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Assoziatives Schreiben

Gefühle im Ausverkauf - Alles muss raus! % % %!!
von

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Satz 24 - I don't even speak German!

Er macht ein Geräusch wie ein Physiker, der einen Apfel nach oben fallen sieht. Eine Mischung aus erstauntem "Oh..?", ungläubigem "Whaa?!" und tatsächlich auch einem Rest an triumphalem "Ha!", das jeder Naturwissenschaftler gerne einmal in seinem Leben ausrufen würde, um eine seiner aberwitzigsten Chaostheorien bestätigt zu sehen.

Zu dumm, dass er weder Naturwissenschaftler ist, noch auch nur den geringsten Hauch einer Ahnung hat, was es mit Chaostheorien auf sich hat. Aber zugegeben wirkt diesen kloßartige Gesicht erstaunlich intelligent in diesem Moment, in dem alle anderen um ihn herum einfach nur entsetzt aus dem Fenster starren wie eine homogene Masse aus purer, erdrückender Ehrfurcht.
 

"Das ist also Gott, ja?"

"Ich hatte mir das Ding irgendwie anders vorgestellt."

"Ich auch. Allerdings ..."

Die substanzlosen Auslassungszeichen verschwimmen und zerfransen im Äther; die annähernd dreißig Menschen dazwischen verstehen, dass es keine adäquaten Ersatzworte dafür gibt, was da draußen grade abgeht.

Das runde, in Zeiten wiederbelebten barocken Schönheitsempfindens als wohlgenährt zu umschreibende Gesicht mit den momentan aufgerissenen, aber immer noch ziemlich kleinen Augen wagt eine Runde durch das raufasertapezierte Zimmer mit den endlos kitschigen Spiegelfugen zwischen den Dielen der Holzdecke. Das Licht von draußen färbt alles in dezentes Schweinchenrosa, grüne Plüschkissen plüschen nun eher bräunlich in ihr neues, erleuchtetes Dasein, in dem nichts mehr so sein wird wie früher. Auf der ganzen Welt herrscht jetzt dieser unaufdringliche Rosaton vor, jeder Raum, sofern mit einem Fenster versehen, erglimmert in der kariesverursachenden Harmonie nach Goethes Farblehre. So muss das sein.
 

Mit umgestülpter Unterlippe glotzt er nun wieder nach draußen und schließt sich dem allgemeinen Gruppenzwang an, einfach nur total ehrfüchtig zu starren und leise irgendwas zu murmeln, das entweder ein Gebet oder auch nur ein "Ach du Scheiße!" sein könnte.
 

"Die ganzen Atheisten da draußen dürften jetzt ein ernsthaftes extenzielles Glaubensproblem haben."

"In der Tat."

"Ach komm, es sieht aus wie ein leuchtendes Pummeluff in Planetengröße."

Irgendjemand lacht, wahrscheinlich der Atheist. Lach du nur. Aber Recht hat er trotzdem.

"Vielleicht ist das ja auch nur ein großer Scherz der Regierung", meint irgendwo hinten eine weibliche Stimme zaghaft und ein vereinzeltes Schnauben flammt auf. Ebbt aber gleich wieder ab, weil sie alle spüren und WISSEN, dass dem nicht so ist. Keine Ausreden, das ist Gott. Fühlt sich richtig an. So.. dämlich diese Manifestation auch sein mag.

"Und was machen wir jetzt? Kommen wir jetzt in den Himmel oder in die Hölle oder so?"

"Es sieht zumindest nicht nach "Jüngstes Gericht" aus. Genaugenommen sieht es.. etwas schwul aus mit dem ganzen Rosa."

"Willst du uns alle umbringen? Das ist Blasphemie!"

Bevor ein wütender Mob den Ketzer lynchen und dem endlich sichtbaren Gott seine loyale Ergebenheit beweisen kann, kehrt Stille ein, denn es ist wahr. Es fühlt sich richtig an. Auch wenn einige Menschen gerade ein überrascht-angewidertes Gesicht machen, der Ketzer hat Recht. Das ist irgendwie unheimlich.

