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Das Blut an meinem Schwert

von

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Dieser ganze Ärger mit den Oni hat uns mehr als einen halben Tag gekostet.“, stellte Hideto mürrisch fest, „Und wir haben nicht viel geschlafen und gar nichts gegessen.“

„Aber immerhin hast du Geld aus der Höhle der Diebe geklaut.“, bemerkte Hotaru erfreut.

„Damit sollen wir es bis nach Kanazawa schaffen.“, warf Yoshimaru ein, der sich auf einen stabilen Stock stützte um sein Bein zu schonen. Zwar hatte Hideto, der sich dank seiner zahlreichen Verletzungen der vergangenen Jahre gut mit Heilkräutern und Verbänden auskannte, seine Wunden versorg, doch noch immer schmerzte die Stichwunde bei jeden Schritt. Genauso wie die Verletzung an der Schulter.

„Erstmal sollten wir ein Gasthaus aufsuchen und uns satt essen.“, sagte Hideto, dessen Magen, wie zur Unterstreichung seiner Worte, laut knurrte, „Bei dem Hunger mach’ ich sonst keinen Schritt mehr.“

„Aber dieses Mal bitte Eins, dass wir nicht hinterher abbrennen müssen.“, warf Hotaru betroffen ein.

Das Unwetter am Vortag hatte die Hitze gedämpft, durch die rauchigen Wolken fielen kaum Sonnenstrahlen. Der Verkehr auf der Fernstraße zwischen Imazaki und Kanazawa hatte wieder seinen gewohnten Gang genommen, Händler und Pilger bewanderten die Wege und Trampelpfade, die von der Hauptstraße abgingen und in kleine Dörfer führte.

An einem kleinen Essensstand, der gebratenen Aal und Fisch führte, machten Hideto, Yoshimaru und Hotaru halt, um ihre Mägen zu füllen.

„Biiwa Aal iff fuuupa leppaa!“, erklärte Hotaru, die sich gierig ein Stück nach dem anderen in den Mund warf und die offenbar schluckte, ohne zu kauen.

Auch Hideto schlag sein Essen hinunter, als gäbe es kein Morgen, „Mhmm, ber iff feim Gelb wirbliff werb.“, brachte er kauend hervor.

Yoshimaru saß mit gesenktem Kopf neben ihnen und aß sittsam einen Bissen nach dem anderen, „Wenn man euch so sieht, könnte man meinen, ihr hättet seit Wochen nicht gegessen.“, sagte er leise. Ihm war das Benehmen seiner Begleiter sichtlich peinlich, denn er zog seinen Strohhut noch etwas weiter in sein Gesicht.

Hideto schluckte seinen letzten Bissen runter und warf das Holzstäbchen, auf den die Aalbissen aufgespießt waren, in einen dafür vorgesehenen Holzeimer, in dem nicht aufgegessene Essensreste vergammelten und Fliegen anlockten.

„Wie lange werden wir noch bis zur Hauptstadt brauchen?“, fragte Hotaru, die bereits ihre dritte Portion von dem Händler orderte.

„Vielleicht drei Tage.“, erklärte Hideto, der ebenfalls noch eine Portion Aal bestellte, „Wenn wir nicht mehr aufgehalten werden.“

„Und wenn ihr nicht die nächsten drei Tage damit verbringt, den gesamten Aalvorrat Japans zu verspeisen.“, fügte Yoshimaru hinzu.

Nachdem Hideto und Hotaru jeweils fünf Portionen Aal verputzt hatten, Yoshimaru eine, machten sie sich wieder auf den Weg nach Süden, Richtung Kanazawa, wo Fürst Niu sein Anwesen hatte.
 

Als es dunkel wurde, beschleunigten sie ihre Schritte, um zu einem Gasthaus zu kommen, doch plötzlich blieb Hotaru wie angewurzelt stehen. Nachdem Hideto und Yoshimaru es bemerkt hatten, drehten sie sich zu ihr um. Hotaru starrte in ein kleines Waldstück und regte sich nicht.

„Was ist los?“, rief Hideto, „Hast du einen Geist gesehen?“

Hotaru drehte ihren Kopf zu ihren beiden Begleitern um und strahlte diese lächelnd an.

„Glühwürmchen!“, rief sie begeistert, bevor sie in den kleinen Wald stürmte.

Yoshimaru und Hideto folgten ihr verwirrt. Nach einem kurzen Stück Trampelpfad erreichten sie einen kleinen See, nur wenige Quadratmeter hoch. Hotaru hockte auf dem Boden und sah sich um. Um sie herum schwirrten lauter grüne leuchtende Punkte. Die heraufziehende Dunkelheit, die Spiegelung des abnehmenden Mondes im schwarz-blauen Wasser des Sees, welches ruhig dalag wie ein Spiegel, und die leuchtenden Punkte in der Luft verwandelten diese Lichtung in einen Ort, der einer anderen Welt anzugehören schien.

