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Nowhere to hide ~ Nowhere to live

Edward und Bella treffen sich durch Zufall und sind sofort voneinander fasziniert. Ein unerwartetes Ereignis lässt sie sich wieder treffen, doch anders als erwartet. Ihre beiden Elternteile wollen heiraten...
von

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knights in a shiny armor only exist in fairy tales, right?

I'm honestly totally sorry for being this late :''''D

Wirklich sorry, dass ich euch so hängen gelassen hab, dabei schreib ich die FF eigentlich gerne. Aber irgendwie brauch ich trotzdem immer so lange für die Chapter >.>
 

Na ja, ich hoffe jedenfalls, dass das Ende euch ein bisschen entschädigen wird ;) Hihi...
 

THX auch noch an eure Reviews!
 

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Als ich an diesem Morgen meine Augen langsam öffnete, musste ich sofort blinzeln, als mich die ersten Sonnenstrahlen durch die weißen Gardinen hindurch blendeten. Ganz schwach konnte ich das Zwitschern der Vögel hören, die sich offensichtlich direkt vor meinem Fenster niedergelassen haben mussten. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
 

Genüßlich streckte und räkelte ich mich in meinen Laken, während mir ein morgendliches Gähnen entwich, gefolgt von einem entspannten Seufzen, als ich meine gestreckten Glieder zurück in die Kissen fallen ließ.

Ich konnte mir die Gründe nicht erklären, aber ich fühlte mich heute Morgen wohl – pudelwohl, um genau zu sein. Ich hatte gut geschlafen, das Wetter schien mir eindeutig einen wundervollen Tag bescheren zu wollen und außerdem war heute Samstag. Das hieß, keine Schule.
 

Für ein paar unendlich lange Minuten genoss ich die Ruhe in meinem Zimmer, das Licht von außen und die Weichheit meines Bettes. Eigentlich mochte ich nicht aufstehen, genauso gut könnte ich eigentlich auch den ganzen Tag im Bett verbringen. Verdient hatte ich es mir. Vor allem nach gestern Abend. Ja, ich hatte Edward und Tanya beim Küssen erwischt. Ja, ich hatte begriffen, was Edwards wahre Absichten waren, und ja, ich hatte mir deshalb auch die Augen bis tief in die Nacht hinein ausgeweint.

Aber genau deswegen hatte ich ja auch einen Entschluss gefasst. Und nun sah es ganz danach aus, als hätte sich mein Gemüt bereits darauf eingestellt.
 

Ab heute würde ich anderen Perspektiven nachjagen. Kein Edward mehr. Nur noch Bella, die einen Stiefbruder bekam. Jemanden, der zufällig Edward hieß und zu dem sie keine besondere Verbindung hatte. Ein neues Familienmitglied, zu dem sie einfach nur freundlich sein würde.
 

„Genau …“, flüsterte ich mir selbst zu und fing an zu grinsen.

Mit einem Ruck hatte ich mich aufgesetzt. Ich streckte mich noch einmal und konnte ein weiteres Gähnen nicht verhindern. Ich schmiss meine Bettdecke zur Seite, rutschte aus meinem Bett und ging hinüber zur Kommode, um das Radio einzuschalten. ( Howie Day – Collide http://www.youtube.com/watch?v=bH2wqTlAf6s ) Ein paar Sekunden lauschte ich dem Song, wippte leicht mit meinem Fußballen mit, bis ich anfing, stumm mitzusingen. Ich kannte das Lied, hatte es schon oft gehört, aber nie wirklich Beachtung geschenkt. Aber an diesem Samstag veschaffte es mir einen Ohrwurm. „The dawn is breakin’. A light shinin’ through …” Leise bewegten sich meine Lippen zu dem Song, während ich die Lautstärke noch ein wenig erhöhte. Jup, ich hatte wirklich gute Laune heute.
 

Etwas unschlüssig stand ich dann vor meinem Kleiderschrank. Ich konnte mich nicht recht entscheiden, was ich heute anziehen sollte. Während ich nach einem Ausschlussverfahren meine Kleider sortierte, summte ich leise den Refrain mit. “Dep dede de … Dep dede de … Dep dede de … But I’m open, you’re closed … Where I follow, you’ll go … I worry I won’t see your face … Light up again … Even the best fall down sometimes…”
 

Schlussendlich hatte ich mich für ein luftiges weiß-gelbes Sommerkleid mit Trägern entschieden, das nicht ganz bis zu den Knien reichte. Ich nahm das Kleid und mein Waschzeug und machte mich auf den Weg zum Bad. Wird Zeit, dass ich Mom darum bitte, mir ein eigenes Bad in mein Zimmer einzubauen. Ich konnte unmöglich ewig jeden Morgen über diesen riesigen Flur laufen. In unserem alten Zuhause hatte mir das nichts ausgemacht, aber hier? Ich kam mir vor, als würde ich in einem öffentlichen Gebäude mit einem Pyjama rumrennen. Nicht akzeptabel, überhaupt nicht.
 

Als ich endlich soweit fertig war, ging ich nach unten in den kleinen Speisesaal, in dem ich mittlerweile immer frühstückte. Soweit hatte ich mich angepasst, die Angestellten bei ihrer Arbeit nicht zu stören. Und bevor ich den Küchenchef ein weiteres Mal in Verlegenheit bringen konnte, hatte ich mich doch dazu entschieden, die Küche selbst nur zu betreten, wenn das Personal Feierabend hatte.
 

Ich war nicht die Erste. Der Tisch war üppig gedeckt und eines der Dienstmädchen räumte gerade zwei Gedecke ab. Edward saß am anderen Ende des Tisches. Ich bekam ein „Guten Morgen“ und ein „Guten Morgen, Miss“ zu hören, welche ich ebenfalls mit einem enthusiastischen „Morgen“ erwiderte.

Gleich darauf nahm ich das Frühstück in Augenschein, wobei mir nicht entging, dass Edward mich ganz unverhohlen musterte. Ich störte mich nicht weiter daran. Sollte er doch. Heute war ein neuer Tag und damit ein neuer Beginn in meinem Leben. Meine gute Laune konnte mir heute niemand nehmen. Unter anderen Umständen hätte ich mich wahrscheinlich zehn Meter von ihm entfernt hingesetzt, stattdessen nahm ich direkt gegenüber Platz.
 

