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Vampire? Die gibt es doch gar nicht!

von

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Kapitel 87-88

Kapitel 87
 

Nachdem ich ins Wasser fiel, musste ich mich regelrecht an die Oberfläche kämpfen. Es war fast so, als wenn mich das Wasser ständig versuchte, runterzuziehen. Zudem schien es in der Schattenwelt um einiges dichter zu sein. Nachdem ich es geschafft hatte, sah ich finster nach oben. „Eine kleine Übung für dich. In bestimmten Elementen ist das Fortbewegen um einiges schwerer.“ Also war es nicht nur mein Gefühl, sondern war es tatsächlich schwerer, sich im Wasser fortzubewegen. Nur glaubte ich kaum, dass er mich deswegen extra von der Brücke hätte schmeißen müssen. Ich begann ans Ufer zu schwimmen und als es mir zu anstrengend wurde, aufgrund des Widerstandes, verließ ich die Schattenwelt. Am Ufer angekommen, setzte ich mich auf den Boden und wollte mich gerade nach hinten weg fallen lassen, als ich Alucard bereits neben mir bemerkte. Zugern hätte ich ihm einen Arschtritt gegeben, welcher ihn direkt selber in den Fluss befördert hätte. „Du hättest die Übung nutzen und nicht zwischen drinnen den leichteren Weg gehen sollen.“

„Warum denn nicht? Man sollte doch immer seine Kraft sparen, oder etwa nicht?“ Fragte ich zurück und stand dann endlich auf. „Jetzt sind meine Klamotten schon wieder klatsch nass. Ich hoffe, du hast weitere Wechselklamotten im Hotelzimmer für mich liegen!“ Meinte ich und wrang meine Haare aus, seufzte anschließend und sah wieder zu ihm hin. „Ich bin noch immer wütend auf dich, dennoch will ich wissen, warum es schwerer ist mich durchs Wasser zu bewegen. Denn durch Wände kann ich gehen...also wenn ich mich anstrenge.“ Fügte ich noch leise hinten dran. Er grinste mich an und verschwand in den Schatten. Zähneknirschend folgte ich ihm. Überrascht sah ich dabei zu, als er sich ans Ufer gehockt hatte und seine Hand ins Wasser hielt. „Diese Frage habe ich mir vor einer Ewigkeit selber gestellt. Doch die Antwort ist mir bis heute verwehrt worden.“

„Es gibt etwas, das du nicht weißt?“ Fragte ich ihn überrascht. „Es gibt einiges, das mir verborgen bleibt. Wenn ich die Ambition habe, finde ich es heraus.“

„Und...du hattest keine sonderliche Ambition das herauszufinden?“

„Wie ich bereits sagte, doch hatte ich. Doch ich habe keine Antworten finden können.“ Fragend blickte ich zu ihm und schüttelte dann den Kopf. „Übermorgen reisen wir ab.“ Durch den Themenwechsel war ich dann doch etwas überrascht. „Habt ihr alles raus gefunden zu den künstlichen Vampiren?“

„Diese widerwärtigen Individuen sind nicht von meinem Interesse. Doch muss ich mich mit ihnen beschäftigen. Wie es scheint, ist dessen Erschaffer nicht mehr auf diesem Kontinent. Er ist geflohen, nachdem er mit bekommen hat, dass wir hinter ihm her sind.“

„Wie hat er das mit bekommen? Können die sich untereinander verständigen, wie wir?“ Denn wie sollten sie es anders mit bekommen haben, das Alucard hinter ihnen her war? Doch ich bekam keine Antwort auf diese Frage. Stattdessen zog Alucard die Hand aus dem Fluss und blickte in die Ferne. Sollte ich es wagen? Ein Grinsen entwickelte sich auf meinen Lippen und ich überwand schnell die paar Schritte zu ihm. Doch genau in dem Moment, wo ich ihn selber in den Fluss stoßen wollte, verschwand er zur Seite und ich fiel selber hinein. „Verdammt!!“ Schrie ich auf und wollte zurück ans Land, doch stellte er sich mir dabei direkt in den Weg. „Lass mich raus!“

