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Wenn die Nacht dich umarmt

von

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Warum kamst du hierher?
 

Ruhig lag ich in einer abgeschiedenen Ecke der Bibliothek, vertieft in ein Buch. Ich war gerade an einem besonders spannenden Absatz über Volksmärchen angelangt, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Entsetzt fing ich an zu schreien, schlug dabei um mich und warf letztendlich meinem vermeintlichen Angreifer das Buch entgegen. Mit einem dumpfen Plong landete es punktgenau auf seiner Stirn. Moment, seiner? Immer noch ängstlich und mit wackligen Knien, drehte ich mich um und sah direkt hinter dem Sofa Damien stehen. Mit einem nicht sehr freundlichen Gesichtsausdruck und besagtem Buch in der Hand. Oh, oh, ich hatte doch nicht etwa ihn getroffen? Ein schneller Blick auf seine Stirn jedoch bestätigte meine Vermutung. Langsam bildete sich ein blutunterlaufener Fleck auf seiner Stirn. Ich hatte getroffen. Ich schluckte und setzte dann ein Gesicht auf, als könnte ich kein Wässerchen trüben.
 

„Äh… hehe… Damien, du hier? Was für eine Überraschung! Du siehst aber ein klein wenig angeschlagen aus…“

Sein Blick wurde finsterer, sofern das überhaupt noch möglich war. Meine Taktik, einen auf lieb und unschuldig zu machen, ging also nicht auf. Mist.

„Wie würdest du denn aussehen, wenn du Jemandem eine Mitteilung machen willst und dann ohne jegliche Vorwarnung angegriffen wirst?“

„Es tut mir leid, wirklich. Es ist nur…“

Er zog die rechte Augenbraue hoch.

„Ja?“

„Ich hatte Angst,“ murmelte ich kleinlaut.

„Warum denn das?“ Er schien ehrlich überrascht.

„Naja, ich mein, also… hach, ich bekomme nie was mit wenn ich lese, ich bin dann einfach viel zu abgelenkt. Und wenn ich gerade noch etwas Unheimliches lese und ich dann einfach angefasst werde, erschrecke ich mich halt. Das passiert doch jedem Menschen mal.“ Eingeschnappt drehte ich mich rum und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

Keiner von uns sagte etwas. Die Schatten wurden länger und im Raum immer wurde es immer dunkler. Mit einem Seufzen ging ich um das Sofa herum, an Damien vorbei und betätigte den Lichtschalter an der Wand. Nichts tat sich. Ich versuchte es noch einmal. Mit dem gleichen Ergebnis.

„Deshalb bin ich hergekommen“ meinte Damien, „um dir Bescheid zu sagen, dass der Strom ausgefallen ist.“ Er klang etwas versöhnlicher. Ich war aus irgendeinem Grund froh darüber.

„Konnte das niemand reparieren?“

„Nein. Normalerweise macht Sturgis das. Aber er und Molly haben heute und morgen frei. Ich habe zwar versucht, den Elektriker aus dem Dorf zu bestellen, aber der schaffte es nicht mehr, heute noch hier hoch zu kommen. Naja, niemand kommt nachts hier hoch, daher ist es ganz verständlich. Wir müssten uns also mit einem Feuer begnügen.“

„Feuer? Aber das ist ja toll! Seit ich hier bin, habe ich noch keinen der Kamine in Funktion gesehen. Welchen willst du denn anzünden?“
 

Er schien zu überlegen. Ich auch. Nachts wurde es hier furchtbar kalt, aber sonst hatte es mich nie gestört. Klar, mit Heizung machte einem das ja auch nichts aus. Aber da auch die über Strom lief, war an Wärme nicht zu denken. Bereits jetzt fröstelte ich leicht, obwohl ich eine leichte Strickjacke anhatte. Da fiel mir das Holz ein, das wir brauchten, um den Kamin zu betreiben. Soweit ich gesehen hatte, war davon nicht allzu viel da, immerhin war noch Sommer. Also beschloss ich, einfach mal mit dem Gespräch da anzufangen, wo ich es als notwendig ansah.

