Zum Inhalt der Seite

Am Ende der Liebe

Randy Ryo McLane x Dee Layton
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Am Ende der Wahrheit

Am Ende des Lichts

Am Ende der Liebe

Am Ende - da stehst Du
 

Alte Zeitungsartikel und der Dreck des Asphalts wurden an diesem späten Morgen von den einzelnen Autos aufgewirbelt, die sich durch die Straßen von New York zur Arbeit wälzten. Alles war grau, neblig feucht und alltäglich.

In einer dieser unzähligen Straßen stand eines der gewöhnlichen Wohngebäude der Slums in der Bronx. Neben der Tür eines Apartments war ein Schild befestigt mit dem Namen: 'Layton'. Direkt daneben hing ein weiteres: 'MacLane'.

Aus der Wohnung drangen Männerstimmen. Erregt und gereizt.

"Wieso hast du das getan?" Die Stimme des braunhaarigen Halbjapaners klang aufgebracht. Der Angesprochene zuckte mit den Schultern und entgegnete nur:

"Meine Güte, Ryô, das ist doch nicht das erste Mal. Der Typ ging mir einfach auf die Nerven."

"Mir ist klar, dass es nicht das erste Mal war", fuhr Ryô ihn an, "und ich weiß, dass es auch nicht das letzte Mal gewesen sein wird, Dee. Kannst du dich nicht einmal am Riemen reißen? Langsam habe ich die Schnauze voll davon."

Dee Layton strich sich abweisend durch sein schwarzes Haar und kramte seine Zigarettenschachtel aus der Tasche hervor. Gelassen. Desinteressiert. Dann steckte er sich eine Zigarette an, inhalierte den Rauch und schaute seinem Freund wartend in das kühle Gesicht. Dieser erwiderte den Blick, griff schließlich nach seiner Jacke und sagte:

"Du bist noch immer Polizist, Dee. Sei froh, dass Barclay dir dein Verhalten durchgehen lässt und dich nur für diese Woche vom Dienst suspendiert hat."

Der Schwarzhaarige gab einen missbilligenden Laut von sich und zog an seiner Zigarette. Ryô betrachtete ihn scharf.

"Lass das. Ich weiß, dass du ihn nicht leiden kannst. Aber er hätte genug Gründe, dich sofort rauszuschmeißen. Dee, du bist bei einer Befragung schon wieder handgreiflich geworden."

"Scheiße", brachte der Andere missgelaunt zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor, "der Chef geht mir doch am Arsch vorbei."

Die Züge des Braunhaarigen wurden plötzlich weicher und er fragte besorgt:

"Was ist eigentlich in letzter Zeit los mit dir?"

Dee sah seinen Partner überlegend an und atmete dabei den Rauch der Zigarette ein. Seit längerer Zeit lebte Ryô nun schon bei ihm, sodass sie fast ein inoffizielles Ehepaar waren. Eine unbedeutende Tatsache. Der Schwarzhaarige grinste und forderte:

"Komm her, Ryô."

Der Halbjapaner zog abschätzig die Augenbrauen zusammen, streifte sich dann jedoch die Jacke über und ging zu seinem Freund.

Dieser griff Ryô bei den Schultern, um ihn an sich zu ziehen und legte ihm seine Lippen auf. Wortlos ließ der Braunhaarige es sich gefallen, grinste spöttisch in den Kuss und gewährte Dee bereitwillig Einlass. Der Kuss war rau. Er schmeckte den bitteren Geschmack der Zigarette auf Dees Zunge und fuhr ihm durch das schwarze Haar.

Nach kurzer Zeit lösten sie sich, sahen einander kühl in die Augen und lächelten.

Dann wandte sich Ryô ab, zog seine Sneaker an und sagte noch: "Ich bin heute Abend nach der Arbeit wieder da", bevor er mit einer flüchtigen Verabschiedung aus der Wohnung ging.
 

Im Herzen wird es leerer

Ein Teil geht nun von mir

Nichts hat überlebt

Wir haben schweigend uns schon lange getrennt
 

Als Ryô MacLane im 27. Polizeirevier ankam, wurde er sogleich von Drake abgefangen, einem Kollegen, der ihm auf die Schulter klopfte und fröhlich sagte:

"Na, wie geht es Dee? Hat er sich abreagiert?"

