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Des Engels Tagebuch

Rrazpharroth
von

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Gebrochene Flügel

Ich erwache aus meiner Ohnmacht. Die Sonne scheint. Ich lebe also noch… bedauerlich. Ich kann mich kaum bewegen. Meine normale Gestallt hat äußerlich keinen Schaden genommen. Dennoch spüre ich diesen unerträglichen Schmerz. Was ist das? Ich fahre mit der Hand über den Boden. Sand rieselt mir zwischen den Fingern hindurch. Er ist warm. Ich bin in der Wüste. So weit weg von Merakia. Mich dürstet es nach Sonne. Aber ich bin zu schwach um aufzustehen. Die Sonnenstrahlen kribbeln auf meiner Haut. Ich sehe Gabriels unglückliches Gesicht. Angst und Schmerz spiegelt es wider. Ich hoffe nur dass ich ihr nichts angetan habe. Ich habe eine ganze Stadt zerstört… Nur bruchstückhaft erscheinen stumme Bilder vor meinem Geist. Genug um zu sehen, was ich angerichtet habe. Ich wollte nie wieder einen Menschen töten. Jetzt habe ich eine ganze Stadt dem Erdboden gleich gemacht.
 

Tränen fließen mir über mein Gesicht. Besser ist es, wenn ich mich von den Menschen fern halte. Ich tue ihnen nichts Gutes und sie mir nicht. Ich schaffe es mit letzter Kraft mich auf den Rücken zu rollen. Damit Sonnenstrahlen auf die Innenseite der Flügel fallen. Der Himmel war noch nie so blau. Kaum ein Mensch weiß seine Schönheit zu schätzen. Die Menschen wissen gar nichts zu schätzen. Ich könnte mich ewig darüber aufregen. Aber es ist kein Grund die Menschen einfach auszurotten. Ich wäre nicht besser als sie. Ob mich andere Rrouharraner aufnehmen würden?
 

Der Wind weht sanft über mich. Ich höre Sandkörner rieseln. Sie werden vom Wind mitgetragen. Die Tage sind hier lang. Ich bin nun wieder kräftig genug zum aufstehen. Wäre ich nur eine kurze Zeit länger in der anderen Form verharrt, hätte es mich das Leben gekostet. Mir war nicht bewusst, dass wir uns in einen Berserker verwandeln können. Da Zorn mit Gefühlen zu tun hat, schätze ich, dass auch nur ich in einen Berserker mutieren kann. Womöglich ein Grund mehr, mich keiner Kolonie beitreten zu lassen. Ich passe nirgends. Nicht zu den Menschen und nicht zum Himmelsvolk. Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde.
 

Ich stehe auf. Der Sand fällt von mir herunter. Es hat bereits zu dämmern begonnen. Die Sonne sieht hier viel größer aus, als in Merakia. Ich entdecke etwas weiter fast zerfallene Ruinen. Dort lasse ich mich nieder. Ich erinnere mich. Hier lebte einst ein Menschenvolk. Es war sehr weiße. Bis es von einem anderen Volk unterdrückt und ausgerottet wurde. Es scheint, als überleben nur die grausamen. Unsere Völker kannten sich. Die einzige Rasse von Mensch, mit welchen die Rrouharraner verkehrten. Sie hätten mich möglicherweise bei sich aufgenommen. Aber Wunschdenken ist sinnlos.
 

Der Professor sagte immer, ich sei geboren um zu töten. Das ist die Aufgabe, die er mir auferlegt hat. Hätte ich nicht angefangen selbstständig zu denken, wäre ich wohl nicht in dieser schmerzhaften Situation. Er wäre so viel einfacher nicht zu fühlen. Ich würde Gabriel nicht vermissen. Ihr Blick hat mir die Seele zerrissen. Ich wollte nicht, dass sie es auf solch eine schreckliche Weise erfährt… Ich wollte es ihr doch sagen. Aber nicht so. Nicht so. So kann ich ihr nie wieder unter die Augen treten. Ich muss meinen Kopf in die Hände legen. Er wird so unglaublich schwer. Mein ganzer Körper fühlt sich schwer an. Nie wieder will ich meine Augen öffnen. Nie wieder will ich mich bewegen.
 