„Du wolltest mich in den Fluss stoßen?“ Fragte er mich mit einem grinsen. „Ich weiß gar nicht, was du meinst. Muss ein Versehen gewesen sein. Ich bin gestolpert.“ Fügte ich an. Es wurde immer schwerer mich in dem Wasser oben zu halten. „Selbstverständlich. Ein Versehen.“ Und dennoch ging er nicht von der Stelle des Ufers weg, wo ich raus wollte. Deswegen verließ ich die Schatten einfach wieder und konnte endlich ans Ufer. Jedenfalls bis zu dem Moment, als er wieder vor mir auftauchte, mich am Handgelenk griff, zurück in die Schatten zog und danach zurück ins Wasser stieß. „Alucard!!“
 

Noch einmal hatte ich es versucht, mit demselben Ergebnis. Daher blieb mir wohl nichts anderes übrig, als im Fluss zu bleiben. „Wie lange soll das denn dauern?“ Wollte ich wissen und hielt mich strampelnd an der Oberfläche. „Bis ich der Meinung bin, dass du genug Übung hast.“ War das sein Ernst? Also wohl bis zum Morgengrauen, oder gar darüber hinaus? Meine Gliedmaßen fühlten sich immer schwerer an, doch war nicht dies der Grund, weswegen ich Alucard anschrie. Etwas weiter entfernt konnte ich mehrere Auren ausmachen, die ziemlich stark zu sein schienen. Er drehte sich zwar um, doch war es ihm nicht möglich, etwas wahrzunehmen. Diesen Moment nutzte ich auch sofort, um ans Ufer zu kommen, und raus zu klettern. „Für dich hoffe ich, dass dies kein Ablenkungsmanöver war, ansonsten werde ich dich den ganzen Tag im Fluss lassen.“

„Ich hasse dich.“ Erwiderte ich nur und musste auf die Knie runter. Eine kurze Pause musste ich mir einfach gönnen, da meine Muskeln regelrecht streikten. „Bring mich zu diesen Auren.“ Er zog mich dabei am Oberarm hoch. „Kannst du mir nicht eine Pause gönnen?“ Selbstverständlich nicht. Murrend ging ich los, was ihm aber nach kurzer Zeit zu langsam war. Doch aufgrund dessen, dass ich noch immer so fertig von der Schwimmstunde war, konnte ich mich nicht so schnell in den Schatten fortgewegen, wie er es sich wohl gewünscht hatte.

Zu meiner Überraschung kamen diese Wesen geradewegs auf uns zu. Es war fast so, als wenn sie auf uns treffen wollten. War das möglich? Es fehlten nur noch etwa 300 Meter, bis wir aufeinandertreffen würden. Doch in der Schattenwelt konnten wir sie nicht ausmachen. Es waren drei Wesen und so langsam breitete sich in mir eine Besorgnis aus. „Oh nein...“ Sagte ich und wollte gerade wieder weg, während Alucard mich verwundert anblickte. Doch weit kam ich nicht, als bereits etwas wie eine Druckwelle sowohl mich, wie auch Alucard erwischte und uns aus den Schatten hinaus schleuderte. Die Begegnung mit der Steinwand des Gebäudes presste mir die Luft aus den Lungen. Alucard wurde gegen etliche Müllcontainer geschleudert. „Dakaria. Wir wollen dir nichts Böses.“

