Zufrieden ließ Mikaru das Mikro sinken und legte es beiseite, schnappte sich erst mal ein Handtuch und wischte sich damit übers Gesicht. Nach ihrer wohlverdienten Pause war das ihre erste Probe gewesen und es war wirklich gut gelaufen. Irgendwie hatte er das sogar vermisst, selbst wenn sie so lange gar nicht frei gehabt hatten.
Aber egal, der Musikeralltag hatte ihn wieder und er war ganz froh drüber. Irgendwie juckte es ihn schon wieder in den Fingern. Wie gut, dass in ein paar Wochen die nächsten Konzerte anstanden. Bis dahin hatten sie nicht unbedingt Masse an Arbeit; um das neue Album wollten sie sich erst kümmern, wenn sie dann wieder da waren.
Mikaru legte sich das Handtuch um die Schultern und sein Blick glitt automatisch zu Kei. Der Blonde fummelte noch an seiner Gitarre herum, während die anderen ihre Instrumente schon seit geraumer Zeit abgelegt und sich anderen Dingen gewidmet hatten.
Kei war heute wirklich gut drauf. Das war nicht nur ihm aufgefallen. Ivy hatte sie zwar ausgiebig gemustert, als er in den Proberaum gekommen war, doch er hatte sich jeglichen Kommentar verkniffen und Mikaru war auch ganz froh darüber. Er wollte sich nicht vor dem Bassisten erklären müssen. Irgendwie gab es ja auch gar nichts zu Erklären, denn er wusste ja selbst nicht so wirklich, was da neulich passiert war. Sie hatten sich geküsst und geflirtet, aber zu mehr war es nicht gekommen, darauf hatte er ja geachtet. Auch wenn er sich hinterher drüber geärgert hatte, denn Kei war ja mehr als willig gewesen, aber so was es besser.
Als Kei an dem Abend wieder ins Wohnzimmer gekommen war – wohlgemerkt angezogen – hatte er sich einfach wieder zu ihm gesetzt und nach kleinen anfänglichen Schwierigkeiten hatten sie dann geredet. Über alles und nichts, wie früher. Später hatte Kei sich einfach an ihn gelehnt und er hatte aus Reflex einen Arm um ihn gelegt und ihn gestreichelt. Irgendwann mitten in der Nacht hatte es einen Kuss zum Abschied gegeben. Mehr war nicht passiert, aber das, was passiert war, war auch schön gewesen. Mehr als das.
„Kommt ihr noch mit zu mir? Wir wollen noch einen trinken.“
Mikaru blickte kurz zu Erina, der ihn fragend ansah, nickte und widmete sich dann wieder Kei, der damit ebenfalls einverstanden war und so langsam mal sein Instrument wegräumte und seinen Kram zusammensuchte. Die anderen gingen schon vor, aber Mikaru wollte noch nicht.
„Kei, hast du noch ‘nen Moment?“, fragte er leise und der Blonde drehte sich zu ihm, nickte und lächelte leicht.
„Klar, was ist denn?“
Mikaru wartete noch einen Moment und warf einen Blick zur Tür um sich zu vergewissern, dass sie allein waren. „Also… Das, was da neulich Abend war… können wir das wiederholen?“ Ein wenig unsicher blickte er den anderen an, aber der grinste nur und nickte.
„Ja klar. Aber jetzt sollten wir uns beeilen, die anderen warten bestimmt nicht ewig auf uns.“
„Hai…“
Kei schenkte ihm noch ein Lächeln, ging dann aber an ihm vorbei. Er war schon an der Tür, hatte die Hand auf dem Türknauf, als Mikaru ihn nochmal zurück hielt.
„Kei?“
Der Gitarrist drehte sich um. So schnell wie Mikaru bei ihm war und die Lippen auf seine gepresst hatte, konnte er gar nicht reagieren. Im ersten Moment war er wie erstarrt, aber dann erwiderte er den Kuss und schloss sogar die Augen. Mikaru nutzte das direkt aus und strich mit der Zunge über seine Lippen, spielte ein wenig mit seinen Piercings, während seine Hand sich in den Schopf des Blonden verirrte.
Der Kuss war wirklich verdammt toll und Mikaru hatte dieses Gefühl schon richtig vermisst. Er steigerte sich so sehr da hinein, dass er gar nicht merkte, wie die Tür wieder aufging und Ivy seinen Kopf rein streckte. Erst als der etwas sagte, wurde ihm wieder bewusst, dass sie das hier ja nicht ewig tun konnten, und er löste sich doch recht widerwillig von Keis Lippen.
„Hey ihr beiden! Lasst das Rumknutschen und kommt endlich!“, sagte er streng aber das Grinsen auf seinen Lippen verriet ihn. Er betrachtete die beiden noch kurz, dann verschwand er nach draußen.
Mikaru sah wieder zu Kei und war erstaunt, als der lächelte. Er wusste selbst nicht, was er erwartet hatte, aber das nun bestimmt nicht.
Der Blonde beugte sich vor und drückte ihm kurz seine Lippen auf. „Wir sollten jetzt wirklich gehen…“, sagte er leise und zog Mikaru mit sich nach draußen, wo die anderen wirklich schon im Auto saßen.
Erina trommelte undgeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad rum, während die anderen beiden es sich auf der Rückbank gemütlich gemacht hatten. So wie Denka aussah, war er schon kurz vorm Einschlafen. Mikaru plusterte kurz die Wangen auf, da sie sie nun wirklich nicht so lange haben warten lassen, aber er verkniff sich jeglichen Kommentar, setzte sich nur vorne auf den Beifahrersitz, da Kei hinten die Tür geöffnet hatte und sich nun zu den anderen beiden auf die Rückbank quetschte.
