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Momentaufnahmen

Final Fantasy 7
von

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Titel: Momentaufnahmen

Autorin: Cat in the web

Fandom: Final Fantasy 7

Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit.
 


 

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Reno / Cloud / Einkaufen
 

Es gab nur wenige Dinge auf dieser Welt, vor denen es Cloud graute. Einkaufen gehen mit Tifa gehörte eindeutig dazu. Wann immer er bemerkte, wie Tifa Einkaufslisten schrieb, den Inhalt ihrer Geldbörse checkte oder ihren vollen Kleiderschrank durchging, während sie darüber klagte, dass sie nichts anzuziehen hätte, stand Cloud leise auf und versuchte, sich durch die Hintertür davonzustehlen. Manchmal gelang es ihm auch. Manchmal aber auch nicht, und dann musste er mit Tifa stundenlang durch alle möglichen Geschäfte wandern, sämtliche Tüten hinter ihr hertragen (meistens sah er schon nach einer Stunde aus wie ein Lasten-Chocobo) und – und dies war das Allerschlimmste – seine Meinung zu den unzähligen Kleidern äußern, die Tifa in den Geschäften anprobierte und ihm dann vorführte (er hatte keine, und wenn doch, war er klug genug, sie für sich zu behalten).
 

Einmal hatte er versucht, Tifa zu überreden, doch lieber mit Elena einkaufen zu gehen anstatt mit ihm. Tifa war von der Idee begeistert, aber irgendwas musste sie missverstanden haben. Denn kaum hatte Cloud sie zum Treffpunkt mit Elena gebracht und wollte sich davon machen, da schnappten ihn sich die beiden Frauen und zerrten ihn mit zum Einkaufen. Letztendlich war das Resultat, dass Cloud die doppelte Menge an Tüten und Paketen tragen musste, bis selbst Tifa und Elena eingestehen mussten, dass noch mehr einfach nicht ging.
 

Als wieder einmal das Unheil einer Einkaufstour mit Tifa drohte, kam die Rettung für Cloud in unerwarteter Gestalt daher. Reno war zu Besuch gekommen, um sich Cloud für einen Nachmittag auszuleihen. Cloud fragte gar nicht lange, sondern nutzte die sich ihm bietende Möglichkeit sofort. Er bestand darauf, Reno bei was auch immer zu helfen, und bevor der verdutzte Reno sich über Clouds plötzliche Hilfsbereitschaft noch weiter wundern konnte, zerrte dieser ihn auch schon hinter sich her zur Tür hinaus, während die enttäuschte Tifa das Nachsehen hatte.
 

Zwei Stunden später war Cloud immer noch im Geschäftsviertel der Innenstadt unterwegs, so bepackt mit Tüten und Paketen, dass er aussah wie ein Lasten-Chocobo. Neben ihm her schritt Reno, der im Gegensatz zu Cloud kein bisschen erschöpft aussah und immerhin den Anstand hatte, zwei von den kleineren Tüten selbst zu tragen. Cloud verfluchte seine Dummheit, Reno nicht gefragt zu haben, wofür dieser seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Er hatte sich inzwischen der traurigen Erkenntnis stellen müssen, dass Einkaufen mit Reno genauso anstrengend war wie mit Tifa.
 

„Hey, Cloud, da vorne ist dieser neue Klamottenladen, der zurzeit total angesagt ist! Da gehen wir rein. Ich möchte ein paar neue Outfits anprobieren, und du sagst mir dann, was du davon hältst. Du könntest übrigens auch ein paar neue Klamotten gebrauchen. Ich werde gleich mal nachsehen, ob für dich nicht auch was dabei ist.“
 

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Cid / Rufus / Lebensstrom
 

Cid Highwind war eine Legende. Er galt als einer der besten Piloten, die es je gab, und war als einer der ersten Menschen zu den Sternen geflogen. Er war ein Mysterium, denn vieles aus seinem Leben war den Leuten nicht bekannt, obwohl sich durchaus einige sehr neugierige Leute, wie zum Beispiel Reporter aber auch Geschichtsforscher, um eine Biografie dieses großartigen Piloten bemüht hatten. Cid Highwind war eine sehr private Person, auch wenn sein oftmals ruppiges Verhalten darüber hinweg täuschen konnte. Und er selbst wusste am besten, wie gut es war, dass er seine Geheimnisse für sich behielt.
 

Jetzt, wo er sich nach vielen Jahren eines erfüllten und abenteuerreichen Lebens darauf vorbereitete, sich mit dem Lebensstrom zu vereinen, erlaubte er sich den Luxus, in seinen Erinnerungen zu schwelgen und jene Geheimnisse, die er so gut bewahrt hatte, vor sich selbst auszubreiten. Er hatte Shera geheiratet, obwohl er eigentlich gedacht hatte, ein eingefleischter Junggeselle zu sein. Und die Tochter, die aus dieser Verbindung entstand, war Cids Stolz und Augenstern. Sie war den Fußstapfen ihres Vaters gefolgt und Pilotin geworden, eine verdammt Gute sogar, die wenn in Rage genauso gut fluchen konnte wie Cid selbst. Shera selbst hatte Cid leider schon vor einigen Jahren zu Grabe tragen müssen. Gott, er hatte Shera wirklich geliebt, er hatte sogar eins seiner Luftschiffe nach ihr benannt. Aber sie war nicht seine erste große Liebe gewesen.
 

Cids Gedanken kehrten noch weiter in seine Vergangenheit zurück, in eine Zeit, die so glücklich und gleichzeitig so schmerzlich gewesen war, dass er sich manchmal fragte, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er sie ganz vergessen hätte. Aber niemand vergaß seine erste große Liebe. Er erinnerte sich noch ganz genau, wie er Bianca das erste Mal gesehen hatte. ShinRa hatte sein Weltraumprogramm gestartet, und sie war mit anderen Vertretern von ShinRa nach Rocket Town gekommen, um endlich einmal aus Midgar herauszukommen, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht hatte. Unter all den Leuten, die sich selbst viel zu wichtig nahmen, war sie ihm sofort aufgefallen. Ihre blonden Locken und die fröhlich funkelnden blauen Augen sowie das freundliche Lächeln waren ein starker Kontrast zu den Wichtigtuern aus ShinRas Forschungsabteilung gewesen. Sie hatten sich sehr gut verstanden, trotz seines rauen Charakters und der Tatsache, dass Bianca von der obersten Plattform von Midgar stammte und damit einer Gesellschaftsschicht angehörte, zu der Cid normalerweise keinen Zugang hatte. Doch das störte sie beide nicht, sie verliebten sich ineinander. Und Cid war sich bis heute nicht sicher, ob das nun ein Fehler gewesen war oder nicht.
 