„Wir wollen dir doch nur helfen.“

„Lass uns unseren Vertrag vollenden.“ Woher wussten diese verdammten Hexen, wo wir waren? „Schwester. Setz den Vampir fest, welcher uns daran hindern will.“ Sprach die mittlere zur rechten, welche sich auf den Weg zu Alucard machte. Dieser war gerade dabei die Container aus dem Weg zu räumen und danach sich einen Weg zu uns zu bahnen. Doch mitten in der Bewegung blieb er stehen. Wie hatte die das gemacht? Und vor allem, wie lange hielt das an? Bekam Alucard überhaupt in diesem Zustand mit, was geschah? „Ich will eure Hilfe doch gar nicht!“ Versuchte ich es nochmal. Doch es brachte kein bisschen. Sie ließen nicht locker, weswegen ich mich gegen sie wehren wollte. Doch es war wie ein unsichtbarer Schild, der mich davon abhielt, sie anzugreifen, und ebenso, von hier wegzukommen. „Nimm sie an, Dakaria. Wir werden dir kein Leid zufügen.“ Ich wollte ihnen gerade noch etwas entgegen werfen, doch schwieg ich dann. Wieso taten sie es nicht einfach. Warum bestanden sie jedes Mal darauf, dass ich ihre Hilfe annehmen sollte? Langsam machte es bei mir klick. Brauchten sie meine Zustimmung? Musste ich irgendwie dabei mit machen? Anders konnte das doch gar nicht sein. Ansonsten hätten sie mich doch genau so, wie Alucard festsetzen können.
 

„Nein! Ich will eure Hilfe nicht! Ich will nicht, dass ihr meine Fähigkeiten erneut in mir verschließt! Es ist mir egal, was ihr sagt! Es ist mir auch egal, was sein könnte! Ich werde nicht mit machen!“ Stellte ich klar und sah sie dabei sowohl ernst, wie auch finster an. Meine Worte schienen sie überrascht zu haben. „Du bist noch so jung. Deine Entscheidung zu weitreichend.“

„Und dennoch ist es meine! Lasst mich in Ruhe!“

„Deine Eltern wollten etwas anderes für dich. Sie wollten dich in Sicherheit wissen, Dakaria. Lass uns unseren Vertrag mit ihnen vollenden.“

„Meinen Eltern sind tot!! Sie wissen doch gar nicht, was mir Sicherheit bringen wird! Vielleicht wird ja genau das mich in Gefahr bringen, wenn ich mich nicht mehr wehren kann!“ Sie schwiegen für einige Zeit. Vielleicht unterhielten sie sich auch miteinander, denn ihre Blicke huschten hin und her, biss die eine Hexe zu den beiden zurück ging und Alucard sich wieder bewegen konnte. Er wirkte darüber perplex. „Deine Entscheidung müssen wir akzeptieren.“

„Sie wird diese Welt ins Chaos stürzen.“

„Doch können wir dich nicht gegen deinen Willen von deinem gewählten Weg abhalten.“ Mit den Worten verschwanden sie in eine Art Luftwirbel.

Das war es? Ich hatte mir eine längere Diskussion vorgestellt, oder das sie noch was anderes versuchen würden. Aber so einfach verschwinden? „Jetzt bin ich neugierig. Was ist geschehen?“

„Wie? Du hast wirklich nichts mitbekommen?“

„Sie sind mächtiger, als ich gedacht habe. Es müssen alte Hexen sein. Zu schade, dass ich sie unterschätzt habe. Ich hätte mich gern mit ihnen angelegt.“

„Und dabei sicher den Kürzeren gezogen.“ Kam es nuschelnd von mir. Anstelle einer weiteren Antwort legte sich nur ein Grinsen auf seine Lippen. Ich verstand einfach nicht, warum er ständig jemanden suchte, der ihm das Wasser reichen konnte, oder sogar stärker war als er selber. Was bezweckte er damit? Wenn er den Tod suchte, gab es sicher noch andere Möglichkeiten für ihn, oder? Ob ich jemals darauf eine Antwort von ihm bekommen würde? „Ich will zurück ins Hotel.“ Sagte ich dann aber und es dauerte einen Moment, bis er mir zunickte und wir gemeinsam zurückgingen. Auf dem weg zum Hotel berichtete ich ihm davon, was die Hexen erneut von sich gegeben hatten und auch, dass ich mich geweigert hatte mitzuspielen, weswegen sie dann ja verschwunden waren. „Ich wüsste zu gern, welchen Vertrag Vladiana mit ihnen ausgehandelt hatte, wenn er selbst über deren Tod hinaus noch bestand hat.“