Yoshimaru kniete sich rechts neben Hotaru in das hohe Gras, das sanft im Wind wiegte. Das grüne Leuchten erhellte ihre Gesichtszüge und ließ Yoshimaru die endlose Bewunderung dieser Szenerie in ihren Augen erkennen. Langsam streckte sie eine Hand aus und beobachtete voller Freude, wie sich ein Glühwürmchen auf sie setzte. Sie kicherte freudig.

Nun kam auch Hideto, der am Rande der Lichtung gewartet hatte, zu dem See gelaufen und ließ sich ins Gras zu Hotarus Linken fallen.

„Ist das nicht wunderschön?“, raunte Hotaru, die mehr mit sich selbst zu sprechen schien, als zu jemand anderem.

Yoshimaru schob seinen Strohhut nach hinten, sodass dieser in seinem Nacken hängen blieb.

„Ja, das Stimmt.“, bestätigte er mit ruhiger Stimme, „Dieser Ort hat eine gerade zu meditative Ausstrahlung.“

„Am Wegesrand mir

der Glühwurm ganz allein war

der Weggenosse,

als einsam ich heraustrat

bei dunklem Abendhimmel“, hauchte Hideto in die Dunkelheit.

Hotaru drehte ihren Kopf in seine Richtung, wodurch sich das Glühwürmchen auf ihrer Hand erschrak und davonflog.

„Was ist das für ein Gedicht?“, fragte sie verwundert.

„Es ist von einem Mönch namens Jakunen und schon über 500 Jahre alt. Meine Mutter hat es mir beigebracht als ich noch klein war.

Hotaru musterte ihn bewundernd und auch Yoshimaru konnte sein Erstaunen nicht verbergen. Doch diese Stille schien Hideto nicht zu gefallen. Er erhob sich und sagte: „Lasst uns ein Gasthaus suchen, eh die Sonne wieder aufgeht.“, und er drehte sich um und ging wieder Richtung Straße.
 

Die Nacht verbrachten sie in einem kleinen Gasthaus an der Hauptstraße, dass sich Aozaki nannte. Hideto hatte die Besitzer, ein junges Pärchen in den Zwanzigern, die das Geschäft seiner Eltern erst vor kurzem übernommen hatten, so lange und eingehend gemustert, dass Yoshimaru sich schon für das Benehmen seines Mitreisenden entschuldigte, bevor sie ihr Zimmer bezogen. Ursprünglich hatte jeder sein eigenes Zimmer gewollt, doch Hotarus Angst vor einem neuerlichen Überfall und ihre Theater reife Vorstellung mit Tränen und Wimmern hatte die beiden Männer schließlich dazu bewogen, sich alle in einem Zimmer zur Ruhe zu legen.

Nach einer erholsameren Nacht als es die letzte gewesen war, nahmen die Drei ein ausgedehntes Frühstück zu sich und folgten weiter ihrem Weg.

Auch der folgende Tag und die Nacht verliefen ohne weitere Zwischenfälle. Mit der Ausnahme, dass Hidetos und Hotarus gewaltiger Appetit mal wieder ihren Geldbeutel gesprengt hatte.

Um die Schulden zu begleichen, die sie bei einer Nudelküche gemacht hatten, da sie zusammen elf Portionen Ramen gegessen hatten, ohne alle zahlen zu können, blieb ihnen nichts anderes übrig als ein paar Stunden in diesem Geschäft zu arbeiten.

„Das ist alles deine Schuld!“, flüsterte Hotaru, die ihrer gewohnten Arbeit als Kellnerin nachging, Hideto, der den Essensraum fegte, im Vorbeigehen zu.

„Wer hat denn auf seine fünfte Portion bestanden, obwohl er lieber auf seine Figur achten sollte, als zu futtern wie ein Samurai im Krieg?!“, erwiderte Hideto genervt.

Eine Schüssel flog haarscharf an seinem Kopf vorbei und zerschellte hinter ihm an der Wand.

„Was fällt dir ein, du Kuh?“, rief er Hotaru nach, die ihm frech die Zunge rausstreckte.

„Wenn ihr noch eine Schüssel zerdeppert, arbeitet ihr morgen noch hier!“, rief der Besitzer des kleinen Restaurants aus der Küche, in der Yoshimaru ihm half, die Zutaten für die verschiedenen Nudelgerichte klein zuhacken. Hotaru kam in die Küche, um die nächsten Schüsseln mit Suppe und Nudeln zu holen.