Er und Bianca hatten sich ohne jeden Zweifel geliebt, sie waren glücklich gewesen für die wenigen Stunden, die sie unbemerkt zusammen verbringen konnten. Aber das Wissen, dass ihre Zeit zu zweit nur von kurzer Dauer sein würde, hatte wie ein Damoklesschwert über ihrem Glück gehangen. Es gab keine gemeinsame Zukunft für sie, denn Bianca war verheiratet. Die Ehe war arrangiert gewesen und hatte einen großen gesellschaftlichen Aufstieg für Bianca und ihre Familie bedeutet. Und Bianca erfüllte ihre Pflicht als Tochter eines vornehmen Hauses, sie blieb an der Seite ihres ungeliebten Ehemannes. Cid konnte es ihr nicht verübeln, auch wenn es ihm damals das Herz brach. Er wäre mit ihr ans Ende der Welt geflohen, wenn sie nur ja gesagt hätte, doch selbst er wusste damals schon, dass das Ende der Welt nicht weit genug sein würde, um ihrem Ehemann zu entfliehen. So wie die Dinge standen, befanden sie sich bereits beide in Gefahr aufgrund ihrer Affäre. Niemand legte sich mit Präsident Shinra an, und man schlief schon gar nicht ungestraft mit seiner Frau!
 

Als Bianca zurück nach Midgar ging, verschwand sie für immer aus Cids Leben. Neun Monate später brachte sie ihren Sohn Rufus zur Welt. Cid verfolgte unauffällig aus der Ferne den weiteren Werdegang von Bianca und Rufus. Biancas Tod traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Es war noch schlimmer als die Einstellung des Weltraumprogramms, die ShinRa später verkündete. Cid brauchte lange, um sich von beiden Schicksalsschlägen zu erholen. Jetzt am Ende seines Lebens fragte er sich, ob er vielleicht etwas an den Geschehnissen in seinem Leben hätte ändern können, wenn er etwas anders gemacht hätte. Als Biancas Ehemann Präsident Shinra von Sephiroth ermordet wurde, war ihr Sohn Rufus Präsident geworden, und er tat, was ihm beigebracht worden war – er folgte in den Fußstapfen des vorherigen Präsidenten, regierte über ShinRa wie über ein Königreich, ohne Rücksicht oder Skrupel. Cid fragte sich manchmal, ob der Junge auch so geworden wäre, wenn er ein anderes Vorbild gehabt hätte als den alten Präsident Shinra. Aber diese Frage war nun unwichtig. Weder der alte Präsident Shinra noch Rufus oder irgendjemand anderes hatten je die Wahrheit erfahren. Bianca hatte das Geheimnis mit ins Grab genommen, und Cid würde das Gleiche tun. Es war nun ohnehin zu spät.
 

Und als das Leben aus Cids Körper wich und er sich mit dem Lebensstrom vereinte, wünschte Cid seinen Kindern alles Gute in der Welt, seiner Tochter Alina und seinem Sohn Rufus.
 

(Anmerkung: Im Spiel FF7 ist Cid 32 Jahre alt und Rufus ist irgendwas um die 20 Jahre. Das war mir leider entfallen, als ich die oben stehende Momentaufnahme schrieb. Einigen wir uns einfach darauf, dass Cid in dieser kleinen Story älter ist – alt genug, um Rufus’ Vater zu sein.)
 

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Reeve / Rude / Telefon
 

Rude war ein schweigsamer Mensch, der zwar durchaus die Gesellschaft anderer Menschen genoss, selbst aber nie viel sprach. Er erzählte auch nie aus seinem Privatleben, was einige Leute dazu brachte anzunehmen, er habe überhaupt kein Privatleben, sondern sei einer dieser Workaholics, die nur für ihre Arbeit lebten. Umso überraschender war es für Rude, an einem Morgen wie gewöhnlich ins Büro der Turks zu kommen und festzustellen, dass eines seiner am besten gehüteten Geheimnisse aufgeflogen war. Alle Turks wussten über seine Beziehung zu Reeve Bescheid! Rude hatte keine Ahnung, wie sie es herausbekommen hatten, dass Reeve und er ein Liebespaar waren. Als Turk hatte er viele Feinde, und um Reeve nicht zur Zielscheibe für Racheakte zu machen, die eigentlich ihm galten, hatte er stets darauf geachtet, dass sie nicht zusammen gesehen wurden. Nicht einmal den anderen Turks hatte er von Reeve erzählt. Sie hatten bis heute nicht einmal gewusst, dass er sich auch für Männer interessierte, oder dass Reeve den Annäherungsversuchen eines anderen Mannes nicht abgeneigt war. Wie also war er aufgeflogen? Hatte vielleicht Reeve einen Fehler gemacht? Aber Reeve war ein vorsichtiger Mann, der ebenfalls nie über sein Privatleben plauderte. Irgendwie konnte sich Rude nicht vorstellen, dass ihm ein solcher Fehler unterlief.
 

Während Rude an seinem Schreibtisch saß und seine Arbeit machte, überlegte er hin und her, wie das geschehen konnte. Aber die einzigen Ergebnisse, zu denen er kam, waren, dass er immer noch keine Ahnung hatte, wie die anderen Turks es erfahren konnten, und dass er Reno zu einem Sonderkampftraining bitten würde, wenn sein Partner nicht bald aufhörte, schmutzige Zoten von sich zu geben, deren Ziel mehr oder weniger direkt Rude und Reeve waren. Selbst Elena, die schon einiges als Turk erlebt hatte, das für sittsame Augen und Ohren ganz gewiss nicht bestimmt war, trieben seine Sprüche bereits die Röte ins Gesicht.
 

Rudes Gedanken wurden unterbrochen, als Tseng an seinen Schreibtisch trat. Für andere mochte Tseng so ernst wie immer aussehen, aber Rudes geschulter Blick bemerkte das belustigte Funkeln in seinen Augen und das leichte Zucken in seinen Mundwinkeln, das darauf hindeutete, dass er ein Lächeln oder sogar ein Lachen unterdrückte.