„Mir ist das egal.“ Was es natürlich nicht wahr. Auch mich interessierte es ein wenig, aber ich gab es nicht zu. Denn, um dies herauszufinden, müsste ich wohl diese drei Hexen aufsuchen und darauf hatte ich überhaupt keinerlei Lust. „Reisen wir eigentlich übermorgen tagsüber, oder des Nachts ab?“ Wechselte ich nun das Thema. „Tagsüber.“

„Oh? Aber was ist mit Sera? Sie kann doch bei Tage nicht rumlaufen.“

„Sie wird es überstehen.“ Was keine Antwort war und ich ein eigenartiges Gefühl hatte. Sollte mir Sera leid tun? „Wenn wir zurück sind, wird dann Sorin auch gleich zu uns kommen?“

„Hmpf. Der Köter wird nicht in die Nähe des Anwesens gelangen. Doch er wird in der Nähe von London sich aufhalten.“

„Findest du das nicht etwas unfair? Er ist doch nicht gefährlicher als ich.“

„Es geht dabei nicht um seine Gefährlichkeit.“

„Sondern?“ Und wieder wartete ich auf eine Antwort, die er mir nicht gewährte. „Manchmal kommt es mir echt vor, als wenn du auf Sorin eifersüchtig wärst.“

„Als wenn der Köter mir das Wasser reichen könnte.“ Ganz eindeutig eifersüchtig, wie ich anhand seiner Stimmlage heraushören konnte. Nur warum, war mir einfach schleierhaft. Vielleicht, weil ich mich so gut mit ihm verstand? Aber das dürfte eigentlich nicht der Grund sein. Ich hatte keine Ahnung und hätte mir am liebsten die Haare gerauft, als wir vor einem Kleidungsladen stehen blieben. Fragend sah ich Alucard an, als er auch schon in die Schatten verschwand. Erst wollte ich ihm folgen, doch ließ ich es dann sein. Wir waren nicht mehr weit vom Hotel entfernt. Es dauerte vielleicht zwei Minuten, bis er wieder vor mir auftauchte und dabei tatsächlich sowohl eine Jeans-Hose, wie auch ein Sweatshirt in meiner Größe bei sich trug. Er reichte mir die Sachen, welche ich an mich nahm. „Danke...hast du dafür bezahlt?“ Sein Blick alleine genügte mir als Antwort und wir gingen weiter, diesmal ohne Halt zurück ins Hotel.
 

Kapitel 88:
 


 