Ryô verdrehte die Augen und setzte seinen Weg fort, während Drake ihm folgte und weiter auf ihn einredete:

"Es wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, diesen Junkie zusammenzuschlagen. Der war total dicht. Und zu einem Geständnis ist es letztendlich nicht gekommen."

"Er ist auf jeden Fall der Täter", verteidigte Ryô, "unberechtigt war es also nicht, was Dee getan hat."

Drake lachte, als der Braunhaarige fortfuhr:

"Es lag auf der Hand. Ein Drogenabhängiger erschießt seinen Dealer, weil er kein Geld mehr hat, aber an den Stoff will. Ein delinquenter Standardfall."

"Ganz genau", grinste Drake verschmitzt, "ein Geständnis ist da gar nicht nötig. Die Fingerabdrücke auf der Waffe sprechen für sich, und der Zustand des Täters ebenfalls."

"Ja...", seufzte Ryô, "Dee war das mit Sicherheit klar."

"Den Rest kennst du." Drake drückte ihm eine dicke Mappe in die Hand, bevor Ryô sich an seinen Arbeitsplatz setzte. "Der Papierkram ist mal wieder deine Sache. Durch diesen Zwischenfall wird es noch ein wenig komplizierter. Viel Vergnügen, Alter."

Drake hob die Hand und ein aufmunterndes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, dann drehte er sich um und ging.

"Das werde ich haben", flüsterte Ryô und betrachtete den Ordner vor sich. Er hatte es Dee zu verdanken, dass er jedes Mal ausbaden durfte, was dieser verbrach, und letztendlich hatte Dee das auch nie gestört. Verbittert schüttelte Ryô den Kopf und fügte sich in seine Arbeit.
 

Und mit jedem Tag 'Wir'

Wuchs die Lüge unserer Liebe

Und je weiter wir den Weg zusammen gingen

Desto weiter haben wir uns voneinander entfernt
 

Dee sah aus dem Fenster in die Nacht, die sich langsam über New York ausbreitete. Der Rauch seiner Zigarette verlor sich in der kalten Luft, während sich der junge Mann reglos auf dem Fensterbrett abstützte und die Scheinwerfer der Autos beobachtete. Grell in der Dunkelheit, wie in jeder Nacht.

Sein Blick fiel für einen kurzen Moment auf die Uhr, bevor er ihn durch den spartanisch eingerichteten und sauberen Raum schweifen ließ. Auf dem Tisch entdeckte Dee die Lesebrille seines Partners. Er zog noch ein letztes Mal an der Zigarette, warf sie dann aus dem Fenster und durchquerte den Raum, um sich zu setzen und die Brille in die Hand zu nehmen. Das Glas war auf seinen Fingern kühl und nichts sagend.

Als schließlich das Geräusch des Schlüssels in der Wohnungstür aus dem Flur zu hören war und Ryô den Raum betrat, fand er den Schwarzhaarigen auf dem Sofa wieder, mit der Brille in der Hand.

Die beiden Männer betrachteten einander.

Dee versuchte sich in den schwarzen Augen des Halbjapaners zu verlieren und eine Frage erklang unbewusst in seinen Gedanken. Seit wann konnte er nichts mehr in diesen schönen Augen lesen? Er schüttelte kaum merklich den Kopf und lächelte. Er hatte das Verlangen danach längst verloren.

Der braunhaarige Polizist kam jetzt auf ihn zu, beugte sich hinab und nahm ihm die Brille aus der Hand. Behutsam legte Ryô sie auf die Tischplatte.

"Guten Abend", begrüßte er seinen Partner mit einem freundlichen Grinsen. Dann lehnte er sich vor und küsste Dee. Dieser umfing dessen Hüften, um ihn näher an seinen eigenen Körper zu ziehen, und fuhr mit der Zunge über die Lippen des Halbjapaners.

