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The scarred patron saint's little charge

Ein Schutzengel für eine engelsgleiche Tänzerin
von

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Sin City ist ein verdammt heißes Pflaster. Ein falscher Schritt und man handelt sich großen Ärger ein. Irgendjemandem tritt man schließlich immer auf die Füße. Dann landet man entweder lebenslang im Knast oder in einer Kiste sechs Fuß unter der Erde. Fragt mich nicht, was davon schlimmer ist. Und in dieser Stadt liegt eigentlich immer Ärger in der Luft. Besonders wenn ich in der Nähe bin. Zumindest sagt das Lucille, meine Bewährungshelferin.

Lucille ist ein Goldstück. Auch wenn sie nicht versteht, warum ich immer in irgendwelchen Ärger hineingerate. Aber inzwischen schafft sie es ganz gut, mich wieder zusammenzuflicken. Und sie besorgt mir meine Medizin. Ihre Freundin ist schließlich eine Seelenklempnerin. Lucille ist eine Lesbe, Gott allein weiß warum. Bei ihrem Aussehen könnte sie jeden Mann haben.

In Sin City wimmelt es nur von wunderschönen Frauen, die einem den Kopf verdrehen. Sie werden von dieser Stadt angezogen wie Motten vom Licht. Und je engelsgleicher die Ladys sind, desto mehr Ärger haben sie im Gepäck. Das ist so wahr wie das Amen in der Kirche.

Eigentlich müsste Lucille das ja verstehen. Wenn eine Lady meine Hilfe braucht, dann muss ich doch handeln. Keine Zeit nachzudenken, nicht dass Nachdenken meine größte Stärke wäre. Ich setze eher auf schlagkräftigere Argumente, wenn es zum Streit kommt. Und wer spielt nicht gern den verdammten Helden, wenn eine umwerfende Frau in Not ist?
 

Eigentlich war es eine typische Samstagnacht. Seit ein paar Wochen hatte sich die Luft über der Stadt endlich langsam abgekühlt. Die Gemüter der Leute waren aber noch immer überhitzt. Die Stadt hatte sich nach dieser langen Hitze noch nicht beruhigt. Lucille hatte mich erst wenige Tage zuvor wieder zusammenflicken müssen. Und ich musste ihr mal wieder versprechen, mich aus allem Ärger rauszuhalten. Dabei hatte ich es da nicht einmal darauf angelegt.

Aber gut, wenn Lucille meinte, ich solle einen kühlen Kopf bewahren, dann tat ich ihr den Gefallen. Am besten konnte ich bei einem erfrischenden Bier und einer anregenden Show einen kühlen Kopf bewahren. Also ging ich wie sooft in meinem Leben in Kadie’s Club. Die Ladys, die bei Kadie’s arbeiteten, waren eine wahre Augenweide und der Whiskey war einer der Besten.

Die Luft im Club war stickig. Der bläuliche Dunst der Zigaretten vernebelte beinahe den Blick auf die Bühne, auf der ein lebendig gewordener Traum aller Männer gerade mit der Show begann.

Ich nahm direkt an der Bar Platz und reihte mich bei den anderen verdammten Versagern ein, die mit offenem Mund zur Bühne starrten. Nancy, die engelsgleiche Nancy, heizte uns mit ihrem Tanz richtig ein. Das Rot ihrer vollkommenen Lippen, das lange, seidige Haar, die geschmeidigen Bewegungen ihres grazilen Körpers zogen uns noch mehr in ihren Bann. Ein makelloser Engel, der vom Himmel hinabgestiegen war, um für uns zu tanzen. Würden Engel wirklich so aussehen, wären die Kirchen zum Bersten voll.

„Hey Pilger!“ Die süße Shellie kam mit ihrem Tablett auf mich zu und stellte ein kühles Bier neben mir auf die Theke. „Damit du uns nicht verdurstest, Marv.“ Mit einem Zwinkern setzte sie sich wieder in Bewegung, rüber zu einem der Tische.

Shellie ist eines von Dwight’s Mädchen. Er ist ein verdammt smarter Kerl und kriegt immer die schönsten Frauen ab. Wie Mary, das Babe in Rot, oder Ava, die Dame, für die man tötet. Dafür gerät Dwight oft genug in Schwierigkeiten. Aber wenn es hart auf hart kommt, springe ich für ihn in die Bresche. Bei den Friss-oder-stirb-Tagen muss man auf seine Kumpel zählen können.