Den nächsten Tag, wie auch die Nacht verließ ich das Hotel nicht mehr. Ich hatte mir die Stadt angesehen. Bei Nacht war sie für mich nicht sonderlich interessant. Bei Tage wollte ich nicht raus gehen. Dann beobachtete ich lieber das Stadtleben vom Fenster aus. Sera war in der Nacht noch zu mir gekommen und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie schien sich wirklich sorgen gemacht zu haben. Ich nahm es ihr nicht übel. Immerhin, sie hatte ja recht gehabt. Ein wenig hatte es schon spaß gemacht, mit ihr zusammen die Stadt zu erkunden. Sie selber bedauerte es sehr, dass sie nicht bei Tage herumlaufen konnte, was man ihr ansah, als sie davon sprach. Dann war auch endlich der Tag der Abreise von diesem Kontinent gekommen. Meine Frage, was mit Sera geschah, wurde mir beantwortet, als wir uns auf den Weg zum Flughafen machten. Sie musste tatsächlich den Flug in einem Sarg verbringen. Ironischer ging es wohl kaum. Es hätte mich wohl auch nicht überraschen müssen, dass wir keinen normalen Linienflug nahmen, sondern eine Privatmaschine. Nichtsdestotrotz mussten wir zu einem der Flughäfen bei Washington. Etwas zurückhaltend betrat ich den Airport und musste einigen anderen Leuten ausweichen, die mich beinahe umgerannt hatten, auf ihren Weg nach draußen. Inetgra war ziemlich weit vorne. Da ihr Blick mal wieder mehr als nur missbilligend in meine Richtung ging, hielt ich mich lieber weitestgehend von ihr fern. Ob man meine Unsicherheit spüren konnte? Damals, als meine Eltern mit mir nach England geflogen waren, hatte ich mich schon jede Minute in den Sitz gekrallt gehabt. Als ich nun daran dachte, dass dieser Flug nicht nur eine Stunde dauern würde, sondern um einiges länger ging, bekam ich immer mehr Panik. Was wenn das Flugzeug abstürzte? Würde ich den Aufprall überleben? Und was, wenn es genau über dem Ozean geschah? Könnte ich so weit schwimmen, um irgendwo ans Land zu kommen? Warum mussten wir überhaupt fliegen? Konnten wir nicht ein Schiff nehmen? Wäre das nicht die sicherere Reise gewesen? Mein Unbehagen war mir wohl anzusehen, denn Walter sah mich mit einem freundlichen Lächeln an. „Ihr braucht keine Sorgen zu haben, junge Dame. Der Flug ist sicher.“

„Ist es so offensichtlich?“

„Ihr seid sehr blass und eure Hände zittern. Entweder es ist der anstehende Flug, oder aber ihr habt heute Nacht nichts zu euch genommen.“ Da er es aber besser wissen musste, immerhin hatte er mir die Flasche Blut gebracht gehabt..woher er die auch immer hatte, war es für ihn offensichtlich. „Am liebsten würde ich einfach einschlafen und erst wieder aufwachen, wenn wir dort angekommen sind.“ Gestand ich ihm und steckte die Hände in die Hosentasche, damit ich irgendwie das Zittern unter Kontrolle brachte. „Wenn es euch hilft, könnt Ihr ein Buch haben, welches ich für die Reise mitgenommen hatte.“ Überrascht sah ich ihn an und nickte dann sogar. Alles was mich ablenkte, war willkommen.

Wir mussten nicht lange in dem Airport warten, bis wir weiter zu der Privatmaschine gingen. Drinnen setzte ich mich, so weit es ging, von Lady Integra weg. Mehrere Stunden in einem Raum mit ihr eingeschlossen sozusagen. Hoffentlich ging das gut. Es wäre zwar auch die beste Gelegenheit sie auf meine Eltern und die Anrufe aus Frankreich anzusprechen, da ich aber Angst hatte, vor einem ihrer Wutanfälle, denen ich dann nicht durch Flucht entkommen könnte, schwieg ich lieb dazu. Warum ich auch immer vor ihr Angst hatte. Immerhin war sie doch nur ein Mensch. Aber Alucard schien ihr ziemlich nahe zu stehen und ich war mir sicher, sollte irgendwas sein, würde er an ihrer Seite stehen. Warum nur? Ob ich deren Vergangenheit irgendwann in Erfahrung bringen würde? Ich wendete den Blick von den Beiden ab, als mir Walter tatsächlich ein Buch reichte. Dankbar nahm ich es an mich und begann sogleich zu lesen. Es war ein Thriller und ich war schon verwundert, dass er solche Bücher las. Aber wie hieß es so schön? Stille Wasser sind tief?
 

