Panik
Hinterher mit dem nächsten Teil!
Ich konnte in der letzten Zeit einige meiner Leser persönlich treffen, was ich total klasse finde. Es war so schön, zu sehen, dass die Leute, die mir sagen, sie mögen die Story, auch Gesichter haben und nicht nur Mexx-Steckbriefe! (Ihr wisst, wer von euch gemeint ist, nicht?)
Leider habe ich keinen meiner Darsteller getroffen, um ihn einzufangen und mit Beschlag zu belegen - die laufen alle immer noch in freier Wildbahn herum.
WICHTIG: zum besseren Verständnis unbedingt die Anmerkungen am Schluss lesen, danke.
Panik
„Lang nicht gesehen.“ Es war ein lausiger Anfang für ein Gespräch, dass wusste Shou selbst. Aber es auf der anderen Seite war es zwei Wochen her, dass er und Yuuto geredet oder sich nur gesehen hatten. War also doch ganz passend. Er wusste nicht, wie er sich seinem Tröster gegenüber verhalten sollte. Seit dem Vorfall im Q2 hatte Yuuto ihm noch mehr zur Seite gestanden als zuvor. Er konnte sich nicht an Einzelheiten erinnern, dazu war er zu betrunken gewesen. Doch er erinnerte sich daran, dass Yuuto ihn wegen des Gewitters die ganze Nacht gehalten hatte.
„Stimmt,“ lächelte Yuuto. „Geht`s dir soweit gut?“
„Ja.“ Und es stimmte. Es ging ihm gut, besser, als in den langen Monaten zuvor, in denen er sich zu Tora gesehnt hatte.
„Das Wetter ist klasse, ich wollte mit dem Kaffee vor die Tür. Kommst du mit?“ Yuuto wirkte unsicher als er ihn das fragte. Shou nickte, wollte nicht von allen Seiten beobachtet werden, wie man es in der PSC immer wurde.
Im Innenhof streckte er seine langen Beine in der Sonne aus und lächelte Yuuto zu. Er mochte es, wie Yuuto zurück lächelte.
„Ich hab gesehen, dass du mit Tora gesprochen hast, da im Bus. Hab alles klären können, nicht?“
„Haben wir,“ nickte Shou. „Ich mag ihn noch immer, aber scheinbar war es mehr verliebt aus Gewohnheit, als wirklich verliebt in ihn.“
„Wie meinst du das?“ Eine schmale Braue wanderte in die Höhe, begleitet von einem tiefen, skeptischen Schluck Kaffee.
„Wir...“ Shou errötete. Warum? Er wurde nicht mal rot, wenn er von seinem vergangenen Sex mit Saga sprach. Warum wurde er dann wegen einem Kuss rot, der nicht mal Bauchkribbeln verursacht hatte? „Wir haben uns geküsst, da auf dem Bett. Ich hab Tora darum gebeten.“
„Ehrlich?“ Yuuto lachte auf. „Hetero-Tora küsst einen Mann! Geil! War bestimmt ziemlich angespannt, was?“
„Gar nicht,“ er schüttelte den Kopf. „Es war... schön. Tora hat mich geküsst, als wäre ich eine Frau.“ Das war es gewesen, wie ihm jetzt klar wurde. Tora hatte ihn wie eine Frau geküsst, Küsse zwischen Männern waren anders. „Er war ganz sanft und zärtlich und es war auch mit Zunge. Ein toller Kuss, aber... mehr nicht.“
„Mehr nicht? Na, dass Tora sich nicht im Bus von dir besteigen lässt war klar.“
„Nicht in dem Sinne, nicht mehr.“ Shou nahm einen Schluck Kaffee, Himmel, warum war der wieder leer? War da ein Loch in seiner Tasse? „Es war, als würde ich einen Kumpel küssen. Kein Kribbeln, kein ich will mehr, kein Feuerwerk. Einfach nur ein schöner Kuss.“
„Dann bist du also nicht mehr in Tora verliebt und frei für Neues?“ Yuuto reichte ihm seinen Kaffee. „Ist mit Soja, keine Angst, fällst nicht um.“
„Danke.“ Woher wusste der andere, dass er gegen Milch stark allergisch war? Oh, richtig, er hatte es ihm vor Wochen nebenbei gesagt, als sie sich ein Eis geholt hatten. Shou fand es niedlich, dass Yuuto das noch wusste. Er war ihm immer noch eine Antwort schuldig.
