den langen Haaren. „Wie ich sehe, hast du es heil überstanden.“
 

„...“, Lucius musste zwei Mal ansetzen, bevor er es schaffte, einen Ton heraus zu bekommen. „Du... lebst.“
 

Der Dunkelhaarige hob eine Augenbraue, drückte den Anderen aber vorsichtshalber in den Sessel. „Offensichtlich. Ich bilde mir ein, noch kein Geist zu sein.“ Er füllte ein weiteres Glas Feuerwhiskey und reichte es seinem alten Freund. „Ich habe die Hoffnung schon aufgegeben, du hast dich nicht gemeldet, es ist Monate her! In zwei Monaten fängt die Schule wieder an und die Schlacht ist inzwischen über vier Monate her! Ja, inzwischen bin ich davon ausgegangen, dass du tot bist! Was bitte war so schwer daran, einen verdammten Brief zu verfassen!“
 

„Die Tatsache, dass mein Körper vier Wochen gebraucht hat, um das Gift loszuwerden und kaum war ich wieder wach, wurde ich mit neuen Entwicklungen im Krieg konfrontiert. Das ich hier bin, ist schon ein kleines Wunder. Wie geht es Draco?“
 

„Gut, sehr gut. Er ist seit gestern in Salem zu einem Vorbereitungsseminar, er will Tränke studieren.“
 

„Er hat das Talent dazu.“
 

„Sicher.“
 

Eine Weile sprach Keiner von ihnen ein Wort. Bis Lucius schließlich sagte: „Du hast keine Ahnung, was du da angerichtet hast.“
 

„Angerichtet?“
 

„Mit deinem... Verschwinden.“
 

„Warum? Das hat mir immerhin die Gefangennahme durch die Auroren erspart. Ganz zu schweigen davon, dass der Alte sicher versucht hätte, mir mein Geld und meine Häuser abzunehmen. Nachdem ich aufgewacht bin, musste ich außerdem erst mal das Mal beseitigen, bevor ich hierher gekommen bin.“
 

„Als würde Irgendwer dich so erkennen!“
 

„Darum ging es nicht. Luc, ich habe ein Reich zu verwalten, das sich im Krieg befindet! Und es hat mich so schon vieles gekostet, hierher zu kommen!“
 

Der Langhaarige nickte, es war nicht so, das er nicht verstand, aber er wusste auch, was dessen langes Schweigen ausgelöst hatte. „Ich hoffe, du weißt, was dein Verschwinden angerichtet hat...“
 

„Was meinst du?“
 

„Harry...“
 

„Was ist mit ihm? Hat dieser Dummkopf sich etwa doch umbringen lassen? Ich habe hier nirgends Totenköpfe gesehen und meine Späher...!“
 

„Er hat gewonnen, Sev. Und das meine ich nicht.“
 

„Was hat er dann angestellt?“
 

„Posttraumatisches Stresssyndrom hätte ich gesagt, aber Draco meint, es geht weit darüber hinaus. Er muss noch dürrer sein, als früher.“
 

„Was heißt – muss sein? Draco ist sein bester Freund, der wird doch wohl wissen, wo er steckt!“
 

„Ja, aber er ist der Einzige.“
 

„Was? Und die Weasleys?“
 

„Laut Draco vertröstet er sie mit verstörend fröhlichen Briefen, die denken, dass alles in Ordnung ist.“
 

„Und wo befindet sich der kleine Trottel?“, fragte Severus genervt. „Damit ich ihn übers Knie legen kann!“
 

„Sev, ich weiß es nicht! Und Draco ist treu über jeglichen Verstand hinaus!“
 

„Grimmauds Place?“
 

„Nicht mal mehr in Britannien. Er war kaum wieder wach, da hat er sich mit Dumbledore angelegt, alle seine Konten in Gringotts für jeden außer ihn sperren lassen, den Alten gezwungen, ihm jeden geklauten Knut zurück zu zahlen und hat das Land verlassen. Er weigert sich auch, jegliche Art Bildung zu vervollständigen. Weder in Hogwarts, noch in einer Muggelinstitution. Laut Draco scheint er kaum noch seine Wohnung zu verlassen.“
 

Severus knurrte nur und schüttelte den Kopf und erhob sich. „Ich habe einen Hintern zu verbläuen – ordentlich!!“
 

„Sev, wie willst du ihn denn finden?! Nicht mal ich habe etwas aus Draco heraus bekommen und seine Briefe kommen durch irgendeinen obskuren Zauber zu ihm!“
 

„Ich finde ihn!“, knurrte Severus aufgebracht. Er glaubte das nicht! Da tat er alles, damit dieser dumme Junge am Leben blieb und der tat alles, um sich selbst umzubringen! Na warte, wenn er den erwischen würde!!
 

Lucius schüttelte nur den Kopf: „Wie willst du etwas schaffen, das nicht mal der Alte vollbracht hat? Glaub mir, der Junge hat gelernt. Zu gut, wenn du mich fragst.“
 

„Ja, nur dumm, dass er es, wie immer, falsch einsetzt! Und glaub mir, ich finde ihn!!“
 

„Und wo bitte willst du mit der Suche beginnen?“
 

„Ich habe eine Ahnung, “ gab Severus nur knapp zurück.
 