Mit jeder Stunde, die in dem Flugzeug verging, wurde ich trotz des Buches unruhiger. Ich konnte kaum noch still sitzen und vermied es, aus irgend einem der Fenster zu sehen. Das einreden, es handle sich um einen Bus oder Zug, in welchem ich saß, brachte auch nicht sonderlich viel. „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“ Eine Frau stand plötzlich vor mir und hielt ein Tablett in der Hand. Sie gehörte zur Flugcrew. „Äh...“ Ich wollte gerade sagen, dass ich nichts zu trinken bräuchte, als ich auch schon den vertrauten Geruch wahr nahm. Das war kein Wein in diesem Glas. Also wussten sie Bescheid? Alle hier drinnen? Lächelnd nahm ich das Glas an und schloss die Augen, während ich die rote Flüssigkeit meiner Kehle hinunterfließen ließ. Die Ablenkung auf diesen Geschmack tat gut. Schade nur, dass sie so kurz anhielt. Der ganze Flug dauerte in etwa sieben Stunden und kein einziges Mal war Alucard von Integras Seite gewichen. Ab und an hatten sie sich über etwas unterhalten und des Öfteren ging deren Blick dabei zu mir. Ich konnte sie einfach nicht ausstehen, da ich noch immer nicht wusste, was deren Problem mit mir war.

Nach der Landung war ich so froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Durch die Zeitverschiebung war es hier bereits früher Abend, obwohl wir morgens in Washington losgeflogen waren. Zwei Wagen warteten bereits auf uns und wieder stieg Alucard bei ihr mit ein, während ich in dem anderen Platz fand und mir darüber unnütz Gedanken machte. Als die Wagen sich aber bei einer Kreuzung trennte, blickte ich dem anderen fragend hinterher. „Sollten wir nicht den anderen nachfahren?“ Fragte ich verwundert den Fahrer vorne. „Ich soll Sie zu einem etwas abgelegeneren Anwesen bringen.“

„Was? Aber wieso?“ Doch konnte er mir die Frage nicht beantworten, da er lediglich Anweisungen ausführte. Hätte man mir das nicht vielleicht mal eher sagen können? Was sollte das schon wieder? Wieso mussten sie ständig irgendwelche Sachen über meinen Kopf hinweg entscheiden? Ich hätte ausflippen können, doch tat ich es nicht und knurrte lediglich vor mich hin.

Die Fahrt dauerte etwa eine dreiviertel Stunde, bis wir ankamen. London hatten wir bereits verlassen gehabt und waren durch einen Vorort gefahren. Das besagte Anwesen lag ein paar Minuten außerhalb und ich stieg aus dem Fahrzeug aus, blickte mich um. Es war eine Art Villa, die alt, aber nicht heruntergekommen aussah. Sie wurde eindeutig gepflegt. Genau so wie die Umgebung. Der Rasen wurde erst frisch gemäht, da man noch die Spuren erkennen konnte und den Geruch wahrnahm. Ich wollte gerade den Fahrer fragen, ob hier noch andere seien, als er schon den Rückwärtsgang betätigt hatte und mich hier vollkommen alleine stehen ließ. „Sollen wir eine Wette abschließen, wie lange es dauert, bis du wieder weg bist?“ Ich drehte mich sofort um. „Sorin?“ Er kam lächelnd auf mich zu und breitete seine Arme aus. Natürlich konnte ich nicht anders, als zu ihm zu laufen und mich in seine Arme zu werfen. „Hab dich vermisst, meine Kleine.“

„Ich dich auch...und du hast diesmal sogar was an.“ Ich ließ wieder von ihm ab. „Also, was soll das hier alles?“ Wollte ich dann aber wissen, wobei er nur mit den Schultern zuckte. „Der Blutsauger meinte, nachdem du verschwunden warst, ich soll hier her gehen. Wenn er dich gefunden hat, würde er dich her bringen lassen. Hat nur ziemlich gedauert. Ich hatte mir schon ein wenig Sorgen gemacht.“ Und er deutete mit seinem Daumen und Zeigefinger einen winzigen Abstand an. „Ach hör bloß auf. Ich glaube, mein Leben ist verflucht.“

„Na wenn es nichts weiter ist.“ Fragend sah ich ihn an, als er begann zu lachen. „Einen Fluch kann man brechen.“ Er deutete aufs Haus und ich folgte ihm dann einfach.