Durch das offene Fenster drang schneidend frische Luft in den Raum, sodass es langsam weiter abkühlte, während die beiden Männer ihren Kuss vertieften. Ryô nahm den gewohnten Geschmack der Zigaretten wahr und biss sanft auf die Lippe des Anderen, bevor er seine Zunge weiter wandern ließ. Der Schwarzhaarige schmunzelte und überließ seinem Freund die Führung, strich schließlich sanft über Ryôs Hemd und seinen Brustkorb. Er konnte einen regelmäßigen Herzschlag spüren.

Sie ließen voneinander ab.

Ein flüchtiger Blick, ein leises Lächeln, dann wandte Ryô sich um.

Gelangweilt ließ sich Dee in das Sofa zurückfallen, als der Braunhaarige zum Reden ansetzte:

"Ich habe letztens mit Diana telefoniert."

"Wie geht es ihr?", fragte Dee teilnahmslos und griff nach seiner Zigarettenschachtel.

"Nicht hier drin", sagte Ryô, sah den Anderen an und deutete auf die Zigaretten, "geh ans Fenster. Es scheint ihr gut zu gehen. Sie hat uns nach Los Angeles eingeladen."

Der Schwarzhaarige legte die Schachtel auf den Tisch. Ryô fuhr fort:

"Mittlerweile hat sie sich ein Haus geleistet und meinte, sie suche noch Mieter. Ich denke, ein Urlaub würde mir gut tun, weshalb ich das Angebot wahrscheinlich annehme."

Dee nickte zustimmend und sagte:

"Ich werde hier solange die Stellung halten."

Lachend entgegnete der Andere:

"Das glaube ich dir."

Erneut begegneten sich ihre Blicke für eine lange Zeit, bis Dee fragte:

"Stört es dich nicht, wenn ich hier bleibe?"

"Wieso sollte es?" Ryô zuckte mit den Schultern. "Eine Pause ist doch nie schlecht."

"Diana ist attraktiv. Vielleicht wirst du mich mit ihr betrügen. Schließlich bist du nicht schwul", witzelte Dee. Belanglos.

"Ich werde dich niemals betrügen", versicherte der Braunhaarige fest, "ich liebe dich doch."

"Ich weiß."

Gähnend streckte sich Ryô und fragte:

"Bist du einkaufen gegangen?"

Dee schüttelte den Kopf.

"Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Dann erledige das morgen. Ich gehe jetzt ins Bett."

Der Schwarzhaarige blieb noch sitzen, als sein Partner das Wohnzimmer verließ.
 

Und wenn ich ihn so sehe

Wenn ich ihn erlebe

Wenn ich uns betrachte

Etwas hat überlebt
 

"Sag mal, was hast du eigentlich für ein Problem?", herrschte Ryô seinen Freund an, während er seine Sachen für die Arbeit zusammenpackte.

"Vergiss es", entgegnete dieser genervt und kramte seine Zigaretten hervor, "ich habe nur schlechte Laune."

"Deswegen erlaube ich dir noch lange nicht, hier drin zu rauchen." Die Stimme des Braunhaarigen war völlig kalt. Dee erwiderte seinen Blick, zündete die Zigarette mit dem Feuerzeug an und blies anschließend den Rauch ins Zimmer. Ryô schüttelte daraufhin nur den Kopf, wandte sich ab und sagte abwertend:

"Kindisch."

"Das sagst du ständig." Der Schwarzhaarige packte ihn wütend bei den Schultern und zerrte ihn herum. "Dabei lässt du außer Acht, dass du dich von diesem Kind ficken lässt."

Ryô starrte ihn an.

Dann schlug er Dee mit dem Handrücken ins Gesicht. Die Zigarette fiel zu Boden, der Schwarzhaarige schloss für einen Moment die Augen und sein Partner sagte verachtend:

"Das war erbärmlich, Dee."

"Allerdings. Du schlägst zu wie ein Weib."

"Lass mich los."

Dee entfernte seine Hände und grinste den Anderen überlegen an.

Zornig griff Ryô nach seiner Tasche und ging in den Flur, während sein Partner ihm folgte und zusah, wie er seine Sneaker anzog und sich die Jacke über die Schulter warf.

"Bis heute Abend", verabschiedete sich Ryô und verließ die Wohnung.
 