„Ich nehme an, Mom und Dad sind bereits zur Arbeit?“, fragte ich nach, während ich mir eines der Brötchen nahm. Als ich keine Antwort bekam, sah ich auf. Edward schaute mich völlig verwundert an und als er realisierte, dass er mich nur anstarrte, statt zu antworten, nickte er schnell und ratterte die Worte nur so herunter. „Ja, sie sind ziemlich früh los und kommen wahrscheinlich erst Sonntagabend wieder. Ich soll dir einen Kuss von ihnen geben.“

Okay, jetzt musste ich doch kurz inne halten und meine Stirn runzeln.

„Also im übertragenen Sinne“, ergänzte er gleich darauf. Sah so aus, als hätte er es selbst erst jetzt gemerkt. „Schon klar“, antwortete ich nervös und senkte schnell meinen Kopf, um mich wieder meinem Frühstück zu widmen.
 

Stille. Peinliche Stille.
 

Stop! Ich hatte heute beschlossen, mir von nichts und niemandem meine gute Laune nehmen zu lassen. Auch nicht von irgendwelchen blöden Wort-Fehlinterpretationen. Ich holte tief Luft und verdrängte alles Schlechte umgehend.
 

„Kannst du mir mal den Orangensaft geben?“, bat ich Edward und sah ihn dabei wieder an, während ich ihm meine Hand entgegenstreckte. Er schien schon wieder irgendwie in Gedanken versunken und kam meiner Bitte mit ein paar Sekunden Verspätung nach. „Ähm, klar. Hier, bitte.“

„Danke“, lächelte ich und nahm ihm den Glaskrug aus der Hand.
 

Edward stand plötzlich auf, nahm die Morgenzeitung, die die ganze Zeit neben ihm gelegen hatte, und marschierte hinüber zu den Glastüren. Erst sah er nur hindurch, doch dann öffnete er sie und schritt auf die Terrasse hinaus. Für einen Moment vergaß ich zu essen und betrachtete einfach nur seine Silhouette im Sonnenschein. Er stand einfach nur da, sah in die Ferne und hielt die Zeitung unter seinem Arm. Entweder war er rausgegangen, um besser über was auch immer nachdenken zu können oder er genoss einfach das Wetter, das für Ende September doch noch recht warm war. Was immer es war, sein Anblick – und wenn es nur sein Rücken war – ließ mich gerade hart mit meiner Konzentration kämpfen.

Als ich mich selbst aber beim Fast-Schmachten ertappte, wandte ich schnell meinen Blick ab.
 

Einige Augenblicke später registrierte ich nur aus den Augenwinkeln, dass Edward wieder hereinkam und sich setzte.

„Bella?“

„Hmhm?“, war alles, was ich mit vollem Mund zustande brachte. Er warf einen kurzen Blick zum Dienstmädchen, und erst, als sie den Raum verließ, drehte er sich mit ernster Miene wieder zu mir.

„Wegen gestern Abend …“

Jesus, was kommt denn jetzt? Hatte er herausgefunden, dass ich ihn und Tanya beobachtet hatte? Oder war ihm etwa aufgefallen, dass ich ihn auf der Rückfahrt komplett ignoriert hatte? Vielleicht hatte er aber auch bemerkt, dass ich mit mir selbst gerungen hatte, ihm nicht doch noch eine reinzuhauen.

Was immer es war, eines stand fest: Er hatte sich den ganzen Morgen den Kopf darüber zerbrochen. Andernfalls würde er jetzt nicht so mit sich hadern, endlich was zu sagen. Je länger er schwieg, desto nerviger wurde es. Und ehrlich gesagt reichte es mir. Ich hatte genug von diesem Thema.
 

„Kannst du mir bitte die Zeitung geben?“, bat ich, als es mir eindeutig zu lange dauerte.

„Was?“

„Die Zeitung“, wiederholte ich und nickte auf das Bündel Papier neben ihm.

Kurz schaute er nach unten, dann wieder zu mir. „Was willst du damit?“ Ist das nicht völlig egal?

Okay, das war jetzt albern. Die Frage konnte er nicht ernst gemeint haben. „Mein Horoskop lesen?“, erklärte ich fast ein bisschen patzig.

Er zögerte. Warum auch immer. Dann nahm er die Zeitung, blätterte durch die Seiten, bis er schließlich auf der vorletzten angekommen war. „Was bist du für ein Sternzeichen?“

„Edward, ich kann das auch alleine.“ Ich konnte mir nicht helfen, aber mit jeder Sekunde kam er mir seltsamer vor.

Edward grinste. „Ist schon okay. Sag einfach, welches du bist.“

Mein Augenrollen und Aufstöhnen waren unvermeidbar, aber ich gab nach. „Skorpion.“ Er runzelte überrascht die Stirn. „Ehrlich?“

„Hab ich einen Grund, dich anzulügen?“, meinte ich träge und hoffte, dass er endlich anfing.

„Nein“, lachte er und suchte nach dem Artikel. „Ich finde es nur witzig, weil ich auch Skorpion bin.“

Zugegeben, ich war jetzt auch ein bisschen überrascht, allerdings zeigte ich ihm das nicht so deutlich, sondern tat es mit einem Schulterzucken ab. „Na ja, zwei Skorpione in einer Beziehung haben es eh nicht leicht, weil jeder seine eigenen Bedürfnisse durchsetzen will.“

Oh verdammt! Hatte ich das jetzt wirklich gesagt? Edward erwiderte nichts und wie er sonst noch drauf reagierte, wusste ich nicht, weil ich sofort meine Augen zugekniffen hatte.
 

Wenn Sie erst jüngst einen neuen Menschen kennengelernt haben, sollten Sie mit einigen überraschenden Enthüllungen rechnen. Der Reiz des Verbotenen weckt Ihr Interesse und Ihre Fantasie...“, hörte ich ihn dann zitierten.
 

Man konnte das jetzt auf uns beziehen. Man musste aber nicht. Aber konnte ich es überhaupt nicht auf uns beziehen? Ach, Himmel Herrgott noch mal!

Fakt war jedenfalls, als Edward geendet hatte, war es vollkommen still im Raum. Im Nachhinein hätte ich mein Horoskop dann doch lieber allein gelesen. Nicht nur, dass ich mich irgendwie ertappt fühlte. Nein, dass für Edward auch noch genau das Gleiche galt, machte das Ganze irgendwie … schwierig, unbehaglich, unangenehm? Was auch immer, es war jedenfalls kein schönes Gefühl. Jedenfalls versuchte ich mir das gerade einzureden. Dabei glaubte ich an derlei Dinge ja nicht einmal.
 