„Rude“, begann Tseng, „als Turk musst du immer erreichbar sein. Ich muss dich daher leider daran erinnern, dass das Handy, das du bei dir trägst, immer eingeschaltet sein muss. Die einzige Ausnahme sind Einsätze, wie du sehr wohl weißt.“
 

„Aber ich habe mein Handy doch eingeschaltet“, antwortete Rude verwirrt. Er kannte die Regeln ganz genau und befolgte sie auch.
 

„Ich weiß, dass dein Handy eingeschaltet ist. Ich habe die Nummer heute Morgen schon angewählt, genau wie Elena und Reno“, antwortete Tseng, und diesmal zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. Rude dagegen war verwirrt, denn das Handy in seiner Brusttasche hatte heute noch nicht einmal geklingelt. Wie konnten seine Kameraden da mit ihm telefoniert haben?
 

„Aber das Handy, das du bei dir trägst, ist nicht eingeschaltet“, fuhr Tseng fort.
 

„Huh?“, kam es von Rude wenig intelligent.
 

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Büro der Turks, und Reeve kam herein. Ein wenig zögernd durchquerte er das Büro, sich der amüsierten Blicke von Tseng, Reno und Elena wohl bewusst, die er mit seinem Auftauchen auf sich gezogen hatte. Er blieb vor Rudes Schreibtisch stehen, und nach einem kurzen Seitenblick auf Tseng legte er ein Handy vor Rude auf den Tisch und sagte: „Hallo, Rude. Du hast heute Morgen dein Handy bei mir vergessen und stattdessen aus Versehen das meine eingesteckt. Ich konnte dich leider nicht anrufen, weil mein Handy ausgeschaltet ist.“
 

Rude holte das Handy aus seiner Brusttasche und warf einen Blick darauf. Es war dasselbe Modell wie sein eigenes, und es war ausgeschaltet. Ohne ein weiteres Wort reichte er es Reeve, der es entgegennahm. Ihre Finger berührten sich, und war das Elena, die da im Hintergrund ein Kichern zu unterdrücken versuchte, oder doch eher Reno?

Reeves Gesicht rötete sich ein wenig. „Ich sehe dich heute Mittag, okay?“, flüsterte er Rude zu. Rude nickte nur, und Reeve hatte es sehr eilig, das Büro der Turks zu verlassen.
 

Kaum war er weg und Tseng hatte sich wieder seinen eigenen Arbeiten zugewandt, hörte Rude hinter sich Reno leise singen: „Rude und Reeve sitzen auf einem Baum…“ Diesmal kämpfte Elena vergeblich gegen ihren Lachreiz, doch Rude zeigte sich unbeeindruckt. Aber gleich nach dem Mittagessen mit Reeve würde er zu Tseng gehen und ihm vorschlagen, Reno zu einem Sondertraining einzuteilen, mit Rude als seinen Trainer.
 

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Barret / Dyne / Flüstern
 

Seit der Zerstörung seiner Heimatstadt durch ShinRa wurde Barret von Schuldgefühlen geplagt. Sie begleiteten ihn durch sein Leben und trieben ihn erbarmungslos vorwärts. Die Schuld, ShinRas falsches Spiel nicht durchschaut zu haben, bis es zu spät war. Die Schuld, einer der wenigen Überlebenden seiner Heimatstadt gewesen zu sein, während so viele andere unverdient den Tod fanden. Die Schuld, die er fühlte, wenn Marlene ihn „Papa“ nannte, obwohl sie doch Dynes Tochter war. Die Schuld, die fast unerträglich wurde, wenn er daran dachte, dass Dyne seine Tochter nicht aufwachsen sehen würde.
 

Er schwor sich selbst, er würde alles wieder gut machen. Er gründete Avalanche, um ShinRas böse Taten zu rächen und den Planeten zu schützen. Er kümmerte sich aufopferungsvoll um Marlene. Er half dabei, Sephiroth und ShinRa zu besiegen, und danach baute er seine Heimatstadt wieder auf. Er tat sein Bestes, um Abbitte zu leisten. Doch die Dämonen seiner Vergangenheit ließen ihn nicht in Ruhe. Selbst als er Marlene zum Traualtar führte, hörte er eine böse Stimme in seinem Herzen flüstern, dass Dyne seine Tochter ihrem künftigen Ehemann hätte übergeben sollen. Wenn Dyne damals doch nur überlebt und Barret an seiner Stelle gestorben wäre…
 

Es sollte erst viele Jahre nach dem Sieg über Sephiroth geschehen, dass Barret hinauf in die Berge ging. Dorthin, wo sein und Dynes Lieblingsplatz gewesen war, ein Ort, von dem er seine wieder aufgebaute Heimatstadt überblicken konnte. Und während Barret auf die friedliche Stadt hinab sah, hörte er im Wind Dynes Stimme flüstern: „Ich vergebe dir.“ Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Barret wieder den Frieden in seinem Herzen, den er für immer verloren geglaubt hatte.
 

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Sephiroth / Reno / Flüstern
 

Reno rannte so schnell er nur konnte, und da er ein Turk und damit sehr trainiert war, war das verdammt schnell. Er flog förmlich über die Straße, bog haarscharf um Ecken und wich blitzschnell Passanten aus. Und während die unglücklichen Spaziergänger noch erschrocken zusammen fuhren, war er schon längst wieder verschwunden, ein blauer Schemen, dessen schnell verklingende Schritte alles waren, an das sich die Passanten erinnern konnten.
 

Reno fühlte sich, als habe er bereits halb Midgar durchquert. Sein Herz raste, und seine Beine fühlten sich langsam immer schwerer an. Er rannte schon viel zu lange mit Höchstgeschwindigkeit, aber er wollte nicht anhalten. Es war für einen Turk ein äußerst seltenes Gefühl, das ihn vorwärts trieb. Es war Angst. Reno wäre bis ans Ende der Welt gerannt, wenn er diesem Gefühl und seiner Ursache dadurch hätte entkommen können. Aber er wusste, er konnte nicht fliehen. Nicht vor dem, was er in seinem eigenen Körper trug. Nicht vor dem, was er selbst war. Und so blieb er schließlich doch stehen, in einer engen menschenleeren Gasse irgendwo in den Slums von Midgar. Keuchend lehnte er an der Wand, und er zuckte überrascht zusammen, als sein Handy klingelte. Es war ein weiteres Zeichen, wie aufgeregt er war, denn normalerweise hätte ihn das Klingeln seines Handys nie aus der Ruhe gebracht.
 

„Hier Reno“, meldete er sich.
 