Und wenn ich Kraft und Hoffnung fände

Wenn ich selbst noch den Glauben an uns hätte

Wenn ich ihn erreichen könnte

Ihn noch einmal für mich hätte
 

Nachdem Ryô die Akte aufgeschlagen hatte, schrieb er ein paar Notizen und fragte dann:

"Sie waren demnach zwei Stunden abwesend?"

"Ja, so ungefähr", antwortete der junge Mann und lächelte schwach, "ganz sicher bin ich mir nicht, weil ich nicht auf die Zeit geachtet habe."

Ohne aufzusehen schrieb Ryô mit, während er die nächste Frage stellte:

"Wie sieht es mit der Versicherung aus? Dazu haben Sie noch keine Angaben gemacht."

"Das weiß ich leider nicht genau." Der Befragte zögerte verlegen. "Mein Freund hat das für mich erledigt."

"So?" Der Braunhaarige sah für einen Augenblick irritiert auf, versteifte sich dann wieder und entgegnete verärgert: "Es wäre hilfreich, wenn Sie möglichst genaue Angaben machen. Wenigstens eine Versicherung müssen Sie mir doch nennen können."

"Tut mir leid." Der junge Mann senkte verletzt den Kopf.

"Ihre Papiere waren also in dem gestohlenen Wagen", fuhr Ryô fort, "wurden diese Angelegenheiten bereits erledigt?"

"Darum habe ich mich schon gekümmert." Der Befragte schien erleichtert zu sein, etwas zufriedenstellend beantworten zu können.

Ryô hielt für einen Moment in seinen Notizen inne und sah auf die Uhr. Er wandte sich wieder dem Anderen zu. Herkömmliches Verfahren, wie immer.

"Ihnen persönlich ist nichts Verdächtiges aufgefallen?"

"Nein."

"Meine Kollegen vernehmen anwesende Passanten. Ihre einzige Sorge ist es nun, nach Hause zu kommen, oder? Das übernehmen wir."

Ryô schlug die Akte zu und erhob sich. Er lächelte mild, als er bemerkte, dass der junge Mann ihn verwundert anblickte, und erklärte:

"Für heute habe ich nichts mehr vor. Ich werde Sie nach Hause bringen, aber vorher wäre es Ihnen doch sicher nicht zuwider, sich zum Essen einladen zu lassen? Der Diebstahl Ihres Wagens ist eine unangenehme Tatsache und leider kann ich Ihnen nichts versprechen, was die Ermittlungen diesbezüglich betrifft."

Der Andere erhob sich ebenfalls und sah noch kurze Zeit erwägend zur Seite, bis er dem braunhaarigen Polizisten bedacht zulächelte.
 

Einsam - gemeinsam

Wir haben verlernt uns neu zu suchen

Die Gewohnheit vernebelt

Die Trägheit erstickt

Der Hochmut macht trunken

Und die Nähe treibt zur Flucht
 

"Was möchtest du?"

"Whiskey", antwortete Dee dem Barkeeper. Er kannte ihn. Flüchtig.

"Du bist so spät noch hier, Dee?"

"Ja", kam die schlicht abweisende Antwort.

Dem Schwarzhaarigen wurde ein Glas zugeschoben. Er ließ die durchsichtige Flüssigkeit darin kreisen, bevor er trank.

Er sah sich um. Seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich nichts geändert. Dieselben althergebrachten Tische. Dieselben banalen Gesichter. Dasselbe gewohnte Getränk.

"Nachschenken?", fragte der Barkeeper.

"Ja", antwortete Dee mit einem Blick auf sein leeres Glas.
 

Tanz - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

"Es ist schon spät. Langsam war es Zeit, aufzubrechen", sagte Ryô und zog seine Jacke enger, als die beiden Männer aus dem Restaurant auf den Gehweg traten.

"Danke für das Essen", richtete sich der Jüngere verlegen an den Braunhaarigen. "Die Unterhaltung mit Ihnen war sehr angenehm, Mr McLane. Wirklich."

Ryô antwortete nicht.

Doch nach einer Weile fragte er:

"Sie sind homosexuell?"

"Wie?" Abrupt blieb der Mann stehen und starrte den Polizisten an. Überrascht. Sprachlos.