„Also, es gibt drei Schlafzimmer, zwei Bäder, eine Küche, zwei Wohnzimmer und eine Art Arbeitszimmer oder Bibliothek, je nachdem wie man es betrachtet.“ Begann er zu erzählen, als wir hinein gingen in das Haus. „Dazu noch einen Keller, der aber mit nichts verbunden ist. Wirklich nur ein Keller. Der unten gelagerte Wein ist aber echt spitze.“ Und er zeigte seinen Daumen hoch. „Du hast dir bereits alles genau angesehen?“

„Klar. Ich wollte ungern irgendwelche komischen Überraschungen erleben. Immerhin muss man bei dir ja besonders vorsichtig sein. Ich erinnere mich noch an das letzte Mal, als wir auf so einem Anwesen waren.“ Auch ich musste mich daran zurück entsinnen und es gab noch so viele Fragen, die unbeantwortet waren. Aber vielleicht eine konnte ich durch Sorin klären lassen. Alucard hatte ich vergessen, danach zu fragen in all der Aufregung. Wir waren in der Küche und ich setzte mich auf einen der Hocker, welcher an eine Art Tresen stand, während Sorin sich eine Weinflasche aus dem Kühlschrank holte und sich etwas einschenkte. „Ich glaube, Blut müssen wir für dich erst organisieren.“

„Das können wir später noch. Ich habe gerade keinen Hunger.“

„Na dann. Erzähl mal. Was ist alles passiert in den letzten Tagen?“ Und ich begann ihm zu berichten, was mir widerfahren war, seit dem Training mit Alucard auf dem Feld. Dabei stellte ich ihm dann auch die Frage, welche mich brennend interessierte. „Und die Hexen sagten dann sogar, mein Vater sei kein normaler Mensch gewesen, schon vor der Verwandlung nicht. Er sei ein...wie nannten sie es...Ach ja. Riyoon. Weißt du, was das ist?“ Er hatte sich an seinem Wein verschluckt und sah mich mit großen Augen an. „Du weißt, was das ist?“ Ansonsten hätte er nicht so reagiert. „Erzähl es mir.“

„Bist du sicher, dass sie das gesagt haben?“

„Ja. Ganz sicher. Also, was ist das?“

„Ich...ich weiß es nicht. Davon höre ich gerade zum ersten Mal.“ Und er wich meinen Blick doch tatsächlich aus. „Sorin! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dir das abnehme. Also red schon.“ Verlangte ich von ihm und sprang vom Hocker, um ihm den Weg aus der Küche zu versperren, als er flüchten wollte. „Kathrin. Komm schon. Lass mich durch. Bitte.“

„Erst, wenn du meine Frage beantwortet hast. Was ist ein Riyoon?“ Ich konnte sehen, wie er mit sich selber Rang, doch es gab kein Weg hinaus für ihn. „Willst du nicht lieber Alucard danach fragen?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an. Er nannte ihn beim Namen? Das war eine Seltenheit. Seufzend gab er schließlich auf und drehte sich wieder um. Er griff bei der Theke nach dem halbvollen Weinglas und leerte den Inhalt mit einem Zug, nur um danach sich wieder einzuschenken, während ich mich zurück auf den Hocker begab und wartete.

„Riyoon´s sind Schattenwandler. So sagt man sich wenigstens. Es soll seit Generationen keine mehr geben. Sie sind irgendwann verschwunden, erzählt man sich zumindest. Ich habe daher noch nie einen gesehen und es gibt auch nicht viel Bekanntes über sie.“ Begann er und ich hörte ihm aufmerksam zu. „Mein Vater hat uns Kindern damals Gruselgeschichten über sie erzählt.“ Und seine Stimme wurde traurig, was ich verstehen konnte. Es tat mir noch immer Leid, was mit seiner Familie geschehen war. „Was denn für Geschichten?“ Sein Blick war voller Schmerz, als er zu mir sah und es zerriss mir glatt das Herz. Doch dann seufzte er nochmals und ließ den Kopf hängen. „Die Riyoon´s sollen sowas wie Söldner sein. Sie sind von einem normalen Menschen nicht zu unterscheiden. Selbst ihren Geruch können sie sehr gut anpassen. Sie werden oft auf andere Wesen angesetzt, gegen einen gebührenden Preis selbstverständlich und das ahnungslose Opfer bemerkt es meist erst ziemlich spät. Immerhin, er wird für einen Menschen gehalten. Was kann ein Mensch uns schon antun?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Nichts?“ Fragte ich und er nickte. „Genau. Nichts. Aber die Riyoon ´s... Sie ziehen dich in die Schatten, heißt es. Von dort soll es kein Entkommen geben. Sie sollen die Schatten um einen herum nach ihrem belieben formen können, wie sie es wollen. Deine größten Ängste heraufbeschwören und dich in diesen wandeln lassen, ohne Ausweg.“