Ich stand auf und stützte meine Hände mit einem Seufzen auf der Tischfläche ab. Ich wusste, dass, wenn ich noch länger hier sitzen würde, das Gespräch meine derzeitige Stimmung noch weiter hinunterziehen würde. Und das wollte ich nicht. Heute war schließlich Samstag. Ich hatte frei und gute Laune. Ich wollte den Tag genießen.

„Ich wünsch‘ dir noch einen schönen Tag, Edward“, meinte ich monoton und wollte bereits gehen.
 

„Bella, warte.“ RUMMM!
 

Erschrocken sah ich auf. Edwards Worte waren bei dem Geräusch untergegangen. Hinter ihm, hinter den großen Glastüren, die auf die Terrasse führten, goss es im wahrsten Sinne des Wortes aus Eimern. Ein Platzregen hatte ohne jede Vorwarnung eingesetzt, ich hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass Wolken aufgezogen waren. Ganz leise in der Ferne konnte ich das Grollen eines Gewitters hören.

„Oh, wow. So ein Wetter hatten wir schon lange nicht mehr“, war alles, was Edward dazu sagte, als er sich umdrehte. Toll, freut mich für dich …

Aus irgendeinem Grund vermieste das meine Laune gerade erheblich. Ich war nicht mal wirklich wütend, eher angespannt und irgendwie nervös. Meine Nackenhaare stellten sich auf und meine Hände wurden leicht schwitzig. Doch ich ignorierte es, so gut es ging. Alles, was mich jetzt interessierte, war, dass ich allein sein wollte. Also machte ich eine Kehrtwendung Richtung Tür.
 

„Bella …“ Edward kam mir hinterher gelaufen und packte mich am Arm. Ich wusste nicht, warum er mich plötzlich so merkwürdig ansah. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er nach.

„Ja, wieso?“

„Du zitterst und du bist ganz blass.“

Ich blickte auf seine Hand, die immer noch meinen Arm hielt, und riss mich los. „Blödsinn.“

„Hast du … Angst vor Gewitter?“

Ich kniff meine Augen zusammen. „Wieso sollte ich Angst davor haben?“ Ja, genau. Wieso sollte ich Angst haben? Ich habe keine Angst vor Gewittern! Mach dich nicht lächerlich.

„Das war nur eine Frage, Bella“, versuchte er sich zu rechtfertigen und konnte sich nicht entscheiden, ob er lachen oder beleidigt sein sollte. Ich gab ja zu, dass ich gerade ein klein wenig überreagierte, aber jetzt wieder in den Rückwärtsgang zu schalten, fand ich auch nicht die richtige Lösung.
 

„Das Gewitter ist ziemlich weit weg. Ich glaube nicht, dass es hierherkommt.“

Ich ging nicht auf ihn ein und marschierte zurück zum Tisch, um mir die Zeitung zu schnappen, die er dort liegengelassen hatte. „Danke hierfür“, meinte ich in einem etwas gemäßigteren Ton, hob die Zeitung und verließ dann endgültig dem Raum.

Als ich es hinter mir knallen hörte, fuhr ich erschrocken zusammen. Er hatte doch jetzt nicht etwa irgendwo gegengetreten, oder? Im Nachhinein tat es mir ja selbst leid, mich so blöd verhalten zu haben. Aber vielleicht war das auch nur eine Abwehrreaktion, weil ich nicht wollte, dass er mich auf gestern Abend ansprach?

Krieg‘ dich wieder ein, Bella. Er wird’s schon verkraften. Ja, das hoffte ich.
 

Der Regen war so stark, dass ich das Tropfen auf dem Dach sogar hier unten im Ergeschoss hören konnte. Ich mochte keinen Regen, obwohl viele ja der Meinung waren, dass sein Geräusch beruhigend wirkte. Seit ich denken konnte, bewirkte er bei mir jedoch das Gegenteil. Und noch schlimmer war es mit Gewittern. Als kleines Kind hatte ich mich immer ins Bett meiner Mom geschlichen, wenn ich nachts davon wach wurde. Ich hoffte wirklich, Edward behielt Recht mit dem, was er gesagt hatte. Dass das Gewitter wegziehen und nicht hierherkommen würde.
 

( Joshua Radin – Winter http://www.youtube.com/watch?v=kfFsR9gv0o4 )
 

Ich wanderte die Treppen hinauf, bog dann nach rechts in den Gang und brauchte ein paar Minuten, bis ich den Raum erreichte, in den ich wollte. Die Bibliothek. Seit ich sie entdeckt hatte, wollte ich dorthin, aber bisher war mir immer was dazwischen gekommen. Der heutige Tag zwang mich ja förmlich dazu, diesen Bücherdschungel mal genauer zu durchforsten. Sobald ich im Raum stand, fühlte ich mich wohl. Die Anspannung wich, meine Atmung und mein Herzschlag wurden wieder normal. Das nannte ich beruhigend.
 

Die Bibliothek – die im Übrigen wie eine private Miniaturausgabe der Stadtbücherei aussah – war in zwei Etagen eingeteilt. Zwischen der glasigen Rückseite mir gegenüber und meiner Wenigkeit standen zwei längliche Tische mit Leselampen. Ansonsten waren sämtliche Wände mit Bücherregalen versehen. Es gab wirklich keinen Flecken Holz, an dem kein Buch stand. Links führte eine mittige, fünfstufige Treppe ins obere Abteil, in dem - einer öffentlichen Bibliothek gleich - mehrere Reihen an Regalen standen. Langsam ging ich die Stufen hinauf und durch den schmalen Mittelgang, bog nach links und ließ mich dann auf dem Boden nieder, um mich gegen einen der Schränke zu lehnen. Für ein paar Sekunden schloss ich meine Augen und lauschte meiner eigenen Atmung.
 

Ich musste mir wirklich eingestehen, dass ich mich ziemlich zickig Edward gegenüber verhalten hatte. Dabei hatte mein Tag so gut angefangen. Aber irgendwie war eins zum anderen gekommen und ehe ich mich versah, war unser Gespräch in die völlig falsche Richtung eingeschlagen. Und das Wetter ließ es sich ja nicht nehmen, seinen Teil dazu beizutragen. Welche andere Fluchtmöglichkeit gab es sonst, einem unheilvollen Gespräch mit Edward zu entkommen? Im Nachhinein etwas zu ändern, brachte eh nicht mehr, als mich in die unangenehme Ausgangssituation zurück zu katapultieren. Mich zu entschuldigen, würde ich sowieso nicht fertig bringen. Das würde nur zeigen, dass ich schwach war, und das wollte ich nicht sein. Nicht ab heute.
 

