Sechstes Licht: Freiheit
Was war das? Oder besser, wo war er? Mühsam öffnete Naruto die Augen und sah sich um. Nein, nicht schon wieder. Seit Tagen immer das Gleiche, jedes Mal träumte er vom Kyuubi und seinem Gefängnis.
„Das ist kein Traum, Junge. Ich habe dich hierher gerufen.“, ertönte eine laute Stimme.
Der Shinobi drehte sich um und sah direkt in die schwarzen Augen des Monsters. Er wollte etwas sagen, öffnete den Mund, doch kein Laut kam heraus. Panisch griff er sich an die Kehle, wollte schreien, doch die einzigen Geräusche die man hörte war das Tropfen von Wasser und höhnisches Gelächter.
„Versuch es erst gar nicht, Kleiner. Heute rede ich“, ungewohnt ernst blickte das Kyuubi auf Naruto runter, „Wir müssen reden. Eigentlich muss ich mit dir sprechen, dir einiges erzählen. Von früher.
Von der Zeit, in der ich noch frei war. Ich hatte keinen guten Charakter, das sollte dir eigentlich klar sein, doch ich war gerne frei. Vielleicht glaubst du mir das ja nicht, aber ich liebe die Natur, weite Wiesen, den blauen Himmel. Die frische Luft hat mir so viel Energie und Kraft gegeben, nur so konnte ich ganze Dörfer vernichten.
Ah, kleiner Mann, ich sehe es an deinem Blick. Du kannst nicht verstehen, wie mir so etwas Spaß machen kann. Aber das ist nun einmal meine Art und Weise. Das brauchst du nicht zu verstehen, es ist nicht wichtig für dich. Lass mich einfach weitersprechen und höre nur zu.
Dein Vater nahm mir die Freiheit. Er verbannte mich in dieses Loch, in diesen Kerker. Er bannte mich in seinem eigenen Sohn. Jeden Tag musste ich diese Gitter ansehen, jeden Tag, jede Stunde auf dieses elende Tropfen lauschen. Plitsch, platsch, plitsch, platsch. Es treibt mich in den Wahnsinn. Die Dunkelheit, dieser enge Raum und du.
Dein naives Wesen, diese abartige Freundlichkeit, das ist schlimmer als alles andere. Wenn ich dich höre, mit deinen Freunden, könnte ich schreien. Du versteckst dich hinter dieser Freundschaftstour. Glaubst du wirklich, sie akzeptieren dich so? Du bist ein Monster, weil ich ein Monster bin. Unsere Schicksale wurden verbunden, wir leben gemeinsam in diesem Körper. Noch, noch hast du die Oberhand, aber eines Tages…
Doch das gehört jetzt nicht hierher, mein Junge. Verstehst du, was ich dir sagen will?“
Das Kyuubi durchbohrte Naruto mit seinem Blick, doch dieser erwidert dies ausdruckslos. Stumm stand er vor dem Monster, betrachtete nachdenklich.
„Nein, spar dir dein Mitleid, spar dir diese traurigen Augen“, dröhnte die gehässige Stimme des Kyuubis durch den Raum, „Schau dich selbst einmal an. Mich brauchst du nicht bemitleiden. Ich kann warten, irgendwann komme ich hier raus. Aber was ist mit dir, Junge?
Dein Vater hat dich mit mir verbunden, wusste nichts besseres. Hat er nicht geahnt, was mit dir passiert? Du bist auch ein Gefangener geworden. Doch im Gegensatz zu mir kennst du die Freiheit nicht. Wer weiß, für dich würden es Freunde sein, Eltern, nicht mehr einsam zu sein.
Schau nicht so erstaunt, ich kenne dich besser als du denkst. Immerhin hatte ich Jahre Zeit dich zu beobachten, dich kennenzulernen. Naruto, du bist genauso ein Gefangener wie ich.
Verstehst du es jetzt? Hör endlich auf zu träumen, komm in der Realität an. Du wirst nie frei sein. Nie…“
Einer starrte auf den anderen, beide aneinander gebunden. Keiner konnte sich lösen.
„…ruto. Naruto. NARUTO!“, konnte man plötzlich eine weibliche Stimme hören.
Der Gerufene war der Erste, der sich löste und seine Sprache wiederfand: „Woher willst du wissen, was Freiheit ist? Was meine Freiheit ist? Ich habe Freunde, das reicht mir, mehr brauche ich nicht, um frei zu sein.“
Bitter lachte das Kyuubi, sah Naruto fest an: „Du wirst es noch lernen. Aber nun wird es Zeit zu gehen, bis zum nächsten Mal, mein Junge. Und denk immer dran, du und ich, wir sind beide Gefangene deines Vaters.“
Langsam löste sich der Raum um den Shinobi auf und er spürte, wie er unsanft an der Schulter gerüttelt wurde. Er öffnete die Augen und nahm verschwommene Gesichter war.
„Sakura-chan, was ist passiert?“, fragte er mit heiserer Stimme.
Die Kunoichi ließ ihn erleichtert los und schaute ihn ernst an: „Du bist plötzlich, einfach so eingeschlafen, ohnmächtig geworden, ich weiß es nicht genau. Ich habe dich einfach nicht mehr wach gekriegt.“
Naruto musterte erst seine alte Freundin, seinen Sensei und die vielen anderen Freunde, die er im Laufe der Zeit gewonnen hatte, dann lächelte er schwach.
„Es tut mir Leid, ich wollte euch nicht erschrecken. Das Kyuubi…“, murmelte er immer leiser werdend, doch er konnte und wollte ihnen nicht erklären, was vorgefallen war.
Aber in einer Sache war er sich sicher, das Monster in ihm hatte unrecht. Er war frei, hatte sich mit Hilfe seiner Freunde aus seiner Gefangenschaft befreien können.