„Und die wäre?“
 

„Luc, du bist mein Freund, aber alles sage ich auch dir nicht.“
 

Der Blonde schüttelte nur den Kopf: „Du musst es wissen, “ gab der nur zurück. Er selbst hatte keinen Schimmer, wo der Junge sein konnte. „Aber ich kann dir sagen, in Frankreich und Bulgarien oder in Polen ist er nicht.“
 

„Du hast nach ihm gesucht?“
 

„Draco macht sich Sorgen, ich wollte ihm helfen.“
 

„Vergiss es, “ gab Severus nur zurück. „Ich habe ihm beigebracht, sich zu verstecken. Aber ich weiß, wo ich beginne. Aber danke, deine Vorschläge haben meine Möglichkeiten immerhin auf vier Länder beschränkt.“
 

Lucius glaubte nicht wirklich an den Erfolg des Anderen: „Wäre es nicht einfacher, Draco zu sagen, dass du zurück bist? Er kann dich sicher zu ihm bringen.“
 

„Ja, aber dann wäre Potter gewarnt, ich will ihn direkt über meine Knie legen und DANN mit ihm reden!“
 

„Na dann, viel Glück...“
 


 

Hermine seufzte und legte den Brief beiseite.
 

„Was hast du? Ein Brief von Harry?“
 

„Ja.“
 

„Was schreibt er?“
 

„Das es ihm gut geht, wir uns keine Sorgen machen sollen und das er sich freut, wenn wir Ende August zurück kommen.“
 

„Warum dann das lange Gesicht? Es geht ihm doch gut.“
 

„Das schreibt er.“
 

„Mine, warum sollte er lügen? Komm schon her und beruhig dich“ Genieß doch einfach den Urlaub, jetzt wo wir von meinem wahnsinnigen Bruder weg sind! Du hast dich doch so auf Paris gefreut! Harry würde dir die Ohren lang ziehen, wenn er wüsste, was du da denkst!!“
 

„Ron, ich glaube, es geht ihm nicht gut.“
 

„Wieso? Wie kommst du darauf?“
 

„Nur... so ein Gefühl.“
 

„Mine, sieh nicht immer so schwarz! Er macht doch selbst Urlaub und in Hogwarts kannst du ihn dann ausfragen! Und jetzt komm, wir wollten doch nach Versailles!“
 

Nur langsam legte Hermine den Brief weg. Sie kannte Harry schon zu lange um nicht zu erkennen, das er etwas verbarg. Aber gut, sobald sie wieder zusammen waren, wurde sie ihn ausfragen. Und dann wollte sie die verdammte Wahrheit und wehe, Harry würde sich in seinem letzten Jahr nicht endlich anstrengen! Er brauchte doch einen ordentlichen Abschluss!
 


 

Harry wusste nicht, was geschehen war, aber es war schrecklich gewesen. Heute war sein Geburtstag, wohl schon seit einigen Stunden, da es schon wieder hell geworden war. Er war in der Nacht nach Draußen gegangen, Draco konnte erst in zwei Tagen kommen, hatte er gesagt.
 

Er stöhnte leise und versuchte, sich aufzusetzen, wobei sein Körper sich absolut zu weigern schien. Aber letztendlich schaffte er es doch, sich in eine sitzende Position zu schieben. Hatte er etwa gedacht, bisher Schmerzen zu haben? Von Wegen! Die hatte er jetzt! Und dazu schien die Sonne auf ein Mal beschlossen zu haben, dass er zu einem Hummer zu werden hatte, schön rot und verzehrfertig.
 

Vorsichtig arbeitete Harry sich auf seine zittrigen Beine. Merlin, so schlimm hatte er sich noch nicht mal unter konstantem crucio gefühlt! Irgendwie schaffte er es, bis zu dem Baum zu kommen, bevor er wieder zusammenbrach, er wusste einfach nicht, was geschehen war. Er war hier raus gekommen, wie jede Nacht.
 

Aber dann, er war sich ziemlich sicher, dass es gegen Mitternacht gewesen sein musste, hatte es begonnen – mit wahnwitzigen Schmerzen, sein Körper hatte gezogen, sein Rücken geschmerzt und seine Brust gezogen, als würde sein Herz gleich raus springen und den Geist aufgeben – leider hatte es das nicht getan.
 

Hätte Harry einen Spiegel gehabt, hätte er aber einige andere Dinge auch bemerken können, seine Haare reichten nun ein ganzes Stück über seine Schulterblätter, er hatte immerhin einen kleinen Höhenschub bekommen und in seine immer noch todesfluchgrünen Augen zog sich ein tiefschwarzer Rand.
 

Aber selbst wenn er es gesehen hätte, hätte es ihn vermutlich nicht interessiert, er ärgerte sich nur darüber, das er doch wieder aufgewacht war und nicht wirklich wusste, wie er sich zurück in die Wohnung schleppen konnte. Harry spürte, wie etwas über seine Finger fuhr, er sackte tiefer gegen die Baumrinde in seinem Rücken, während er nachlässig seine Hand bewegte, er wollte keine Magie einsetzen, aber er konnte nicht zulassen, dass die Kleine Hunger hatte, nur, weil er nicht in der Lage war, sich zu rühren. So, das neben seinem Pantherweibchen nun eine Schüssel Milch und eine mit Fleisch auftauchte. Immerhin war sie gewachsen und war auf mehr als auf Milch angewiesen.
 

Er hörte, wie sie futterte, sich aber dann zu ihm auf den Bauch legte und ihn immer wieder anstupste. Harry hatte nicht mal mehr die Kraft, zu lächeln. Er saß einfach nur da und hoffte, dass das Ende kam – oder Draco, um den Schwur zu lösen. Was auch immer zuerst eintreffen würde. Heute war der einunddreißigste... hoffentlich musste er nicht noch vierundzwanzig Stunden auf Draco warten...
 

Harry merkte kaum, wie die Zeit verging, immer wieder wurde er in die Schwärze gezogen, die ihm wenigstens für eine Weile seine Schmerzen nahm. Einmal hatte er seine Eltern und Sirius in einem Lichtkreis gesehen, er hatte zu ihnen gewollt, er war gerannt, aber dann... hatte es einen Zug gegeben, wie damals auf der Krankenstation und er war wieder zu sich gekommen.
 

Mal wieder.
 