„Hier Tseng“, hörte er die ihm so vertraute Stimme des Anführers der Turks. Einen Moment schien Tseng zu zögern, dann fragte er: „Du klingst etwas außer Atem, Reno. Stimmt was nicht?“
 

Reno versuchte, seine Atmung wieder besser unter Kontrolle zu bringen. „Bin nur ein wenig gerannt, Boss. Alles Bestens.“ Er war sich nicht sicher, ob Tseng es ihm abkaufte, aber sein Boss antwortete nur: „Gut. Wir haben in einer Stunde eine Konferenz im ShinRa-Hauptquartier. Sei bitte pünktlich, der Präsident wird auch da sein.“
 

„Okay.“ Reno hörte das Klicken in der Leitung, nachdem er bestätigt hatte, legte ebenfalls auf und steckte sein Handy wieder weg. Sein Herzschlag war nun fast wieder normal, und zum nächsten Bahnhof war es nicht weit. Reno wandte sich zum Gehen, doch gerade als er die Gasse verlassen wollte, hörte er eine Stimme, die er für die von Sephiroth hielt, in seinem Kopf flüstern: „Du kannst nicht davon laufen, Bruder. Auch du bist eines von Jenovas Kindern.“
 

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Reeve / Vincent / Schwerter
 

Nach allem, was geschehen war, wunderte es Vincent nicht besonders, als Reeve zu ihm kam und ihn bat, ihm das Kämpfen beizubringen. Er war lediglich verwundert darüber, dass Reeve ausgerechnet ihn fragte, ob er sein Lehrer sein wolle. Reeve gestand ihm, dass er vorher schon andere gefragt hatte, aber sie waren entweder zu beschäftigt oder hatten über seine Frage lachen müssen. Reeve und kämpfen? Offenbar konnten sich das viele nicht vorstellen. Für sie war Reeve ein Büroangestellter im Anzug, der hinter seinem Schreibtisch saß und sich höchstens durch seine Akten kämpfte. Dass er Cait Sith gesteuert hatte, zählte für viele nicht so sehr. Immerhin hatte er Cait Sith aus der Ferne gesteuert, riskierte also beim Kämpfen keine Verletzungen an sich selbst oder gar den Tod.
 

Vincent sah das anders. Reeve hatte viel riskiert und sich gegen ShinRa gestellt, obwohl er vom Kämpfen nicht viel Ahnung hatte. Er hatte sich auf andere Fähigkeiten verlassen. Anstelle von Kraft hatte er seine Intelligenz benutzt. Und er war ein äußerst nützliches Mitglied ihrer Gruppe geworden. Aber als Kadaj und seine beiden Brüder auftauchten, war Reeve wieder schutzlos gewesen. Er hatte Cait Sith reaktivieren müssen, um sich selbst und andere zu schützen. Es war verständlich, dass Reeve nach diesen Erfahrungen lernen wollte, wie er sich auch ohne Cait Sith wehren konnte. Denn wenn der Angreifer erst einmal im selben Raum war wie Reeve, dann würde ihm Cait Sith als ferngesteuerte Waffe unter Umständen auch nicht mehr helfen können.
 

Vincent begann also, Reeve zu trainieren, und wie er es bereits vermutet hatte, wurde er nicht enttäuscht. Reeve hatte einen eisernen Willen, und was ihm an Kraft fehlte, glich er durch Entschlossenheit aus. Was Vincent jedoch überraschte, war die Wahl seiner Waffen. Reeve wählte keine Schusswaffe, die eigentlich für ihn die offensichtlichste Wahl gewesen wäre. Er wählte für sich eine weit ältere, traditionsreichere Waffe, deren Umgang sowohl Präzision als auch Körperbeherrschung und damit viel Übung erforderte. Und wieder enttäuschte er Vincent nicht. Innerhalb eines Jahres führte er seine Waffen mit sicherem Griff durch die Übungen seines Trainers, seine Bewegungen elegant und selbstsicher, die Samuraischwerter, das lange Katana und das kleinere Wakizashi, fest in den Händen haltend.
 

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Reno / Zack / Tempel
 

Reno fluchte, als er durch die endlos erscheinenden Gänge des Tempels rannte. Die Turks hatten den verletzten Tseng aus dem Tempel geborgen, und während Rude und Elena ihren Anführer wegbrachten, war Reno allein in den Tempel eingedrungen, um Clouds Gruppe zu verfolgen. Das war ein Fehler gewesen, wie Reno sich nun eingestehen musste. Zwar hatte er in Erfahrung bringen können, dass die schwarze Materia sich wohl irgendwo im Tempel befand, aber um sie zu erhalten, musste der Tempel und alles, was sich darin aufhielt, zerstört werden. Und Clouds Gruppe war gerade dabei, das zu tun. Nur Schade, dass sie nicht wussten, dass sich noch jemand im Tempel aufhielt, und dieser jemand war Reno.
 

Der Tempel erbebte erneut, und fast hätte Reno sein Gleichgewicht verloren. Er bemühte sich, noch schneller zu rennen. Doch selbst seine Schnelligkeit würde ihn nicht retten, falls er nicht bald einen Ausgang fand. Aber egal wohin sich Reno wandte, die Gänge um ihn herum sahen alle gleich aus, und die Räume, die er betrat, führten nur zu noch mehr Gängen. So langsam fragte sich Reno, ob dieser Tempel sein Grab werden würde. Er schüttelte über sich selbst den Kopf und verdrängte diesen Gedanken. Er war nicht der Typ, der jemals aufgab, und er würde sich auch diesmal nicht unterkriegen lassen.
 

Wieder kam er in einen Raum mit unzähligen Gängen, die hinausführten. Welchen sollte er nehmen? Sein Leben hing davon ab!
 

„Hey!“
 

Der Ruf kam plötzlich und völlig unerwartet. Reno sah überrascht in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Für einen Moment sah er in einem der Gänge eine Gestalt stehen, gekleidet in die Uniform eines SOLDIERS von ShinRa, blaue Augen, die in ihren Tiefen ein vergnügtes Funkeln bargen, und rabenschwarzes Haar. ‚Zack?!’ Der Name durchfuhr Reno wie ein Blitz. Doch bevor er den Mann im Zwielicht des Ganges richtig sehen konnte, wandte dieser sich ab und verschwand in dem Gang. Reno machte ein paar zögernde Schritte, dann rannte er los, genau in den Gang, in dem der Mann, der Zack so ähnlich sah, verschwunden war. Renos Verstand sagte ihm, dass es unmöglich war, dass dies nicht sein einstiger Freund Zack sein konnte. Reno hatte Zack gut gekannt, aber Zack war tot, getötet von ShinRa. Vielleicht hatte er Halluzinationen. Aber spielte es wirklich eine Rolle? Dieser Gang war so gut wie jeder andere.
 