"Meinen Sie", fuhr Ryô gleichgültig fort, "dass ich Ihre offensichtlichen Annäherungsversuche nicht registriere."

"Ich..." Die Stimme des jungen Mannes stockte.

"Sie?", fragte Ryô.

Der Andere senkte verlegen den Kopf und wandte sich schließlich leise an den Polizisten:

"Verzeihung."

"Keine Sorge. Ich interessiere mich auch für Männer", sagte der Braunhaarige teilnahmslos.

"Aber..." Wieder hielt der Jüngere inne. "Sie sind schon liiert?"

"Nein."

Ein unbeteiligtes Lächeln legte sich auf Ryôs Gesicht, als er sich dem Mann näherte. Dieser sah unsicher in die schwarzen Augen.

Ryo zog ihn selbstbewusst an sich und küsste ihn. Unvermittelt. Er drang mit der Zunge in dessen Mundhöhle, bemerkte kein würziges Aroma von Zigaretten, sondern den fremden säuerlichen Geschmack im Speichel des unbekannten Mannes. Der ließ es entgegenkommend geschehen.

"Schwuchteln", zischte eine Stimme hinter ihnen.

Der braunhaarige Polizist löste sich verwirrt von den Lippen des Anderem.

Plötzlich traf ihn ein harter Schlag im Rücken. Benommen fiel Ryô auf die Knie, da seine Beine ihn für einen Augenblick nicht mehr hielten. In seinem Kopf drehte es sich.

"Schwule Dreckskerle", brachte die erboste Stimme eines großen Mannes ihnen entgegen.

Ryô konnte nur schwer aufblicken und verschwommen die Umrisse von Menschen wahrnehmen. Unterschwellig vernahm er das Aufkeuchen des jungen Mannes, dem eine Faust in den Magen gerammt wurde und der sofort zusammenbrach. Schemenhafte Gedanken beschlichen Ryô. Was sollte er für den jungen Mann empfinden? Mitleid? Schuld?

Einer der Fremden packte ihn an den braunen Haaren und schlug ihm ins Gesicht. Ryô spürte Taubheit, ansteigendes Pulsieren in seinen Schläfen und ein Stechen an seiner Unterlippe. Er schmeckte Blut. Dann hörte er den Schmerzensschrei des Jüngeren.

Die Männer traten mit ihren schweren Stiefeln auf ihn ein. Sie lachten dabei. Rücksichtslos.

Sich aus seiner Erstarrung lösend kam Ryô auf die Beine. Als ihm erneut eine Faust entgegenflog, war er bereit. Er wich aus, um den Mann mit einem gewalttätigen Schlag zu treffen. Eine schmerzverzerrte Stimme schrie auf:

"Du beschissener Arschficker!"

Der Polizist wandte sich um. Ohne nachzudenken rannte er.
 

Tanz - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

Schwankend. Unbeständig verlor sich die Schärfe seiner Umgebung. Dee blieb stehen, um Luft zu holen.

Alles drehte sich. Die Konturen der Straßen und Häuser verschwammen vor seinen Augen.

Er dachte daran, dass er kein Geld mehr in seinem Portemonnaie besaß, da er alles ausgegeben hatte, dass er nicht wusste, wie viel Alkohol er mittlerweile intus hatte und dass er müde war.

Dee betrachtete seine Hände. Sie zitterten leicht. Das lag an der Kälte.

Die Gedanken zogen sich zäh durch seinen Verstand, sodass er sie nur schwer durch die Trägheit seines Denkens erfassen konnte. Da war das Bild von Ryô. Der Schwarzhaarige sah seinen Partner direkt vor sich, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Eine unangenehme Empfindung erfasste Dee. Gleichzeitig stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht.

Er wollte nach Hause.
 

Wenn die Basis - unser Fundament

Wenn wir uns noch einmal neu entdecken würden

Wenn er nur wollte

Ich will!
 

Ryô saß im Wohnzimmer. Ein sich ständig wechselndes Farbenspiel wurde in die Dunkelheit geworfen. Er hielt die Fernbedienung in der Hand.

Während die Bilder auf dem Bildschirm wechselten, starrte er gedankenversunken zu Boden. Die Sachen lagen ihm klamm an der Haut.