Ich öffnete meine Augen ein Stück und lehnte meinen Kopf zur Seite. Durch die Schrankreihe auf der anderen Seite konnte ich ein Stück der Glaswand erkennen. Es regnete immer noch wie verrückt, große Rinnsale liefen an den Scheiben hinunter, während der Himmel einfach nicht heller zu werden schien. Mein Blick fiel auf die zusammengefaltete Zeitung neben mir. Ich konnte nur einen Teil des Bildes sehen, das auf der Seite prangte, aber es kam mir trotzdem merkwürdig bekannt vor. Mit gerunzelter Stirn faltete ich sie auseinander, damit ich es besser erkennen konnte. Das Foto stammte von gestern Abend, als wir die Oper besucht hatten. Und die Schlagzeile lautete:
 

Cullen-Familie in neuer Konstellation – Und wer ist das Mädchen an der Seite des „Juniorpräsidenten“?
 

Ja, wer war wohl das neue Mädchen an seiner Seite? Wenn es wirklich nur wir Vier gewesen wären, hätte ich diese Frage sofort mit meiner Wenigkeit beantwortet. Aber es waren eben nicht nur wir Vier gewesen. In einer kleinen Ecke des großen Bildes war ein Teil des Fotos extra ausgeschnitten und vergrößert dargestellt. Eines mit Edward und Tanya drauf. Wie paralysiert starrte ich auf die Abbildung der beiden, während sich mein Kiefer vor Wut anspannte. Jetzt wusste ich, warum Edward das Gespräch mit mir gesucht hatte und warum er mir auch diese Zeitung nicht geben wollte. Womöglich dachte er, mich würde die kleine Unterzeile kränken, die zusätzlich dabeistand: Wird vielleicht sogar Doppelhochzeit gefeiert?

Und ja, verdammt! Es tat weh. Und weil Edward Mitleid mit mir hatte, wollte er mir diese Neuigkeiten ganz offenbar vorenthalten. Als würde ich die eh nicht irgendwann erfahren.
 

Unter diesem Artikel stand noch ein anderer:
 

Die Favoriten der Präsidentenwahl – Cullen ganz vorne
 

Ich versuchte, den Artikel konzentriert zu lesen. Weil mein Blick aber immer wieder unkontrolliert zur anderen Schlagzeile wanderte, bekam ich nur halb mit, in welchen Counties Carlisle bereits gewesen war, um Wähler zu sammeln.

Genervt drückte ich die Zeitung zwischen meinen Händen zusammen, schleuderte sie gegen das Regal und strich mir frustriert und träge übers Gesicht. Meine Hände verweilten auf meinen Augen und ich versuchte einen Moment, mich auf rein gar nichts zu konzentrieren, sondern einfach nur abzuschalten. Nur ganz kurz, nur ein paar Minuten an rein gar nichts denken …
 


 

Als ich langsam wieder zu mir kam und mir nach und nach bewusst wurde, dass ich eingeschlafen sein musste, spürte ich noch das wohlige Gefühl meines Traums. Eigentlich war es weniger ein Traum als mehr eine Erinnerung an damals. Wenn ich als Kind krank gewesen war und im Bett hatte bleiben müssen, hatte sich meine Mom immer an meine Bettseite gesetzt und mir etwas vorgelesen, während ihre Hand sanft meine Wange streichelte. Ich hatte mich dann immer besonders wohl gefühlt und weil ich gewusst hatte, dass sie weggehen würde, sobald ich eingeschlafen war, hatte ich immer versucht, so lange wie möglich wach zu bleiben.
 

Ich konnte mich noch genau daran erinnern, welche Geschichte ich am liebsten gehört hatte. Die Tochter des Rosengärtners. Ich hatte sie geliebt. Ich mochte, dass in dieser Geschichte nicht das Mädchen vom Prinzen, sondern der Prinz in gewisser Weise von dem Mädchen gerettet wurde.
 

Irgendwie hatte sich mein Traum mit dem Märchen vermischt und ich hatte mich plötzlich in dem großen Rosengarten befunden. Mal war es mir so vorgekommen, als wäre ich eine der Nachtigallen, die am Ende blutleer zwischen den Blumen lagen und mal konnte ich aus der Sicht der Gärtnertochter beobachten. Und in dem Moment, als der Prinz seine Zähne an meinen Hals gelegt und angefangen hatte, mein Blut zu trinken, war der Traum vorbei gewesen.
 

Träge öffnete ich meine Augen und stellte fest, dass ich irgendwann komplett auf den Boden gerutscht sein musste. Im ersten Moment war ich etwas verwirrt, weil ich den Raum nicht gleich wiedererkannt hatte, doch nach ein paar Blicken zur Seite kamen meine Erinnerungen zurück. Was mich aber trotz allem überraschte, war die Decke, die über mir lag. Ich wusste, dass ich keine mit hierher genommen hatte. Jemand musste also hier gewesen sein und mich damit zugedeckt haben. Seltsamerweise schoß mir in diesem Moment Edwards Name durch den Kopf und ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern sollte. Natürlich konnte es genauso gut auch jemand anderes gewesen sein, allerdings bezweifelte ich sehr stark, dass jemand vom Personal einfach in die Bibliothek kommen und mir eine Decke bringen würde. Wenn überhaupt würde dieser mich doch eher wecken, als mich auf dem harten Boden schlafen zu lassen. Als mir dann auffiel, dass die Zeitung nicht an dem Platz lag, an den ich sie geschmissen hatte, bestätigte das nur meine Theorie.

Aber was hatte Edward hier gewollt?
 

Mein Blick fiel auf ein Buch, das mit den Blättern nach unten geöffnet direkt mir gegenüber lag. War es aus dem Regal gefallen oder hatte es jemand dort hingelegt? Ich beugte mich nach vorn und griff danach, und als ich sah, was es war, staunte ich nicht schlecht. Es war eine Sammlung von Märchen. War es ein schlechtes Omen, dass ausgerechnet die Geschichte aufgeschlagen war, von der ich eben noch geträumt hatte? Automatisch griff ich nach meinem Hals, und obwohl ich genau wusste, dass dort nichts sein konnte, war ich doch erleichtert, wirklich nichts zu finden. Ich konnte mir nicht mal erklären, warum ich auf einmal nervös geworden war.

Ich seufzte resigniert. Eindeutig zu viele Horrorfilme gesehen.
 

Ich legte das Buch zur Seite und stand auf, um meine Glieder zu strecken. Auf dem Boden zu schlafen, war nicht wirklich angenehm und das Schmerzen meiner Knochen verdeutlichte das gerade.