Vor sich sah Reno eine Gabelung auftauchen, und wieder stand dort dieser Mann – und ja, es war tatsächlich Zack! – und bog seelenruhig nach rechts ein. Und Reno folgte ihm. Er folgte diesem Mann, um ihn einzuholen, um ihn zu fragen, ob er wirklich Zack war. Aber egal wie schnell er rannte, er war nicht schnell genug. Obwohl Zack sich gar nicht zu beeilen schien, war er immer weit vor Reno, gerade so weit entfernt, dass Reno sehen konnte, wo Zack entlangging, und ihm folgen konnte. Und dann stand Reno in einem großen Raum, und nirgends war ein Gang oder Zack zu sehen.
 

„Reno.“
 

Reno hob den Kopf, und da war Zack. Er stand in einer Öffnung in der Wand gut vier Meter über dem Boden, die Reno zuerst nicht gesehen hatte, und schien auf ihn zu warten. Hinter Zacks Gestalt fiel Sonnenlicht in den Raum, es war ein Ausgang aus dem Tempel. Zack lächelte Reno an, und dann trat er hinaus und verschwand aus Renos Sicht. Reno rannte zu der Öffnung. Gleich unter ihr waren in einer Art primitiver Leiter Stufen aus der Wand geschlagen worden. Reno kletterte hinauf und stand im Freien. Hinter ihm erzitterte und bebte der Tempel wie ein riesiges Tier im Todeskampf. Reno rannte weiter in den Wald hinein, um sich im Schutz der Bäume erst einmal zu verbergen. Aber auf dem Weg dorthin und während er sich in den Schutz eines großen Baumes duckte, suchten seine Augen ununterbrochen nach Zack. Doch sein Freund war nirgendwo zu entdecken. Er war tot, erinnerte sich Reno, tot und begraben.
 

Reno rutschte mit dem Rücken am Stamm des Baumes nach unten, bis er auf dem Boden saß, und richtete seinen Blick zum Blätterdach weit über ihm. „Danke, Zack“, flüsterte er.
 

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Rufus / Reno / Reißverschluss
 

Rude schritt durch die Gänge des ShinRa-Gebäudes auf der Suche nach Rufus Shinra. Im Festsaal fand eine Party statt, und als Gastgeber sollte Rufus eigentlich nicht fehlen. Doch der junge Präsident war schon seit einer Weile abwesend, lange genug, um Tseng zu veranlassen, Rude loszuschicken, um nach dem Rechten zu sehen. Und wenn Rude es so überdachte, seinen Partner Reno hatte er auch schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen.
 

Als er sich im oberen Stockwerk, wo sich nur wenige Leute hinverirrten, befand, hörte er Stimmen, die ihm vertraut waren. Er ging noch ein paar Meter den Gang hinunter, bis er vor der Tür der Herrentoilette anhielt. Jetzt hörte er eine der Stimmen ganz deutlich, und es war Präsident Rufus Shinra: „Wenn du es auch nicht kannst, dann lass es mich lieber wieder machen.“
 

„Unsinn, natürlich kann ich es. Halt nur still, ich hab’ es sicher gleich.“ Das war ohne Zweifel Reno. Rude wollte schon die Hand heben und an die Türe klopfen, als ihn die nächsten Worte inne halten ließen.
 

„Sei gefälligst vorsichtig da unten. Du klemmst mir noch mein edelstes Teil ein.“
 

„Der Präsident als Kastrat. Autsch! War doch nur ein Witz, Boss. Kein Grund, mir eine Kopfnuss zu verpassen.“
 

„Wenn du noch lange mit meinem Reißverschluss herumhantierst, wird Tseng uns noch vermissen. Glaubst du, ich will in der Toilette mit dir erwischt werden?“
 

„Ich hab’s gleich, Boss. Ehrenwort. Aber das ist ja wirklich ein widerspenstiges kleines Ding.“
 

Rude debattierte kurzfristig mit sich selbst, ob er die Tür öffnen sollte oder besser nicht, entschied sich dann aber doch für Ersteres. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen drückte er die Türklinge nach unten und gab der Tür einen leichten Stoß. Langsam schwang die Tür nach innen und gab den Blick auf Rufus Shinra frei, der mit weit aufgerissenen Augen und einem blassen Gesicht die Gestalt von Rude in der Türöffnung anstarrte. Vor dem Präsidenten kniete Reno, beide Hände am offenen Reißverschluss von Rufus’ Hose. Auch er starrte Rude an, und sein Gesichtsausdruck war praktisch identisch mit dem von Rufus. Rude trat ein, schloss die Tür hinter sich und blieb unbewegt und mit stoischem Gesichtsausdruck vor den beiden jungen Männern stehen.
 

Trotz Renos Turk-Training war es der Präsident, der als Erster die Fassung zurück gewann. Sein Mund schloss sich ein-, zweimal, ohne dass ein Laut herauskam, und eine leichte Röte überzog sein zuvor so blasses Gesicht, dann sagte er: „Es ist nicht das, wonach es aussieht.“
 

„Kein Witz!“, platzte es aus Reno heraus, dessen Wangen inzwischen fast so rot wie seine Haare waren. „Der blöde Reißverschluss hat sich verhakt.“ Und damit widmete er sich wieder seiner vorherigen Aufgabe, nämlich zu versuchen, den Reißverschluss wieder zu lösen.
 

Rufus hatte mittlerweile die Augen geschlossen, um nicht mehr sehen zu müssen, wie Rude vor der Tür stand und ihnen zusah. Seine Stimme klang etwas gepresst, als er sagte: „Vielleicht sollte ich es doch lieber alleine machen.“
 

„Ich sage dir, ich habe es gleich. Ich muss hier nur ein wenig zerren, und mit sanfter Gewalt…“ Ratsch! Das kurze, aber überraschend laute Geräusch von reißendem Stoff veranlasste Rufus, seine Augen wieder zu öffnen.
 

„Du hast es also gleich, ja? Das sehe ich.“ Rufus betrachtete mit einer Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung seinen nun kaputten Reißverschluss, der sich mit Sicherheit nicht mehr schließen lassen würde.
 