„Sag mal, soweit ich weiß, ist ja im Moment nicht viel Holz da. Was machen wir denn nun?“

„Wir werden nur einen Kamin nutzen. Und zwar den, der sich oben in deinem Zimmer befindet. Dann brauchst du nicht frieren.“

„Und was ist mit dir? Immerhin sollst du es auch warm haben.“

„Ich bin robust genug. Schließlich ist das meine Heimat und ich bin daran gewöhnt.“

„Trotzdem. Wir können den Kamin auch zusammen nutzen. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen krank wirst.“
 

Er schien ziemlich erstaunt, aber noch nicht überzeugt. Natürlich war er ein Gentleman, das hatte ich während meines Aufenthalts schon so oft mitbekommen, dass mir auch klar war, dass er nun wieder so nobel handeln würde. Aber ich wollte nicht schuld daran sein, wenn er nachher doch krank wurde. Also gab es nur eine Möglichkeit: „Würdest du denn auch unabhängig von der Wärme bei mir bleiben? Ich habe alleine Angst.“

Das schien ihn zu überraschen. Und dann nahm sein Gesicht einen so unsagbar weichen Ausdruck an, dass sich tief in mir etwas regte. Ich schob dieses Gefühl jedoch beiseite.

„Wenn das so ist, dann bleibe ich natürlich. Geh du schon hoch, ich komme mit dem Holz nach.“ Sprach´ s und verschwand. Ich lächelte und machte mich auf den Weg nach oben.
 

Eine gute halbe Stunde später flackerte ein munteres Feuerchen im Kamin und wir sahen zusammen gemütlich auf dem Boden davor, die Rücken gegen das Sofa gelehnt, das auch hier wieder dem Kamin gegenüber stand. Die Stimmung war einfach heimelig und während die Schatten, die das Feuer an Decke und Wände warf, munter tanzten, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Damien mich beobachtete. Na, wenn er was wollte sollte er schon reden. Gedankenlesen konnte ich immerhin nicht. Aber ich fühlte mich zu wohl, um ihm einen spitzen Kommentar zu geben und mümmelte mich stattdessen tiefer in die Decke, die ich mir um die Schulter geschlungen hatte.
 

„Was hat dich dazu getrieben, auf ein einsames, abgelegenes schottisches Schloss zu kommen?“ Ich erstarrte. Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet. Obwohl – immerhin war es nur natürlich, dass er wissen wollte, wieso ich hier war.

„Das ist eine längere Geschichte.“ Ich wollte ausweichen.

„Ich habe Zeit.“ Er nicht.

Ergeben seufzte ich. Ich hatte wohl keine Wahl und außerdem war es nur fair, ehrlich zu sein, wo er sich doch so um mein Wohlergehen sorgte. Ich starrte in die Flammen und vergaß dabei alles um mich herum, auch Damiens Anwesenheit, während ich bei meinen Erzählungen wieder jenen schrecklichen Tag erlebte, der meine heile Welt zerstört hatte:
 

Ich wollte Mark von der Arbeit abholen und ging zu seiner Firma. Dort angekommen ging ich an der lächelnden Empfangsdame vorbei, der ich ein grüßendes Nicken schenkte und bestieg den Fahrstuhl, der mich auf die Etage bringen sollte, zu der ich wollte.

Ich prüfte mein Aussehen noch einmal in der Verspiegelung und strich eine lose Strähne meines Haars wieder zurück. Dann drehte ich mich zur Türe um und verließ, im richtigen Stockwerk angekommen, den Fahrstuhl.
 

Ich ging auf dem langen Mittelgang eines Großraumbüros direkt auf das Einzelbüro zu, das Mark als leitender Angestellter benutzte. Es waren nur noch vereinzelt einige wenige Leute da, die jedoch bereits dabei waren, Feierabend zu machen. Sie winkten freundlich und ich tat es ihnen gleich. Dann stand ich vor der Bürotüre und strich voller freudiger Aufregung meinen Pullover glatt. Dann klopfte ich kurz und öffnete mit einem strahlenden Lächeln die Türe.
 

Doch das Lächeln verblasste schlagartig, als Mark mich nicht einmal bemerkte. Das konnte er auch gar nicht, schließlich galt seine ganze Aufmerksamkeit grade einer gut gebauten Schwarzhaarigen, die in den armen meines Freundes lag und ihn mit der gleichen Hingabe küsste, wie ich es sonst immer tat. Ich konnte förmlich hören, wie mein Herz in Scherben zersprang, während ich fassungslos das Geschehen, das sich mir direkt vor meinen Augen bot, betrachtete.
 

