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100 Themes Challenge

every day is writing day
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#21 [War]

Souvenir
 

"..wie ist das nochmal passiert?"

Ein teils belustigt- und teils neugieriger Blick streifte seinen Unterkörper, der sich zur Hälfte in einer grün-schwarz-getigerten Hüfthose versteckte. Zwischen Bauchnabel und Hüftknochen schlängelte sich dort eine dunkelrote Schnittnarbe entlang, verschwand im Hosenbund, den die junge Frau zurechtzupfte.

Natürlich war das aufgefallen, nicht zu knapp und es war sehr wild darüber spekuliert worden. Gerade im Bezug auf die vermeintliche Entführung, die angeblich niemals stattgefunden hatte. Die Medien hatten sich draufgestürzt wie Piranhas, die Fans dagegen wie fanatische Gläubige; dieser Riss war promotiontechnisch erstaunlich gut angekommen und neun von zehn Mädels fanden es Umfragen zufolge äußerst sexy. Und er hatte sich noch Gedanken darüber gemacht, ob es ihn nicht entstellte, aber im Gegenteil war es nur ein weiteres Wiedererkennungsmerkmal, das oft und gerne hervorgehoben wurde auf den Fotos. Was natürlich auch an der pikanten Platzierung lag. Die Fangemeinde war jedenfalls begeistert und es hatte tatsächlich schon eine Stange Nachahmer gegeben.
 

"Alte Kriegsverletzung", grinste er und nahm einen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher, während die junge Stylistin an ihm herumdoktorte. Im Grunde stimmte das. Es wusste noch genau, wie es dazu gekommen war - angefangen hatte es mit einer Waffe, Handschellen, einer Mutprobe und daraus resultierendem Kleinkrieg. Und den Ergebnissen, die Dank seiner unsäglichen Dämlichkeit in dieser Wunde geendet hatten. Aber er konnte darüber lachen, zumal sowieso Pascal an allem Schuld gewesen war. Natürlich. Wäre der nur nicht so stur gewesen.

Und überhaupt. Das war quasi der Auftakt zu einer neuen Ebene ihrer seltsamen "Beziehung" gewesen. Da hatte er ihn geküsst. Unfreiwillig zwar, hatte sich ja selbst dazu gezwungen, aber abstreiten konnte es dennoch keiner von beiden. Erstaunlich, wirklich. In immerhin drei Jahren Showbiz hatte es kein Kerl geschafft, ihn derart anzuheizen - obwohl es dazu Gelegenheiten genug gegeben hatte. Gerade bei Shootings oder auf der Bühne, wenn mal wieder Fanservice angesagt war, um die Massen zu befriedigen. Mal ganz zu schweigen von Jeels ständigen Kabbeleien im Backstagebereich.

Gut, war auch eine ganz andere Situation gewesen, damals, in Luccas Gemäuer. Eine seltsame Stimmung, die im Nachhinein fast sogar etwas Verzeifeltes gehabt hatte, wenn er ganz nüchtern zurückdachte. Die Suche nach einem Ventil, mehr nicht. Er hatte in dieser Zeit wirklich gedacht, er wäre schwul. Oder zumindest bisexuell. Verknallt in einen Kerl; sowas Dummes. Dabei war es ja nur das rein körperliche Sehnen nach Zuneigung gewesen, was da mit ihm durchgegangen war, hatte ihm Basket ganz vertrauensvoll erklärt. Wenn man erstmal in dieser Stimmung ist, is' es scheißegal, wer da grade an einem herumschraubt oder rumknutscht und vor allem, wenn auf unbestimmte Zeit auch keine Weibchen in Sicht sind. Wenn eine Vertrauensbeziehung aufgebaut wird und man niemanden anderen um sich hat -praktisch gezwungenermaßen ständig beieinanderhockt-, dann hat man kaum eine Chance, sich dem zu entziehen. Da kann man eine tiefe, seelische Verbundenheit schonmal leicht mit "Liebe" verwechseln. Eine Laune.

Das ist wie im Knast, eine vorübergehende Phase, temporäre Homosexualität, weil eben nix anderes da ist; ganz pragmatisch. Und dazu natürlich noch das nicht zu vernachlässigende Stockholm-Syndrom, ne. Unglaublich, wie fies und hinterhältig diese Psychologie einen erwischen kann. Wobei natürlich ne gewisse Sympathie vorhanden sein muss, um sich so sehr verwirren zu lassen. Und ja, Sympathie war definitiv vorhanden gewesen. Immernoch. Aber der panische Hintergrund war jetzt weg, seit ein paar Wochen und die ganze Intention ihrer Freundschaft hatte sich drastisch verändert; jetzt, da sie nicht mehr aufeinander angewiesen waren, nicht mehr in permanenter Lebensgefahr schwebten und er Pascal nicht mehr als einzigen Halt in seiner Welt ansah. Die Spannung war raus und mit ihr hatte sich auch jede Form der Zuneigung verflüchtigt, die über eine Freundschaft hinausging. Natürlich sahen sie sich noch, ab und zu, zum Kaffeetrinken. Aber das euphorische, herzklopfenverursachende Kribbeln, das er immer verspürt hatte, wenn er in diese blau-grünen Augen gesehen hatte, war verschwunden.
 

Manchmal, wenn er wieder mal mit zwei Miezen im Arm im Bett lag, erschöpft und noch zu wach zum Schlafen, da vermisste er dieses berauschende Gefühl der Verliebtheit. Dieses Flattern und Hoffen, selbst den Schmerz, der diese Zeit begleitet hatte. Das Sorgen und Sehnen, es war so einfach gewesen, ihn glücklich zu machen; eine Geste oder nur ein einzelnes Grinsen. Unglaublich. Er wünschte sich oft einen Krieg zurück, mit dem diese wundervoll-schreckliche Gefühlsachterbahn wieder beginnen würde. Aber sie blieben beide auf Distanz, wenn sie sich trafen, im stillen Einverständnis, dass das alles eine einmalige Sache gewesen war, aus einer reinen Not heraus geboren.

"..nur ein Andenken", murmelte er halblaut, mehr zu sich selbst, als zu seiner Stylistin, deren Namen er nichtmal kannte.



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