Leise hörte ich das Prasseln der Tropfen an den Scheiben. Es musste immer noch regnen. Allerdings schien es nicht mehr allzu stark zu sein. Auch der Himmel war nicht mehr so dunkel wie vorhin. Leider sah es aber nicht so aus, als würde es aufhören. Der Sonntag schien als Regentag verdammt zu sein. Toll! Wie gut, dass man Bücher überall lesen konnte.

Langsam ging ich Reihe für Reihe durch und besah mir die einzelnen Büchrücken. Stimmten Verpackung und Titel nicht, interessierte mich der Inhalt noch weniger. Jedenfalls ging ich bei dieser Anzahl an Büchern nach diesem Schema vor. Aber die Taktik schien nicht ganz aufzugehen. Ich fand doch tatsächlich kein einziges Buch, das mich interessierte, obwohl fast alles vertreten war. Von Shakespeare über Goethe zu Poe bis hin zu neueren Autoren, die noch nicht sehr bekannt zu sein schienen – sofern es mich betraf.
 

Als ich im letzten Gang in der letzten Reihe beim letzten Buch stehen geblieben war, hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben, noch etwas Ordentliches zu finden. Aber dann entdeckte ich die Tür, die sich hier im hinteren Teil der Bibliothek in einer Ecke versteckte. Ich fragte mich, ob es dahinter womöglich noch mehr Bücher geben würde.

Als ich darauf zuging und nach dem Türknauf griff, musste ich aber leider feststellen, dass sie abgeschlossen war. Vielleicht war die Tür auch nur verklemmt und ging deshalb nicht auf. Also rüttelte ich hoffnungsvoll noch etwas energischer am Griff.
 

„Die Tür ist verschlossen.“

Erschrocken fuhr ich herum. Edward stand hinter mir und sah mich mit hochgezogenen Brauen an.

„Danke für den Tipp, ich hab’s selbst eben gemerkt“, antwortete ich gereizt. Nicht wieder so zickig, nicht wieder so zickig …

„Stalkst du mich oder wie lange stehst du schon da?“, fragte ich etwas versucht höflicher. „Du hast mich ganz schön erschreckt.“

„Was? Nein, um Gottes Willen“, antwortete er amüsiert, obwohl ich trotzdem heraushören konnte, dass es ihm ein bisschen unangenehm war. „Ich bin eher zufällig hier. Ich wusste nicht, dass du auch hier bist.“

Zufällig“, wiederholte ich noch skeptischer. Aber so, wie Edward darauf reagierte, meinte er es offensichtlich ernst. „Du bist nicht die einzige, die sich gern mal ein Buch zum Lesen sucht, Bella.“

Ein paar Sekunden der Stille, in der wir uns einfach nur ansahen und versuchten, unser jeweiliges Gegenüber einzuschätzen.
 

Letztendlich war ich diejenige, die das Thema wechselte. „Du hast nicht zufällig einen Schlüssel für die Tür?“

Edward schüttelte den Kopf. „Nur Dad besitzt einen dafür. Was willst du überhaupt da? Dort geht‘s nur zum Dachboden.“

„Oh … Ich wollte eigentlich nur schauen, ob ich da noch mehr Bücher finden kann. Sieht aber nicht so aus, also … nichts für ungut.“

„Ich kann ihn bei Gelegenheit mal danach fragen, wenn du willst.“

„Nicht nötig. Mach dir keine Umstände. Wenn es der Dachboden ist, dann gibt es da bestimmt eh keine weiteren Bücher. Ich meine … die sollten ja wohl dann alle hier stehen, oder?“, winkte ich ab, während ich einen Versuch startete, an ihm vorbeizukommen. Das ganze Gespräch hatte von Anfang an eine merkwürdige Atmosphäre und der wollte ich nicht länger ausgesetzt sein. Außerdem hatte ich Angst, er würde wieder dieses eine leidige Thema anschneiden wollen. Bei dem Gedanken musste ich doch gleich an das Zeitungsfoto zurückdenken, und der Wunsch, den Raum schleunigst zu verlassen, wurde noch größer. Ich verspürte nicht einmal den Drang, ihn genauer nach der Sache mit der Decke zu fragen.
 

Auf dem Weg zurück durch den Hauptgang blieb ich an dem Bücherregal stehen, bei dem ich eingeschlafen war. Das Märchenbuch lag immer noch dort und ich starrte es anfangs einfach nur an. Bis ich mich entschloss, es mitzunehmen. Wenn ich schon sonst kein gescheites Buch finden konnte, musste eben das herhalten.
 


 

Somit verbrachte ich den restlichen Tag im gemütlichen Wohnzimmer im Erdgeschoss. Ich hatte es mir auf der Couch mit einer Decke bequem gemacht, ein paar Sandwiches aus der Küche geholt und den Fernseher eingeschaltet, während das Buch neben mir lag. Samstags kamen meist entweder Wiederholungen von irgendwelchen Serien oder alte Filme, die ich eh nicht kannte. Deshalb schenkte ich dem Programm auch nicht besonders viel Beachtung und blätterte vielmehr in dem Buch. Anfangs las ich mir die anderen Märchen durch, die es gab, nur leider bekam ich nicht sehr viel von den Handlungen mit. Ich musste die ganze Zeit daran denken, wie ich praktisch vor Edward geflüchtet war. Es sollte zwischen ihm und mir doch ab sofort ganz anders ablaufen! Ich hatte ihn vorhin im fast wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen lassen …

Ich grinste … … … Oh mein Gott, ich hatte eben über mein eigenes blödes Wortspiel gegrinst. Beziehungsweise hoffte ich gerade, nur über meinen Witz amüsiert gewesen zu sein. So schnell, wie das Grinsen gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Eigentlich war es ja auch gut, dass ich so schnell abgehauen war. So konnte ich fast sicher sein, dass er endlich kapiert hatte, dass ich nicht mit ihm reden wollte. Andernfalls hätte ich mich unmöglich ins Wohnzimmer setzen können. Mittlerweile bezweifelte ich, dass er noch einen Versuch starten würde.

Und verdammt nochmal! Wieso dachte ich eigentlich schon wieder so angestrengt darüber nach? Reiß dich zusammen und setz deine neuen Prioritäten ernsthafter um!
 