Und nun saß er immer noch hier, mitten im Regen, mit höllischen Schmerzen, allein, verlassen und kaum in der Lage, sich irgendwie zu rühren. Dazu war er vollkommen durchnässt und obwohl es wohl eigentlich recht warm war, fror er wie ein Schneider. Nein, so wollte nicht mal er sterben.... dann lieber auf seiner Fensterbank. Da, wo er für seine Kleine wenigstens genug Futter hinstellen konnte, damit sie durchhielt, bis Draco da sein würde. Denn er war sich sicher, die Nacht würde er nicht überleben.
 

Nicht, das er darum traurig war.
 

Seine Angst vor dem Tod hatte er ja schon vor Langem verloren. Der Tod war für ihn nur noch eine Erlösung, vor allem seit der letzten Schlacht vor nunmehr einem halben Jahr. Er hätte dem allen schon längst selbst ein Ende gemacht, hätte Draco ihn nicht in den verdammten Schwur getrickst. Aber nein, er hatte sich von einem Slytherin an der Nase herumführen lassen, der genau wusste, dass er nie etwas tun würde, um Anderen zu schaden. Ja, auch in der letzten Schlacht hätte er alles getan, um nicht töten oder verletzen zu müssen, aber diese Idioten hatten ja einen Teenie gebraucht, der ihre Schlachten focht!
 

„Komm, “ flüsterte Harry schwach. „Gehen wir... zurück... in die... Wohnung.“ Mit aller Kraft stemmte er sich auf, am Stamm des kleinen, windschiefen Baumes entlang, nach Oben in eine stehende Position. Sofort begann sich alles vor seinen Augen zu drehen. Es dauerte lange, bis er sich sicher war, wieder klar zu sehen, aber seine Kleine wartete geduldig, sie schien sogar mehrfach zu versuchen, ihm zu helfen. Süße Kleine. Sie hatte wirklich etwas Besseres verdient, als ihn. Wie Draco auf die Idee gekommen war, sie bei ihm zu lassen, wusste er ohnehin nicht und er hatte keine Ahnung, ob er es je erfahren würde. Nicht, wenn es so weiter ging.
 

Dann, endlich, gerade, als die Sonne wieder am Verschwinden war, stand Harry. Etwas wackelig, als habe er zu viel gesoffen, aber er war sich nun ziemlich sicher, es zurück zu schaffen. Er wollte zurück in die Wohnung, um sich noch ein Mal die Bilder anzusehen. Nicht, dass er das brauchte. Er kannte die Bilder auswendig, er konnte sie sehen, sobald er die Augen schloss. Das Gesicht des Tränkemeisters, die der Anderen.
 

Hastig wischte Harry sich eine Träne aus den Augen. Warum heulte er? So, wie es ihm ging, würde er am Morgen bei ihnen aufwachen! Mit unsicheren Schritten trat er zu dem kleinen Pfad – und stockte. Er spürte Augen auf sich, einen bohrenden Blick. Dabei war hier nie auch nur eine Menschenseele gewesen, warum auch immer. Nie hatte man ihn beachtet. Warum jetzt?
 

Vorsichtig hob Harry seinen Kopf – und rieb sich ungläubig die Augen. Er starrte auf die Gestalt, die da stand, wo die Straße in den Feldweg überging. Ein Profil, das in seinen Augen einmalig war. Ein kantiges Gesicht mit prominenter Nase. Phantasierte er? Starb er? Er wusste es nicht, nur, das er keinen Zweifel daran hatte, wer da stand, auch, wenn diese Person Muggelkeidung trug.
 

Harry merkte kaum, wie die Schmerzen so weit zurückgingen, dass er sich etwas freier bewegen konnte, er starrte den Anderen an, der da stand, sein Ausdruck schien etwas Überraschtes zu haben, als habe er nicht mit ihm gerechnet. Vermutlich war Severus enttäuscht, dass er dessen Opfer nicht gewürdigt hatte und doch starb, aber... er hatte es versucht, das konnte er sagen. Er hatte sechs Monate gekämpft und er hatte sich das hier nicht selbst angetan!
 

Ohne weiter zu zögern, lief er los, rannte am Ende sogar, ohne auf seinen protestierenden Körper Rücksicht zu nehmen und hielt erst an, als seine Arme sich um den Hals des Älteren schlangen. Er spürte, wie Arme sich um ihn schlossen. „Bitte, “ flüsterte er mit rauer Stimme. „Bitte, nicht... nicht wieder tot sein... lass... lass mich nicht allein...“ Dann wurde seine Welt wieder schwarz.
 

Severus hatte beschlossen die Suche nach Harry erst mal aufzuschieben, einfach, weil seine Zeit knapp wurde und er nur noch diesen einen Tag hatte, er hatte auch seit gut zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Nicht, dass das sein Rekord war, aber nun – er wusste, dass er sich beeilen musste, auch, wenn alles in ihm rief, Harry zu suchen, musste er es vorerst aufschieben.
 

Da er keine Ahnung gehabt hatte, wo er suchen sollte, hatte er am Vorabend auf etwas zurück gegriffen, was er normalerweise nie getan hätte, da es oft zu viele Ungenauigkeiten in der Technik gab und sie alles Andere als zuverlässig war – er hatte seinen Gefährten ausgependelt.
 

Und nun stand her hier, an einer Klippe in Norwegen, einen kleinen Marsch von der nächsten Landstraße entfernt. Es war fast schon wieder Abend, also konnte er nur beten, dass das verdammte Pendel Recht behalten würde. Er wollte seiner Schwester nicht erklären müssen, warum er durchdrehen würde und sie ihn umbringen musste. Wirklich nicht. Sie wurde bei so was dann immer gleich so aggressiv…
 

Er suchte nach etwas Lebendem und knurrte. Er hatte es doch gewusst! Pendel waren reiner Schwindel und jetzt...! Doch dann sah er es. Da! Da war wirklich eine Gestalt – und die wirkte, als habe sie entschieden zu tief in die Flasche geschehen. Sie war dürr, hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Obdachlosen, als sonst was und das erkannte er durch die viel zu weite und für das Wetter auch zu dicke Kleidung. Ein Windhauch schien zu reichen, um sie die Klippe herunter zu pusten.
 