„Aber wie ist das möglich? Man kann doch aus den Schatten wieder raus.“

„Nicht, wenn einer von denen dich hineingezogen hat. Dann gibt es keinen Ausweg mehr. Er kann den Übergang für denjenigen versperren. Es heißt, die Schatten werden mit ihm eins. Sie nähren sich an den Riyoon´s und diese nutzten sie für ihre Zwecke aus.“ War das wirklich möglich? Und wenn das stimmte und mein Vater tatsächlich einer gewesen sein soll, konnte ich dann vielleicht sowas auch? „Sag mal Sorin, diese Riyoon´s, waren die bekannt für sowas wie Traumwandeln?“ Überrascht sah er mich an und musste dann aber nachdenken. „Wenn ich mich recht erinnere, haben sie diese Fähigkeiten genutzt, um herauszufinden, was für Alpträume ihr Opfer hatte um diese dann in der Schattenwelt wahr werden zu lassen ... Warte mal ...“ Mit großen Augen blickte er mich an. „Das ist echt nicht wahr, oder?“

„Anscheinend doch.“ Gab ich von mir und versuchte mich an einem flüchtigen Lächeln, während er sich den Nacken rieb. „Wenn das wirklich stimmt, dann bist du nicht nur ein Vampir-Reinblut, sondern hast zudem noch die Fähigkeiten eines Riyoon´s. Das ist eine mehr als gefährliche Mischung. Du solltest das keinem erzählen. Das meine ich ernst. Das könnte etlichen Angst machen und sie könnten versuchen dich gleich umzubringen.“

„Was? Aber wieso? Ich tu ihnen doch nichts!“

„Das ist denen egal. Glaub mir. Würde ich dich nicht kennen und herausfinden, dass du von denen abstammst, ich würde dich auch sofort umlegen. Nur zur Sicherheit.“ Sprachlos sah ich ihn an. Meinte er das ernst? So wie es aussah, wohl ja. „Gibt es deswegen keine mehr?“ Fragte ich nach. „Ich weiß es nicht. Aber laut den Gruselgeschichten meines Vaters, sollen die noch irgendwo sich aufhalten. Es soll ein Reich inmitten der Schattenwelt geben, in welchem die sich aufhalten. Warum keiner von denen seit Generationen daraus gekommen ist, bleibt wohl ein Rätsel. Vielleicht wurden sie dort drinnen eingesperrt? Oder sie wurden tatsächlich so sehr gejagt, das sie sich irgendwann nicht mehr raus getraut haben. Aber um das in Erfahrung zu bringen, müsstest du dich wohl schon mit einen von denen unterhalten. Nur dafür müsstest du in die Schattenwelt und dort alles nach denen absuchen, um überhaupt herauszufinden, wo dieses besagte Reich ist. Vielleicht ist es nur sowas wie eine Kleinstadt, dann viel Erfolg beim Absuchen der ganzen Welt.“ Das würde tatsächlich viel Zeit in Anspruch nehmen. „Danke dir Sorin. Für die Infos.“ Meinte ich und blieb nachdenklich dort sitzen, wo ich war, während er mir zunickte und dann aber die Küche verließ.



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