Das Bier leerte ich in einem Zug und verfolgte dabei Nancy’s Tanz auf der Bühne.

„Junge, diese Nancy ist schon was!“

„Ganz wie du meinst, Marv, ganz wie du meinst.“ Josie, die seit ewigen Zeiten bei Kadie’s arbeitete, langte nach der leeren Bierflasche und schob mir gleich eine neue rüber.

Ich nahm einen Schluck und zündete mir eine Zigarette an. Nancy lief zu Höchstformen auf. Die Absätze ihrer Cowboystiefel knallten auf dem Parkett der Bühne, während sie anmutig tanzte und ihr Lasso durch die Luft sirren ließ.

„Hey Schlampe, komm runter von der Bühne, dann zeig ich dir mal ein paar Tricks mit dem Lasso.“ Der reiche Fatzke und seine drei Kollegen, die an einem Tisch direkt an der Bühne saßen, brüllten vor Lachen. Lauter junge Burschenschaftsbürschchen, denen noch niemand Manieren beigebracht hatte. Einer der Schnösel hielt Shellie am Handgelenk fest und zog sie zu sich, während sie sich lächelnd aus der Umklammerung zu lösen versuchte.

„Macht der Typ dir Ärger, Shellie?“ Ein Wink von ihr und der Kerl könnte in der nächsten Zeit nicht einmal mehr eine Schnabeltasse halten, obwohl er sie dringend bräuchte.

„Schon gut. Der Cowboy macht nur Spaß. Nur keine Sorge, Marv.“ Immer lächeln. Cool bleiben. Das war das Motto der Ladys hier. Inzwischen hatte sie sich von ihm befreit und ging zum nächsten Tisch.

„So eine Stute würde ich gerne mal zureiten. Der würde ich kräftig die Sporen geben.“ Der ganze Tisch grölte und pfiff hinter Shellie her.

Langsam ballte sich meine linke Hand zur Faust, während ich mit der rechten die Bierflasche umklammerte. Ich konnte es noch nie leiden, wenn man so respektlos mit einer Lady sprach. Dazu hatte mich meine Mutter zu gut erzogen.

„Ihr solltet euch genau überlegen, was ihr sagt. Mit Damen redet man nicht so.“ Bedrohlich fixierte ich die Burschen.

„Wieso Damen? Ich sehe hier nur billige Flittchen, die mal gehörig durchgenommen werden sollten. Bis sie nicht mehr laufen können.“ Wieder schallendes Gelächter an dem Tisch.

„Nur keine Aufregung, Marv. Ruhig Blut. Mach dir an denen nicht die Finger schmutzig. Hier, das geht aufs Haus.“ Die gute, alte Josie stellte mir eine Flasche des besten Whiskeys hin. Sie wusste genau, dass diese Schnösel mindestens im Krankenhaus landen würden, wenn ich mit ihnen fertig war.

Trotzdem konnte ich es nicht dabei belassen. Der Whiskey würde nachher immer noch schmecken. Langsam erhob ich mich und schlenderte zu ihrem Tisch herüber.

„Wenn ihr nicht wisst, wie man sich in Gegenwart von Damen benehmen soll, dann solltet ihr schleunigst bessere Manieren lernen.“ Ich stütze mich auf ihren Tisch, dass das Holz knarrte, und schaute jedem Einzelnen ins Gesicht. „Und bis ihr die gelernt habt, solltet ihr lieber aus dem Club verschwinden. Ansonsten werde ich die euch nämlich beibringen, verstanden?“ In ihren Blicken spiegelte sich Entsetzen, als sie in mein vernarbtes Gesicht sahen. Ein hünenhafter Kerl mit meinem blendenden Aussehen flößte jedem Respekt ein. „Ich werde jetzt wieder zurück zur Bar gehen und in Ruhe die Show ansehen, bis dahin seid ihr verschwunden.“

Noch bevor ich den Whiskey in mein Glas geschüttet hatte, war der Tisch an der Bühne leer.
 

Die Flasche Whiskey war komplett ausgeleert. Ein Bier war dem nächsten gefolgt. Shellie und Josie hatten immer für Nachschub gesorgt. Nancy’s Tanz war auch schon lange vorbei. Die engelsgleiche Tänzerin hatte sich ihren Feierabend redlich verdient. Nach und nach leerte sich der Club und auch ich machte mich auf den Heimweg.