Jetzt schien auch den Beiden aufzufallen, dass sie nicht mehr alleine waren, denn sie lösten sich von einander. Die Frau, die mit dem Gesicht zu mir stand, hatte nun einen entsetzten Gesichtsausdruck, während Mark sich langsam, wie in Zeitlupe, zu mir herum drehte. Stumm, mit weitaufgerissenen Augen, sah er mich an. Er schien sich zu sammeln, strich seinen Anzug glatt, glättete mit der Hand seine Haare und machte dann einen Schritt auf mich zu, mit geöffnetem Mund, zum Reden bereit.
 

Doch bevor er auch nur einen Ton herausbringen konnte, hob ich die Hand, lächelte und sagte mit eiskalter, ruhiger Stimme: „Du brauchst nichts zu sagen. Ich bin auch nur hier, um dir mitzuteilen, dass ich auf unsere Beziehung keinen Wert mehr lege. Du bremst mich zu sehr in meiner Lebensweise aus, darauf möchte ich in Zukunft verzichten. Ich werde deine Sachen packen und sie an deine Eltern schicken. Du wirst verstehen, dass ich bereits die Schlösser der Wohnung ausgetauscht habe und jeglicher Versuch, mit mir zu reden, vollkommen aussichtslos ist. Das war alles. Einen schönen Abend euch beiden noch.“
 

Ich verließ das Büro, lächelte die verdutzen Leute an, die noch an ihren Schreibtischen saßen und betrat den Fahrstuhl, der noch immer auf der Etage wartete. Im Foyer angekommen, verabschiedete ich mich von der Empfangsdame, ging zu meinem Auto und fuhr auf direktem Weg zu Bine. Sie wusste sofort was los war, als sie die Türe öffnete und führte mich ins Wohnzimmer. Erst als ich bei ihr saß, neben ihr und sie mich in aller Freundschaft umarmte, kamen die Tränen, die ich solange unterdrückt hatte.
 

Eben jene Tränen flossen mir über die Wangen, als ich meine Erzählung beendet hatte. Ich wollte keine Schwäche zeigen und schluckte die nachfolgenden Tränen so gut es ging hinunter. Damien sah mich stumm an, Sorge, ein kleines bisschen Wut und Mitleid in seinen Augen. Dann tat er etwas, womit ich bei einem so distanzierten Menschen niemals gerechnet hätte: er rückte näher an mich heran, legte seinen Arme um mich und zog mich sanft an sich, so dass mein Kopf auf seiner Brust ruhte. Der Damm brach endgültig und ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Während ich leise schluchzte, fuhr seine Hand sanft über meinen Rücken. Das beruhigte mich ungemein. Seine Nähe tat einfach gut und ich schlang meinerseits meine Arme um ihn. Lange blieben wir so sitzen, in einer Umarmung, die einfach nur eine Umarmung war, ohne jegliche Hintergedanken.
 

Irgendwann wurde es mir allerdings zu unbequem, außerdem hatte mich das Weinen erschöpft. Ich wollte mich zwar nicht von ihm lösen und damit das Gefühl der Geborgenheit zerstören, aber länger so sitzen konnte ich auch nicht mehr. Doch ich hatte nicht mit Damien gerechnet. Bevor ich überhaupt genau wusste, was los war, hatte er mich auch schon vorsichtig angehoben und zwischen seine Beine gesetzt, jedoch so, dass ich halb seitlich an ihn gelehnt da lag. Meine Beine lehnten über seinem rechten Oberschenkel. Es war ungemein gemütlich. Als er dann noch eine weitere Decke über mir ausbreitete und wieder über meinen Rücken strich, schlief ich ein. Das Letzte, was ich sah, war Damien, der mit verschlossenem Gesichtsausdruck ins Feuer starrte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-08-26T10:43:09+00:00 26.08.2008 12:43
*kreisch*
gott scheiße
ich kann gar nich glauben das ich so lange nich gelesen habe
wie konnte ich nur
da hab ich all das geile verpasst
ich wusst gar nich mehr wie gail deine story is
hach ja
das is so hammer
du schreibst einfach klasse
und ich kann noch weiter lesen^^
juhu^^
*und schwups weiter hüps*


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