Tage ziehen ins Land. Die Tage werden zu Monaten. Die Monate zu Jahren. Für mein Leben ein Wimpernschlag. Und doch fühlt es sich an, als wäre es schon die Ewigkeit. Menschen haben mich gesucht. Doch ich habe eine Barriere in einem größeren Radius errichtet, welche meinen Standpunkt verheimlicht. Was wollen die noch von mir? Irgendwelche Wissenschaftler die immer noch nicht genug von gestörten Engeln haben. Sie sehen mich nicht. Meine Barriere spiegelt das Bild auf der anderen Seite. Niemand hat mich bisher gefunden. Und so soll das bleiben.
 

Zwei Jahre nun sitze ich schon hier. Ich bin nicht einmal geflogen. Dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Schwach und träge bin ich. Ich weiß nicht warum. Das Fernweh ist unerträglich. Aber immer wenn ich zum Abheben ansetzen will überkommt mich ein Gefühl der Schwäche. Also habe ich es aufgegeben.

Zudem vermisse ich Gabriel. Es war schon schlimm, sie ein Wochenende nicht sehen zu können. Zwei Jahre sind eine Ewigkeit. Jeder Tag ohne sie ist verloren. Damals habe ich mich gefragt, was ich ohne Gabriel wohl machen würde – wie menschlich von mir. Aber durchaus berechtigt. Denn selbst wenn wir uns wieder sehen sollten. Ihr Leben ist nur von kurzer Dauer. Ich will sie nicht gehen lassen, wenn ich bis in alle Zeit auf diesem verseuchten Planeten schmoren muss. Nein, Leben kann man das nicht nennen. Oh Gabriel, wie sehr wünschte ich du würdest mich von hier wegholen. Auch wenn ich meine, dass ich nicht gut für dich bin.
 

Wie sehr hoffe ich, dass sie mir vergeben kann. Ich würde es verstehen, wenn sie es nicht könnte. Ich habe sie belogen und dann auch noch ihre Heimat zerstört. Alle die mir heilig waren, habe ich hintergangen. Ich bin ein schlechter Mensch. Und eine Schande für das Himmelsvolk.

Aber es macht nichts besser, wenn ich mich selbst verurteile. Warum muss ich nur so menschlich sein? Alles ist Menschlich an mir! Das einzige was nicht menschlich ist, ist mein Aussehen. Sogar, dass ich mich darüber aufrege ist menschlich… Ich sollte mich einfach damit abfinden. Das wird das Beste sein.
 

Ob es wirklich so gesund für mich ist, hier für immer zu sitzen. Meiner Psyche würde das sicher nicht gut bekommen. Aber ich will mich nicht als Mensch ausgeben und unter den Menschen wohnen. Dann würde ich weiter lügen. Genau das Leben weiterführen, das ich bisher gelebt habe. So gesehen passt die Wüste dann doch ganz gut. Sie ist simpel. Scheint beim groben Hinsehen überall gleich. Kaum Veränderungen. Nur unauffällig schleichen die Sanddünen mit dem Wind.
 

Nachts ist es sehr kalt. Es tut mir nicht weh, aber durch die Einsamkeit ist die Kälte doch sehr unangenehm. Dafür ist der Nachthimmel wunderbar klar. So viele funkelnde Sterne. Unglaublich schön. Der Mond scheint silbern. Aber nicht jede Nacht ist er zusehen. Obwohl er selbst nicht scheint, wirkt es dennoch als strahle er aus voller Kraft. Also wolle er beweisen wie hell er sein kann. Das er es der Sonne gleich tut. Er nutzt das wenige Sonnenlicht um im Schatten zu leuchten. Leider reicht seine Kraft nicht aus um mich zu nähren. Dann würde ich aus der schützenden Dunkelheit der Nacht nicht mehr entfliehen wollen.
 

In all der Zeit, die ich nun hier verbringe, habe ich bisher nicht einmal geschlafen. Mein Körper braucht es direkt nicht. Aber ich vermisse die erholsamen Stunden dennoch. Ich bin unglaublich müde. Trotz der vielen gespeicherten Energie in mir fühlt es sich so an, als wäre ich stark unterernährt.

Freiheit kann ja so ermüdend sein. Was ist Freiheit wenn man sich nicht frei fühlt? Bin ich mein eigner Gefangener? Gefangen von der Vergangenheit. Gefangen von der Angst. Die Angst wieder jemandem Schaden zu zufügen. Oder die Angst wieder Schaden zu nehmen. Ist es die Angst zu leben? Wie Fesseln ketten sie mich an den staubigen Wüstenboden. Zu stark um von irgendeiner Kraft gebrochen zu werden. Die Verzweiflung an sich selbst, an der Welt, an das Leben.
 