Und dann sah die Gestalt auf. Severus wäre fast auf seinen Allerwertesten gefallen, als er das sah. Absolut leere, fast tote, tiefgrüne Augen, die nun an ihm hefteten. Dann aber begannen sie, zu leuchten. Nicht, wie früher, aber sie schienen wieder zum Leben zu erwachen. Auf ein Mal kam Bewegung in die Gestalt, die direkt auf ihn zuhielt und noch bevor er wusste, was geschah, schlangen sich dürre, knochige Arme um seinen Hals.
 

„Bitte, “ flüsterte er mit rauer Stimme. „Bitte, nicht... nicht wieder tot sein... lass... lass mich nicht allein...“
 

Kaum waren diese schwach geflüsterten Worte verklungen, merkte Severus, wie der Körper in sich zusammen sackte, wie ein Sack Kartoffeln. Automatisch verstärkte er seinen Griff, hob den Jüngeren vorsichtig auf seine Arme und sah sich um. Sein blick fiel auf ein junges Raubtier, dass vor ihm saß und ihn aus schwarzgoldenen Augen warnend zu beobachten schien. „Das wäre beeindruckend, wärest du ausgewachsen, “ knurrte er nur, blickte dann zu dem Jüngeren. Das war so typisch für Diesen. „Nun, Vieh! Weißt du, wo er wohnt? Hoffentlich nicht im Park auf der Bank bei seinem Geld! Los! Lauf! Ich muss ihn in ein Bett bringen und untersuchen, bevor ich ihn übers Knie lege!“
 

Das Tier musterte ihn noch ein Mal, bevor es sich aber dann doch in Bewegung setzte. Severus atmete erleichtert auf und folgte ihm, wobei er aber einen Tarnzauber über sich und die Wildkatze warf, er hatte keine Lust auf dumme Blicke oder noch schlimmer – Fragen. Sie folgten der Straße, auf der er schon hierher gekommen war, bis hin zu einigen wirklich heruntergekommenen Wohnblocks. Bei einer der Türen blieb die Kleine stehen und begann zu scharren, also öffnete er sie mit Magie, sowie die nächste Tür, vor der das Vieh sitzen blieb.
 

Was er dahinter fand, traf so ziemlich die negative Beschreibung von Lucius. Die Wohnung dahinter war weiß. Klinisch weiß. Der Flur mit Linoleum ausgelegt und ein bis jetzt nicht aufgebauter, billiger Schuhschrank steckte noch in einer Pappschachtel.
 

Hastig stieß er die einzelnen Türen auf, bis er dann doch ein Zimmer fand, in dem eine Matratze mit einer dünnen Decke lag. Beides sah aus, als wäre es lange nicht mehr benutzt worden.
 

„Wir müssen uns dringend über deinen Geschmack unterhalten, “ murmelte Severus, während er seine beängstigend leichte Last vorsichtig ablegte, doch sofort schienen die Hände sich hinter seinem Hals zu verkrallen. Sanft löste er sie trotzdem, betrachtete dann den Jüngeren. Er hätte viel erwartet, aber das sicher nicht. Nie hätte er gedacht, dass ausgerechnet Harry sein Gefährte sein sollte, aber er wusste, es war so. Er spürte es in jeder Faser seines Körpers. Schnell streifte er Harry die Schuhe ab, dicht gefolgt von dem Anorak, der ohnehin vollkommen durchweicht war. So, wie alles Andere.
 

Harry sah aus, wie ein lebender Toter, vor allem nun, da er ihm auch noch seinen dicken Pullover abgestreift hatte. Furchtbar dürr und bleich. Vorsichtig strich er über die Unterarme, die mit unzähligen Schnitten übersät waren. Einige älter, die Anderen konnten kaum einen Tag alt sein. „Wir haben einige Gespräche zu führen, “ stellte Severus nur erneut fest, bevor er die Arme unter die Decke legte – und erneut stockte. Hastig riss er die Decke runter, doch es blieb, es war keine optische Täuschung. Tiefschwarz zeichnete es sich ab. Eine Art keltischer Ring um Harrys Nabel, von dem ein klares Muster bis zur Brust ging.
 

Severus wurde schneebleich. Ja, Rebana hatte Recht behalten. Wäre er auch nur eine Stunde später gekommen, hätte er vermutlich nur noch seinen toten Gefährten gefunden. Sanft strich er über die Muster, bevor er Harry von der Hose befreite die der tatsächlich mit einem Seil um die Hüfte gebunden hatte. Erst dann deckte er ihn erneut zu, zauberte dann die Decke dicker und wärmer.
 

Er betrachtete das von Schmerzen gezeichnete Gesicht. Das also war es gewesen. Der Jüngere war am Tag vor der Schlacht bei ihm gewesen und hatte ihn gefragt, ob er einen leichten Schmerztrank haben könne, da ihm schlecht sei. Er hatte es, wie der Junge, auf die Aufregung geschoben. Dabei war es die Ankündigung für etwas ganz Anderes gewesen.
 

Sanft fuhr er über die bleiche Wange, was dazu führte, dass der Jüngere sich wieder etwas entspannte. Er war noch rechtzeitig gekommen. Gerade mal so eben, aber es würde dauern, bis Harrys Schmerzen ganz weg waren. Das wusste er. Warum bitte hatte Niemand ihm je gesagt, dass die Möglichkeit bestand, dass Harry Aloja-Blut geerbt hatte!? Die Potters waren bekannt für Elfengene, nicht für das hier! Aloja waren viel, viel seltener und gefährdeter als Elfen! Gerade in der Phase der Umwandlung! Er hätte dabei sein müssen, verdammt und hätte er es gewusst, hätte er Harry in der Sekunde holen lassen, als er wieder zu Bewusstsein gekommen war!
 