„Nein ich bin nicht mehr in ihn verliebt.“
„Und frei?“ Shous Herz pochte. Frei... was hieß das in Yuuto hübschen Augen? Frei, mit allen zu schlafen, mit denen er wollte? Oder frei für eine Person? Frei, ohne wen mehr zu mögen? Frei für alle?
„Vielleicht,“ antwortete er und lächelte Yuuto zu. So ganz frei und offen für alle, das hatte er im Gespräch bemerkt, war er nämlich nicht.
„Bin gleich wieder da!“ Aoi krabbelte hinter seiner Gitarre vor und machte sich auf den Weg Richtung Bad. Uruha sah es mit Sorge, das wurde immer schlimmer. Bis zur Geburt waren es nur noch fünf Wochen und Aoi war viel zu schwerfällig und rund.
„Echt, Aoi, es reicht.“ Ruki ließ sich auf das Sofa fallen. „Hör auf mit Arbeiten, es bringt nichts!“
„Was soll das heißen?“ Aoi sah den Sänger schräg an. Auch das wurde immer schlimmer. Da das Gewicht der Babys Aoi zu schaffen machte, wurde er gereizt und die Hormone taten ihr übriges. Gestern hatte er Uruha wegen einem Teller in der Spüle angeschrieen und anschließend geweint und sich entschuldigt.
„Dass wir seit nicht mal zwei Stunden proben und du das fünfte Mal zum Klo rennst.“
„Du hast gezählt?“ Ungläubig drehte Aoi sich im Laufen zu Ruki.
„AOI!“ Uruha war schon im Sprung, als er sah, wie sich Aois Fuß in der Schlaufe von Rukis Rucksack verhedderte. Aber von seinem Platz aus war es nicht möglich, Aoi noch zu fangen.
„Oh...“ Aoi landete auf dem Boden. Auf dem Bauch.
Eine erschreckende Sekunde lang war es still im Raum, zu still, dann war Uruha bei Aoi.
„Aoi, ist alles gut? Tut dir was weh? Aoi?“ Er griff nach seinem Mann, der verkrümmt auf dem Bauch lag und sich nicht rührte.
„Scheiße, Aoi!“ Kai und Reita waren neben ihnen, aber das nahm Uruha gar nicht war. Aoi war gefallen, auf den Bauch, auf die Babys!
„Unsere... Babys...“ Aois Stimme zitterte, er hielt den Bauch mit beiden Armen fest umschlungen. „Es tut weh...“ Tränen liefen über seine Wange. Nein, das durfte nicht sein, nein. Uruha bekam Panik. Es war noch nicht so weit, es war erst der 26.6. und der Termin stand erst für den 3.8., es war zu früh. Die Babys waren noch nicht so weit, er war noch nicht so weit.
„Entspann dich, Aoi, atme ganz ruhig,“ gab Kai Anweisung, doch die kam bei Aoi nicht an.
„Mein Bauch... die Babys...“
„Hey, wollt ihr- Aoi, hast du Wehen?“
„Halt die Klappe, Takeru, er ist gestürzt.“ Uruha fuhr ihn an, hielt Aois Hand und hatte nicht den Hauch einer Idee, was er tun sollte.
„Beruhig dich, Uruha.“ Reita drückte seine Schulter. „Es hilft nicht, wenn du rumschreist.“
„Aoi?“ Takeru kniete neben ihnen.
„Uruha, gib mir dein Handy, ich ruf eure Ärztin an.“ Mechanisch drückte Uruha Reita sein Telefon in die Hand.
„Ich besorg den Wagen von Isshi, dann können wir zusammen fahren.“ Takeru wirbelte wieder aus dem Proberaum. Nicht mal eine Minute später kam er mit einem Isshi, dessen Zigarette noch brannte und schnell auf dem Fußboden ausgetreten wurde, zurück.
„Ich fahr euch, von euch fünfen setzt sich jetzt keiner ans Steuer,“ verkündete er und griff nach Aois Arm. Uruha fühlte sich hilflos, er konnte nichts tun, außer zusehen, wie seine Freunde handelten.