„Verdammter Mist.“ Renos Fluch fehlte das übliche Feuer, er wirkte eher niedergeschlagen.
 

Ohne ein weiteres Wort zog Rufus seinen Hosenbund ein Stückchen höher und knöpfte dann sein Jackett ordentlich zu. Wenn er stillstand, sah man den kaputten Reißverschluss an seiner Hose nicht, doch sowohl Rufus wie auch die beiden Turks wussten, wenn sich der Präsident bewegte, würde sich über kurz oder lang der Schaden nicht länger verbergen lassen.
 

Rufus richtete seinen Blick auf die beiden Turks. „So, und wer von euch rennt jetzt los und holt mir schnellstmöglich eine neue Hose aus meinem Schrank?“
 

„Das mache ich, Boss. Ich bin am Schnellsten“, antwortete Reno und wandte sich zum Gehen.
 

„Und was hast du hier eigentlich zu suchen, Rude?“, fragte Rufus, und Reno verhielt für einen Moment, um die Antwort seines Partners zu hören.
 

„Tseng hat mich auf die Suche nach Ihnen gesandt, Präsident Shinra. Ihre Gäste vermissen Sie bereits.“
 

Reno stöhnte leise und drückte sich so schnell wie möglich an Rude vorbei zur Tür hinaus, um Rufus eine neue Hose zu holen. Der Präsident atmete einmal tief ein und aus, dann wandte er sich mit strengem Blick an Rude: „Kein Wort davon zu Tseng, verstanden? Oder zu sonst irgendjemandem.“
 

„Sehr wohl, Sir“, antwortete Rude, ohne sich seine Belustigung auch nur im Geringsten anmerken zu lassen.
 

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Barret / Präsident Shinra / Vergangenheit
 

Als Barret noch ein Kind war, hatte seine Familie einmal Urlaub in Costa del Sol gemacht. Costa del Sol war damals schon ein typischer Urlaubsort gewesen, aber noch nicht so teuer, und da die Stadt auf der anderen Seite des Gebirges lag, auch nicht gar zu weit weg von seiner Heimatstadt. Allerdings waren sie außerhalb der normalen Urlaubssaison dort, und es gab kaum andere Kinder in Barrets Alter. Er war damals erst sieben oder acht Jahre alt gewesen. Nur ein einziger anderer Junge, wenn auch einige Jahre älter als Barret, war noch in Costa del Sol, ansonsten schien es nur Erwachsene oder Mädchen zu geben. Barret fand die Erwachsenen langweilig und die Mädchen doof. Der andere Junge war zwar um einiges älter als er, schien aber noch am interessantesten von allen Leuten hier zu sein. Aber Barret traute sich nicht so recht, ihn anzusprechen. Dieser Junge war offenbar reich. Er trug vornehme Kleidung und wohnte in einer großen Villa. Und sein Benehmen wirkte arrogant, was Barret einschüchterte. Also spielte er allein, auch wenn er sich ab und zu fragte, ob der andere Junge wohl Spaß daran hätte, zusammen mit ihm Sandburgen zu bauen oder Muscheln zu suchen.
 

Barret spielte wieder einmal allein am Strand. Er hatte sich von dem durch Touristen und Einheimische benutzten Teil des Strandes ein wenig zurückgezogen, weil dort so viele Mädchen herumrannten, und er wollte nicht gefragt werden, ob er mit ihnen und ihren Puppen spielen wollte. Seine Eltern würden es fertigbringen und für ihn ja sagen. Stattdessen spielte er auf einigen Felsen, die ins Meer hineinragten. Dort war er noch in Sichtweite seiner am Strand ruhenden Eltern, aber trotzdem für sich. Barret beugte sich über den Felsenrand, um ins Wasser sehen zu können. Er konnte bis auf den Grund sehen, und dort lag eine so schöne Muschel. Aber das Meer war hier tief, bestimmt fast zwei Meter. Barret beugte sich noch ein wenig weiter vor, um zu sehen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, an die Muschel zu kommen. Seine Mutter würde sich bestimmt freuen, wenn er ihr die Muschel brachte.
 

Der Felsenrand war mit Algen bewachsen und wurde von Meereswellen umspült. Er war glitschig und nicht dafür geeignet, einem kleinen Jungen halt zu geben. Barret fühlte, wie er rutschte, und versuchte, sich noch irgendwo festzuhalten. Aber es war schon zu spät. Sein kleiner Körper verlor den Halt, und mit einem erschrockenen Schrei stürzte er kopfüber in das für ihn viel zu tiefe Wasser. Und Barret konnte nicht schwimmen! Wild schlugen seine kleinen Arme und Beine um sich. Sein Körper drehte sich im Wasser, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Er brauchte Luft, er hatte Angst! Irgendetwas Großes schlug neben Barret ins Wasser ein, und Barret öffnete den Mund, um vor Angst zu schreien. Das Meerwasser drang erbarmungslos ein, brachte keine Atemluft, nur den Geschmack nach Algen und Salz. Barrets Bewegungen wurden schon schwächer, da packten ihn zwei Arme um die Mitte und zogen ihn nach oben. Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und Barrets Körper versuchte zur gleichen Zeit, das Salzwasser aus seinem Mund zu würgen und Luft zu holen. Jemand zog ihn mit sich auf die Felsen hinauf und hielt ihn fest. Barret zog hastig Luft in seine Lungen, und als er sich wieder einigermaßen erholt hatte, blickte er zu seinem Retter, der nun neben ihm auf dem Felsen saß.
 

Es war der blonde Junge, den er sich nicht getraut hatte anzusprechen. Sein teurer Anzug war durch das Salzwasser ruiniert, und aus der Nähe betrachtet schien er sogar noch ein wenig älter zu sein als Barret ihn geschätzt hatte. Eigentlich kein Junge mehr, sondern ein junger Mann. Aber er grinste Barret fast schon ein wenig vergnügt an. Vielleicht war er froh, dass Barret nichts passiert zu sein schien, vielleicht war er stolz darauf, ihn gerettet zu haben, oder es war eine Mischung aus beidem. Jedenfalls wirkte er jetzt nicht mehr so arrogant.

„Warum spielst du denn so nah am Wasser, wenn du nicht schwimmen kannst?“, fragte er.
 

„Da ist so eine schöne Muschel…“, begann Barret, brach dann aber ab. Plötzlich kam er sich unglaublich dumm vor. Wegen einer albernen Muschel war er ins Wasser gefallen, und der andere Junge hatte Recht, Barret konnte nicht schwimmen.
 

