An der Quelle
Wohin sollte er jetzt gehen? Nach Hause wollte er nicht, dort wartete die Familie und jede Menge Fragen auf ihn. Auf dem Trainingsplatz waren sicher Gai-Sensei und Lee, das war wahrscheinlich auch nicht unbedingt das Wahre. Also beschloss Neji stattdessen lieber in den Wald zu gehen. Auf einem Spaziergang bekam er vielleicht wieder einen klaren Kopf, in jeder Hinsicht.
Wortlos grüßend verließ er Konoha und nach ein paar Metern fand er den versteckten Pfad. Die Quelle, genau dahin würde er jetzt gehen. Ein bisschen Entspannen, zur Ruhe kommen und sehr viel Nachdenken.
Hatte Tsunade wirklich recht? Beeinflussten seine Gefühle für Shikamaru die Missionen? Gefährdete er nur deswegen den Erfolg? Nein, wahrscheinlich wäre es auch so schief gelaufen. Oder etwa nicht? Warum musste es nur so kompliziert sein? Mit einem Seufzer trat Neji auf die kleine Lichtung hinaus. Er entdeckte die andere Person sofort und zuckte dann heftig zusammen. Shikamaru. Das durfte doch nicht wahr sein. Warum suchte er sich von allen Plätzen rund um Konoha ausgerechnet diesen aus?
Nejis Herz klopfte lautstark und immer schneller. Wie konnte ein Mensch nur so viel Pech haben? Das war ja schlimmer als in diesen Kitschromanen, die Tenten immer las. Er wollte die Lichtung gerade leise wieder verlassen, als Shikamaru ihn entdeckte.
„Neji?“, fragte er mit seinem üblichen gelangweilten Ton.
„Hallo“, erwiderte der Hyuuga, während er versuchte sich seine Fassung zu bewahren, „Du hier?“
Shikamaru nickte nur knapp und wandte dann seinen Blick auf das klare Wasser. Nervös wippte Neji von einem Fuß auf den anderen, so kannte er sich selbst nicht. Dann wurde ihm eines klar: Seine Gefühle waren schuld. Er konnte sich einfach nicht zusammenreißen, er dachte nur noch an das Eine, er war einfach nicht mehr bei der Sache.
Nun war nur noch eine Frage zu klären, hatte Tsunade recht? Musste er mit Shikamaru sprechen? Aber das würde sicher nicht alle seine Probleme lösen. Vielleicht wäre es ein erster Schritt. Doch wie würde er reagieren? Ihn auslachen, ihn ignorieren, etwa seine Liebe erwidern? Vor Nejis innerem Auge entstand das Bild von einem liebevoll lächelnden Shikamaru, der ihm seine Liebe gestand. Schlagartig lief der Hyuuga rot an. Was hatte er nur für Gedanken?
„Ähm…“, räusperte sich plötzlich jemand.
„Was?“, verwirrt schrak Neji aus seinem Tagtraum auf.
„Alles in Ordnung?“
Wieder wurde es ihm bewusst, das Objekt seiner Begierde saß direkt vor ihm: „Ja, was sollte schon nicht stimmen?“
„Einiges“, murmelte Shikamaru kaum hörbar, „Was willst du eigentlich hier?“
„Nachdenken.“
„Etwa über die Mission? Vergiss es, ist halt schief gegangen, kann passieren.“
„Nein, beziehungsweise nicht nur, ich… Ich muss mit dir reden!“, in dem Moment, in dem er es sagte, wurde Neji die Bedeutung seiner Worte bewusst.
„Hm… worüber?“, fragte Shikamaru nicht sonderlich begeistert.
Doch Neji war zu keiner Antwort fähig. Wie erstarrt stand er da, die Augen auf einen Baum gerichtet. Was hatte er nur getan? Was sollte er Shikamaru nur sagen? Die Wahrheit? Nein, das konnte er nicht, das konnte er einfach nicht. Oder doch? Würde es ihm wirklich helfen? Aber was, wenn er ihn abwies?
Neji bemerkte nicht, dass Shikamaru ihn genervt betrachtete, er merkte nicht, dass er auf eine Antwort wartete. In seinem Kopf wirbelten viel zu viele Gedanken herum, er hatte für den Moment die Realität abgeschaltet.
„Was willst du mir denn sagen?“, versuchte Shikamaru noch einmal sein Glück, in der Zwischenzeit mehr als nur genervt.
Aber Neji war immer noch damit beschäftigt zu überlegen, wie er es sagen sollte. So bemerkte er auch nicht, dass der Nara langsam aufstand und seine Hose mit einer lässigen Handbewegung von Erde, Blätter und Gräsern befreite.
„Neji.“, Shikamaru versuchte es noch einmal, „Ich muss zu Tsunade, sie will mich wegen unserer Mission noch einmal sprechen, echt nervig. Ich muss dann.“
Sprachlos schaute Neji ihm hinterher. Er hatte es nicht geschafft, gerade hatte er sich endlich seine Worte zu Recht gelegt und dann…
Das war eindeutig schlimmer als in diesen Kitschromanen. Vielleicht sollte er sich einen ausleihen um zu lernen, wie man jemandem seine Liebe gestand. Ach, das war doch alles Quatsch. Er würde es nie schaffen, Shikamaru die Wahrheit zu sagen. Deprimiert senkte Neji den Kopf, doch dann wurde ihm plötzlich etwas bewusst.
Tsunade! Shikamaru musste zu Tsunade! Was wenn ihr etwas rausrutschte? Nein, das durfte nicht wahr sein, das konnte nicht wahr sein. Und jetzt? Was sollte er jetzt machen? Er musste auch zu ihr, nur so konnte er sicher gehen, dass sie nichts sagte.
Nur kurze Zeit später betrat Neji den Hokageturm und klopfte an Tsunades Tür.
„Herein.“, erklang daraufhin ihre Stimme.
Der Hyuuga trat ein und sah in die erstaunten Gesichter von Tsunade, Shizune und Shikamaru…