Eine Weile lang saß Severus einfach nur da und wartete, bis er sich sicher war, dass Harrys Schmerzen ein ganzes Stück zurück gegangen waren, dann breitete er noch seinen eigenen Mantel über den Jüngeren, bevor er begann, den Rest der Wohnung zu inspizieren. Er wollte die wirklich wichtigen Dinge finden und nach Möglichkeit noch diese Nacht wieder zurück nach Hause kommen, er brauchte Thea, um ihm zu helfen, er konnte Harry nicht allein versorgen, nicht dieses Mal.
 

Überall standen Kartons mit Möbeln herum, die nie aufgebaut worden waren und deren Qualität jeglicher Beschreibung spottete. In wenigen Kartons lagen einige Bücher und noch mehr von den zu weiten Klamotten, viele davon außerdem mit Löchern oder durchgetragen. Erster Punkt auf der Liste – Schneider bestellen. Das kam gleich nach ihm Thea ausliefern. Da hatten Thea und Serena endlich Jemanden, den sie bemuttern konnten und vielleicht würden die beiden Frauen dann aufhören, sich in sein Leben einzumischen, obwohl – das konnte er streichen. Das würden sie nicht tun. Schon allein, weil sie viel zu viel Spaß daran hatten, ihn zu ärgern.
 

Inzwischen hatte er das Zimmer erreicht, von dem er ziemlich sicher war, das es mal ein Wohnzimmer hätte werden sollen. Zumindest hatte es einen kleinen Kamin, der nicht sonderlich sicher aussah und da stand ein Sessel. Es war auch das einzige Zimmer mit einer Gardine am Fenster, stellte er fest. Und Polstern auf dem Fensterbrett. Kurz blickte er hinaus, direkt auf die Straße. Er hob eines der Kissen hoch – und stockte. Da lag ein Dolch. Das Siegel erkannte er sofort. Das Ding musste Black gehört haben. Die Klinge war voll mit getrocknetem Blut. Mit Harrys Blut.
 

Mit einem Zauber reinigte er es, steckte es zurück in die Scheide und steckte es ein. Er würde es Harry zurückgeben, wenn er sich sicher sein konnte, dass er sich nicht mehr selbst verletzen würde. Keine Sekunde eher. Kurzerhand erhellte er das Zimmer mit einem lumos, stockte aber gleich noch mal, als er die gegenüberliegende Wand sah.
 

Bilder. Zeitungsausschnitte von denen, die im Krieg gefallen waren. Oder die ihm zum Opfer gefallen waren. Harrys Eltern, Lupin, Black, einige Kameraden aus demselben Jahrgang. Und er. Er war der Einzige, von dem hier mehr als ein Bild hing und das größte hing in der Mitte. Alle Anderen waren um es herum fest geklebt. Harry hatte es also instinktiv gefühlt, lange, bevor es ihm klar gewesen war.
 

Ja, er hätte wirklich eher zurückkommen sollen.
 

Hier, in diesem Zimmer musste Harry gelebt haben. Es war das Einzige, das bewohnt wirkte. Durch die Polster, den Sessel und die Gardine, durch die halb volle Tasse mit dem Kaba und das angeknabberte Brötchen. Hier standen auch ein Kratzbaum und ein Katzenklo. Über der Lehne des Sessels lagen auch, ordentlich gefaltet, zwei Hosen und ein Shirt. Nur eine Decke sah er nirgends. Was in ihm die Frage wach rief, wann Harry überhaupt mal geschlafen hatte. Vermutlich gar nicht.
 

Mit einer Handbewegung verkleinerte er das Katzenzubehör und verstaute es in einem Rucksack, den er auf dem Boden fand. Er erkannte ihn, Draco hatte ihn Harry geschenkt, zu dessen sechzehntem Geburtstag, da der nie eine heile Schultasche gehabt hatte.
 

Auf dem kleinen Klapptisch, wo auch die Tasse und das Brötchen standen, lagen mehrere Briefe, die Meisten von den Weasleys, einer von Draco, sowie einige kleine Päckchen. Was Severus in Erinnerung rief, dass Harry heute Geburtstag hatte. Was ihm vollkommen entfallen war.
 

Memo an ihn, Geschenk besorgen.
 

Es dauerte eine Weile, bis er endlich das Fotoalbum fand, das Hagrid Harry zum Ende des ersten Schuljahres geschenkt hatte. Darin steckte die Karte, die sein Vater und dessen Gang entworfen hatten. Auch diese beiden Dinge schrumpfte er und ließ sie in den Rucksack gleiten.
 

Dem folgten noch der Besen seines Patenonkels und ein Geschenk von Lupin zu dessen letztem Geburtstag. Mehr Verwertbares fand er nicht, also ging er ein Zimmer weiter, hinein, in ein Bad, das kaum groß genug war, um sich umzudrehen. Von der Leine, die über das Zimmer gespannt war, hing ein halb trockenes Shirt zusammen mit mehreren Paaren dicker Socken und Unterwäsche.
 

Nichts, was er mitnehmen würde.
 

Auch in der Küche fand er nichts Wichtiges, nichts, was er nicht auch bei sich bekommen konnte. Was ihm auffiel, war, dass er auch mit einem accio keinen Zauberstab finden konnte, was ihm nicht wirklich gefiel. Auch konnte er in der Wohnung absolut keine Magie spüren, als habe Harry sie nicht eingesetzt, die gesamte Zeit, die er schon hier lebte. Nur die Gringottsschlüssel fand er noch.
 