Bin Ich allein gelassen worden, oder habe ich mich selbst in die Einsamkeit gestürzt. Bin ich vor den Menschen geflohen, oder vor mir? Bin ich geflohen um der unangenehmen Wahrheit aus dem Weg zu gehen? War ich schon mal je in meinem Leben mutig? Wann ist man mutig. Kann ich mutig sein?

Ich mag es nicht Fragen zu stellen. Aber sie spuken unaufhörlich in meinem Kopf herum. Wie ein Film der immer und immer wiederholt wird. Es macht mich wahnsinnig. Kaum vorstellbar, dass es eine Zeit gab, in der ich keiner Fragen gestellt habe. In der Ich Antworten wusste. Auf alles wenn man mich nur gefragt hätte. Damals, als ich noch Rrazpharroth war.
 

Trotz seines Verstandes scheine ich einen völlig einen entwickelt zu haben. Ich weiß, dass ich einmal er gewesen bin. Ich trage all sein Wissen und seine Erinnerungen in mir. Aber trotzdem scheint es, als erlebe ich alles zum ersten Mal. Rrazpharroth ist der letzte gewesen. Ich will mir gar nicht ausmalen wie er in seinen letzten Minuten leiden musste. Zum Glück muss er nicht sehen, dass er der Anfang eines Zeitalters ist, dass die Menschheit womöglich ins verderben stürzen wird. Ob Rrazpharroth es verhindern würde, wenn er nun an meiner Stelle wäre? Hier. Allein in der Wüste. Der letzte seiner Kolonie. Misshandelt von den Menschen.
 

Plötzlich fällt mir ein feiner Eiskristall auf das Gewand. Ein seltenes Phänomen. Schnee in der Wüste. Bei freiem Himmel. Ich halte die Hände auf und Blicke in den Himmel. Nur wenige Flocken fallen. Aber es glitzert elegant im Mondschein. Lautlos schweben sie zu Boden. Wie Sternenstaub. Oder vom Himmel fallende Sterne. Gabriel würde es sicher gefallen. Plötzlich zeigen sich mir Bilder vor meinem Geist. Erinnerungen aus meinem ersten Leben. Ich sehe meine Geschwister sterben. Sie lösen sich in unzählige, kleine Lichtpartikel auf. Sie sehen so aus wie diese Flocken. Diese Bilder sollen verschwinden! Ich halte mir die Augen zu und krümme mich. Muss mir mein Kopf jeden angenehmen Moment ruinieren? Es ist zum Verzweifeln!
 

Wieder vergehen Monate. Es ist langweilig. Im Himmel ziehen Flugzeuge ihre hässlichen Kondensstreifen hinter sich her. Heute ist viel Flugverkehr. Der ganze Himmel ist durchzogen. Manchmal fliegen sie so nah aneinander vorbei, dass man meinen Könnte gleich würden sie kollidieren. Aber ich stelle mir immer vor es seien Engel, die sorglos den Wind genießen. Das tröstet mich ein wenig. Nur zu gern würde ich auch fliegen. Es ist eine schöne Erinnerung mit meinen Geschwistern gemeinsam den Himmel zu teilen. Wenn wir mit den Flügeln die Wolkendecke ankratzen.

Wieder schaue ich einem Flugzeug nach. Mich überkommt furchtbares Fernweh. Mir laufen Tränen über die Wangen. Einfach so. Ich muss nicht mal schluchzen. Unaufhörlich fließt mir diese Flüssigkeit über das Gesicht. Ich stehe auf und will dem Flugzeug nachfliegen. Zwei Flügelschläge. Für mehr reicht meine Kraft nicht. Ich sinke auf die Knie. Meine sicht von den Tränen getrübt. Werde ich nie wieder fliegen können? Bin ich dazu verdammt auf Ewig am Boden zu bleiben? Müde lasse ich mich in den Sand fallen. Dann bleibe ich einfach hier liegen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-01-29T17:06:20+00:00 29.01.2010 18:06
Moinsen Tora, Tora, Tora!
Obwohl in dem Kapitel kaum etwas neues passiert, ist es jedoch sehr interessant in welcher psychischen Verfassung er ist bzw in welch einer Krise er sich befindet.Das hast Du durch die vielen Fragen, die er sich selbst stellt, gut zum Ausdruck gebracht.
Was Lust auf mehr macht, ist die Tatsache, dass er sich langsam an sein altes Ich erinnert. Im nächsten Kapitel bitte mehr und ausführlicher davon ;)
Weiter so, Tora, Tora, Tora
Mfg Jezal



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