Eigentlich war es eine typische Samstagnacht. Auf den Straßen Sin Citys waren noch vereinzelt Leute unterwegs, zogen von einer Kneipe zur anderen. Als ich in eine dunkle Seitenstraße bog, hörte ich das Scheppern von Mülltonnen. Eigentlich kein ungewöhnliches Geräusch. Aber sofort folgte der erstickte Schrei einer Frau. Ich beschleunigte meine Schritte.

Auf einem abgelegenen Hinterhof fand ich sie. Ein Bursche drückte eine Frau zu Boden und hielt ihr ein Messer an die Kehle, während seine Freunde ihn anfeuerten. Das fahle Licht einer Laterne fiel auf das angstverzerrte Gesicht der Frau. Es war Nancy.

Die vier Schnösel waren ihr vom Club aus gefolgt, hatten sie hierher gehetzt und überwältigt. Beim Anblick der sonst so engelsgleichen Nancy setzte etwas bei mir aus.

„Hatte ich euch verdammten Idioten nicht gesagt, dass ihr erst Manieren lernen solltet? Lasst sie sofort los!“ Wozu leise anschleichen, wenn es sowieso laut werden würde? Diese Kerle sollten dafür büßen, diesen Engel auch nur angefasst zu haben.

„Marv…“ Nancys rehbraune Augen sahen mich erleichtert an. Sie zitterte am ganzen Körper.

Der Typ, der sie zu Boden gedrückt hatte, erhob sich langsam und ließ die Klinge seines Messers im matten Licht aufblitzen. „Hey Hackfresse, misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen. Du verdirbst uns unseren Spaß.“

Auch seine Kollegen zogen Messer aus ihren Taschen und funkelten mich angriffslustig an. Vier gegen einen. Das schien fair für mich. Okay, sie hatten Messer, also hatten sie wenigstens die Spur einer Chance. Gladys hatte ich dieses Mal zu Hause gelassen, schließlich sollte ich mir ja keinen Ärger einhandeln. Außerdem hätte sie die vier Bubis zu schnell davonkommen lassen. Nur vier Schüsse und schon wären sie erledigt. Gladys war immer treffsicher, nicht umsonst hatte ich diesen Colt nach der coolsten Nonne meiner alten Highschool benannt.

Aber mit diesen Kerlen würde ich auch so fertig werden. Solche Knaben verspeiste ich sonst zum Frühstück. Meine stärksten Waffen waren schließlich meine Fäuste. Und die sollten sie zur Genüge kennenlernen.

„Gut, Jüngelchen, dann zeigt mal, was für harte Kerle ihr seid.“ Ein amüsiertes Grinsen huschte über mein Gesicht. Der mit der großen Klappe stürmte als Erstes auf mich zu. Ein harter Schwinger in den Magen stoppte ihn und ließ ihn auf die Knie sinken. Sein Mageninhalt troff auf das schmutzige Pflaster des Hinterhofes.

Tief durchatmen. Nicht zu fest zuschlagen. Sonst würden sie schon aus den Latschen kippen, bevor der Tanz richtig begonnen hatte. Und sie sollten für ihr Verhalten ja ausgiebig bezahlen.

Den Nächsten ließ ich etwas näher an mich ran. Sein Messer zerriss den Ärmel meiner Jacke. Dafür versetzte ich ihm einen Schlag aufs Maul. Seine Lippe platzte auf und er spuckte zwei seiner Zähne aus.

Die beiden Letzten stürzten sich gemeinsam auf mich. Ruhig bleiben. Den Messern ausweichen. Immer die Oberhand behalten. Ein Tritt in die Weichteile und der Nächste sank wimmernd zu Boden. Ein leichter Kinnhaken und wieder war einer ausgeknockt. Eigentlich hatte ich ein bisschen mehr von ihnen erwartet.

Das Großmaul wischte sich die Kotze vom Mundwinkel. Anscheinend hatte er noch nicht genug. Langsam rappelte er sich wieder auf. Dann steckte doch mehr in diesen Burschenschaftsbürschchen, als ich vermutet hatte. Wütend schwang er sein Messer und rannte auf mich zu. Kein Funken von Selbstdisziplin. Er hieb mit dem Messer um sich, als würde er die Luft in Scheiben schneiden wollen. Die Klinge kratzte nicht einmal meine Haut an.