Rasch lief Severus zurück in das Zimmer, in dem er Harry zurückgelassen hatte und es schien ihm schon wieder schlechter zu gehen. „Katze! Wo bist du!?“, brüllte er wütend, während er den Jungen vorsichtig in seinen Mantel wickelte und hochhob. Das schwarze Tier tauchte kurz danach auf. Erst dann öffnete Severus ein Tor und trat durch, dicht gefolgt von Harrys Haustier.
 

„Schnell, Herr! Legt ihn auf das Bett!“
 

Verwirrt blickte Severus zu Thea, die bereits sein Bett zurückgeschlagen hatte. „Nicht, das ich nicht dankbar bin, aber was tust du hier??!“
 

„Rebana hat gesagt, Eurem Gefährten geht es schlecht, also habe ich hier gewartet!“, gab die Heilerin hastig zurück. „Und nun macht schon!“
 

Ja, er liebte es, wenn sich irgendwelche Wahrsager in sein Leben einmischten, aber im Moment war er auch einfach nur dankbar. Vorsichtig legte er Harry auf sein eigenes Bett und befreite ihn von seinem Mantel, setzte sich neben ihn und hielt eine seiner knochig dünnen Hände.
 

Thea starrte schockiert auf den Jungen, der nun bleich und reglos auf den Laken lag. Sie sah die Symbole auf dessen Bauch und Brust. „Wann ist sein Geburtstag...?“, fragte sie schwach.
 

„Heute.“
 

Thea starrte den Anderen erneut an: „Ihr kanntet ihn und...!?“
 

„Ich kenne ihn, ja, einen guten Teil seines Lebens lang, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass er etwas Anderes ist, als ein Mensch! Er hatte keinerlei Anzeichen...!“
 

Die Heilerin sprach rasch einige Zauber. „Es ist fast zu spät gewesen,“ stellte sie leise fest, während einer der Zauber begann, die Verletzungen der Umwandlung zu heilen, zu denen es nicht gekommen wäre, hätte er seinen Gefährten bei sich gehabt, um die magische Energie aufzusaugen. Ohne etwas zu sagen, arbeitete sie an dem Jungen, der keinen Tag älter wirkte, als vierzehn, und auch das nur, wenn man alle Augen zudrückte. Er war dürr, er war klein und im Moment sah er durch seine Verletzungen noch um einiges kindlicher aus.
 

Vieles von dem Eindruck würde aber wohl verschwinden, wenn er ein angehend normales Körpergewicht zurückgewinnen würde. Wachsen würde er nicht mehr, aber so klein war er eigentlich auch nicht, vielleicht kleiner, als normal, aber nicht um so viel. Sie arbeitete fast eine Stunde durch, bevor sie sich erschöpft in einen der weichen Sessel fallen ließ und erst mal durchatmete.
 

„Nun?“, fragte Severus nur ruhig, Er deckte Harry vorsichtig zu, wickelte ihn gut ein und küsste ihn vorsichtig auf die Stirn. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er, wie das schwarze Untier auf sein Bett sprang um sich zu Harry zu legen, doch er sah auch, wie die Finger des Jüngeren sich in dem Fell vergruben, also ließ er es gewähren. Doch diese Unart würde Potter dem Vieh austreiben! In seinem Bett lagen er und vielleicht noch der Jüngere! Aber sicher, ganz sicher, kein Vierbeiner!
 

Thea blickte zum König, sie wusste, dass, was er hören würde, würde ihm nicht zusagen und sie war sich sicher, dass er das Meiste noch nicht wusste. Immerhin hätte er sonst früher etwas unternommen, denn auch, wenn Severus immer gern den Kühlen spielte, es gab Dinge, da vertrat auch er strikte Ansichten. „Wie gut kennt Ihr den Jungen?“, setzte sie daher an.
 

„Recht gut, “ gab Severus knapp zurück, ohne dabei aufzuhören, über dessen Hand zu streichen. Er spürte, wie die Magie der Umwandlung langsam aus dem Körper entlassen wurde und wie seine eigene sie aufnahm, um Harry die Schmerzen zu nehmen, die die überschüssige Kraft auslöste.
 

„Das ist es, was ich bezweifle.“
 

„Und warum?“
 

„Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Ihr nichts getan hättet.“
 

„Nichts getan? In wiefern!?“
 

Thea atmete tief durch. „Ich habe exakt zwölf Knochen gefunden, die noch nicht gebrochen waren, “ gab sie zurück. „Die meisten Verletzungen stammen aus seiner Kindheit, darum ist er so klein, der Körper war damit beschäftigt, sich zu heilen, er hatte keine Energie, um zu wachsen.“
 

„Was?!“, fragte Severus entsetzt, er sah wieder auf den Jungen, der still da lag. Er hatte gedacht, Harry zu kennen, er wusste, dessen Verwandten hatten ihn nicht verwöhnt oder verzogen, aber der Andere hatte nie ein Wort über eine tatsächliche, körperliche Misshandlung verloren.
 