Leise grummelte ich vor mich hin und blätterte Seite um Seite so aggressiv um, dass man denken konnte, ich würde etwas suchen. Am Ende blieb ich doch bei meiner Lieblingsgeschichte hängen und las sie mir vom Anfang bis zum Schluss durch, ohne mich wieder durch irgendwelche Gedanken ablenken zu lassen. Ich verfiel erneut in das nostalgische Gefühl, das ich schon vorhin in der Bibliothek hatte, und ich konnte mir nicht helfen, als mir meine Mom hierher zu wünschen, damit sie mir wieder vorlesen konnte. Weil ich aber wusste, dass das nicht geschehen würde, klappte ich das Buch seufzend zu und legte es zur Seite.
 

Also verbrachte ich den übrig gebliebenen Nachmittag und Abend letztendlich tatsächlich damit, mir irgendwelche Filme anzuschauen. Wie ich erwartet oder auch gehofft hatte, war Edward nicht mehr aufgetaucht. Das einzige, das ich ab und zu hörte, waren Schritte und das Öffnen und Schließen der Eingangstür. Das Personal musste einer nach dem anderen Feierabend gemacht haben. Ich war ab da praktisch allein mit Edward in diesem großen Haus. Es gab nur noch ein paar Sicherheitsleute draußen am Eingangstor.
 

Als am späten Abend einer dieser Thriller anfing, beschloss ich nach der ersten halben Stunde, ins Bett zu gehen. Dass die Morde im Film ständig bei Gewitter stattfanden, es draußen immer noch in Strömen regnete und ich mich hier allein im Zimmer befand, waren ausschlaggebende Komponenten dafür, mein mentales Schicksal nicht herauszufordern und lieber rechtzeitig in mein Bett zu verschwinden. Ich wollte nicht von dieser absurden Paranoia gepackt werden, die man unweigerlich nach Ende eines solchen Films haben würde. Bis zu meinem Zimmer war es ein weiter Weg und so ganz heimisch fühlte ich mich hier auch noch nicht.
 

Erleichert zog ich mir die Bettdecke bis zum Kinn, als ich etwas später endlich in den kuscheligen Federn lag. Mittlerweile war ich wirklich müde. Allerdings konnte ich trotzdem erst eine ganze Weile später einschlafen, weil mir das Trommeln des Regens einfach keine Ruhe ließ.
 


 

Schlagartig riss ich meine Augen auf, als ich von einem lauten Grollen und Reißen aufgeweckt wurde. Es war mitten in der Nacht, meine Uhr zeigte mir halb Drei morgens an. Ein neues Gewitter war eindeutig aufgezogen und es war lauter denn je. Ich fing augenblicklich an zu zittern, als das Gewitter nach kurzer Zeit bereits erneut den Himmel zum Zerbersten bringen wollte. Jeder einzelne Blitz erleuchtete mein Zimmer ein wenig und verursachte unheimliche Schattenspiele auf dem Boden, den Wänden, den Möbeln, meinem Bett …

Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meinen Brustkorb und aus irgendeinem Grund bekam ich plötzlich viel schwerer Luft. Als ein erneutes Donnern ertönte, hielt ich mir abrupt die Ohren zu und kniff meine Augen zusammen. Doch das alles nützte nichts. Ich wusste, dass das Gewitter da war. Ich konnte es hören, durch meine Lider den Lichtwechsel sehen und ich konnte es spüren.
 

So hatte ich mich schon eine ganze Zeit lang nicht mehr gefühlt.
 

Das erste, das mir durch den Kopf schoss, war, dass ich hier raus musste. Sofort. Also kletterte ich hastig aus meinem Bett. Erst jetzt fiel mir auf, dass mein T-Shirt unangenehm an meiner Haut klebte, ich musste also schon ziemlich unruhig geschlafen haben. Ich war völlig verschwitzt.

Ich versuchte so schnell wie möglich, aus dem Zimmer zu kommen, doch jedes Mal, wenn ein neues Donnern ertönte, hielt ich inne und duckte mich instinktiv. Ich brauchte viel länger bis zur Tür, als mir lieb war. Als ich sie aber endlich geöffnet, nach draußen geeilt und gleich wieder hinter mir geschlossen hatte, rutschte ich mit einem Funken Erleichterung an ihr auf den Boden und zog meine Knie an. Ja, es war nur ein Funken. Denn auch wenn ich mich jetzt nicht mehr in meinem Zimmer befand, so hörte ich das Gewitter und den Regen immer noch allzu deutlich.

Kurz überlegte ich, ob ich hier auf dem Flur so lange ausharren sollte, bis es vorbei war, aber die Idee verwarf ich gleich wieder. Wer wusste schon, wie lange das noch dauern würde? Am Ende wäre ich vermutlich ein nervliches Wrack. Als wenn ich das nicht jetzt schon wäre.

Für solche Fälle hatte ich doch mal Tabletten verschrieben bekommen. Ich stöhnte frustriert auf, als mir einfiel, dass diese in meiner Kommode lagen. Ich konnte aber unmöglich wieder in mein Zimmer. Ich musste weiter und mir einen Unterschlupf suchen. Einen, der meine Sinne besser von dieser Naturgewalt abschnitt. Irgendwas, wo ich mich wirklich sicher fühlen konnte.
 

Mist, es war so verdammt dunkel hier!
 

Leichte Panik überfiel mich. Ich krabbelte auf dem Flur entlang, weil ich das Gefühl bekam, mich nicht wirklich auf den Beinen halten zu können. Mein Körper zitterte wie Espenlaub und ich bekam es einfach nicht unter Kontrolle.

Als ich am Treppenabsatz ankam, überlegte ich, ob ich vielleicht in die untere Etage flüchten sollte – ob es dort eventuell geschützter war. Aber was, wenn ich gar nicht bis nach unten kam? Ich klammerte mich ja jetzt schon wie verrückt am Geländer fest. Außerdem gab es so viele Stufen und die Treppe führte so unwahrscheinlich tief nach unten.

Ich rückte wieder ein Stück zurück vom Treppenabsatz, lehnte mich an die Wand daneben und zog meine Knie so fest wie möglich an meinen Leib. Einerseits wollte ich schleunigst weg von diesem Fleck, auf der anderen Seite hatte ich aber einfach Angst, mich noch einen Millimeter zu bewegen.

Wie lachhaft, dass ich es heute Morgen noch abgestritten hatte. Ja, zum Teufel noch mal, ich habe Angst vor Gewitter! Okay?

Tränen stiegen mir viel zu schnell in die Augen. Ich legte meinen Kopf zwischen meine Arme, in der Hoffnung, mich dadurch ein bisschen besser schützen zu können. Wie absurd das doch war. Ich fühlte mich verlorener denn je.
 

Es vergingen ein paar Minuten, in denen ich unfreiwillig dem Toben des Gewitters lauschen musste. Meine Anspannung stieg, als ich feststellen musste, dass kein vorzeitiges Ende in Sicht zu sein schien; dass es stattdessen sogar noch schlimmer werden würde.