Der blonde Junge sah hinab ins Wasser, dann sprang er plötzlich wieder hinein. Sein Kopf tauchte unter, und für einen Moment durchfuhr Barret ein furchtbarer Schreck, war sein eigenes schreckliches Erlebnis mit dem Wasser doch erst wenige Momente her. Aber der andere tauchte schon wenige Sekunden später wieder auf, die schöne Muschel, die für den ganzen Ärger mitverantwortlich war, in seiner Hand haltend. Er reichte sie Barret.

„Hier, bevor du deswegen noch einmal ins Wasser fällst“, meinte er lachend.
 

Barret nahm die Muschel, und ein nach dem Schrecken der letzten Minuten etwas zögerliches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Vielen Dank. Ich heiße übrigens Barret“, stellte er sich vor.
 

„Mein Name ist Robert“, erwiderte sein Retter.
 

Es war der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei völlig unterschiedlichen Menschen. Robert war reich, und er war auch recht arrogant. Aber er war sich nicht zu fein, sich mit Barret zu treffen und mit ihm Muscheln zu suchen oder Sandburgen zu bauen. Er brachte Barret sogar das Schwimmen bei. Dennoch war zumindest Robert von Anfang an klar, dass diese Freundschaft nur einen einzigen Sommerurlaub anhalten würde. Als Barret mit seinen Eltern zurück nach Hause musste, winkte er Robert zum Abschied noch zu. Aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, seinen Freund nach seinem vollständigen Namen zu fragen. Er war ein Kind, an solche Dinge dachte er nicht. Und Robert war zu realistisch, um sich des Altersunterschiedes und auch der sozialen Unterschiede zwischen ihnen nicht bewusst zu sein. Er fragte Barret nie nach seinem vollständigen Namen oder woher er kam. Aber es war ein schöner Sommerurlaub gewesen, das musste sich Robert Shinra lächelnd eingestehen, als er einige Tage später zurück nach Midgar reiste.
 

Jahre später dachten beide nicht mehr an jenen Sommerurlaub und ihren für eine kurze, aber schöne Zeit gefundenen Freund. Dieser Urlaub unter der strahlenden Sonne am Strand von Costa del Sol gehörte schon lange der Vergangenheit an. Und als Barret Wallace, der Gründer von Avalanche, und Robert Shinra, der Präsident der ShinRa Corporation, ihren Kampf miteinander begannen, erkannten sie einander nicht wieder. Die Welt hatte sich verändert, und sie sich mit ihr.
 

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Rude / Yazoo / Alptraum
 

„Einer ist entkommen.“ Tsengs Stimme, die über Funk leicht verzerrt klang, veranlasste Reno und Rude, von den Steinen, auf denen sie gesessen hatten, aufzuspringen und aus dem Hauseingang des zerstörten Hauses in den Slums von Midgar in den Regen zu starren.
 

„Aber Boss, wir haben doch gesehen, wie Cloud diesen Typen den Rest gegeben hat“, argumentierte Reno über sein Handy, aber entgegen seiner Worte hielt er wachsam Ausschau nach der Gefahr, sein Elektroschockstab einsatzbereit in seiner Hand.
 

Rude konnte jedes Wort über den Lautsprecher des kleinen aber leistungsstarken Handys von Reno mithören, als Tseng erwiderte: „Das war leider ein Irrtum. Der Langhaarige von den Dreien, dieser Yazoo, ist entkommen, und er erholt sich zusehends von seinen Verletzungen. Elena und ich haben ihn gesehen und sind ihm gefolgt. Wir sind im alten Miller-Tunnel, ganz in der Nähe von eurer Position. Ich denke, er versteckt sich hier irgendwo. Ihr kommt besser her. Ich möchte kein Risiko eingehen. Er könnte… Einen Moment mal. Elena? Was ist los?... Elena?... Nein… Elena!“ Tsengs Ruf war noch nicht verklungen, da hatten sich Reno und Rude schon in Bewegung gesetzt und rannten so schnell sie konnten durch den Regen zum alten Miller-Tunnel.
 

„Tseng! Was ist passiert? Melde dich!“, rief Reno in sein Handy, aber niemand antwortete ihm. Die Verbindung schien plötzlich unterbrochen worden zu sein. Reno fluchte und steckte sein Handy weg. Die Entfernung zum Miller-Tunnel betrug etwa einen Kilometer, eigentlich nicht sehr weit, doch in den zerstörten Slums lagen überall Schutt und Geröll auf den Straßen, so dass die beiden Turks langsamer vorankamen als ihnen lieb war. Aber selbst wenn der Weg völlig frei gewesen wäre und sie ein Auto gehabt hätten, so dachte Rude, wäre ihnen das noch zu langsam gewesen. Trotzdem erreichten sie den Tunneleingang in Rekordzeit. Die Sorge um Elena und Tseng trieb sie an. Immerhin waren die Turks ein Team und hielten zusammen. Ein Turk konnte sich nur auf einen Turk wirklich verlassen, außerhalb ihrer Gruppe gab es nicht wirklich jemanden, der einem Turk vertrauen oder ihm gar helfen würde.
 

Sie betraten den Tunnel kampfbereit. Ihre Augen brauchten einige Minuten, um sich an das Zwielicht im Tunnel zu gewöhnen. Obwohl der Tunnel halb zerstört war und überall Löcher in der Decke und den Wänden aufwies, fiel nur wenig Licht herein, denn draußen regnete es noch immer in Strömen, und der Himmel war dementsprechend wolkenverhangen. Als sich ihre Sicht endlich den neuen Lichtverhältnissen angepasst hatte, sahen sie weiter vor sich im Tunnel eine Gestalt liegen.
 

„Oh, nein“, flüsterte Reno. Vorsichtig näherten sie sich dem reglosen Körper, der mit dem Gesicht voran über einem Haufen Steine lag. Es war Tseng. Die Steine unter seinem Körper hatten sich von seinem Blut rot gefärbt. Direkt über ihm war ein Loch in der Tunneldecke, durch das der Regen fiel. Die Tropfen prasselten auf Tsengs Rücken hinunter, flossen über die Steine und sammelten sich um seinen Körper herum in einer großen Lache, deren vorher klares Wasser nun durch das mit dem neuen Wasser kommende Blut verunreinigt wurde.
 