Das gemurmelte „Na endlich…“ von Erina ignorierte er mal getrost und schnallte sich an, machte es sich auf dem Sitz bequem, während Erina den Wagen startete und auf die Straße lenkte. Warum sie ausgerechnet zu ihm fahren mussten, war ihm ein Rätsel, denn für den Weg bis zu ihm brauchten sie ewig, vor allem jetzt im Feierabendverkehr.
Aber er dachte da gar nicht großartig drüber nach, rutschte im Sitz etwas runter und schloss die Augen. Die Zeit konnte man ja gut mit Dösen überbrücken. Er hätte auch lieben gerne etwas anderes gemacht, aber das ging ja nicht, weil Kei leider leider hinter ihm saß. Dreck aber auch! Vielleicht war das aber auch ganz gut so, denn wer wusste schon, wie der Rest darauf reagieren würde, wenn er vor deren Nase an dem Blonden herumfummeln oder ihn auch nur küssen würde. Das musste er jetzt nicht unbedingt haben.
Mikaru döste tatsächlich schon nach wenigen Augenblicken weg, was den anderen, vor allem Ivy, nicht verborgen blieb. Er dachte wohl, dass der Sänger schläft und nutzte das direkt mal aus um Kei ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
„Was ist eigentlich mit euch beiden los? Habt ihr geredet?“ Ivy war direkt wie eh und je und Mikaru konnte sich regelrecht vorstellen, wie entgeistert Kei ihn gerade ansah.
Es dauerte auch einige Augenblicke, bis der dann etwas sagte. „Ja… er war neulich bei mir…“
„Und was habt ihr gemacht außer geredet?“
Das konnte ja nicht angehen, dass Ivy ihn hier vor den anderen so ausquetschte, auch wenn die das wohl nicht allzu sehr interessierte. Denka ging das sowieso am Arsch vorbei und Erina konzentrierte sich aufs Auto fahren, da brachte ihn nichts aus der Ruhe. Und Mikaru versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Noch blieb er still, aber er öffnete seine Augen und sah aus in den Seitenspiegel, versuchte so Keis Reaktionen erkennen zu können, aber das klappte nicht wirklich, weil er sich nicht mehr als nötig bewegen wollte. Und er wusste schon, ob die beiden dann noch reden würden, wenn sie wussten, dass er gar nicht schlief.
„Huh? Worauf willst du hinaus?“, kam es von Kei und Mikaru konnte im Spiegel sehen, wie er sich ein paar Haare zurück strich.
„Wie weit seid ihr gegangen? Hab ihr’s gemacht?“
„Nein…“
„Du willst aber?“
Gott, wie konnte er nur immer so direkt sein? Irgendwie nervte es ihn gerade auch ziemlich, dass Ivy seine Nase da so reinsteckte, immerhin lief es jetzt ganz gut – wenn man das denn so nennen konnte.
„Ich weiß nicht…“, kam es jetzt recht zögerlich von Kei. „Ich will nicht, dass…“
Okay, auch wenn Mikaru das schon interessierte, jetzt reichte es.
„Ihr wisst schon, dass ich euch hören kann, ja?“, fragte er laut und drehte sich jetzt zu den beiden um. Kei sah ihn kurz überrascht an, dann wandte er den Blick ab und starrte aus dem Fenster. Ivy grinste nur und streckte ihm die Zunge raus.
„Du musst ja nicht zuhören, oder?“
„Was anderes bleibt mir kaum übrig, wenn ihr…-“
„Okay, Schluss jetzt! Wir sind da!“, sagte Erina laut und unterbrach die beiden so. Verwundert sah Mikaru nach draußen und sie waren tatsächlich schon da. Irgendwie war ihm die Fahrt gerade verdammt kurz vorgekommen, aber er war der Letzte, der sich darüber beschweren würde.
Sie stiegen also alle aus und gingen in Erinas Wohnung. Der schickte sie alle schon mal ins Wohnzimmer und verschwand selbst kurz in die Küche. Mikaru zog sich noch seine Schuhe aus, da er warten musste, bis die anderen fertig waren – so groß war Erinas Wohnung dann doch nicht und vor allem sein Flur war verdammt mickrig. Als Mikaru es dann endlich ins Wohnzimmer geschafft hatte, seufzte er innerlich, denn wie zu erwarten war, saß Ivy jetzt direkt neben Kei. Wahrscheinlich wollte er ihn nachher weiter löchern, wenn erst mal Alkohol im Spiel war. Mikaru würde das aber im Auge behalten.
Da die beiden das Sofa besetzten und Denka den großen Sessel für sich beanspruchte, schnappte Mikaru sich den Sitzsack aus der Ecke und machte es sich darauf bequem. Erina sollte bloß schnell mit dem Alkohol rankommen, denn irgendwie musste er sich ja von der Tatsache ablenken, dass der Kerl, den er bis vor Kurzem regelmäßig flach gelegt hatte, genau neben demjenigen saß, den er nur zu gerne flachlegen würde. Wer wusste schon, was Ivy nicht noch alles ausplaudern oder wo er nachhaken würde. Alles, was zwischen Kei und ihm lief, ging ihn dann ja doch nichts an.
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Tut mir leid, dass es dies mal so lange gedauert hat. Ich werde mich bemühen, das nächste Kapitel schneller fertig zu kriegen.
Danke für die ganzen lieben Kommis bisher, ich hoffe es wird noch weitere geben :P