Kurz dachte ich, leise Schritte gehört zu haben, doch ich hatte keine Zeit, mein Gefühl zu überprüfen, da hörte ich bereits Edwards Stimme. „Bella?“ Beim Klang meines Namens sah ich automatisch nach oben und wurde prompt vom grellen Licht einer Taschenlampe geblendet. Sofort hielt ich mir schützend meinen Arm vor die Augen.

Innerlich schrie ich. Schlimmer hätte es wirklich nicht kommen können und eigentlich hätte ich es erwarten müssen, Edward genau in diesem Moment zu treffen. Ich konnte es nicht fassen, dass er mich so sah. So! Ängstlich und zitternd auf dem Flurboden kauernd. Jetzt würde er mir mein Verhalten von heute heimzahlen. Ich machte mich bereits auf das Schlimmste gefasst, aber stattdessen überbrückte er die kleine Distanz zwischen uns in Windeseile, legte seine Taschenlampe auf den Boden und hockte sich vor mich hin. Ich machte mich bereits darauf gefasst, von ihm ausgelacht zu werden, aber dem war wirklich nicht so.

Mit ein wenig Nachdruck hob er mein Gesicht an und legte mir seine Hand auf die Wange. Da mich die kleine Lichtquelle nun nicht mehr blendete, konnte ich schwach Edwards Gesicht erkennen, welches ich nun gezwungen war, anzusehen. Und was ich sah, war kein Spott oder Hohn. Nur Sorge. Pure Sorge lag in seinen Zügen, als er mich mit großen, erschrockenen Augen betrachtete. Ich war unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Ich fühlte nur die Wärme seiner Hand und das pulsierende Gefühl unter meiner Wange.
 

„Du hast eine Heidenangst vor Gewitter.“ Es war keine Frage, es klang eher wie die Bestätigung einer Vermutung.

Ein erneutes Donnern, das noch lauter als die anderen war, zeriss die für ein paar Sekunden angehaltene Stille und zwang mich wie schon zuvor, mich automatisch zu ducken. Ohne ein weiteres Wort zog mich Edward in seine Arme und hielt mich fest – und ich ließ es geschehen. Ich leistete kein bisschen Widerstand, dazu war ich eh viel zu schwach. Vielmehr nahm ich seine Geste an und schlang meine Arme um seine Brust. Meine Finger krallten sich in seinen Rücken, während ich mich wie ein Ertrinkender an ihn klammerte. Während mich einer seiner Arme eisern hielt, lag seine andere Hand in meinem Nacken und drückte meinen Kopf sanft an seine Halsbeuge. Sein Daumen kreiste beruhigend über meinen Hinterkopf, wobei er mir immer wieder besänftigende Worte zuflüsterte.

Ich konnte seiner ruhigen Atmung lauschen, konnte hören und fühlen, wie sein Herz schlug, konnte seine warme Haut durch den Stoff unserer Shirts spüren. Ich konzentrierte mich auf nichts mehr als das und nach einer Weile fiel mir das Atmen tatsächlich wieder leichter. Ich atmete seinen Geruch ein, der mir verriet, dass er vor noch nicht allzu langer Zeit geduscht haben musste. Der exotische Duft seines Shampoos vermischte sich bereits mit seinem eigenen und verlieh dem Gesamten eine leicht herbe Note.

Ich verlor mich in seiner Nähe und obwohl ich mich schon mit aller Kraft an ihm festhielt, wollte ich mich noch enger an ihn schmiegen, noch mehr von ihm spüren. Als hätte er meine Gedanken gelesen, festigte er seinen Griff noch ein wenig, legte seine Wange auf meinen Kopf und raunte weiterhin ein paar beruhigende Worte. Seine andere Hand drückte hin und wieder meine Schulter, während sein Daumen in regelmäßigen Abständen über mein Schulterblatt streichelte und mir dabei jedes Mal einen kleinen Schauer über den Rücken jagte.
 

Ich genoss jede einzelne Sekunde, die wir so verharrten, und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass es ewig andauern würde. Ich vergaß sogar fast gänzlich das gräßliche Wetter draußen.
 

„Der Strom ist ausgefallen“, meinte Edward etwas später leise. Sein warmer Atem streifte meine Haare und meinen Nacken und ließ mich frösteln.

„Ich wollte eigentlich gerade-“, doch weiter kam er nicht, als uns ein schepperndes Geräusch aus unserem Dämmerzustand riss. Wir versteiften uns beide und ich wusste, dass ich mir das nicht einfach nur eingebildet haben konnte. Einbrecher schoss es mir durch den Kopf. Ich konnte mir nicht helfen, diesen Tag endgültig als den Schlimmsten in meinem Leben einzustufen.

„Du hast das auch eben gehört, oder?“, flüsterte Edward. Ich nickte stumm.

Als ich registrierte, dass er sich von mir losmachen wollte, krallte ich mich verzweifelt in sein Shirt. Das hier war eine Ausnahmesituation und ich wollte jetzt um keinen Preis der Welt allein gelassen werden.

„Ich will nur kurz nachsehen, was das war“, erklärte er, doch ich schüttelte meinen Kopf. Was, wenn es wirklich ein Einbrecher war? Was, wenn er Edward etwas antun würde?

Sein Körper erschlaffte wieder und ich hoffte, dass er es sich anders überlegt hatte.

„Dann gehen wir zusammen, okay?“ Ganz eindeutig hatte es sich Edward also nicht anders überlegt, und noch ehe ich reagieren konnte, hatte er sich bereits erhoben und mich mit hochgezogen. Er nahm die Taschenlampe vom Boden, griff nach meiner Hand und klemmte meinen Arm noch zusätzlich unter seinen, ohne meine Hand dabei wieder loszulassen.
 

Wir warteten ein paar Sekunden, ehe wir vorsichtig Stufe um Stufe hinunterschlichen. Zwischenzeitlich war ich ein paar Mal stehen geblieben, als neue Blitze mich zum Anhalten zwangen. Edward hatte nur jedes Mal meine Hand ein wenig gedrückt und mich dann wortlos zum Weitergehen bewegt, bevor wir letztendlich das Erdgeschoss erreicht hatten.

Es waren noch mehr Geräusche zu hören, merkwürdige Laute, die mich stocksteif innehalten ließen.