Rude trat näher heran. Er fühlte sich, als würde er sich in einem bösen Traum bewegen. Sorgsam musterte er das Bild vor sich, aber er konnte kaum glauben, was er sah. Er streckte die Hand aus und versuchte, am Hals von Tseng einen Puls zu fühlen, doch da war nichts. Tseng war tot. Rudes Blick fiel auf Tsengs Arme, die er vor sich ausgestreckt hatte, so als wollte er seinen Sturz abfangen. Am rechten Arm war die Hand sauber abgetrennt. Nur noch ein blutiger Stumpf hing hinunter in die Wasserlache. Rude sah sich um und entdeckte Tsengs Hand etwa zwei Meter entfernt auf dem Boden. Die Finger umfassten noch immer den Griff von Tsengs Schusswaffe. Es sah fast aus wie ein geschmackloser Scherzartikel.
 

„Hey, Rude!“, erklang Renos Stimme weiter weg im Tunnel. Rude zuckte zusammen und wandte sich blitzschnell wieder dem Tunnel zu. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass sich Reno von ihm entfernt hatte. Diese Unaufmerksamkeit war sehr leichtsinnig von ihm. Schnell schritt er in die Richtung von Renos Stimme. Für Tseng konnte er nichts mehr tun. Erneut erklang Renos Stimme, und er schien sehr aufgeregt zu sein: „Ich habe Elena gefunden. Sie ist tot. Sie – Yaaargh!“
 

Renos Schrei verstummte abrupt in einem schrecklich anzuhörenden Gurgeln. Rude rannte los. Er konnte nur hoffen, dass er nicht zu spät kam. Vor sich sah er Reno aus den Schatten taumeln, und für einen Moment machte sich Erleichterung in seinem Herzen breit – eine Erleichterung, die jäh erlosch. Reno hob mit letzter Kraft den Kopf, und Rude sah Blut überall an seinem Hals und an seinem einstmals weißen Hemd. Reno öffnete den Mund, um ihm etwas zu sagen, aber nur weiteres Blut kam zwischen seinen Lippen hervorgeflossen wie in einer Art grotesken Fontäne. Dann knickten Renos Beine ein. Sein Körper fiel zu Boden und blieb reglos liegen.
 

Die Auswirkungen eines Schocks begannen, von Rude Besitz zu ergreifen. Er hatte das Gefühl, alles durch die Augen eines anderen zu sehen. Sein Körper bewegte sich wie ferngesteuert. Die Szene vor ihm war so alptraumhaft und wirkte irgendwie unwirklich. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein, oder? Rude starrte auf seinen toten Partner hinunter, seinen Freund, dann hob er den Blick und sah in die Richtung, aus der Reno gekommen war. Sein Verstand weigerte sich zuerst zur Kenntnis zu nehmen, was dort lag. Es war ein Kopf. Der abgetrennte Kopf von Elena. Ihre blonden Locken umspielten das nun geisterhaft blasse Gesicht, und trübe Augen blickten für immer blind in seine Richtung.
 

Rude stand wie zur Salzsäule erstarrt da. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wusste daher nicht, wie lange er so stand. Aber ein Geräusch hinter ihm riss ihn aus seiner Lähmung. Er fuhr herum und sah nun vor sich schwarzes Leder, unheilvoll leuchtende grüne Augen und silberweißes langes Haar. Yazoo stand vor ihm, sein Schwert, dessen Klinge selbst im Halbdunkel gefährlich aufblitzte, hoch über seinen Kopf erhoben. Die Klinge sauste herab, geführt von seinen kraftvollen Armen, direkt auf Rudes ungeschützten Kopf. Rude öffnete den Mund zu einem Schrei und…
 

…setzte sich schweißnass und mit panisch klopfendem Herzen abrupt in seinem Bett auf. Ein gehetzter Blick stand in seinen Augen, und sein Atem ging nur stoßweise, als er sich hektisch umsah.
 

„Hey, Mann, was is’n los?“, murmelte eine schlaftrunkene Stimme zu seiner Linken, und Rude sah hinüber zu dem Bett, in dem Reno nun den Kopf hob, um mit noch immer halbgeschlossenen Augen und überhaupt noch halb im Tiefschlaf steckend zu ihm herüber zu sehen.
 

„Nichts, Reno. Schlaf weiter“, sagte Rude leise.
 

„Hmhm“, kam es von Reno. Er drehte sich auf die andere Seite und war sofort wieder eingeschlafen.
 

Rude sah sich im Zimmer um. Er war jetzt schon ruhiger, obwohl sein Herz immer noch recht schnell klopfte. Das Zimmer war so wie immer. Vier Betten in einem ansonsten kargen Raum mit einer Tür und einem Fenster – die provisorische Unterkunft der Turks, bis sie was Besseres finden konnten. In einem der Betten lag er selbst, in den anderen schliefen Reno und Elena. Nur Tsengs Bett war leer, er hatte Nachtdienst. Rude stand leise auf, um seine beiden Kameraden nicht zu wecken, und trat ans Fenster. Es war immer noch tiefe Nacht über Midgar, aber schräg gegenüber konnte Rude durch erleuchtete Fenster direkt in Tsengs derzeitiges Büro sehen. Der Anführer der Turks schien zu spüren, dass ihn jemand beobachtete, denn er hob den Blick von seinen Akten und sah direkt in Rudes Richtung. Als er seinen untergebenen Turk sah, lächelte er und hob die Hand zu einem kurzen Gruß. Rude erwiderte den Gruß und wandte sich dann ab, um sich wieder in sein Bett zu legen. Er hatte nur einen Alptraum gehabt, es war nur ein schlimmer Traum. Bei der Erinnerung daran fröstelte er und zog sich seine Bettdecke fast bis über den Kopf. Er hoffte, dass er diesen Alptraum möglichst schnell wieder vergessen würde.
 

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Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-08-21T18:41:43+00:00 21.08.2009 20:41
Auch wenn ich das Gefühl habe, dass die einzelnen "Momentaufnahmen" länger geworden sind, muss ich sagen, dass sie nichts von ihrer Präzision verloren haben - kleine Ausschnitte aus einem größerem Geschehen und trotzdem in sich selbst schlüssig.
Am besten gefallen mir die "Momentaufnahmen" mit Barrett - da ich das Originalspile selbst nie gespielt habe, ist es interressant, ein paar Geschichten aus der Zeit, als ShinRa noch an der Macht war zu hören, auch wenn sie nicht canon sind.


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