Die Frau blickte ihn an. „Es ist so, wie ich es sage. Er hat auch Spuren neuerer Verletzungen, die mich an die erinnern, die Ihr immer aus Kriegen mitbringt, sie sind etwa so alt, wie Euer Giftbiss. Und Verletzungen, die er sich selbst zugefügt hat. Vermutlich, um die Schmerzen der Umwandlung zu betäuben oder auf einen Ort zu konzentrieren.“
 

Der Tränkemeister schluckte schwer. Er brauchte eine Weile, bevor er wieder antworten konnte. „Wird er gesund?“
 

„Ja, Ihr hattet großes Glück, Mylord. Eine Stunde später und ich wäre mir nicht mehr so sicher gewesen, aber der Junge ist stark, ich denke, er wird morgen oder übermorgen auch wieder zu sich kommen, aber Ihr solltet unbedingt in seiner Nähe bleiben, es nimmt ihm die Schmerzen und erlaubt seinem Körper, sich um die Verletzungen zu kümmern.“
 

Wie im Trance nickte Severus. Er hatte nicht vor, den Jüngeren jetzt allein zu lassen. „Kann ich ihm etwas geben, wenn er aufwacht?“
 

„Ihr solltet sogar, dringend, wenn ich das so sagen darf. Er braucht dringend Nährtränke und die darf er erst wieder absetzen, wenn er etwa fünfzehn Kilo mehr auf den Rippen hat. Ich denke, durch die Umwandlung ist ihm beim Essen jedes Mal schlecht geworden und er hat vorher wohl schon zu wenig auf den Rippen gehabt. Für die ersten Tage wird er sogar einen stark konzentrierten Trank brauchen. Aber auf keinen Fall Schmerztränke, davon hat er entschieden zu viel im Blut, auch andere schmerzhemmende Mittel, wie sie in Muggelmedikamenten vorkommen und gebt ihm auf gar keinen Fall Traumlostränke, wenn er Alpträume hat, nehmt ihn einfach in den Arm. Er hat versucht, allein zu überleben, statt seinen Gefährten zu suchen...“
 

„Er wusste nicht mal, dass er einen braucht!“, verteidigte Severus den Jüngeren.
 

„Was?“
 

„Er wusste nichts von seinem Aloja-Blut. Er hatte vermutlich keine Ahnung, was in seinem Körper vorgegangen ist.“
 

„Dann erklärt es ihm und verliert nicht zu viel Zeit damit. Er muss es schnell erfahren und begreifen, was geschehen ist. Und Herr – Ihr hättet keinen würdigereren Gefährten finden können, er ist stark, dieser hier. Und dazu noch ein Aloja, einer der Letzten seiner Art...“
 

„Ich weiß, dass er stark ist, “ gab Severus nur leise zurück, strich durch die nun langen Haare. „Er hat in derselben Schlacht gekämpft, wie ich, nur hat er, im Gegensatz zu mir, bis zum Ende durchgehalten.“
 

„Was?! Das kann nicht Euer Ernst sein! Er hat sich jetzt umgewandelt, das heißt...! Merlin, Ihr habt zugelassen, dass ein Sechzehnjähriger auf ein Schlachtfeld geht?!“
 

Severus schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte nicht, dass er kämpft, aber das war nun mal sein Schicksal, seine Prophezeiung. Er musste es tun. Ich habe ihm geholfen – oder dachtest du im Ernst, ich lasse mich für Jeden von einer dummen Riesenschlange beißen?!“
 

Thea beschloss, besser nichts mehr zu sagen. Sonst würde es zu einem handfesten Streit zwischen ihnen ausarten, es wäre nicht das erste Mal, dass das geschah. Und es war jedes Mal hässlich. Also atmete sie stattdessen ruhig durch. Sie würde mit dem Jungen sprechen, wenn er so weit war, er würde jemanden brauchen, der sich auch um die psychischen Wunden kümmerte. Die waren vermutlich noch größer, als die Physischen schon gewesen waren. „Ich gehe, ich kann hier erst mal nichts machen, ich sage Eurer Schwester bescheid, dass Ihr wieder hier seid und lasse sie die nötigen Tränke bringen.“
 

„Aber bitte nicht machen! Ich wollte ihn nicht jetzt noch vergiften.“
 

Thea lachte leise. „Ich hatte nicht vor, Serena in die Nähe eines Labors zu lassen. Das wird einer meiner Gehilfen tun.“
 

Severus nickte und entließ die Heilerin mit einer knappen Handbewegung, bevor er sich wieder zu Harry umwandte. „Na, du wirst den Schock deines Lebens bekommen, wenn du aufwachst, “ stellte er einfach nur fest. Er hatte keine Zweifel daran. Er wusste, so würde es kommen und Punkt.
 

Trotz dieser ernsten Situation musste Severus allerdings lächeln. Er wusste, wie wichtig Gefährten waren, wenn man sie hatte, aber wissen und spüren waren doch noch ein Mal ganz andere Dinge. Harry war verletzt, in mehr als einer Hinsicht, aber er konnte für den Jüngeren da sein, ihm helfen. Er würde Alles tun, damit es ihm gut gehen würde, das versprach er sich selbst und nicht zum ersten Mal. Nur dieses Mal tat er es nicht aus einer falschen Verpflichtung oder aus Mitleid, sondern au tiefstem Herzen.
 

Rasch stand er auf, streifte sich Hose und Schuhe ab, holte sich bequemere Sachen heraus, eine leichte Hose statt der schweren Jeans, dann setzte er sich auf sein Bett und griff nach einem Buch. Er lächelte, als der Jüngere im Schlaf näher an ihn rückte, bis dessen Kopf auf seinem Schoß lag und während er las, strich er über dessen Wange oder Arme.



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Kommentare zu diesem Kapitel (13)
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Von:  Bessere_Haelfte
2009-02-26T20:51:22+00:00 26.02.2009 21:51
oh gott das ist soo süß. ich bin so froh das sev ihn früh genug gefunden hat! *freu*
bin gespannt was als nächstes passiert
Von:  katsuja
2009-02-21T12:05:03+00:00 21.02.2009 13:05
Wie immer ein sehr gutes Kapitel

Beantwortet zwar einige Fragen , stellt aber gleichzeitig genau so viele neue auf.

Gehe mal davon aus das im nächsten Kapitel die zwei viel Zeit miteinander verbringen werden .