„Vielleicht sollten wir die Polizei rufen“, schlug ich leise vor, aber Edward schüttelte nur den Kopf. „Wir wissen noch gar nicht, was überhaupt los ist. Es kann gut sein, dass einer der Sicherheitsleute einfach nur ins Haus gekommen ist, weil er den Stromausfall bemerkt hat.“

„Würde der sich hier dann nicht auskennen?“

Darauf wusste Edward auch nichts mehr zu sagen. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung und zog mich dabei mit. Die Geräusche kamen aus dem rechten Flur, also folgten wir diesem – mit wachsendem Unbehagen.

Anfangs entdeckten wir nichts und auch der Lärm war für ein paar Minunten verstummt.
 

Doch als das Licht von Edwards Taschenlampe ein Paar Beine anleuchtete, ein weiteres Donnern die Stille durchbrach und der wiederkehrende Strom das Licht im Flur anschaltete, versteckte ich mich mit einem Aufschrei hinter Edwards Rücken.
 

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A/N:

Das Märchen Die Tochter des Rosengärtners gibt es in dem Sinne nicht als offizielles Märchen wie die der Gebrüder Grimm oder Andersen. Es ist ein wunderschöner, kleiner OS von Lyrah, meiner grandiosen Beta (big thx, meine liebe Rechtschreibestasi :'D), und ich bin froh, dass sie mir diesen für diese Geschichte ausgeliehen hat ;)

Falls ihr Interesse habt, solltet ihr ihn unbedingt lesen: http://www.fanfiktion.de/s/4a1d4ab10000a41806705dc0



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Von:  Bellchen
2012-01-22T00:12:28+00:00 22.01.2012 01:12
Geht es bald mal weiter? .___.
*weini*
Ich liebe diese FF so!!
Von:  simone123
2010-09-22T20:31:56+00:00 22.09.2010 22:31
Schade das du so lange nichts mehr geschrieben hast, denn ich finde dieses kapitel wieder super. Ichbin so neugierig wer dort bei dem Gewitter steht.
LG
Simone
Von: abgemeldet
2010-07-13T13:16:53+00:00 13.07.2010 15:16
aaaaaaaah oh weh wer ist das denn?
vieeelen dank für die ens, ich sterbe for aufregung was als nächstes passiert !!!!

glg n -luna
Von:  KarenChan
2010-06-26T15:24:44+00:00 26.06.2010 17:24
Sehr süß ^^ Das mit dem Dachboden fand ich auch bissle seltsam. Ich bin super gespannt wer denn da nachts durchs Haus läuft und freu mich schon auf die Fortsetzung ^^
Von:  Twilight-Nicki
2010-06-26T13:45:07+00:00 26.06.2010 15:45
Oh mein Gott!
Wer ist das wohl?
ICh hoffe ja, das es wirklich kein Einbrecher ist.
Man man, die Zwei machen es sich schon schwer!
Aber der Schluss, haaaaaaaaaaaaach!!!!!!!!!!!!!!
Ich hätte mir gewünscht, das die Situation länger dauert!
Aber das wär ja zu schön gewesen.
Seltsam das Bella immer Angst vor Gewitter! ;-)
Ist in vielen Geschichten so, aber das ist immer ein gutes Alibi um sich näher zu kommen! :-D

Hammer Kapitel, mach bitte ganz scnell weiter!!
Liebe Grüsse
Von:  mondsternchen_c
2010-06-26T10:30:03+00:00 26.06.2010 12:30
Ach ich freu mich immer so, wenns hier weitergeht! ^^

Wie immer natürlich fabelhaft geschrieben. Tja, Bella scheint zwar die 'richtige' Richtung einschlagen zu wollen, aber hey- schalt mal deine Gefühle von heut auf morgen ab *sfz* Zusätzlich kommt ja auch noch, dass sie im Endeffekt in einem hotelartigen Palast wohnt (Speisesaal, Eingangshalle??), wie soll denn da je das heimelige Gefühl von 'zu Hause' aufkommen? Obwohl ich schwer neidisch auf die Bibliothek bin!- obwohls mich arg an die Uni erinnert- ich sag nur eins - 'Leselampen' pff xD

Das Hor(r)o(r)skop- völlig unmöglich das jetzt nicht auf die Beiden zu beziehen und lässt auch erahnen, dass noch so Einiges ans Licht drängt (wer zur Hölle versperrt den Dachboden - ich mein ja nur), und OMG sag nicht, dass die auch noch am selben Tag Geburtstag haben, weil dann wirds echt spooky! OO

Dann noch dieser Zeitungsartikel - die Pressefuzzies müssen auch immer so vorschnell vorantreiben - der reinste Schlag ins Gesicht! Mir kam aber so vor, als wär nicht nur Bells fertig sondern auch Ed mehr als gefrustet von der Situation, war ja auch nicht das 1. mal, dass er auf Möbelstücke/Wände etc einschlägt! Oo

Die Gewittersituation ist natürlich Balsam fürs geschundene Herz gewesen (nicht nur bei Bells, sondern auch bei der LeserInnenfraktion ^^). Ist natürlich höchstspannend zu erfahren, was da in der Küche abgeht, kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass es wirklich Einbrecher sind. Hoffe nur, da geht keine Obszönitäten vor! xD

In diesem Sinne freu ich mich jetzt schon wieder wenns weitergeht!
lg ^^
Von:  Emily
2010-06-26T09:06:37+00:00 26.06.2010 11:06
Tolles Kapi, auch wenn es sehr, sehr lange gedauert hat!
*böse schau*

Von:  Ran_Angel
2010-06-26T08:43:33+00:00 26.06.2010 10:43
Wie süüüß!!! ^^
Ich finde das so süß wie sich Edward um Bella sorgt!!
Und es war sogar etwas romantik dabei *-*
Hach... bin sehr gespannt wie es nun weiter geht!
Wer die beiden wohl so erschreckt hat? o.o

Schreib schnell weiter, ja? *lieb schauh*
Freue mich schon riesig!!!! ><

LG
Ran_Angel
Von: abgemeldet
2010-06-26T08:06:30+00:00 26.06.2010 10:06
ohhhhh wiee süßß das kapi war zucker süßßßßßß xD
hoffe du schreibst bald weiter !!
LG Bella_Edward_
Von: abgemeldet
2010-06-25T21:00:51+00:00 25.06.2010 23:00
ui ui ui...
ist ja süß, dass bella so ne angst vor gewitter hat. gut, dass edward noch gekommen ist und sie beruhigt hat. ist ja schon irgendwie romantisch...

da bin ich aber mal gespannt, was die beiden jetzt so erschreckt hat.
freu mich schon riesig aufs nächste kap!

lg vickyhasi



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