„Kannst du aufstehen, Aoi? Mein Wagen steht vor der Tür.“
„Ich... weiß nicht...“
„Reita, Kai!“ Isshi orderte die zwei zu sich und drückte Uruhas Hand sanft weg. „Du musst aufstehen, wir bringen dich zu eurer Ärztin.“
„Addy weiß Beschied, sie bereitet alles vor.“
„Wofür?“ Uruha merkte, dass er panisch klang. Aber was sollte sie schon vorbereiten? Einen Notkaiserschnitt und alles, was man für zwei Frühchen brauchte. Bitte, dachte er, nicht schon jetzt. Es ist zu früh.
Zwischen Reita und Isshi lief Aoi mit wackeligen Schritten zum Wagen, selbst spürte Uruha Kais Arm unter seinem. Er fühlte sich seltsam, würde er etwa umfallen? Er merkte nur, wie er auf den Rücksitz verfrachtet wurde, Aois Kopf auf seinem Schoß und der Wagen anfuhr. Bis zu der kleinen Privatklinik, die Addy gehörte, sah er nichts als Aoi. Seine Hände waren um den prallen Bauch gelegt, sein Körper verkrümmt und sein Gesicht schmerzhaft verzogen.
„Uruha...“
„Ich bin hier.“ Seine dünne Stimme gab ihm nicht mal selbst Mut, wie sollte sie dann Aoi trösten?
Ihre Hebamme wartete mit einem Rollstuhl auf sie, bugsierte Aoi zielsicher auf ein Zimmer. Einen Kreissaal, wie Uruha zu seinem Entsetzten feststellte.
„Sie sind noch nicht soweit, es ist zu früh,“ murmelte er.
„Wartet ab, Jungs. Es sind nur fünf Wochen, das ist nicht schlimm. Die Babys könnten kommen ohne dass man sich zu große Sorgen machen müsste. Sie sind voll lebensfähig.“
Das klang gut. Sehr gut. Aber es durfte noch nicht soweit sein. Sie sollten normal geboren werden, nicht so!
„Uruha, hilf mir rüber...“ Er fasste unter Aois Arme, half ihm auf das Bett. „Die Schmerzen sind... komisch...“
Die Hebamme machte sich an die Arbeit, schloss Geräte an Aoi, stach Nadeln in ihn und schob Uruha sanft immer wieder zur Seite.
„Wir sind alle hier, Aoi.“ Takerus Stimme, besorgt und so leise, wie er sie zuletzt nach der Verhandlung gegen dessen Vater gehört hatte, riss Uruha aus seiner Angst. Himmel, er durfte keine Angst zeigen! Wenn er Angst hatte, wie musste es Aoi gehen? Aoi spürte die Schmerzen, spürte die Babys in sich und er wäre es, den Addy aufschneiden würde, wenn es nicht anders ging. Sein Job wäre es nur, bei ihm zu sein und die Hand Aois zu halten. Nutzlos.
„Wie sieht es aus?“ Addy kam herein du wandte sich direkt an die Hebamme. „Keine Sorge, wir bekommen das schon hin.“
„Blutdruck leicht gefallen, Puls ist erhöht, Atemfrequenz gestiegen, Sauerstoffsättgung 92%, Sauerstoff läuft auf 3 Liter die Minute. Braunüle liegt, es läuft Ringerlösung. CTG zeigt derzeit Wehentätigkeit, kindliche Herztöne beiderseits gut hörbar, Bauch ist hart und verspannt.“
„Gut, gib Magnesium-Lösung, 5 Milliliter und bereite den Ultraschall vor.“ Addy sah auf den Streifen, den das Gerät das an Aois Bauch geschlossen war, ausspuckte. „Du hast keine Wehen, Aoi. Du bist stark verkrampft, wir geben dir jetzt Magnesium, das wirkt gegen den Krampf. Wie bist du gefallen?“
„Vorn über, direkt auf den Bauch.“
„Beschreibe mir deine Schmerzen.“ Sie tastete Aois Bauch ab.
„Als hätte ich einen Tritt in dem Bauch bekommen. Alles tut weh. Ich kann keine Bewegungen spüren!“ Seine Augen waren panisch geweitet.