Eine Beschreibung der Art von Harry wäre auch nicht schlecht .

bis zum nächsten Kommi Katsuja
Von:  mathi
2009-02-21T01:15:15+00:00 21.02.2009 02:15
so^^
hi erstmal...
es tut mir leid das ich erst so spät einen kommi schreibe... bin aber
vorher irgendwie nicht dazu gekommen -.-'
na ja jedenfalls ich finde diese ff klasse und bin schon sehr sehr gespannt was
noch alles passieren wird, wann harry aufwacht und was er sagen wird^^
freu mich schon aufs nächste kapitel
mathi
Von: abgemeldet
2009-02-20T22:01:03+00:00 20.02.2009 23:01
juhu, endlich hat Severus seinen Gefährten und kann ihn endlich aufpäppeln- ich muss sagen ich konnte es kaum erwarten und naja- wie ich halt bin- ich kann auch kaum erwarten wie es weiter geht...
Ich liebe deine Storys und freue mich schon sehr auf mehr davon

LG
Von:  sky74
2009-02-20T20:54:29+00:00 20.02.2009 21:54
Hallo Da-chan,

das war echt klasse. *freu*

Ich bin so froh, dass Sevvi Harry gefunden und ihn als seinen Gefährten erkannt hat. *puh* Und das war soooo knapp für Harry. *Schweiß von Stirn wischt*

Bin sehr gespannt, wie Harry reagiert, wenn er wieder aufwacht und wirklich realisiert, was passiert ist und bei wem und wo er sich befindet. Und was er zu seinem eigenen Nicht-Mensch-sein sagt.

Und was ist mit Dray? Der muss doch auch noch erfahren, wo Harry ist, weiß ja keiner, da ja selbst Sev nicht wusste, dass Harry sein Gefährte ist. Nicht, dass er sich noch schlimme Sorgen macht. Ich hoffe, dass die Malfoys noch oft vorkommen (Du weißt ja, ich mag die Beiden).

Und jetzt bekommt der süße kleine Panther bestimmt auch einen Namen. *smile*

Also, bis zum nächsten Mal. Freue mich schon ... *wink*

Bye
sky





Von:  ai-lila
2009-02-20T20:50:17+00:00 20.02.2009 21:50
Hi~~

Dein Kapi ist super schön und auch lang geworden. *______*b
Hoffentlich vergisst Sev nicht, Draco bescheid zu sagen das Harry bei ihm ist.
Sonst dreht unser Blondie noch durch vor Sorge. ^^°

Freue mich auf alle Fälle aufs nächste Kapi.
lg deine ai
Von:  Kyuuo
2009-02-20T14:56:12+00:00 20.02.2009 15:56
tolles kapi
schön dass es ihm besser geht
super reaktion von sev
was is ein aloja
freu mich aufs nächste
mfg kyuuo
Von:  sann
2009-02-20T14:51:19+00:00 20.02.2009 15:51
tollrd kapi
ich bin froh das es harry jetzt besser geht
wie kommt es das harry ein magisches wesen ist ?
schreib schnell weiter
Von: abgemeldet
2009-02-20T14:20:28+00:00 20.02.2009 15:20
hi

oh man das ging aber gerade noch mal gut mit dem finde...
nicht das er hätte sterben dürfen denn dann wäre die story ja schon fast zu ende ;)

ich finde es toll das er ihn jetzt endlich hat und er auch in guten händen ist um versorgt zu werden
aber ein wenig mehr naja ausflippen würde ich jetzt sagen hätte ich schon von sev erwartet
so wie das ganze beschrieben ist als er ihn findet ist es ich weiß auch nicht es kommt so sachlich rüber als würde es hier um einen außenstehenden gehen und nicht um seinen gefährten...
den er noch gerade so gefunden hat...
der auch nicht gerade in einer guten verfassung ist...
und der schon mehr tot als lebendig eine längere zeit vor sich hin vegetiert ist...

ich hätte es besser gefunden wenn er etwas mehr emotionen gezeigt hätte, so in etwa wie es bei lucius angedeutet worden ist als er gemeint hat er will ihn übers knie legen...
aber als er ihn dann sieht ist er zu sachlich
nicht das ich meine er müsste ihn anschreien oder so nein das nicht
aber ein wenig besitzergreifender hätte er schon seinen können auch wenn es so schon auch zu seiner rolle passt...

mal sehen vielleicht kommt es ja noch wenn der junge mann dann wieder unter den lebenden weilt und nicht mehr nur so vor sich hinträumt denn es scheint ja so rüber zu kommen als das er es für den ersehnten tod hält und somit träumt...

ich freu mich auch schon auf so ein paar erklärungen auf beiden seiten denn sie müssen ja dem jeweils anderen noch so einige sachen beichten um normal miteinander umgehen zu können und ich bin echt gespannt wie das gelöst wird und auch ob noch mal genauer erklärt wird was so besonderes an seinem wesen ist, da er ja anscheinend der letzte ist...

wieder mal ist er was besonderes und mal kucken wie er damit zurecht kommt wo er doch immer nur normal sein will...
ich bin mal gespannt was er noch so alles anstellt in nächster zeit und wie es noch so weiter geht also spann uns nicht so lange auf die folter was du dir so alles ausgedacht hast...

hoffentlich bis bald
__Kai__
Von: abgemeldet
2009-02-20T14:02:27+00:00 20.02.2009 15:02
Wie süß.
Keines Falls zu Übertrieben. Aber lass Harry bitte nich vergewaltigt worden sein uns ich finde er sollte auch keeinen neuen Namen bekommen geschweige denn eine neue Familie (also Eltern) wie es in den meisten FFs ist.

Sehr schön jetzt stellt sich nurnoch die Frage was ein Ajo- Alo- oder was auch immer Harry ist, ist ;D
Ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht!!!
Am liebsten hätte ich jetzt gleich oder zumindest morgen das nächste Kapitel!
Naja ich werde mich wohl gedulden müssen :(
Schreib so schnell es geht weiter!!!

Liebe Grüße
Miss Genetic


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