Ryô rief sich das Gesicht des jungen Mannes, von dem er nicht wusste, was nun mit ihm geschehen war, ins Gedächtnis. Gleichgültig musste er feststellen, dass er dessen Aussehen schon fast vergessen hatte. Er fragte sich, ob der Mann entkommen war.

Ryô war entkommen. Ohne ihn.

Er fragte sich, ob es jetzt noch eine Rolle spielen würde, wenn die Polizei den gestohlenen Wagen fand. Dann dachte er, dass sie den Wagen wahrscheinlich sowieso nicht gefunden hätten.

Schließlich dachte Ryô nichts mehr.

Er saß im Wohnzimmer und ließ seinen Blick auf dem Fernsehbildschirm verweilen.

Doch er sah die sich wechselnden Bilder nicht.
 

Einsam - gemeinsam

Wir haben verlernt uns neu zu suchen

Die Gewohnheit vernebelt

Die Trägheit erstickt

Der Hochmut macht trunken

Und die Nähe treibt zur Flucht
 

Das Geräusch der Tür, die laut ins Schloss fiel, hallte durch die Wohnung. Unpersönlich.

Dee stand im Flur. Er war unsicher auf den Beinen.

Leise hörte er das Rauschen des Fernsehers.

Mit wankenden Schritten steuerte er auf die Wohnzimmertür zu. Als er auf der Schwelle stand, schaute er mit noch immer vernebeltem Blick auf den Fernsehbildschirm.

Schwarzweißer Schnee.

Anschließend blickte er zu seinem Partner und begegnete dessen Blick.

Ryô lächelte Dee sanft an. Dieser registrierte das braune Haar, welches durcheinander geraten war, und die aufgeplatzte Lippe. Danach fiel ihm der Dreck auf den Sachen seines Partners auf.

Bevor er eine Frage stellen konnte, musste er sich umwenden.

Hastig rannte er ins Bad und übergab sich in die Kloschüssel.
 

Tanz - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

"Guten Abend."

Ryô sah den Anderen, der erneut im Türrahmen stand, mit dieser Begrüßung freundlich an. Dee wirkte erschöpft und sah krank aus. Sein Gesicht war blass.

Der Schwarzhaarige musste seinerseits schmunzeln. Er dachte daran, wie absurd es war, dass Ryô ihn in einer solchen Situation begrüßte, wie er es jeden Abend tat.

"Guten Abend, Ryô", antwortete er.

Der Andere legte die Fernbedienung auf den Tisch, als Dee auf ihn zukam.

Das Rauschen des Fernsehers war weiterhin zu hören.

Dee legte seine Hände auf Ryôs Schultern. Er sah ihm in die Augen. Sie waren schwarz. Schließlich legte er ihm seine Lippen auf.

Ryô erwiderte den Kuss.

Er schmeckte, neben der Würze der Zigaretten, einen derben Geschmack, den er schon vorher an seinem Partner gerochen hatte. Alkohol.

Es war ihm unangenehm, aber auch gleichgültig.

Währenddessen nahm Dee den Geruch eines fremden Aftershaves an dem Braunhaarigen wahr. Doch das interessierte ihn nicht. Seine Zunge fuhr über das verkrustet Blut an dessen Unterlippe.

Er schob Ryô von sich und fragte:

"Was ist passiert?"

"Nichts." Ryô lächelte, als er antwortete. Unempfindlich.
 

Tanz - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

Das einzige Licht im Wohnzimmer ging von dem Fernseher aus, auf dem kalt der schwarzweiße Schnee flackerte.

Dee war schwindlig und die Übelkeit ergriff noch immer Besitz von ihm. Dessen ungeachtet beugte er sich erneut zu seinem Partner hinab. Er fuhr ihm durch das braune Haar, küsste seinen Hals und biss leicht in die Haut. Ryô ließ sich zurückfallen. Unbeteiligt abwartend.

Die Hände des Schwarzhaarigen strichen über sein Schlüsselbein, zerrten an Ryôs Kragen und an den Knöpfen seines Hemdes.

Ryô seufzte:

"Wir sollten endlich erwachsen werden."