"Es ist ein Donut ohne Loch. Mit Erdbeerüberzug."

Ein bisschen Angst macht sich breit, denn auch das hört sich absolut und unverrückbar richtig an. Auch dieser junge Mann hat vollkommen Recht mit dem, was er behauptet, das spüren alle und wagen nicht zu widersprechen - aus nicht näher zu identifizierenden Gründen.

"Es ist eine riesige Kaugummiblase..?"
 

So langsam lässt sich ein Muster erkennen. Wenn jeder nur noch zustimmen möchte und das aus tiefster Überzeugung heraus, dann ist da etwas faul. Der nächste Kommentar, der den von allen Zweifeln erhabenen Gott da draußen als gigantische Anal-Perle bezeichnet, die ihre Freunde verloren hat, macht die Sache nicht besser. Der Witzbold hat Recht. Und alle Menschen dieser Welt müssen diese Tatsache zugeben, ob es ihnen nun passt, oder nicht.

Was ist das für ein Gott bitteschön, der sich so verbiegen lässt?

Mit einem Blinzeln wendet sich das Pfannkuchengesicht ab vom Fenster - sofort strömen mehrere Menschen von hinten an die Scheibe, um ihre Nasen daran platt zu drücken und die große, rosa leuchtende Kugel am Himmel zu beobachten, die aber auch weiterhin nichts tut, als über der Welt zu schweben und zu leuchten. Und Gott zu sein.
 

Mit einigen Schritten ist er an der Tür und verschwindet nach draußen, ein leises, angenehmes Prickeln ist auf seiner fettigen Haut zu spüren, wo ihn das leuchtende Rosa direkt berührt, warm und anschmiegsam wie eine schmusebedürftige Katze. Und er fühlt sich geliebt, gebraucht und befriedet, ein schwebendes, flauschiges Dasein.

Fettbacke legt sich ins Gras und starrt nach oben, mit einem Lächeln auf den Lippen, das Rosa blendet nichtmal, wenn man direkt reinguckt. Alles ist wunderbar. Und alle haben Recht. Glücklich schließt er die Augen und lacht über seinen Gedanken, der der Welt eine äußerst rosige Zukunft voraussagt.

He opened his eyes carefully, sneezing a few times and finally sat up on the floor looking for something to drink. With his barenaked toes he softly kicked his girlfriend lying next to him in the butt. It was all blurry and he rubbed his eyes for almost a minute. The blonde girl responded with unwillingly mutter, rolled to the other side and snored calmly.

He sighed and focused the middle of the room where a few round, pinkish pills stucked in the small scratches in the wooden floor tiles.

"What the shit. Worst trip ever."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Technomage
2010-08-30T21:33:28+00:00 30.08.2010 23:33
Uuh, das ist irgendwie an mir vorbeigegangen, aber dafür bin ich umso begeisterter, es doch noch gefunden zu haben.
Ich finde den Stil äußerst sympathisch und die Sprache, gerade in den Dialogen äußerst ... wie soll ich sagen ... stimmtig. Sehr geschmeidig. Passt gut zusammen wie die Wortwahl zusammengesetzt ist.
Und natürlich Hurra für Fettbacke. Von einer gewissen Faszination für diese Art von Epiphanie mal ganz zu schweigen. Ich könnte mich jetzt darüber ergehen wie totaaaaal tiefsinnig das ist, aber eigentlich finde ich den einfachen Gedanken, den diese ganze Gottesattributionsvorstellung, die wir alle irgendwie irgendwo im Hinterkopf haben(, ob wir wollen oder nicht, da sie uns reichlich damit geschädigt haben, dass wir es nicht aus dem Kopf kriegen), mit sich bringt, sehr menschlich umgesetzt.
Den englischen Part am Ende finde ich ... irgendwie heimlich, liebenswert. Kann aber beim besten Willen nicht sagen, weshalb.


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