„Wenn jemand sauer sein müsste, dann doch wohl ich.“, bemerkte Yoshimaru, „Ich habe immerhin nur eine Schüssel gegessen und arbeite trotzdem eure Zeche ab.“

Hotaru blieb neben ihm stehen und sah ihn erstaunt an, als wäre sie sich darüber gar nicht im Klaren gewesen. Plötzlich verbeugte sie sich so hastig, dass sie fast Yoshimaru das Messer aus der Hand geschlagen hätte. Nur mit Mühe konnte er es noch auffangen, bevor es größeren Schaden anrichtete.

„Das tut mir Leid…“, sagte Hotaru bedrückt.

„Schon in Ordnung.“, erwiderte Yoshimaru freundlich lächelnd, „Ich trage es euch nicht nach.“

Hotaru lächelte ihn erfreut an, als plötzlich Unruhe aus dem Esssaal ertönte.

„Was ist denn nun wieder los?“, schnaubte der Gaststättenbesitzer, „Geh nach Vorn und sieh nach Rônin.“, fuhr er Yoshimaru an, der sich kurz verbeugte und mit Hotaru in den vorderen Teil des Gebäudes ging, der durch einen halblangen Vorhang abgetrennt war.

Als sie den Vorraum betraten, sahen sie sofort den Grund für die Unruhe. Ein Mann hatte den Raum betreten und schleppte sich mühsam vorwärts. Er hinterließ eine Spur dunkelroten Blutes auf dem Holzboden. Nach Luft schnappend brach er in der Mitte des Raumes zusammen.

Yoshimaru eilte zu ihm und kniete sich neben den Verletzten. Er war etwa fünfzig Jahre als, hatte schütteres ergrauendes Haar und ein faltiges Gesicht. Er war offenbar ein Bauer oder Handwerker.

„Was ist euch widerfahren?“, fragte er ruhig.

„Diese… diese Banditen…“, keuchte er und Blut lief aus seinem Mundwinkel, „Sie haben mich … überfallen…“, er hustete qualvoll und Spukte Blut auf den Boden.

„Bewegt euch nicht, eure Verletzungen sehen schlimm aus.“, redete Yoshimaru auf den Mann ein. Hotaru stand neben ihm und Tränen traten in ihre hübschen Augen. Hideto besah sich die Wunden des Mannes, sah Yoshimaru an und schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Habt ihr einen letzten Wunsch?“, frage Yoshimaru, „Was immer es ist, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihn euch zu erfüllen.“

Der Mann sah Yoshimaru an und lächelte gequält, „Die Räuber… sie haben mir eine … eine Kette gestohlen… Eine Kette für meine… meine geliebte Tochter… sie wird bald heiraten…“, er hustete erneut und zuckte, als litt er an einem fürchterlichen Krampf.

„Bitte, sprecht weiter.“, sagte Yoshimaru behutsam.

„Bitte…“, fuhr der Mann keuchend fort, „Holt diese … Kette zurück und… bringt sie zu meiner Tochter… Sie ist alles was ich noch habe…“

„Wo finde ich diese Diebe und eure werte Tochter?“, wollte Yoshimaru wissen.

„Die Diebe… treiben ihr Unwesen… überall in dieser Gegend…“, stieß er aus und machte eine lange Pause, „Und meine Tochter… sie wohnt in Kanazawa. Im östlichen Viertel. Ihr Name ist…“

„Wie ist ihr Name?“, hakte Yoshimaru vorsichtig nach.

„Amaya-Chan…“, Tränen traten in seine Augen, als er an seine Tochter dachte, die er nie wieder sehen würde.

„Ich schwöre bei meinem Leben, das ich euren letzten Wunsch erfüllen werde.“, versicherte Yoshimaru dem Mann, „Ihr braucht euch nicht zu sorgen.“

Der Verletzte sah Yoshimaru mit tränennassen Augen an, doch sein Mund formte ein glückliches Lächeln.

„Buddha schütze euch…“, hauchte er und schloss seine Augen für immer.

Yoshimaru legte ihn behutsam auf den Boden und erhob sich, den Kopf gesenkt, und sah zu Hotaru und dann zu Hideto hinüber. Hotaru kullerten dicke Tränen über die sanften Wangen und sie hielt eine Hand vor ihren Mund. Hideto sah Yoshimaru mit einem Blick an, der zwar besagte, dass er diese weitere Störung ihrer Reise nicht willkommen hieß, aber dennoch Yoshimarus Verhalten verstehen konnte.

„Was macht ihr da?“, der Wirt kam tobend in den Esssaal gerannt, „Schafft die Leiche hinaus! Ich will hier keine Toten in meinem Geschäft haben! Bei der spirituellen Verunreinigung verkaufe ich ja nie wieder etwas!“



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