Hart wurde er gepackt und auf das Sofa zurückgedrückt. Die grünen Augen des anderen blickten ihn wütend an. Dee sagte:

"Hör endlich auf damit, jedes Mal solche Scheiße vor dich hin zu labern."

Der Braunhaarige entgegnete den Blick kühl.

"Du weißt, dass es stimmt", antwortete er schlicht, "unser Verhalten ist infantil."

Dee wusste, dass sein Partner mit Absicht so redete. Er wusste auch, dass Ryô dennoch Recht hatte. Wut stieg in ihm auf. Mit der Wut zeigte auch der Alkohol seine Wirkung deutlicher.

Unbeherrscht riss er das Hemd des unter ihm Liegenden auf. Er verlagerte sein Gewicht auf dessen Schultern und küsste ihn wieder. Übereilt. Oberflächlich.

Dann befreite Dee sich selbst flüchtig von seinen Sachen. Als er unbeholfen an Ryôs Jeans zog, verlor dieser die Geduld.

"Du hättest vielleicht nicht so viel trinken sollen. Dann ginge es leichter und schneller", sagte er sarkastisch.

Der Schwarzhaarige entgegnete nur:

"Und du hättest vielleicht mit deinem Seitensprung schlafen sollen, dann wärst du jetzt nicht so ungeduldig."

"Es kam etwas dazwischen", antwortete Ryô nüchtern.

"Weißt du, Liebling", sagte Dee kaltblütig, "du bist echt zum Kotzen."
 

Tanz - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

Die beiden Männer lagen auf dem Boden. Sie waren nackt. Schwarzweiß flackerte das Licht. Dunkel und eisig.

Dee war über seinem Partner und umfasste gefühlsarm dessen Glied. Ryô stöhnte auf. Er war erregt. Seine Fingernägel kratzten fordernd über die Schulterblätter des Anderen, während Dee sich näher an ihn presste und ihn weiterhin stimulierte.

Undefinierbare Flecken tanzten vor Dees Augen. Er empfand keine Lust. Nur einen berauschten Zustand. Er überlegte dumpf, dass das am Alkohol lag. Sein Schwindelgefühl war auch auf den Alkohol zurückzuführen.

Er verlor das Gleichgewicht.

Ryô hielt ihn fest.

"Jetzt mach schon", verlangte er ungehalten.

Delirium. Der Braunhaarige fragte sich, wann dieser Irrsinn begonnen hatte. Innerlich lachte er über seine Torheit und Unvernunft.

Währenddessen richtete sich Dee zitternd auf. Er verspürte das Gefühl, Ryô in Besitz nehmen zu müssen.

Er küsste ihn hart.

Als Dee den eigenen Geschmack auf der Zunge wahrnahm, überkam ihn Ekel. Von seinem Partner lösend wandte er sich ab. Er fand sich selbst widerlich. Benommen legte er seine Hand an die Stirn.

"Du musst mich nicht lieben", sagte Ryô plötzlich. Übergangslos.

Dee atmete schwer, unterdrückte den Brechreiz. Dann fragte er spöttisch:

"Liebst du mich?"

Ryô antwortete nicht. Dee fuhr fort:

"Deine Liebe bedeutet mir sowieso nichts mehr."

Er lachte.
 

Tanz mit mir - mein Leben - tanz mit mir

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

Ryô lag auf dem Rücken und beobachtete seinen Partner.

Dieser stützte sich am Boden ab. Ihm war schlecht. Er kniff die Augen zusammen. Das schwarze Haar hing ihm strähnig ins Gesicht. Gequält stöhnte er auf, da der Schmerz in seinem Schädel ihn an den Rand des Wahnsinns trieb.

Übelkeit. Dee wusste, dass er lächerlich aussehen musste.

Im Fernseher flimmerte das Bild weiterhin.

Kurz entschlossen richtete sich Ryô auf und stieß Dee unter sich.

"Ich kann nicht mehr warten." Die Stimme des Braunhaarigen klang fest, obwohl er unentschlossen war. Mit Anstrengung drehte er seinen Partner auf den Bauch. Er packte Dee an den Hüften und positionierte ihn vor sich. Unsicher. Zweifelnd.