Donnernd rammte ich ihm die Faust ins Gesicht. Es knirschte unter meinen Fingerknöcheln. Seine hübsche, kleine Visage war nun eher ein blutiger Brei. Die Schnabeltasse würde er jetzt nicht einmal mehr gebrauchen können. Mit etwas Glück könnte er Suppe durch einen Strohhalm schlürfen. Er schrie vor Schmerzen und krümmte sich am Boden.

„Na, wer von uns beiden hat denn jetzt eine Hackfresse?“

Seine beiden Freunde, die noch stehen konnten, mobilisierten noch einmal ihre Kräfte. Den einen wischte ich mit einer Handbewegung zur Seite, dass er krachend gegen die Hofmauer schlug. Ich konnte genau das Knacken seiner Rippen hören.

Drei am Boden, nur noch einer im Ring. Zugegeben für so einen Verbindungshaustypen ein etwas bulliger Kerl. Vielleicht ein Footballspieler. Zumindest hatte er es gut weggescheckt, als ich ihm die Zähne ausschlagen hatte.

Abwarten. Nicht zu früh zuschlagen, sonst wäre der Spaß schon vorbei. Ruhig etwas rankommen lassen. Bevor er mit dem Messer wirklich zustoßen konnte, schlug ich hart gegen seinen Brustkorb. Für einen Moment war alle Luft aus seinen Lungen gedrückt. Japsend ging er zu Boden.

„Ist ja 'n echt schicker Mantel, den du da an hast.“ Langsam zog ich meine zerfledderte Jacke aus und packte den Burschen am Kragen. „Viel zu schade für dich. Sehen wir es mal als Wiedergutmachung für meine kaputte Jacke an, okay?“

Der Mantel passte perfekt. Gut, dass nicht das schmächtige Großmaul so einen schönen Mantel anhatte.

„Von nun an macht ihr einen großen Bogen um das Kadie’s, kapiert? Solltet ihr noch einmal eine der Ladys auch nur schräg angucken, werde ich auf euch zurückkommen. Und dann endet das Ganze nicht nur mit einem simplen Krankenhausaufenthalt für euch.“ Der Kerl nickte nur und ich ließ seinen Kragen wieder los.

Nancy hatte sich in die Ecke des Hinterhofes verkrochen. Sie sah noch immer verängstigt aus, aber sie zitterte nicht mehr. Langsam ging ich auf sie zu und hielt ihr meine Hand hin.

„Alles klar mit dir, Nancy?“

Der Blick ihrer rehbraunen Augen flackerte kurz, dann nickte sie und legte ihr schmale, kleine Hand in meine riesige, vernarbte Pranke. „Danke, Marv. Du hast mich echt gerettet.“ Ein Lächeln huschte über ihre roten, vollkommenen Lippen. Nancy, die engelsgleiche Nancy, lächelte in diesem Moment nur für mich.

„Kein Problem, Nancy. Wenn dir noch mal jemand Schwierigkeiten macht, sag mir Bescheid.“ Vorsichtig half ich ihr auf und führte sie fort von dem dunklen Hinterhof. Für die vier Burschen würde schon irgendjemand einen Krankenwagen rufen.

„Das werd ich, Marv, das werd ich. Bringst du mich nach Hause? Ich hab noch ein paar Flaschen Bier im Kühlschrank.“

Langsam schlenderte ich neben dem Engel durch die Nacht. Solange ich da sein würde, sollte niemand mehr Hand an dieses makellose, engelsgleiche Geschöpf legen. Dafür würde ich schon sorgen.
 

Je schöner die Ladys sind, desto schneller geraten sie in Schwierigkeiten. Aber oft genug haben sie einen hünenhaften, vernarbten Riesen als Bodyguard. Ein falscher Schritt und du handelst dir mit ihm gewaltigen Ärger ein. Denn Sin City ist ein verdammt heißes Pflaster.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shiza-Chan
2010-08-04T04:00:44+00:00 04.08.2010 06:00
Wow, hab den Film eben gesehen und Spontan nach FFs zu dem Thema hier gesucht. Muss sagen, mich wunderts das es noch keine Kommis zu dem grandiosen Oneshot gab. Könnte glatt eine der Kurzgeschichten des Films selber sein. Marv haste richtig toll hinbekommen, er ist wirklich richtig Ic, schade das es nur ein Oneshot war :3


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