„Ihre Herzen schlagen, sie können sich nur nicht bewegen, weil du alle Muskeln angespannt hast und sie sozusagen einklemmst. Ich gebe dir ein leichtes Beruhigensmittel.“
Dann trug sie Gel auf den Bauch auf, Sekunden später flackerte ein Bild auf dem Monitor des Ultraschalls auf.
„Seht ihr, sie sind in Ordnung. Ich kann keinen Bluterguss in der Gebärmutter erkennen, du scheinst nicht verletzt zu sein. Aoi, beruhige dich. Ihr auch, dahinten! Die Babys stehen unter Stress, das ist nicht gut. Du musst dich beruhigen, damit ihr Stress vergeht. Dann wird es besser.“
„Es ist nicht schlimm?“ Hoffnung schwang in Aois Stimme und Uruha fühlte, wie ihm ein Stein vor dem Herzen wegfiel.
„Bisher sieht es nicht so aus. Du bleibst zur Sicherheit zwei Nächte hier, dann sehen wir weiter. Aber ich denke, es geht gut.“
„Danke...“ Flüssigkeit tropfte auf Uruhas Hand und es dauerte einen Moment, bis er merkte dass er vor Erleichterung weinte. „Danke...“
„Beruhige dich. Das ist auch besser für Aoi und eure zwei Töchter.“
„Komm, du brauchst Luft. Und eine Zigarette.“ Takerus kleine Hand schob sich in Uruhas und er ließ sich widerstandslos mitziehen. Es war gut, alles gut. Kai und Isshi blieben bei Aoi.
Vor der Tür gaben Uruhas Beine fast nach, er fiel mehr auf die Bank als dass er sich setzte. Er konnte nicht mehr standhaft bleiben, die Tränen kamen mit Schüttelkrämpfen heraus.
„Ist doch alles gut, alles ist doch gut.“ Takeru drückte ihn. Später würde Uruha sich darüber wundern, dass das Kleine ihm so viel Stärke hatte geben können, aber jetzt klammerte er sich nur an den schmalen Körper und ließ sich von den kühlen Händen in seinem Haar beruhigen. Takeru hustete und hielt ihm eine angezündete Zigarette hin.
„Hier.“
„Danke.“ Irgendwie musste er sie aus seiner Tasche geholt haben und sie für ihn angemacht haben. Dabei rauchte Takeru gar nicht. Er inhalierte tief. Nein, nicht seine. Er rauchte kaum noch und die hier war von Kai. Uruha setzte sich auf und wischte die Tränen ab.
„Verdammt, ich sollte mich freuen.“
„Ja. Aoi und den Kindern geht es gut. Alles in Ordnung also.“ Die kleine Hand krauelte seinen Nacken.
„Ja.“ Er sah über den Hof, entdeckte Ruki und Reita. Ruki klammerte sich an Reita, der ihm über den Kopf strich und ihn tröstete. Seit dem Sturz hatte Ruki nichts mehr gesagt, wie Uruha jetzt bemerkte. Er gab sich doch nicht die Schuld daran? Später würde er mit ihm reden müssen. Aber nicht jetzt.
Fortsetzung folgt....
Anmerkungen:
Hier ein paar Erklärungen:
Unter Stress steigt der Puls an, bei Schmerz sackt der Blutdruck oft ab. Atmet man aus Angst zu schnell, wird das Blut nicht mit genügend Sauerstoff versorgt. Das nennt sich Sauerstoffsättigung und diese liegt normalerweise bei 100%. Bei Aoi ist sie, weil er eben zu schnell atmet, gefallen. Darum bekommt er Sauerstoff über eine Maske. Die Braunüle ist diese Nadel, die man im Arm hat, wenn man Infusionen bekommt das Zeug was darüber läuft eine Lösung, die Nährstoffe (sehr vereinfacht gesagt) enthält und gern gegeben wird, wenn der Kreislauf Probleme macht. Ein CTG ist ein Gerät, das zum einem die Wehentätigkeit misst und zum anderen die Herztöne des Kindes. Es wird über zwei Kontakte, die wie Saugnäpfe aussehen, an den Bauch geschlossen. Magnesium ist ein Mittel, das die Muskeln entspannt, man gibt es gern bei Verkrampfungen.
Für die, die es nicht wissen: Ich bin Krankenschwester....