Dee ließ es geschehen. Ihm war mittlerweile alles egal. Der Alkohol benebelte ihn seiner Sinne. Sinnlosigkeit.

Ryôs Hand fuhr das Rückrat des Anderen hinauf, die Schulterblätter entlang, über den Hals, zu dessen Gesicht. Er hielt inne. Dann strich er mit den Fingerspitzen über Dees Lippen, die ihm kulant geöffnet wurden.

Der Schwarzhaarige wurde passiv.

Noch immer taumelte seine Umgebung.

Ryô hoffte, dass sich sein Partner nicht übergäbe. Der warme Speichel benetzte seine Finger. Er entzog sie der Mundhöhle und wanderte zurück, um in Dees Anus zu dringen.

Dieser keuchte auf. Dann hustete er. Es war fremdartig und demütigend.

Doch er wollte es.
 

Tanz mit mir - mein Leben - tanz mit mir

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

Als Ryô in ihn stieß, verdrängte der Schwarzhaarige das Verlangen, zu schreien.

Er suchte am Boden Halt.

Ryô rang um Atem.

Alles war so unwirklich. Irrealität.

Im stetigen Rhythmus spürten beide den Schmerz bald nicht mehr.

Ryô erinnerte sich daran, wie er sich damals an Dee verloren hatte, wie dieser sich seiner Person bemächtigt hatte, wie sie einander verfallen waren. Damals.

Es hatte aufgehört. Es war vergangen. Sie waren am Ende.

Keine Erregung überkam Dee. Er gab sich hin. Ohne Reue. Ohne Rückhalt. Ohne Falschheit.

Es war keine Lust. Es war ein Rausch.

Schließlich ergoss sich Ryô in seinem Partner.

Die beiden Männer keuchten unterdrückt. Erschöpfung brach über ihnen herein. Doch Ryô zog sich aus Dee zurück und stand auf. Dem Schwarzhaarigen fehlte die Kraft, sich zu erheben. Er sah Ryô nach, der den Raum verließ.

Geschäftige Geräusche wehten wie kalter Wind in das Wohnzimmer. So kalt wie das Flimmern des schwarzweißen Schnees. Dee hörte zu.

Er war seltsam ernüchtert und klar im Kopf. Letztendlich erhob er sich schwerfällig, taumelte zum Telefon und hob den Hörer ab.
 

Tanz mit mir - mein Leben - tanz

Tanz mit mir

Tanz mit mir noch einmal

In den puren Rausch der nackten Liebe
 

"Danke, Diana. Ich sage Ryô Bescheid."

Dee legte auf, während der Braunhaarige gerade wieder den Raum betrat, eine gepackte Tasche in der Hand.

"Du gehst?", fragte Dee, setzte sich nackt auf das Sofa und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: "Ich habe Diana angerufen. Sie ist damit einverstanden, dass du zu ihr kommst."

"Danke", antwortete Ryô.

Sie sahen sich an.

Es war ein Rausch. Ein Rausch, der schnell hereinbrach und schnell verging. Jetzt war es vorbei.

Dee griff nach der Zigarettenschachtel, die neben der Lesebrille auf dem Tisch lag. Er zündete sich eine Zigarette an.

"Dann war es das jetzt?", stellte er fragend fest.

Ryô kam durch das Wohnzimmer auf ihn zu und nahm die Fernbedienung in die Hand. Das Flimmern auf dem Bildschirm erstarb.

Dann beugte sich Ryô zu seinem Partner hinab und küsste ihn auf die geschlossenen Lippen.

"Ja", antwortete er. Bevor er das Wohnzimmer verließ, nahm er seine Tasche auf und sagte:

"Ruf mich nicht an."

Beide lächelten. Dee zog an seiner Zigarette.

"Leb wohl, Randy", entgegnete er.
 

Tanz

Tanz

Tanz...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-12-16T20:16:32+00:00 16.12.2009 21:16
nun ja kann nicht alles immer so sein und scließlich ist das ein häufiger werdagang einer beziehung. sehr schön geschrieben
Von:  -Amalthea-
2008-12-19T22:55:55+00:00 19.12.2008 23:55
Toll geschrieben! Nur schade, dass die Geschichte so traurig ist *schnief*


Zurück